von Ludwig Watzal
Die Palästinenser gehören zu den großen Verlierern von Donald J. Trumps Wahlsieg. Trump und Netanyahu haben gemeinsam die „Zweistaatenlösung“, wie es oberflächlich scheint, unspektakulär in Washington beerdigt. Trump ist es gleichgültig, ob es ein Zwei- oder Ein-Staatenlösung gibt. Wie immer sich die Konfliktparteien „einigen“ sollten, ist es ihm recht. “I’m looking at two-state and one-state, and I like the one that both parties like.“ Netanyahu hat dieser Aussage nicht widersprochen, sondern kicherte nur herzlich. Wie es scheint, nimmt er Trumps Gerede nicht ernst, da es faktenfrei ist. Trump hat gezeigt, dass es ihm gleichgültig ist, was dieser so genannte „deal“ für Ergebnisse produziert, wofür er Netanyahu frei Hand gegeben hat.
Für Benjamin Netanyahu ist Trumps Indifferenz und Ahnungslosigkeit in dieser Sache nicht optimal. 95 Prozent der Israelis fürchten eine Ein-Staatenlösung wie der Teufel das Weihwasser und lehnen sie kategorisch ab. Wenn Trump Netanyahu signalisiert, dass es ihm gleichgültig sei, wie der „Deal“ ausfällt, zeigt das, dass der „Schwarze Peter“ bei den Konfliktparteien alleine liegt. Erst wenn es einen „deal“ geben sollte, was sehr unwahrscheinlich ist, sollte sich Netanyahu wieder bei Trump melden. Netanyahu wäre nicht Netanyahu wenn er auch Donald Trump durch seine permanenten Telefonanrufe nerven würde wie weiland Obama.
Wie es scheint, läuft nicht alles so problemlos, wie es sich die rechtsnationalistische Netanyahu-Regierung gedacht hat. Weder wurde die US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem verlegt, worin auch Netanyahu keine Dringlichkeit sah, noch Trump es nach Gesprächen mit arabischen Vertretern auch nicht mehr eilig hat. Erst kürzlich haben fünf ehemaligen US-Botschafter in Israel Trump vor einer Ernennung des rechten Hardliners David Friedman als neuen US-Botschafter abgeraten. Wie es scheint, ist Trump und sein Team nicht mehr so beratungsresistent wie zu Beginn seiner Präsidentschaft. Ihnen scheint bewusst geworden zu sein, wie vertrackt der Nahostkonflikt tatsächlich ist, gleichwohl sprach Trump von einem möglichen großen Deal, der die umliegenden Staaten mit einbeziehen könnte.
Die Pressekonferenz hat aber auch gezeigt, dass Netanyahu mit Trump nicht so umspringen kann wie weiland mit Barack Obama. Trump hatte einige Male deutlich gemacht, wer der Koch und wer der Kellner in dieser Beziehung ist, obwohl Netanyahu ein langjähriger Freund der Familie Kushner ist und in den neunziger Jahre bereits dort übernachtet hat. Trump nannte Netanyahu herablassend „Bibi“ und insistierte auf seinem „great peace deal“, was Netanyahu nicht ins Konzept passte, da er es üblicherweise ist, der die US-Präsidenten vor sich hertreibt. In einem ähnlich herablassenden Tonfall musterte Trump Netanyahu, indem er ihm zugewandt erklärte: “I’d like you to hold off on settlements for a little bit.”
Netanyahu hat die Gründung eines „Palästinenserstaat“ ausdrücklich nicht erwähnt, wovor ihn sein rechter Bildungsminister Naftali Bennett ausdrücklich gewarnt hatte. Zuvor hatte dieser getönt: „Am 20. Januar nehmen wir Palästina von der Tagesordnung.“ Netanyahu bezog sich immer wieder auf seine 2009 gehaltene Rede an der Bar-Ilan-Universität, in der er – nolens volens- von einem Palästinenserstaat sprechen musste, und zwar auf Druck der USA. Netanyahu machte aber auch klar, dass er die Westbank nicht annektieren wolle. Vielleicht nur die großen Siedlungsblocks? Aber dann würde er auf das „Kernland“ der zionistischen Ideologen „, Judea und Samaria“, verzichten, was ausgeschlossen erscheint.
Trump verlangte von Israel „Flexibilität“, und von den Palästinensern ein Ende eine Ende des Hasses, „den sie von Kindesbeinen an gelehrt bekommen“. Trump hat vermutlich niemals die Siedler besucht und erlebt, wie sie ihre Kinder zum Hass auf „die Araber“ erziehen. Trump weiter: „Sie müssen Israel anerkennen. Das müssen sie tun.“ Ob Trump weiß, dass die Palästinenser schon seit über 30 Jahren Israel völkerrechtlich anerkannt haben? Netanyahu verlangte in der Pressekonferenz jedoch etwas anderes, und zwar die Anerkennung Israels als „jüdischen Staat“ gleichgültig in „welchen Grenzen“, was ein großer Unterschied ist. Sollten die Palästinenser dies tun, verlieren sie jede Existenzberechtigung in Palästina. Für Trump scheint dies wie höhere Mathematik zu sein. Auch muss das zukünftige palästinensische Gebilde „demilitarisiert“ sein und keine Souveränität über seine Außengrenzen besitzen, wie Netanyahu hervorhob.
