Von Juden und einzelnen Lügen

Alex Bein schreibt in seiner Geschichte der Judenfrage kurz und bündig und in fester Überzeugung, „marrano“ bedeute auf Spanisch Schwein. Tatsächlich heißt das liebe Tier im Spanischen „cerdo“, auf Portugiesisch heißt es „porco“. Das Wort „marrano“ gibt es originär im Spanischen nicht. In “Google/Wikipedia“ kann man trotzdem lesen:

„Marranos, auch Conversos oder Neuchristen (spanisch cristianos nuevos, portugiesisch cristãos-novos), sind iberische Juden und deren Nachkommen, die unter Zwang oder schwerem Druck zum Christentum bekehrt wurden. Oft wurde ihnen vorgeworfen, als Kryptojuden weiterhin jüdische Riten zu praktizieren. Der Begriff tauchte erstmals im spätmittelalterlichen Spanien auf.[1]…. Forscher, wie Benzion Netanjahu, Yirmiyahu Yovel, Cecil Roth, N. Wachtel und die französische Schule, verwenden das Wort als Oberbegriff für alle judeoconversos iberischer Abstammung.[3] Nicht wenige Historiker vermeiden den Ausdruck wegen seiner Unbestimmtheit und seiner Herkunft aus der judenfeindlichen Vulgärsprache….. Sie meinen, marrano bzw. marrão leite sich ….. aus dem Arabischen her, vom Adjektiv muharram,[5] das auf religiöse Verbote verweist und im konkreten Kontext in der anathematischen Bedeutung von „(von Gott) verflucht, exkommuniziert“ interpretiert wird.[6] Andere Deutungen verweisen auf das spätarabischen Wort barrānī[7] für „Fremder, Außenseiter“[8] oder das arabische Verb marana[9] (biegsam, anpassungsfähig sein).[10] Einige führen Marrane auf das hebräische Wort mar’it ayin (Augenschein, Trugbild) zurück, da die Marranen augenscheinlich Christen waren, doch im Geheimen Juden blieben, oder auf Hebräisch mochoram (verbannt, verboten), das mit dem oben genannten arabischen muḥarram verwandt ist.[11] Nach einer anderen Deutung stammt der Begriff vom aramäischen maran atha (Unser Herr ist gekommen) oder mar anus und bar anus (gezwungener Herr oder Mann bzw. Sohn eines Gezwungenen)…. (blabla)…!

Natürlich ist „marrano“ ein Pejorativ. Das Wort wurde gefunden, wie man im Deutschen für den Polen „Polacke“ sagt. Der Pole selbst nennt sich „Polak“. Ersetzt der Deutsche das Wort „Pole“ durch Polacke, meint er den Polen der unteren sozialen Schichten.Ähnliche Übernahmen sind der „Kanake“ vom Südpazifik, wo Kanake „Mensch“ bedeutet. Der „Franzose“, der eigentlich „Frankreicher“ heißen müsste, leitet sich von alt-französischen „francois“ ab. Im Spanischen ist das nicht anders. Marrano ist der Mann, der seinen jüdischen Sabbattischgenossen mit „Birschut maranan“ oder Sawri maranan“ zuprostet. „Maranan“ heißt „Meine Herren“.  Nix Herkunft vom Arabischen oder noch gekünsteltere Konstruktionen. Der Marrane ist der falsche Christ, der in Wirklichkeit ein Jude ist.

Warum schreiben dann profilierte jüdische Autoren, die sich jede Woche mit „Birschut maranan“ oder Sawri maranan“ zuprosten, einen derartigen Unsinn vom Schwein? Offenbar, weil für den Juden ein Marrane ein „Schwein sei. „Die Spanier“ hatten probate Mittel, einen Verdacht auf Judaisieren zu zerstreuen. Der Neuchrist musste als Schweinefleisch verzehren (Serano-Schinken, Pata Negra), eine köstliche Speise, die den abergläubischen Juden so verboten ist wie Hasenbraten, Schalentiere, Muscheln, Austern und sogar Hülsenfrüchte an Pascha. Wer sich also auch von Schweinefleisch ernähren kann, kann kein verkappter Jude sein. Der christliche Speisezettel bewies es. Ganz abgesehen davon ist es sehr unwahrscheinlich, dass sephardische Juden an den westlichen Mittelmeerküsten nicht „frutti del mare“ genossen hätten. Die aschkenasischen Juden haben natürlich keine Austern gegessen, schon weil sie solche in den Weiten Litauens gar nicht hatten. Und so kann man unterstellen, dass die „marrano- Lüge“ vom Schwein auch eine aschkenasische ist.

Bei dieser Gelegenheit: Die Mehrheit der spanischen Juden ließ sich nach den Unruhen von 1391 taufen.  Die Minderheit, die am jüdischen Aberglauben festhielt, wurde 1492 amtlich vor die Wahl der Taufe oder der Auswanderung gestellt. Während des 19. Jahrhunderts bevorzugten Bürger von jüdischen Eltern in Deutschland die Konfessionslosigkeit. Damals, 1492 war Religion noch Staatskult des Landes, zu dem man sich bekennen sollte. Die Auseinandersetzung mit der moslemischen Staatenwelt verlangte auch von Juden ein eindeutiges Bekenntnis. Taufe bedeutet nicht zwangsweise „glauben“. Man schätzt, dass noch 80.000 Juden auswanderten. Einige „flüchteten“ sich zu den Glaubensgenossen nach Marokko, von wo sie alsbald reuig zurückkehrten. Den Juden dort ging es sozial noch schlechter als denen in Spanien. Es ging Juden noch im 19. Jahrhundert unter Arabern so schlecht, dass 1870 der französische Justizminister Adolphe Cremieux  allen Juden Algeriens auf Antrag die französische Staatsbürgerschaft verlieh.

Die sephardischen Juden sind in der Zeit zwischen 1492 und 1870 in den romanischen Ländern gut integriert (nicht wie im aschkenasischen Raum „assimiliert“) worden. Eric Zemmour, der jüdische Präsidentschaftskandidat, konnte im Wahlkampf behaupten, Marschall Philipp Petain habe „die französischen Juden“ vor den Deutschen gerettet. Alain Finkielstein bestätigt dies. „Frankreich“ lieferte den Deutschen „zwecks Umsiedlung“ die Juden mit deutsch klingenden Namen aus. Unter diesen war die Halbjüdin Fania Goldstein (Fenelon), deren Mutter Bernier hieß, die also im aschkenasisch- halachischem Sinn gar keine Jüdin war. In Schicksal wurde verfilmt (playing for time). Das zeigt, dass „man“ in Frankreich schon vor der der Revolution von 1789 zu den (sephardischen) Juden ein zivilisiertes Verhältnis hatte. So wurden die „Neuchristen“ aus Bordeaux, die dort als „Portugiesen“ ihr jüdisches Leben praktizierten, durch jüdische Abgeordnete in der Nationalversammlung vertreten. Den Frieden störten nur die Juden aus dem Elsaß und aus Metz. Wer auf einen französischen Friedhof geht und jüdische Gräber betrachtet, sieht, dass auch die Juden die Verstorbenen durch Fotografien in Erinnerung halten. Im aschkenasischen Raum würden Steine fliegen.

