Subversiv sägt die Jüdische Allgemeine am Ast, auf dem die Diaspora mistelt

Die Jüdische Allgemeine ließ Anfang Januar einen Redakteur des Berliner Tagesspiegel in ihren Spalten seine Gedanken verzapfen. Nicht der  Inhalt seiner Ausführungen, sondern deren Stil machen sie wert zur Kenntnis zu nehmen: Jüdische Allgemeine und Berliner Tagesspiegel tragen in einer Art und Weise vor, dass eine Diskussion mit ihnen nicht mehr möglich ist. Sie soll auch gar nicht möglich sein (s.u. Aussage Ph.P.Engel). Wer nicht der Meinung der Subversiven folgt, ihre Übertreibungen nicht hin- oder die Vergleiche nicht übernimmt, ist nicht mehr ein Gegner, sondern wird zum absoluten Feindbild. Das ist das Ende einer Demokratie, das diese Herrschaften einleiten; zum Text:

„Meinung

Treitschke ist nicht »umstritten«! Die CDU in Berlin-Steglitz weigert sich, den eindeutigen Antisemitismus des Historikers anzuerkennen – und macht sich damit im Streit um einen Straßennamen unglaubwürdig

Seit Jahrzehnten versucht die CDU, die Umbenennung der Treitschkestraße in Steglitz zu verhindern. Dabei geht sie nun leider so weit, den antisemitischen Hetzer Heinrich von Treitschke zu verharmlosen. Kurz vor Weihnachten schrieb Claudia Wein die Anwohner der fraglichen Straße an und behauptete ernsthaft, die Ansichten sowie die historische Rolle Treitschkes seien »umstritten«. Das ist atemberaubend unverschämt und ungefähr so, als würde eine deutsche Politikerin die Ansichten von Hamas oder Hisbollah als »umstritten« bezeichnen (Anm.: Die Ansichten der Hamas dürften wohl umstritten sein, solange konträre Meinungen nicht völlig verboten werden). Natürlich weiß auch die Steglitzer CDU sehr genau, dass von Treitschke den Judenhass im Deutschland des späten 19. Jahrhunderts salonfähig und den Slogan »Die Juden sind unser Unglück« populär machte, und damit später als Stichwortgeber der Nationalsozialisten diente. Die Geschichtswissenschaft ist sich da einig. Dennoch schafft Wein es in ihrem zweiseitigen Schreiben nicht, auch nur ein einziges Mal zu erwähnen, was Treitschke eigentlich konkret vorgeworfen wird: Antisemitismus.

Einzelne Parteimitglieder versuchen, das Geschehene zu leugnen und Falschbehauptungen aufzustellen.

Warum vermeidet eine kirchenpolitische Sprecherin diesen Begriff im Zusammenhang mit Treitschke? Ich wüsste es gerne, doch Claudia Wein weigert sich seit über einer Woche, meine Presseanfragen für den »Tagesspiegel« zu beantworten. Sie möchte nicht einmal erklären, wie sie auf die Idee kam, Treitschkes Ansichten als »umstritten« zu verharmlosen. An wie viele Haushalte sie ihren Brief verschickte, verrät Wein ebenfalls nicht. … Als Mensch, der selbst einen christlichen Hintergrund hat, muss ich es leider so deutlich formulieren: Teile der Steglitzer CDU begreifen das achte Gebot offenbar als Kann-Bestimmung.

Der Autor ist Redakteur beim »Tagesspiegel«.“

Die Jüdische Allgemeine unterstreicht ihren Charakter als banales Hetzblatt; das belegt ihr gleichzeitiger Artikel mit Absolutheitsanspruch:

Standpunkt

Elon Musk, die »WELT« und die Meinungsfreiheit

Ein Kommentar von Philipp Peyman Engel

Würde die Jüdische Allgemeine einen Text drucken, in dem die AfD als »letzter Funken Hoffnung für dieses Land« bezeichnet wird? Einen Text von einem Autor (SIC!), der behauptet: »Nur die AfD kann Deutschland retten«? Der vorgibt: »Die Darstellung der AfD als rechtsextrem ist eindeutig falsch«?

Sie ahnen die Antwort: mitnichten. Es existiert nicht ein einziger journalistischer Grund, dies zu tun“.