Netanyahus primäres Ziel war es jedoch, den US-Präsidenten auf seine anti-Iran-Linie einzuschwören. Er entfaltete wieder sein Horrorszenario von einem nuklearen Iran, der nichts anderes im Sinn habe, als Israel zu vernichten. Mit diesem Horrormärchen geht Netanyahu bereits seit den 1990er Jahren hausieren, ohne dass der Wahrheitsgehalt zugenommen hätte. Wie es scheint, hat Trump ihn auch hier im unklaren gelassen. Das „schlechte“ Iran-Abkommen wird wohl auch von Trump respektiert werden. Würde er sich auf die Netanyahu-Linie begeben und das Abkommen aufkündigen, würden die USA endgültig ihre Glaubwürdigkeit verlieren. Netanyahu versicherte Trump, dass Israel an der Seite der USA im Kampf gegen den „militanten Islam“ stünden. In Anbetracht der letzten 16 Jahre keine rosige Zukunft für die USA.
Die Palästinenser können alles andere als hoffnungsvoll in die Zukunft blicken. Bereits drei Mal hat die Abbas-Behörde telefonisch versucht, Kontakt zur Trump-Regierung aufzunehmen, ohne dass diese zurückgerufen hätte, frei nach dem Motto: „Don’t call us, we call you.“ Ob die umliegenden sunnitischen arabischen Despoten einem Deal mit Israel auf Kosten der Palästinenser zustimmen würde, um Israel und den USA freie Hand zu geben, um Iran anzugreifen, muss abgewartet werden. Die Andeutungen, die von Trump gemacht worden sind über dieses „terrific thing“, das in der Pipeline sein soll, wecken die schlimmsten Befürchtungen.
Dass die Palästinenser einen Staat im klassischen Sinne bekommen werden, ist illusorisch. Wenn es denn zu einer „Zwei-Staaten-Lösung“ eines Tages kommen sollte, wird es ein „Staate minus“ sein, also ein demilitarisiertes autonomes Gebilde, in dem die Palästinenser eine gewisse Eigenständigkeit leben können, aber Israel sich die Grenzkontrollen vorbehält und die Oberaufsicht über die Sicherheit behält. Das heißt, alles wie gehabt. Es ist die „Ein-Staatenlösung“ à la Israel, ein Apartheid-Staat in ganz Palästina.
Der Kardinalfahler der Palästinenser war die Unterzeichnung des Oslo-Abkommens. Ein unterdrücktes und kolonisiertes Volk hatte die Rechte des Unterdrückers und Kolonisators anerkannt. Yassir Arafat hatte nicht das Format und das Standvermögen eines Nelson Mandela. Das Ergebnis ist die Situation vor Ort. Daran wird auch ein „terrific deal“ nichts ändern
Rechtszionisten sind ja wie bisher u weiterhin für ‚zionistische‘ Ethnokratie (Trump wird gar nicht wissen, was das ist); die Herrschaft von (zion.) Juden über Juden & Nichtjuden.
Trump weiß auch nicht, dass die Rechtszionisten wie Likud-Bibi täglich die Werte (values) der US-Verfassung oder des deutschen Grundgesetzes (ua Artikel 3 u 5) verletzen.
Wäre super, wenn er da mal draufkommt.
Sehr geehrter Herr Watzal,
je nach Sichtweise aus der eigenen Position heraus sind die einzelnen Vorgänge im Nahost-Konflikt günstig oder nicht günstig, für wen auch immer. Ihre Position hätte mich interessiert. Ihr Beitrag lässt sie nicht erkennen, jedenfalls für mich nicht. Vielleicht liegt das an meiner Begriffsstutzigkeit, aber in Ihrer Darstellung vermischen Sie die vielen verschiedenen Aspekte so, dass sie für mich keine Orientierung erhält.
Zu meiner eigenen Position: Bereits nach meiner Reise 2012 durch Israel und Palästina war für mich klar, dass es realistischerweise keine Zwei-Staaten-Lösung geben kann, weil es erstens (ohne jahrzehntelangen Verhandlungen über Landtausch, Grenzziehung und Land-gegen-Geld-Tausch) kein zusammenhängendes Stück Land für einen Palästinenser-Staat mehr gibt; und weil Israel einen souveränen Palästinenser-Staat noch nie akzeptiert hat und es auch in Zukunft nicht tun würde. Diesen Schluss haben inzwischen viele Nahost-Experten gezogen; Petra Wild hat sich hierzu in ihren zwei Büchern mit viel Sachkenntnis positioniert. Wenn jetzt gewissermaßen als Letzte die USA ihre Argumentationsfront begradigen und nicht mehr auf einer Zwei-Staaten-Lösung bestehen, dann ist das m.E. für die ganze weitere Nahost-Diskussion und die Suche nach einer Lösung nur von Vorteil.
Denn jetzt geht es um die Ein-Staat-Lösung, die übrigens auch Friedman vertritt, der neue (jüdische) US-Botschafter in Israel. In der Folge werden jetzt
andere Fragen relevant – und tlw. Antworten, die ich persönlich positiv bewerte. Pragmatisch gesehen wird die Westbank Israel zugeschlagen, durch welchen Deal auch immer. Eine Vertreibung der Palästinenser ist dann nicht mehr möglich. Das neue größere Israel ist dann ein klar erkennbarer Apartheid-Staat. Die zentrale Frage ist jetzt: Wann und in welchen Schritten werden die Palästinenser die gleichen Bürgerrechte erhalten wie die jüdischen Bürger? Vom Wasser-Verbrauch über Baugenehmigungen bis hin zur politischen Gleichberechtigung. Für mich wäre das eine Perspektive, die man konkreter schrittweise eher erkämpfen kann, als das im Gerangel um einen eigenen Palästinenser-Staat jemals möglich wäre.
Dr. Torsten Kemme