Woher kommt also das deutsche Problem mit den Juden oder das jüdische Problem mit den Deutschen, das (nach Alex Bein) sich nach 1879 mit dem klassischen Antisemitismus artikulierte? Wahrscheinlich liegt das Problem darin, dass der Raum des „deutschen“ (aschkenasischen) Judentums weit über die Grenzen des germano-deutschen Raums hinausreicht. Selbst heute gehörte der Moskauer Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt zu „unserem“ Judentum. ER erscheint genauso, wie Heinrich Graetz die Juden des Ostens beschreibt. Genau diese Problematik sah Heinrich v Treitschke. Jeder Reform-Rabbiner konnte sofort nach seinen Reformversuchen durch einen konservativen Rabbiner aus dem Osten ersetzt werden. Das aschkenasische Judentum hatte ein retardierendes Moment, weswegen sich auch große Persönlichkeiten (z.B. Sigmund Freud) von ihm abwandten. Arthur Ruppin (in: Soziologie der Juden) zählt jüdische Persönlichkeiten auf, mit denen er die Bedeutung des Judentums unterstreichen will. Die Hälfte dieser Leute sind schon zu Ruppins Zeiten vom Judentum abgefallen. Man kann annehmen, das, wenn es ein aschkenasisches Judentum gegeben hätte, dessen Raum sich mit dem des Deutschtums gedeckt hätte, dieses „untergegangen“ (Felix Theilhaber) oder in die deutsche Gesellschaft so integriert worden wäre wie das sephardische Judentum in Frankreich, Spanien oder Italien. Die faschistische Partei Mussolinis ist von vielen Juden mitgegründet worden, mehrere Juden hatten in der Zeit des Faschismus vor dem Stahlpakt mit Deutschland hohe Regierungsämter inne.   Das Judenproblem ist also gar kein jüdisches, sondern ein aschkenasisches. Das erweist sich auch in der Behauptung der Ostjuden, dass Marranen „Schweine“ seien.

von Lobenstein, 19.08.2023

 

 

 

Michael Wolffsohn und sein ”vermeintlicher Jude“ Fabian Wolff

Vorab sollte man wissen: das Christentum mit seinen Vorschriften und Dogmen hatte den Sinn, die weltliche Herrschaft des Römischen Kaisers religiös zu legitimieren. Zuletzt musste jeder zum Christen werden: Ein Gott, ein Reich, ein Kaiser. Bei den Juden war es umgekehrt: die Rabbinen ersannen unsinnige, unnütze und abstoßende Vorschriften zum Schutz der biblischen Vorschriften, um das abergläubische Volk als solches strenger durch die Zeit bis zum Erscheinen des Messias identisch zu erhalten. Viele wurden trotzdem abtrünnig, wenige stießen hinzu. Das Römische Reich zählte zur Zeit des Kaisers Augustus 55 Millionen Einwohner (inklusive Nordafrika und Ägypten), worunter 4,5 Millionen Juden waren. Heute schätzt man die Juden auf 14 Millionen Menschen einschließlich derer in den USA, aber die Länder auf dem Gebiet des Römischen Reichs dürften heute zusammen mehr als 300 Millionen Einwohner haben. Der Anteil der jüdischen Bevölkerung ist also von 8% auf 0,3 % – einschließlich der Juden in Israel – zurückgegangen.

Wieso diskutiert man dann überhaupt so viel über jüdische Dinge, wenn sich schon die Juden kaum dafür interessieren? Jedenfalls in Deutschland tut man es mit Leidenschaft: Jews sell, sagt Michael Wolffsohn. Deutschland wurde in 2 Kriegen vom Westen niedergemacht, und ist zu einem halbsouveränen US-Vasallenstaat degradiert worden. Das Wohlwollen seines amerikanischen Lehensherrn hängt von einer anti-nationalsozialistischen Haltung ab. Nun ist aber Deutschland ziemlich sozialistisch; seine Sozialgesetze, Einheitsgewerkschaften, ja sogar seine ganze Verwaltung wurzeln in der nationalsozialistischen Vorkriegszeit. Über die braunen Wurzeln des BKA schreibt Dieter Schenk ein ganzes Buch. Nationalistisch ist Deutschland auch, was man alle 2 Jahre durch den Fußball vor Augen geführt bekommt. Die zuverlässigste Methode, den Amerikanern eine Abkehr vom Denken früherer Zeiten vorzustellen, ist die Pflege von jüdischem Leben in Deutschland. Ursprünglich hatte man nur 30.000 Juden sozial zu bemuttern, durch die Auflösung der Sowjetunion sind nach Berechnungen von Charlotte Knobloch sogar 200.000 Juden nach Deutschland zugewandert. Ein Drittel von ihnen hat sich bei den Gemeinden immatrikuliert. Da kann man schon schöne Synagogen bauen und den Amerikanern etwas vorstellen. Peinlich ist es nur, wenn die Heiligen Kühe der deutschen Politik untereinander in Streit geraten. Und noch peinlicher wird es, wenn ein Streit ausgetragen wird, der nach amerikanischen Regeln für das Judentum anders zu entscheiden wäre als nach den Vorstellungen der konservativen Fraktionen in Israel. Den letzteren hat sich die deutsche Szenerie verpflichtet.

1.