Schon der erste Satz ist zwanghaft überdreht: Wenn Musk gesagt hat, „nur die AfD….“ ist das nicht dasselbe wie der psychisch missgebildete Philipp Peyman Engel es heraushört: Die AfD sei der letzte Funken Hoffnung….“ Das inzidiert, dass es eigentlich gar keine Rettung für Deutschland gäbe. Das hat Musk gerade nicht gesagt. Weiter im Text dieser hetzenden Publizisten:

„Die »WELT am Sonntag« sieht dies offenkundig anders und hat sich dafür entschieden, eine AfD-Wahlempfehlung des US-Unternehmers Elon Musk zu veröffentlichen. Seitdem steht das politische Berlin Kopf. …. Es ist es nicht Aufgabe von Zeitungen, Wahlwerbungen zu veröffentlichen [auch falsch: Die Zeitungen leben auch von Wahlwerbeanzeigen]. Und zum anderen ist die AfD keine Partei wie jede andere: Eine im Kern antidemokratische, rechtsextreme, geschichtsrevisionistische, Russland- und Chinanahe [SIC! russlandnah und chinanah schreibt man klein] Partei, in der Antisemiten sich zu Hause fühlen und die zu Recht vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall geführt wird, vertritt nicht bloß »polarisierende Positionen«, sondern ist brandgefährlich.

Und weil die „JA“ ein so herrlichen Blatt ist, seine Psychopathien auszudrücken, setzt er noch eins drauf_

Warum wir nicht mit der AfD sprechen: Politikern, die den Holocaust als »Vogelschiss der Geschichte« und das Schoa-Mahnmal in Berlin als »Schande« bezeichnen, gibt es nichts zu bereden….

engel@juedische-allgemeine.de“.

Soll denn das „Shoa-Denkmal“ kein Denkmal der deutschen Schande sein? Was soll es dann ausdrücken? Einen Protest an die USA vor ihrer Botschaft wegen Hiroshima oder den Vietnam-Bombardements?

Eines ist sicher: das Stelenfeld ist ein Mehrzweckdenkmal, man kann es auch als künstlichen Judenfriedhof begreifen.

Ganz anders schreibt man in einem zivilisierten Land wie Frankreich:

„Jean-Marie Le Pen, Finalist der Präsidentschaftswahlen 2002, starb am Dienstag im Alter von 96 Jahren in der Region Paris, in einer Einrichtung, in die er vor einigen Wochen eingewiesen worden war.“ 

Er hatte zwar den Holocaust nicht als „Vogelschiss“ definiert, wollte ihm aber nur den Wert eines „Details der Geschichte“ zubilligen, was schon genügte, die ganze linke Szenerie aufzuregen. Im „Figaro“, der eher links orientiert ist, und der in einem Streit um die Wertung der Massaker in Gaza eher die jüdische Betrachtungsweise teilt, kann man sehen, wie in einer zivilisierten Nation berichtet wird:

„Mehrere hundert Gegner von Jean-Marie Le Pen versammelten sich am Dienstagabend in mehreren Städten Frankreichs, um mit Liedern, Rauchbomben und Feuerwerk den Tod des Mitbegründers des Front National zu feiern. „Dieser dreckige Rassist ist tot“, stand auf einem Plakat, das in Paris in die Menge von einigen hundert Menschen gehalten wurde, die sich am frühen Abend auf dem Place de la République formierten, wo einige Fahnen der Neuen Antikapitalistischen Partei (NPA) wehten. „Die Jugend scheißt auf den Front National“, skandierten die Teilnehmer, von denen einige auf die zentrale Statue geklettert waren, während andere antifaschistische Parolen riefen. Dort wurden, wie auch in Lyon, einige Feuerwerkskörper gezündet. In Lyon versammelten sich etwa 200 bis 300 Menschen im Stadtzentrum, um nach dem Tod von Jean-Marie Le Pen zu „feiern“, wie es in dem auf dem Rebellyon-Konto veröffentlichten Aufruf auf X hieß. In Marseille, wo sich auch  zwischen 200 und 300 Menschen am Alten Hafen versammelten, war die Atmosphäre ebenfalls festlich, zwischen Champagnerflaschen, kleinen festlichen Hüten und dem Schild: „Endlich“. „Es ist der Tod einer Figur, die wir hassen, weil er ein Frauenfeind, ein Rassist, ein Negationist, ein Antisemit und all das war. Wir müssen [SIC! zwanghaft] feiern, wenn solche hasserfüllten Figuren sterben“, sagte Louise Delporte, eine 20-jährige Studentin der Politikwissenschaften. „Es ist ein Symbol, das stirbt, und es ist wirklich gut, das zu wissen. Ein Symbol für eine extreme Rechte, das heute keinen Sinn mehr ausstrahlt. Leider existiert das Symbol fort und wir müssen uns daran erinnern, dass es nicht mehr lebendig sein darf“, sagte Vivien Perez, eine 24-jährige Musikerin.

Natürlich gibt es in Frankreich auch primitive Menschen, aber sie beherrschen nicht die Szene wie bei uns:

„Nichts, aber auch gar nichts, rechtfertigt es, auf einer Leiche zu tanzen. Der Tod eines Menschen, auch wenn er ein politischer Gegner ist, sollte nur Zurückhaltung und Würde einflößen. Diese Jubelszenen sind einfach beschämend“, kommentierte Innenminister Bruno Retailleau auf X.

Jean Marie Le Pen ist tod, aber als Symbol ist er offenbar nicht gestorben; die Freude über das natürliche Ableben eines 96-jährigen ist für sich allein Ausdruck antifaschistischen Schwachsinns. Das lehrt uns eines: Schon die Firma „Zentralrat der Juden in Deutschland“ ist viel zu hochtrabend.  Ehrlicher wäre „“Zentralrat des Boches-Juden“ oder der „Hunnen-Juden“. Ganz anders die Juden Frankreichs; zum Tode von Jean Marie Le Pen publiziert die Tribüne Jüive:

Jean-Marie Le Pen, bei der Verwaltungsarbeit, im Keller der Universität
© PRIVATSAMMLUNG/EDITION

1955 (vor 70 Jahren, ja!) die Studenten der Juristischen Fakultät in der Rue Soufflot, links vom Pantheon hat denjenigen gewählt, der ihr Sprecher sein soll: Jean-Marie Le Pen.

Er stand am Ende meines Studiums, als ich zum ersten Mal ein Bürgerliches Gesetzbuch eröffnete. Er war ein hübscher Junge und ein guter Redner, umgeben von seinen Freunden und Bewunderern, die sich alle gleich um die Ecke im ersten Café in der Rue Saint Jacques versammelt hatten.

Die Studenten, die ihn kannten, bezeichneten ihn als einen eher antisemitischen Führer und rieten mir, mich ihm nicht zu nähern. Die Universität war Schauplatz ständiger verbaler Auseinandersetzungen zwischen „Faschisten und Kokosnüssen“.

Die sehr zahlreichen kommunistischen Studenten stellten sich gegen alle, die nicht der Linie ihrer „Partei“ folgten.

Ich erinnere mich an einen sehr aufgeregten Abend: Die kommunistischen Studenten wollten eine Vorlesung stören, die Raymond Aron an der Sorbonne halten sollte. Le Pen und seine Anhänger setzten Sicherheitskräfte ein, rempelten und schlugen, um den Kommunisten den Weg zu versperren.

Le Pen begann seine berufliche Laufbahn mit einem Verlag für Militärmusik: die Kriegslieder der deutschen Armeen, Das Reich und Oradour sur Glane!

Und eines Tages lernte er den Mann kennen, der sein Retter war: Lambert, ein Partner von Lambert-Lafarge, Baumaterialien. Er versprach, ihn zum Minister zu ernennen, und der Narr ohne Nachkommen gab ihm sein ganzes Vermögen und sogar das Gut Saint Cloud, das noch heute der Sitz der Familie Le Pen ist.

Dann wurden die Le Pens von François Mitterrand benutzt, um zu verhindern, dass die Rechten an die Macht kommen oder sie halten können. Le Pen konnte es sich nicht verkneifen, rassistische Bemerkungen oder antijüdische Witze zu machen. Er hat den von der PS erhofften Nutzen erbracht. Die Linke konnte sich dann als Lager des Guten präsentieren! Der politische Spielraum der liberalen oder konservativen Rechten wurde durch le Pens Freiraum verengt.