Der große Michael Wolffsohn schreibt in der NZZ (27.7.23), er sei „Fabian“ Wolff nie begegnet. „Fabian“ habe auf zeit-online in Form eines Essays dargestellt, er sei „doch kein Jude“. Ist das nun gut oder schlecht? Die Verhältnisse von 1933 unterstellt, könnte man „Fabian“ dem jüdischen Kulturkreis   – wenigstens auf Zeit –  zuordnen. Er könnte als Geltungsjude angesehen werden. Denn für einen nicht-religiösen gibt es keinen Weg in die jüdische Gesellschaft ohne jüdische Mutter. Aber was macht ein jüdisch Bemutterter ohne Glauben in der jüdischen Gesellschaft? Man, d.h. die Deutschen, würden ihn aus höheren Funktionen entlassen haben. Warum aber schreibt dann Wolffsohn gegen den „Geltungsjuden“ Fabian einen Artikel in der NZZ? Man sollte erwarten, dass Wolffsohn ihm schriebe „lieber Fabian, selbst wenn dir eine halachische Ahnfrau fehlt, fühle dich in unserem Kulturkreis willkommen. Aber so ist es nicht. Fabian gehört nicht mehr zum auserwählten Volk und die Linke hat einen Anhänger ohne jüdisches Etikett mehr. Das wirft mehrere theoretische Fragen aus der immer noch latent präsenten Vergangenheit auf. Eine Frage erinnert an den Autor Max Czollek, dem Maxim Biller vorwarf, halachisch gesehen kein Jude zu sein, was den großen Vorsitzenden Josef Schuster motivierte, nachzutreten und zu erklären, Czollek „segle (oder segelte) unter falscher Flagge“. „Fabian“ hat seinen halachischen Wimpel selbst eingeholt, was Wolffsohn zu freuen scheint, weil Fabian zuvor der „stets antisemitischen Linken als Vorzeigejude gedient hätte“. Für Wolffsohn ist die diffuse Linke defacto antisemitisch, weil sie auch linke Palästinenser unterstützt. Dabei tobt gerade in Israel ein Richtungsstreit. Darf es denn keine Linke geben, die in antikolonialistischer Tradition die Verhältnisse in Israel anders wertet als die frommen Siedler im Westjordanland? Sind diese Leute gleich als „Antisemiten“ auszugrenzen? Wolffsohn sieht es so, denn wie „jeder anständige Antisemit seine besten jüdischen Freunde habe“, berufen sich Halb- und Vollantisemiten gerne auf die Meinung eines Juden, der sie in der Kritik jüdischen Lebens stützt. Das schützt vor einem plumpen Vorwurf des Antisemitismus. Damit räumt der Historiker Wolffsohn ein, dass wir politisch wieder im frühen Mittelalter gelandet sind. „Damals verbarg man einen originellen Gedanken, indem man ihn mit einer anerkannten Autorität belegte. Jeder intellektuelle Revolutionär versuchte zu beweisen, dass er „nur die Stimme der Tradition zur Geltung bringe“ (Kurt Flasch in: Einführung in die Philosophie des Mittelalters). Wer über Juden spricht, bedarf der Legitimation eines wenigstens vermeintlichen Juden. Nur dieser besitzt das angeborene Recht der Meinungsfreiheit zu jüdischen Themen. Der sekundierende Jude kann objektiv kein echter Antisemit sein. Wenn man sogar etwas Heterodoxes zu Juden, Auschwitz, Halacha oder Israel äußern will, versichere man sich vorab eines Juden, der die Meinung mitvertreten will. Dafür gibt es ein Reservoir von Jüdischen Gelehrten und Autoren. Wie viele es gibt, lässt sich abschätzen. Wenn sich die Bevölkerung auf dem Gebiet des Römischen Reichs versechsfacht hat, dann müsste es heute 27 Millionen Juden geben. Jeder zweite als Kleinkind beschnitte Jude hat sich also vom unsinnigen, nutzlosen und abstoßenden Kodex der Rabbiner abgewandt. Für jeden Juden gibt es also auch einen Nicht-Mehr-Juden. Wenn man keine Bücher besitzt, dann findet man lebende Juden mit „antisemitischer“ Auffassung (nach jüdischer Wertung). Alles ist unter Gottes Sonne vorhanden.

Fazit:

Trotzdem ist nicht jeder Jude für jedes Argument gut oder für jeden Zweck geeignet, aber für jeden Zweck lässt sich ein Jude finden. Das war schon immer so: Die barocken Fürsten hatten ihre Hofjuden, die Kirche ihre ex-jüdischen Konvertiten, die Hamburger Kaufleute ihre portugiesischen Juden zur Belebung ihres Handels, die Bundeswehr hatte Michael Wolffsohn für den Geschichtsunterricht,  und selbst zur banalen Armee lassen sich Juden einziehen. Gut 100.000 kämpften für das kaiserliche Deutschland, wobei man nicht weiß, wie viele russische Juden von ihnen bekämpft und niedergemetzelt worden sind. Juden sind national und international ubiquitär, wie es Arthur Ruppin (in: Soziologie der Juden) beschreibt. Eine Überlegungsebene höher: Juden sind Menschen wie Du und ich; man trifft sie auf rechtsradikaler Seite (Ajelet Shani: Neo-Nazi-Minister in Israel) wie auf der linken, wo sie Israel als Apartheid- und Kolonialstaat „bashen“. Die nach Shani vermeintlichen „Neo-Nazi-Minister sind natürlich keine Neo-Nazis, sondern eher erzreaktionäre Kirchenstaatler. Kann man JudKluxClan sagen? Egal! Insgesamt sind die Erscheinungen des realen Judentums so vielfältig, dass die verwendeten Schablonen aus der Zeit von Adolfs Großmutter nicht mehr passen. Trödeljuden, jüdische Hausierer und jüdische Wucherer findet man heute nicht mehr, Zuckmayers Herrenschneider Wormser ist durch Schneider aus Asien verdrängt..

Man könnte angesichts dieser Zeitenwende experimentell versuchen, an Michael Wolffsohn die alte Schablone „Antisemit“ anzulegen. Etwas antiquiert ist er schließlich. Es kommt darauf an, wie man „Antisemit“ definiert. Gilead Atzmon meint, jeder sei Antisemit, der das Missfallen eines Juden errege. So weit wollen wir nicht gehen, denn dann wären quasi alle Leute individuelle Antisemiten. Heute gibt es christliche Zionisten, die dennoch als „selektive Antisemiten“ (wie den Antisemitismusbeauftragten Michael Blume) beschimpft werden darf. Berüchtigte Antisemiten (wie den jüdischen Autor Josef Ginsburg), der schon 1980 von Zion-Nazis schrieb, jüdische Antisemiten (wie Maximilian Harden) als „Selbsthasser“ von Theodor Lessing diskreditiert, und vor allem israelbezogene Antisemiten (von denen es heute wimmelt). Aber wir wollen eine klassische Schablone verwenden; voilà: die klassischen Antisemiten hatten es praktikabel gemacht; sie sprachen vom „Nicht-Arier“. Erst die Nürnberger Gesetze definierten den Juden:

mindestens 3 volljüdische Großelternteile. Volljüdisch! Nota bene. Waren etwa zwei der Großeltern keine Volljuden, also Leute mit weniger als 3 wiederum volljüdischen (Urur-)Großelternteilen, konnte es kompliziert werden.

Sigmund Freud sagte richtig: Nie zuvor hatte ein Staat seine Bürger wegen ihrer Abstammung verfolgt. Das war die Revolution: Es war quasi verboten, mehr als 2 jüdische Großelternteile zu haben. Die Feindschaft dabei richtete sich nicht gegen Semiten, sondern gegen „Juden“. Der wahre Antisemit Theodor Fritsch (+ 1933) hielt den Begriff „Antisemit“ in diesem Zusammenhang für unglücklich gewählt. Er stammt vom Radau-Antisemiten Wilhelm Marr. Fritsch seziert genauer: „die Juden“ seien zu 90% Aschkenasen (nach Arthur Ruppin zu 92%) und wären daher keine (edlen) Semiten (wie die arabischen Beduinen), sondern eine vorderasiatisch- mediterrane Mischrasse (ähnlich Arthur Ruppin). Tadelt Wolffsohn die israelische Regierung wegen der Behandlung der „semitischen“ Edel-Palästinenser? Nein. Er nimmt eher billigend in Kauf, was dort von den Angehörigen der vorderasiatisch-mediterranen Mischrasse veranstaltet wird, weil der Staat Israel „die Lebensversicherung aller Juden“ sonst wo auf der Welt sei.

Peinlich an der Sache für Wolffsohn ist nur, dass „die Juden“ vor dem Ersten Weltkrieg die Einwanderung nach den USA favorisierten. Nach Arthur Ruppin seien 3 ½ Millionen Juden in die USA emigriert, während die englische Kolonialverwaltung 1919 in Palästina nur auf 80.000 Juden stieß (vgl. Adolf Böhm in: Die zionistische Bewegung). Diese Zahl hatte sich bis 1948 zur Unabhängigkeit Israels verzehnfacht, aber Dank des nationalsozialistischen Terrors, der zeitweise auch die Einwanderung nach Palästina wohlwollend begünstigte durch ein Haavara-Abkommen.

Und auch das passt nicht ganz zur Sicht von Michael Wolffsohn. Denn in Israel sind nicht 92% der Juden Aschkenasim, sondern eher nur die Hälfte. Deswegen nennt Wolffsohn die derzeitige israelische Regierung eine „Alptraumkoalition“, deren „Chauvinisten und orthodoxen Fundamentalisten“ aus sephardischen und orientalischen Kreisen erwuchs. Mit welchem Recht nennt Wolffsohn die heutige Knessetmehrheit einen „Albtraum“? Die Sephardim und Mizrachim legitimieren die Existenz Israels mehr als die Aschkenasim: erste sind wirklich europäische Kolonialisten, während die „Mizrachim“ von den Arabern aus allen möglichen arabischen Ländern nach Palästina vertrieben und zwangsumgesiedelt wurden. Wolffsohn ein antisephardisch- selektiver Antisemit? Schaut ganz so aus.

Was Wolffsohn von sich gibt, passt auch sonst nicht in die Realität der heutigen Verhältnisse. Denn es stellen eher die 5 Millionen amerikanischer Juden eine Lebensversicherung für Israel als Israel eine für die Banu Ze´evs; aber wie steht Wolffsohn zu den Juden in Amerika? Er spricht über diese kein Wort. Also noch eine selektiv antisemitische Komponente?

Trotzdem lässt sich viel aus seinen Erklärungen auf Amerikas Juden beziehen.

Für den positiven Antisemitismustest Wolffsohns spricht seine Billigung der Ausgrenzung nicht-halachischer Juden aus der jüdischen Schicksals-Gemeinschaft. Vermeintlicher Jude? Irgendeinen jüdischen Vorfahren wird jeder haben, wenn er seine Ahnengalerie um 1750 in der Breite zustande bringt. Während das israelische Rückkehrgesetz noch einem „Mischling 2. Grades“ (nach Nürnberger Gesetzen) die Heimkehr ins Land der Lebensversicherung erlaubt, wollen Wolffsohn und Biller nicht nur die fast-arischen Vaterjuden, sondern auch „Nürnberger“ Juden abbeißen, denen die jüdische Großmutter mütterlicherseits fehlt. Hier entdeckt man eine Gemeinsamkeit mit den Antisemiten der kaiserlichen Vorkriegszeit: Denn ein klassischer Antisemit (z.B. Gerhard Kittel) lehnte besonders die getauften, die konfessionslosen, die „nicht-jüdischen Juden“ (Isaac Deutscher), die Friedhofsjuden (David Farbstein) oder „Nicht-Mehr-Juden“, Halb- und Vierteljuden für die christliche Gesellschaft ab. Jüdische Autoren nennen sie verächtlich „Täuflinge“ (auch wenn sie bereits getauft sind), und Wolffsohn behauptet, Heinrich Heine habe „seine Taufe bitter bereut“. Das kann nicht ganz stimmen, denn Heine kehrte nicht in die jüdische Welt zurück, die ihm wie den getauften Marranen in Bordeaux und Amsterdam stets offenstand. Die „Täuflinge“ (Konvertiten, Neuchristen) wirkten nach traditionell-antisemitischer Vorstellung destruktiv auf die Limpiezza der aufnehmenden Rasse. Diese Ansicht ist natürlich Unsinn, aber sie wird reziprok von Juden auch vertreten: Ruppin meint, die Lockerung der sittlichen Verhältnisse habe neue jüdische Typen zeugen lassen. Kittel meinte als Antisemit, man müsse „die Juden“ zwingen, ihre Gebote wirklich einzuhalten, um ihnen den Wunsch nach Assimilation zu vereiteln. Auf diese Weise würde auch die Entstehung „neuer jüdischer Typen“ (Ruppin) vermieden werden und es gäbe auch keine „Nicht-Juden“ wie „Fabian“. Houston Stuart Chamberlain nannte die abtrünnigen Juden und deren Nachkommen „Judenstämmlinge“. Der wahre Antisemit hasst also die Mischlinge, denen Wolffsohn auch seinerseits einen Fußtritt versetzt.

Wolffsohn steht damit nicht allein; inzwischen treten auch andere nach: sie sprechen von „Kostümjuden“ (Barbara Steiner); aber rein halachisch gesehen, wenn Fabians mütterliche Ahnereihe stimmt und seine Ur-Ur-Großmutter Jüdin wäre, dann wäre er doch Jude, so wie ein Adliger einen Adelstitel führen kann, auch wenn sein Ur-Ur-Großvater das letzte Mal standesgemäß geheiratet hätte. Das Judentum ist nämlich seit der Neuzeit ziemlich herabgekommen (Heinrich Graetz), so dass es viele „Täuflinge“ verloren hat. Nach Auffassung vieler Rabbiner ändert aber die Taufe nichts an der Zugehörigkeit zum Judentum.

Hier haben wir also eine Nahtstelle von jüdischen Chauvinisten (Zionisten) und antisemitischen „Nazis“. Hier saugte Wolffsohn rassistisches Gedankengut ein und spuckt es in hebräischen Runen wieder aus. An der Mischlingsgrenze begegnen sich diese Radikalen von Blut, Tradition und Kultpflege wohlwollend. Die halachische Frage, die ein Dr. Josef Schuster und ein Maxim Biller gegen einen Mischling wie Max Czollek ausspielen, hat ein rassistisches Moment, auch wenn es religiös unterlegt wird. Das Hauptargument in der Literatur gegen die fehlende jüdische Großmutter ist ein rein hausfrauliches. Es ist so albern wie die Behauptung, dass das Schwein Trichinen habe, um es vom jüdischen Speisezettel zu verbannen. Ohne jüdische Mutter bestünde die Gefahr, dass die jüdische Familie ihr Lammkotelett in einer Pfanne zubereitet bekommt, in der anderntags Rühreier in Sahne geschlagen wurden. Nur haben heute die wenigstens Juden in ihren minimalistischen Küchen die halachische Anzahl von Kochtöpfen. Die jüdischen Kochtöpfe haben den eingangs beschriebenen Sinn, potentielle Proselyten abzuschrecken.