Le Pen ist weg, seine Erbin trägt seinen Namen, aber alles wird möglich. Auf der Linken schrumpft durch die Positionierung von La France Insoumise (oder Islamismus) der politische Raum der Sozialdemokratie, was eine Annäherung zwischen Rechts, Mitte und Linken ermöglichen könnte, ohne dass letztere sich noch dagegen wehren könnten.“© André Simon Mamou

Und die Redaktion der Tribüne Jüive ergänzt mit einem aktuelleren Foto:

 

Der Tod des „Menhirs“, des Gründers des Front National, der Schutzfigur der französischen extremen Rechten, des Königs der Provokationen, Skandale und Stunts, aber auch eines historischen Durchbruchs bei den Wahlen.

1972 trat er in den Vordergrund, als er den Vorsitz des Front National übernahm, einem Zusammenschluss mehrerer kleiner rechtsextremer Gruppen mit etwa 600 Mitgliedern, die bei den Präsidentschaftswahlen von 1974 0,75 % der Stimmen erhielten, bevor er die für die Präsidentschaftswahlen von 1981 erforderlichen 500 Sponsoren nicht erhielt.

Jeder hat gesehen, wie er Jahr für Jahr, von Wahl zu Wahl, die Welle anhob und wie er trotz des Geredes über die Gaskammern als „Detail der Geschichte“, das „Durafour-Krematorium“ oder die Reden über die „Rassenungleichheit“ im April 2002 den Höhepunkt seiner politischen Karriere erreichte, indem er von der „nationalen Präferenz“ und der „sofortigen Ausweisung aller illegalen Einwanderer“ sprach.

Er wurde dann von der jüngsten seiner Töchter, Marine Le Pen, verdrängt, die daraufhin die Leiter erklomm. Der Patriarch verzichtete im Alter von 81 Jahren auf ein neues Mandat an der Spitze seiner Partei.

Im Westen pflegt man einen anderen Stil als bei den Hunnen und den sie begleitenden Juden, die hoffentlich auch nur ein paar hundert Fanatiker zählen wie in Frankreich.

Von Lobenstein

Fehler in der heutigen Antisemitismusdebatte

Antisemitismus soll zunehmen, wahrscheinlich auch dank des nie enden wollenden Kults in und um Auschwitz herum; vielleicht auch deswegen nicht, weil der Begriff auf alle der amtlichen Politik unliebsame Positionen willkürlich ausgedehnt werden kann. Dabei hat die amtliche Politik eine soziale Bandbreite, dass sie von „den Juden“ wegen der Handelsbeziehungen zum Iran kritisiert wird, aber zugleich so israelfreundlich ist, dass Deutschland wegen Beihilfe zum Völkermord in Gaza angeklagt wird. Deswegen wird die Ansicht von Sandor Rosenfeld (Roda Roda) aktuell bleiben: der Antisemitismus wäre eine feine Sache; aber aus dieser könne (nach Kurt Tucholski) erst dann etwas Rechtes werden, wenn ihn ein Jude in die Hand nähme.

Nur ein Jude oder müssten es eine Handvoll Juden sein?

Tucholski meint, dass das Judentum so viele Wirrnisse und Widersprüche in sich berge, die den Antisemitismus rechtfertigen würden. Nur seien diese Fehler und Narreteien des Judentums für Außenstehende nicht erkennbar. Deswegen müsste ein Jude kommen, den Antisemitismus aufzufrischen. In der Tat gibt es viele Dinge, die einmal diskutiert werden müssten. Problem dabei ist, dass Juden ihre Wirrnisse und Widersprüche nicht diskutieren wollen. Bürgerlich, wie sie sind, klappen sie ihre Fensterläden zu oder lassen die Rollos herunter. Innerhalb der diskussionsfreien Räume haben sich unzählige Fraktionen („Denkrichtungen“) im Judentum gefestigt, die selbst interfraktionell nach keinem Zusammengehen streben (vgl. Erich Grözinger). Tuvia Tenebom (in: Gott spricht Jiddisch) beschreibt die orthodoxen Schulen, von denen jede isoliert von den Schulen orthodoxer Nachbarn ihrem Rabbi folgt. Wie es ein jüdischer Witz kolportiert: Für Juden gibt es mehr Synagogen, in die sie nie einen Fuß setzen würden als solche, in denen sie einen Gottesdienst feiern wollten. Man fragt sich nebenbei, was bei so genannten „christlich-jüdischen Dialogen“ herauskommen soll.