Facit:  Michael Wolffsohn ist nicht wirklich Antisemit, aber er begünstigt diesen selektiv, allerdings unabsichtlich, we suppose.

2.

Es ist an der Zeit, Begriffe wie „Jude“ aus dem geistigen Ghetto herauszuführen und „Antisemit“ als geschichtliche Einstellung ad acta zu legen, weil ihnen heute der reale Boden fehlt. Der Jude von heute ist in Europa nicht mehr so jüdisch wie es der Jude von gestern war. Man muss schon „Ultra“ sein, wenn man den Kern des Judentums für weitere tausend Jahre sichern will. Moshe Zuckermann beklagt, dass „Ultras“ schon mit knapp 30 Jahren 10 Kinder haben und sich in Israel vom Staat unterhalten lassen. Lenin würde von einer „Abstimmung mit der Gebärmutter“ sprechen. In den USA, so stellte Carlo Strenger fest, wo die „Ultras“ nicht die Szene beherrschen, würde der Bestand der jüdischen Gesellschaft nach halachischen Prinzipien binnen zweier Generationen auf 13% der heutigen Stärke reduziert werden. Das US-Judentum leitet sein Selbstbewusstsein nicht mehr von der Halacha und der Gebärfähigkeit seiner Damenwelt her ab, aber es stellt die reale „Lebensversicherung für die Juden der Welt“ dar. Soll man sie vergraetzen wie es einst Ezra und Jeremiah taten? Arthur Ruppin sieht in der Eingehung einer Mischehe das Zeichen des endgültigen Abfalls vom Judentum. Nach Strenger wären also 87% der amerikanischen Juden auf dem Weg des Abfalls. Es ist ganz klar, dass das Judentum zuletzt nur mehr aus Haredim und Chassidim fortdauern könnte, wenn man stur halachisch bleibt. Aber können denn Leute wie Biller und Schuster für ihre nicht-ultrareligiösen Nachkommen späterer Generationen garantieren, dass sie weiterhin jüdisch heiraten? Sogar Moses Mendelsohns Kinder wandten sich vom Judentum ab. Ruppin rühmt die Leistung von Juden wie Baruch Spinoza, der aber mit dem Cherem belegt wurde und konfessionslos war. Er nannte die jüdische Religion einen Aberglauben.  Intellektuell stand Spinoza außerhalb des Judentums. Sogar die katholische Kirche will sich nicht auf Mönche reduziert sehen, sondern lockert ihr Kirchenrecht. Carlo Strenger verwies auf Marc Zuckerberg als Beispiel: Zuckerberg ist mit einer chinesisch-stämmigen Ärztin verheiratet. „Hinter- Asiatinnen“ seien heute vielfach als Ehefrauen von Juden favorisiert. Sollen Zuckerbergs Töchter keine Ehe mit Juden eingehen dürfen? Die alte jüdische Mischrasse entsteht offensichtlich in Amerika in neu gemischter Auflage. In diese Zukunft will man im alten Europa offenbar nicht blicken.

Blicken wir dafür zurück in halachische Zeiten. Heinrich Graetz schreibt, dass „die Juden“ der Barockzeit zu abergläubischen, „kindischen Greisen“ verkommen waren. Geht der Zug des Judentums in diese Zeiten zurück? Diese Zeiten sind heute abgegessen, leben aber im unterbewussten Weltbild der Banu Ze´ev fort; ein Blick zurück zeigt die absurde Einstellung der trotzigen Talmudisten. Zu Zeiten von Johannes Aventinus Turmair (1477 – 1534) war auch die halachische Welt noch in spiritueller Ordnung. Johann Turmair (latinisiert Aventinus ‚der Abensberger‘) gilt als Vater der bayerischen Geschichtsschreibung. In seiner Baierischen Chronik schreibt er (S. 175) an einer Stelle „von den Juden“:

„…. Und während dieser großen Zwietracht des Kaisers [Ludwig der Baier] mit dem Papst meinten die Juden, es wäre vorbei mit dem Römischen Reich und dem ganzen christlichen Glauben, den sie für eitlen Tand halten. Sie glaubten, der Messias werde jetzt kommen. Sie schlossen sich in ganz Deutschland zu einem Bunde gegen die Christen zusammen, entwendeten Hostien und Messwein. … Sie warfen diese in ihre Backöfen und trieben viel Spott mit diesen Dingen. Als dies bekannt wurde, sind die Juden überall verbrannt worden, vornehmlich in Baiern, in Deggendorf (29.9.1337), wo Hartmann von Degenberg Pfleger war. Auch zu Straubing ging es über die Juden her. Nur die Bürger von Wien und Regensburg schützten ihre Juden und retteten sie. Aber in Städten, in denen der einfache Mann über die Juden herfiel, konnte sie niemand retten…“

Ein Dankgebet für die Christen in Regensburg und Wien! Bei Friedrich Frank, (in: „die Kirche und die Juden“) klingt es so:

„….. Zu Deggendorf in Bayern wurden die Juden beschuldigt, sie hätten von einem alten Weibe eine konsekrierte Hostie erkauft, aus welcher sich Blut ergoss, nachdem die erbosten Christenhasser mit Pfriemen hineingestochen hatten. Die Obrigkeit wollte die Sache bedächtlich untersuchen, aber am 29. September 1337 zog Hartmann von Degenberg an der Spitze vieler Bauern des Bayerischen Waldes nach dem Städtchen, und innerhalb einer Stunde waren alle Juden in Deggendorf niedergemetzelt. Herzog Heinrich von Bayern soll die Volksjustiz gebilligt haben. Aus dem Gelde der Erschlagenen soll die noch stehende Kirche der Stadt erbaut sein. Vielerorts in Bayern, bis nach Österreich und Kärnten hinab, wurden damals die Juden verfolgt. Am Rhein dauerte die Verfolgung noch bis zum folgenden Frühjahr fort.

Nach einer Mitteilung des damaligen bayerischen Geschichtsschreibers Aventinus hatte sich infolge des langjährigen Streites, den der römische Kaiser Ludwig der Bayer mit dem Apostolischen Stuhle führte, bei den Juden in Deutschland die Meinung gebildet, das Deutsche Reich und mit ihm das ganze Christentum werde bald untergehen. Der von den Juden erwartete Messias werde nun bald erscheinen. In dieser Hoffnung hätten die Juden in Deutschland einen Geheimbund gegen die Christen geschlossen. Diese Mitteilung dürfte als Hinweis dienen, dass die Niedermetzelei der Juden in Deggendorf und an vielen anderen Orten fortgesetzt wurde ….“

Eine eigentlich vergessene Zeitströmung; aber wenn es heute keine Hostien mehr gibt, pieken nicht einige Juden in andere Dinge hinein? Die NZZ (22.7.23) erinnert, dass der MOSSAD vor 50 Jahren den harmlosen, aus Marokko stammenden Kellner Achmed Bouchiki in Norwegen ermorden ließ. „Der Mossad tötete den falschen Mann“, schreibt das Blatt, aber hätte der Mossad in Lillhammer etwa „den richtigen Mann“ ermorden dürfen? Der russische Geheimdienst macht es genauso und lässt politische Gegner selbst am helllichten Tag im Berliner Tiergarten abknallen. Das ist das gleiche Niveau, fremde Rechtsordnungen zu achten. Diese Morde haben Tradition in Israel: So ermordete der zionistische Geheimdienst in den 20er Jahren den unbequemen Hareden Jakob Israel de Haan. Es ist ja nicht so, dass die Mörder der israelischen Behörde unbekannt geblieben wären. Aber die israelischen Behörden schützen ihre Berufskiller. Sie beschäftigen diese schließlich. Haben „die Nazis“ solches auch gemacht? Jedenfalls wäre ein Vergleich mit Gestapo-Methoden nach heutiger Rechtsprechung unzulässig, weil solche gezielten Morde eigentlich nicht von deutscher Art sind. Aber sowjetische Behörden praktizieren nach der feineren Art die Beseitigung von Gegnern und üben Rache; dem Deutschen ist es nur peinlich etwas über den Fall Nawalmy und seine russischen Freunde zu lesen, weil er an die Ehrlichkeit seiner russischen Partner glauben will. Auch Adolf Eichmann haben die Israelis gegen alles internationale Recht entführt. Jüdische Apologeten behaupten, Eichmann hätte untertauchen können. Das ist reiner Quatsch. Israel hätte begründen müssen, für welche Untaten es Eichmann hätte aburteilen wollen. Ein ordentliches Auslieferungsverfahren hätte kaum ein Todesurteil zugelassen, denn Eichmann persönlich hatte niemanden ermordet.

So praktiziert der israelische Staat seit Jahrzehnten Lynchjustiz, als gäbe es sonst „….  kein Recht, nirgends…“ (Willy Cohn). Es gibt kein Recht im Zusammenhang mit Israel, das Bestand hat, wenn es kritisch wird. Die „Alptraumkoalition“ Wolffsohn´scher Vorstellungen will die israelische Justiz reformieren. War Israel bis eben noch ein Rechtsstaat? Streng genommen nicht. Lea Tzemel nennt sich Rechtsanwältin, die noch nie einen Prozess gewonnen hat. Kunststück, denn sie verteidigt Palästinenser. Und es ist offen, ob Israel durch Netanjahu zum Rechtsstaat wird. Ein Rechtsstaat hält sich an internationales Auslieferungsrecht, was Israel nicht tut. Israel eine Lebensversicherung für alle Juden? Sicher nicht; aber wenigstens für die halachischen? Vertrauen ist gut, besser, wenn es keine Probe aufs Exempel geben wird.

von Lobenstein, 10.08.2023

 

 

Postholocaust und Lösung der Judenfrage im neuen Jahrhundert

2012 sollte Benjamin Netanjahu in der UNO eine Rede halten, schwieg aber eine Minute lang, bevor er bemerkte, man habe 6 Millionen Juden ermordet, und nun dulde die Welt, dass der Iran zu einer Atommacht werde, die Israel vernichten wolle. Der jüdische Staat sei von einem neuen Holocaust bedroht. „Unsere“ Juden in Deutschland, deren kollektives „jüdisches Leben“ die Bundesrepublik fördert (bzw. insezeniere nach Barbara Steiner), verstehen daher jede Kritik an jüdischen Staat als Fortsetzung des Antisemitismus deutscher Tradition.

Tatsächlich war nirgends der Antisemitismus so ausgeprägt wie in Deutschland. Arthur A. Cohen weiß, dass die französischen Juden Franzosen jüdischen Glauben wurden; die Juden Italien gründeten sogar überproportional zum Bevölkerungsanteil die faschistische Partei mit Mussolini, aus der sie erst auf deutschen Druck Ende der 30-er Jahre ausgeschlossen wurden. In Deutschland etablierte sich dagegen schon nach der Reichsgründung eine antisemitische Partei, nach dem Ersten Weltkrieg schlossen staatstragende Verbände ab 1919 jüdische Mitbürger aus. 1923 ließ die Bayerische Staatsregierung die „Ostjuden“ aus Bayern vertreiben. Die deutsch-jüdische Agonie dürften zwei Dinge grundlegend begünstigt haben: Zum einen die fehlende Identität von germano-deutschen und jüdisch-aschkenasischem Lebensraum: das aschkenasische Judentum erstreckte sich weit über Deutschland hinaus und konnte sich von der deutschen Entwicklung abgrenzen. Zum anderen boten im engeren Deutschland die zahlreichen halbsouveränen Territorien den Juden unterschiedliche Lebensbedingungen. Die Reichsstädte schlossen die Juden aus, während Territorien wie Nellenburg Juden gerne aufnahmen. Die Assimilierung fand daher nicht in dem Maße statt wie in Frankreich, wie es Heinrich v. Treitschke beklagte. Vermögenden Juden ging es gut, sie waren „generalprivilegiert“ wie ein preußischer Aristokrat, viele andere lebten arm am Rande des Elends.

Heute sind die „natürlichen Juden“ (Arthur A. Cohen) so gut wie aus dem deutschen Sozialleben verschwunden, die Deutschen haben den aschkenasischen Lebensraum zerstört. Jüdische Präsenz in Restdeutschland drückt sich in sterilen Synagogenbauten, leblosen Mahnmalen und Stolpersteinen aus, die auf sein Verschwinden hinweisen. Es gibt aber noch genug „übernatürliche Juden“ (ders.), die sich zu Wort melden, etwa in der Jüdischen Allgemeinen (12.7.23), die sich über eine spanische Band und deren Song zur Intifada der Araber aufregt:

„ ……  kritisierte ein weiteres Element der SKA-P-Shows: Ein Bandmitglied hatte sich während eines kürzlich erfolgten Konzertes in Augsburg als »Zigeunerin mit Glaskugel« verkleidet und damit Vorurteile bedient.

Die Band SKA-P erklärte, die Einlage mit der Frau, die in eine Glaskugel schaue, sei eine Persiflage auf eine spanische Fernsehsendung….“

Anzumerken ist hierzu, dass „die Zigeuner“ in Spanien nicht das schlechte Image haben wie in Deutschland. Das Problem in Deutschland ist also auch seine europäische Einbindung, die es noch nicht ganz bewältigt hat. Die Jüdische Allgemeine geifert weiter:

„Zu den Vorwürfen hinsichtlich des Songs »Intifada« schrieb der Gitarrist der Gruppe, bezüglich ihres »Antizionismus« habe SKA-P keine Geheimnisse. Er forderter, das Lied müsse respektiert werden. Den Vorwurf des Antisemitismus wies der Gitarrist zurück.