Welcher Jude käme   – rein theoretisch –   in Frage, aus dem Antisemitismus eine rechte Sache zu machen? Theoretisch jeder Jude, der auf eine konkrete Denkrichtung fixiert ist und die anderen verabscheut. Praktisch aber wird er vor dem Begriff „Antisemit“ schon scheuen. Vielleicht hätte ein Mann wie Isaac Deutscher, der über den „nicht-jüdischen Juden“ schrieb, oder eine Frau wie Hannah Arendt, die ihre Philosophie ohne „Ahavat Israel“ zu Papier brachte, den Antisemitismus an den Hörnern packen und ihn analysieren sollen. Else Kroner, die die moderne Jüdin als eine Frau beschrieb, die sich gut in der nicht-jüdischen Gesellschaft mache, dürfte mit ihrer Ketzerei kaum die Schwelle zum Antisemitismus überschreiten können. Nicht jede Ketzerei hat antisemitische Qualität. Wie schon Baruch Spinoza sagte, ist das Judentum ein Aberglaube unter vielen. Man verhängte über ihn zwar das Herem, aber „die Juden“ sind stolz auf ihn und seine Bedeutung.

Erst durch die Übernahme seiner „Bücher Mosis“ als „Altes Testament“ ist Judentum in der christliche Ideologie weltrelevant geworden, und dies auch erst, als Kaiser Konstantin die Nützlichkeit des Monotheismus für die Despotie erkannte. Das ergibt, dass Chinesen oder Japanern nicht zugänglich ist, was die „Judenfrage“ für Europäer sein könne. Sigmund Freud erkannte den Antisemitismus als sublimierte Abwehrhaltung der Völker gegen das allen ihren Instinkten wider den Strich laufende Christentum. Der Antisemit hat zwei Gesichter: das eine ist ein missionarisches, das eine böse Miene macht, weil in der christlichen Hierarchie sich eine eigene Masse bildet, das andere ist das der geistigen Freiheit, das eines Kämpfers gegen die Despotie.

Antisemitismus wäre im ersteren Fall ein Problem der jüdischen Massen, die ihr Eigenleben führen wollen, im zweiten ein Problem des Individuums. Weil auch ein jüdischer Individualist sich nicht den Institutionen unterwerfen kann (vgl. Jakob Brafmann, Das Buch vom Kahal), ist für den Massenjuden der jüdische Individualist schnell ein Antisemit. Selbst Trägern jüdischer Kultur wie Amon Schocken wird ihr Judentum von Massenjuden wie Ives Mamou abgesprochen.

Es wäre also notwendig, dass ein Jude den Antisemitismus in die Hand nähme; er müsste einerseits den Antichrist machen und das Judentum gegen die Vermassungstendenzen von Kahal (damals) und Zionismus (heute).

Ludwig Feuerbach beschrieb mit ketzerischer Feder „das Wesen des Christentums“, aber was das „Wesen des Judentums“ sein könnte, ist nicht abschließend erarbeitet worden. Man könnte vielleicht mit dem Ansatz kommen:

sein Kernelement sei der Individualismus. Dann wäre der Zionismus immer eine antijüdische Angelegenheit, die die Gründung und Expansion eines Staates verfolgt, in dem sich das jüdische Individuum einzuordnen habe. Schon Karl Kraus (in: Eine Krone für Zion) widersetzt sich einer solchen Massenideologie.

Tatsächlich geht auch bei Juden Masse vor Klasse und der einzelne Jude wird als Gegner der Masse (vgl. Bruno Bettelheim in: Aufstand gegen die Masse) zum Antisemiten.

Das ist tragisch. Denn vom rechten Verständnis der Troa her hatte jeder Jude eine persönliche Beziehung zu Gott, so weit er glaubt; glaubt er in unserer gottlosen bzw. gottfreien Zeit nicht , und schließt sich keiner nicht-jüdischen Gruppe an, bleibt er Individualist. Meist bricht er auch ungläubig seine Beziehung zum Judentum nicht ab. David Farbstein nennt diese Leute „Friedhofsjuden“, weil ihnen vom Kult nur das jüdische Begräbnis wichtig ist.