Bayerns Antisemitismusbeauftragter Ludwig Spaenle sagte, die Band SKA-P solle beim geplanten Konzert vom kritisierten Song »Intifada« Abstand nehmen. Dieser Song sei Ausdruck eines israelbezogenen Antisemitismus und damit nicht verhandelbar. Das Handeln des Staats Israel lasse sich bei allem Recht zur Kritik an staatlichem Handeln nicht mit dem totalitären Unrechtsregime der NSDAP vergleichen“.

 Volker Beck bezog ebenfalls Stellung. »Der Text der Band ist nicht nur eine klassisch antisemitische Täter-Umkehr, er sei auch Volksverhetzung, wenn es tatsächlich in dem Song heißt: „Die Opfer sind zu Henkern geworden, sie kehren ihr Inneres nach außen, …“ Damit würden die Opfer der Shoah verleumdet und herabgesetzt. Volksverhetzung könne sich nicht auf die Kunstfreiheit berufen. So etwas dürfe in München keine Bühne haben, und Beck fügte hinzu. »Ich fordere die Behörden in München auf, unverzüglich alles zur Unterbindung der Verbreitung dieser antisemitischen Hetze zu tun.« Beck, der auch Vorsitzender der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG) ist, kündigte an, er werde Strafanzeige stellen….“

Sprachliche Fehler des Textes habe ich weitgehend eliminiert. Natürlich können Opfer der Shoa nicht zu Henkern des israelischen Staates mutieren. Das ist aber auch nicht gedacht. Gemeint sein wird, dass die Israelis, die sich historisch als die Nachkommen der Opfer tausendjähriger Judenverfolgung und zuletzt als die der deutschen Vernichtungspolitik identifizieren, heutzutage erbarmungslos ihre egoistische Siedlungspolitik vertreten. Entscheidend am Zusammenleben mit Juden aber ist in diesem textlichen Zusammenhang, dass jedes Gespräch letztlich der Strafjustiz übermittelt und faktisch wie in einer Diktatur polizeilich ausgewertet wird. „Die Juden“ sind damit wieder in ein soziales Ghetto geraten.

Verstärkt wird dieser Eindruck noch durch den Umstand, dass sich ein historisch und politisch dünnbrettbohrender Mediziner, Dr. Josef Schuster, im politischen Zeitgespräch ohne Unterlass zu Wort meldet, nicht um Israel zu beweihräuchern, sondern, um den regierungsamtlichen. deutschen Stellen zu willfahren. Für die Corona-Maßnahmen bellt er gegen Impfmuffel, obwohl in Israel die frömmsten Orthodoxen der Impfung meist absent blieben. Zur rechten Politik in Israel schweigt er, aber gegen die AfD hetzt er, während inzwischen ein linker Ministerpräsident diese Partei als europäisch „normal“ akzeptiert. Er manövriert das Restjudentum in Deutschland in eine Ecke, in der ihm als Wauwau der fürstlichen Regierungen (Kaiserjuden, Hofjuden etc.) nie Segen zuteil wurde. Aber fest eingerahmt von amtlichen „Antisemitismusbeauftragten“ auf Bundes-, Länder- und Betriebsebene kann sich dieses Judentum in Deutschland gar nicht frei entfalten.

Hinzu kommt, dass sich die deutsche Politik auch mit Leuten mit jüdischen Familiennamen als Gallionsfiguren bedient, etwa Bettina Schlesinger bei RBB, Malu Dreier als rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin, Rita Süßmund als Bundestagspräsidentin, um an ein paar Beispiele zu erinnern. Niemand belästigt diese Namensträger, auch nicht den Namensträger (Georg) Gysi. Nach den Nürnberger Gesetzen wäre er sogar dem arischen Volkskörper zuzurechnen gewesen. Er rechnet sich zwar väterlicher- wie mütterlicherseits Bruchteilsjudentum zu, aber das würde ihm nicht einmal ausreichen, nach Israel „zurückzukehren“.

Der deutsche Antisemitismus hatte es aber gerade auf die assimilierten Juden abgesehen: auf die „jehudäischen Alliancen“ des deutschen Adels, auf abtrünnige und getaufte „Rassejuden“ wie Jakob Wassermann oder Kurt Tucholsky. Sogar Heinrich Heine, dem der jüdische Glaube „zu wenig Sauce“ bot, wurde von Wilhelm Stapel herabgesetzt: dessen Loreley-Gedicht lasse sich an den romantischen Reimen von Eichendorffs Ausdruckstärke nicht messen, als würde der deutsche Normalo in seiner Sprache ausdrucksstark sein. Sigmund Freud, der den jüdischen Glauben für eine kollektive Neurose hielt, hassten Juden wie Nazis gleichermaßen. Theodor Fritsch, Wilhelm Stapel, Philipp Stauff, Gerhard Kittel, und Wilhelm Marr hassten getaufte Voll- wie Halbjuden, die ihrerseits als Marranen Hassobjekte der konservativen Rabbinen waren. Der Zionismus, der „die Reste der jüdischen Religionsgenossenschaft“ (Brockhaus 1895) für ein Siedeln in Palästina zu gewinnen suchte, fand dagegen auch Sympathie bei Antisemiten, worüber sich Karl Krauss in der FACKEL amüsierte. „Die Nazis“ förderten die Auswanderung der deutschen Juden nach Palästina, Adolf Eichmann galt als Spezialist für die illegitime Auswanderung.

Das zeigt, dass heutiger Antisemitismus etwas völlig anderes sein muss als der klassische deutsche Antisemitismus der Vorkriegszeit. Die Sympathie, die früher die Antisemiten für die jüdische Auswanderung zeigten, mit der heutigen deutschen Solidarität mit Israel gleichzusetzen, wäre wohl absurd. Aber genauso absurd ist es, die fehlende Sympathie für Israel als „Antisemitismus“ zu definieren. Der in der Diaspora lebende Jude leidet unter Antisemitismus, dem in Israel lebenden Juden kann es gleichgütig sein, ob ihn Iraner, Araber, Indonesier oder gar Deutsche hassen oder nicht.

Warum grämen sich dann Juden um den oben erwähnten Mediziner Schuster, wenn in Deutschland Araber und ihre Sympathisanten ihre Antipathien gegen israelische Politik demonstrieren? Glauben sie etwa, dass deswegen auch nur eine einzige Jaffa-Orange weniger exportiert werden kann? Sie erwecken nur den Anschein, eher so etwas wie Auslandsisraelis als loyale Staatsbürger zu sein. Abigall Gerstetter meint, dass ohnehin viel zu viele christliche Alttestamentler als Rabbiner fungierten. Walter Homolka scheint ein solch mächtiger Proselyt gewesen zu sein. Das zeigt, dass „Juden“ nicht einmal den einst von Antisemiten gefürchteten „jüdischen Geist“ ins Deutsche übertragen könnten.

Facit: Antisemitismus klassischer Art ist überholt, der „jüdische Geist“ ist ein reines Hirngespinst.

Man überwindet diese Chimäre besser durch Bekämpfung des Christentums. In der heute geübten christlich-jüdischen Zusammenarbeit liegt nämlich ein gewisser Verrat am Judentum, was sogar liberale Rabbiner beklagten; sie wissen meist viel zu wenig vom Wesen der christlichen Theologie und meinen irrig, Jeshu Nasri sei ein jüdischer Sektierer gewesen.

Hier haben wir den eigentlichen Schwindel in Deutschland: Man operiert gegen „Antisemitismus“, aber in Wirklichkeit wollen konservative Kreise die christlichen Kirchen erhalten. Ginge es nur um Juden, könnte man ruhig die Moslems gegen Israel protestieren lassen und Juden Juden sein lassen: Die christliche Religion ist unser aller Unglück, für Juden wie für Deutsche.

Wie ist die christliche Kirche überhaupt entstanden? Jedenfalls nicht so, wie es tausende von christlichen Religionslehrern den Kindern vorfabulieren.

Julius Wellhausen hat die christlichen Epochen vor Kaiser Konstantin gut zu unterscheiden gewusst: Die Zeit Jesu, die der Apostel, dann die der Epigonen und zuletzt die Zeit unzählbarer christlicher Sekten. Aber wer war dieser Jesus, der das geistige Chaos schuf?

Martin Luther empört sich in einer seiner Judenschriften (Toledot Jeshu Nasri), dass einige Juden behaupten würden, er sei der Sohn eines griechischen Söldners Pantheras gewesen. Diese Behauptung stammt aber schon vom zeitnahen Philosophen Kelsos, den Origines zu widerlegen suchte. Jedenfalls verbreitete sich das Christentum mit seinen Erlöservorstellungen anfänglich in den untersten Volksschichten des Römischen Reichs, weswegen noch Kaiser Trajan diesen Glauben als Privatsache hinnahm. Aber das römische Volk verelendete durch endlose Kriege und Bürgerkriege, so dass auch gebildetere Schichten um esoterische und spirituelle Erlösung beteten. Die neuen Anhänger synkretisierten die Lehren der Apostel mit überlieferten halbphilosophischen und kultischen Ideen. Zuletzt war das Christentum ein Sammelsurium unzähliger religiöser Vorstellungen, so zahlreich wie die Heiligen der katholischen Kirche.

Tatsache ist jedenfalls, dass Palästina schon nach 333 vor Christus („Issuskeilerei“) durch Alexander den Großen unter griechische Herrschaft kam. Zur Zeit Jesu war das Land bereits 300 Jahre lang hellenisiert worden. Selbst die Bibel, Heinrich Graetz und Simon Dubnow erzählen, wie sich „die frommen Juden“ gegen die hellenische Bräuche wehrten. Jesu Predigten vom Reich Gottes und der Auferstehung, der Erlösung der Individuen und den Eingang der Seele ins Himmelreich entsprechen den griechischen Mysterienkulten, die Eduard Meyer (in: Geschichte des Christentums) auch der Geschichte des Christentums voranstellt. Und Jesus selbst gab seinen Aposteln auf (Matth. 10,5),

„nicht zu den Heiden zu gehen, sondern zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel“.

Nach Jesus sollten also nicht die Heiden für den jüdischen Aberglauben, sondern die Juden für einen Mysterienkult gewonnen werden. Offensichtlich hat Paulus die Brisanz der Vermengung griechischer Erlösungslehren mit dem Monotheismus erkannt und damit die Entwicklung des Christentums losgetreten. Die Juden in ihrer Mehrzahl erreichte er nicht; denn aus Galiläa kann für fromme Juden kein Prophet kommen; und der alte Jahwe zeugt nicht wie der gute Zeus mit Jungfrauen wie der schönen Helena Kinder.

Dennoch verbreitete sich das Christentum über die hellenistische Osthälfte des Römischen Reichs, aber nicht einheitlich. Die Einheit des Christentums schuf der zuerst nur weströmische Mit-Kaiser Konstantin als er den Osten eroberte. Er dekretierte auf einem Konzil (Nikäa 325 ) für das ganz Römische Reich den orientalischen Despotismus. Das schuf er durch ein paar dogmatische Vorschriften, an denen auch ein Martin Luther nie gerüttelt hat:

1.

Es gibt nur ein Reich, einen Kaiser und folglich kann es nur einen Gott geben. Dieser besteht allerdings aus 3 Personen, nämlich:

Vater, Sohn und (die Erfindung römischer Juristen) den Heiligen Geist. Jede dieser Personen ist simultan der ganze und einzige Gott (Geheimnis des Glaubens 1 ist gleich 3).

2.

Jesus, der Sohn, wurde durch eine Jungfrau Maria zur Welt gebracht; er war während seiner Erdentage  – unvermischt – sowohl ganzer Mensch als auch ganzer Gott.

3.

Als solcher fuhr er (nach seiner Auferstehung nach dem Kreuzestod) körperlich in den Himmel auf. Er hinterließ   – als seinen mystischen Leib –   die Gemeinschaft der Apostel als Ur-Kirche.

4.

In diese Kirche fuhr an Pfingsten der Hl. Geist, der in dieser bis zum Jüngsten Tage bleibt.

Quod erat demonstrandum:

Kirche und Hl. Geist sind auf Erden unvermischt und doch eins nach dem Vorbild des Jesus. Wenn Staat und Kirche identisch sind, dann haben wir fortan die Göttlichkeit des Staates. Das ist die ganze christliche Theologie, ergänzt durch humanitäres Geschwafel von Brüderlichkeit.

Die „christliche“ Institutionalisierung des orientalischen Despotismus hat unsere klassische politische Kultur von athenischer Demokratie und römischer Republik beseitigt. Sigmund Freud erkannte hierin die Ursache des eingefleischten Antisemitismus, die auch Bernd Witte (in: Moses und Homer) darstellt. Die christlich- jüdische Lehre läuft allen Instinkten der westlichen Völker zuwider (Sigmund Freud). Um die Juden Juden sein zu lassen, muss also nicht „der Jude“, sondern muss der immanente Autoritätsterror des Christentums überwunden werden. Mit anderen Worten; Religion ist Opium für das Volk; es gibt keinen Gott, auch nicht Allah…. (auch keine Engel, , Heiligen oder Dschinnen)

Vulgo: Nicht die Rabbiner, sondern die Pfaffen muss man totschlagen.

von Lobenstein