Georg und Friedrich Rosen (in: Juden und Phönizier) haben dargestellt, dass die Juden Spaniens unter der Klammer der jüdischen Religion die Handelsbeziehungen ihrer untergegangenen Staatenwelt fortsetzten. Nach ihrer Vertreibung aus Spanien (1492) bauten die jüdischen Individualisten ihre Handelshäuser in Amsterdam neu auf. Der christlich spanischen Seefahrt erwuchs sehr schnell eine starke Konkurrenz unter holländischer Flagge.

Zur gleichen Zeit hatten jüdische Massen, die ihr Judentum  nach dem Orient gerettet hatten, ganz andere Probleme; die in Marokko angekommen waren, kehrten großenteils nach Spanien zurück und unterwarfen sich der Massentaufe. Im eurasischen Osten fegte der Chmielnicki-Aufstand blutig über sie hin. Die Juden in Amsterdam lebten in hohem Ansehen und im Wohlstand.

Individualistisch geprägt leben Juden in den USA. Diese Nation steht auch hinsichtlich ihrer nicht-jüdischen Volksteile für eine Nation von Individualisten. Bezeichnend für den Charakter der USA ist, dass Individuen bekriegter und besiegter Staaten relativ problemlos Amerikaner werden können, wenn sie ihren Ausgangsnationen den Rücken kehren.

Der amerikanische Individualismus ist den Europäern auf dem Kontinent fremd, in Deutschland erst recht. Hier gilt das Prinzip des Gemeinnutzes, der Gemeinschaft und der Gemeinheit, was alles jedem Eigennutz vorgehe. Das Gemeinschaftsprinzips lässt sogar die individuellen Grundrechte zurücktreten. Für die Deutschen ganz speziell kann es keine Individualisten geben, die in Opposition zur Gemeinschaft stehen. Auch die organisierten Juden formen in Deutschland eine hierarchische Institution: Alle wollen einer Kategorie von Menschen angehören. Die WELT (27.12.24) macht auf ein Buch von Alain Finkielkraut aufmerksam, das entsprechende Erklärungen anreißt:

„….  Alain Finkielkraut hatte schon 1982 die „Zukunft der Negation“ vorausgesagt. ….. Wilhelm Liebknecht, der Vater des KPD-Mitbegründers Karl Liebknecht war Ende des 19. Jahrhunderts eine emblematische Figur der SPD und der internationalen Arbeiterbewegung. ….  Liebknecht senior hatte sich 1899 als „Anti-Dreyfusard“ offenbart. Für ihn, den orthodoxen Marxisten schien es ein Ding der Unmöglichkeit zu sein, dass die „herrschende Bourgeois-Klasse“ sich grundlos gegen einen der ihren wenden könnte – weil deren einziger Feind die Arbeiterklasse sei…. Alain Finkielkraut zieht eine Verbindungslinie zwischen Wilhelm Liebknecht und dem rechtsextremen Vordenker Maurice Barrés, der erklärte, „dass Dreyfus des Verrats schuldig sei, erschließe sich aus seiner Rasse‘. Indem Liebknecht aus seiner Klasse ableitete, dass Dreyfus nicht unschuldig sein könne, bot Liebknecht die revolutionäre Variante derselben Beweisführung an.“

Unabhängig von der damit dokumentierten Dummheit (der französische Geheimdienst war auf ein vertracktes Spielchen des deutschen Militärattachés v. Schwarzkoppen hereingefallen; der „Borderau“ war auf deutschem Papier geschrieben, über das Dreyfus [und auch Esterhazy] nicht verfügte) verdankte Dreyfus seine Rettung nur seinem Bruder. Die jüdische Gemeinde von Paris hatte Dreyfus Verurteilung „begrüßt“.

Auch wenn Finkielkrauts Analyse nicht immer überzeugt, zeigt sie doch, dass in Europa die individuelle Schuld eher als Derivat kollektiven Handelns gesehen wird, während (z.B.) die Amerikaner in den Nürnberger Prozessen die individuelle Verantwortung der Verantwortlichen suchten. Drer europäische Mensch ist aber immer nur Partikel einer Ordnung, seine Verantwortlichkeit besteht im Funtionieren dass und nicht im Entscheiden, ob er funktionieren soll. Während Stalin als Kenner der europäischen Zusammenhänge die obersten 50.000 „Nazis“ einfach erschießen lassen wollte, bestanden die Anglo-Amerikaner auf individuellen Strafverfahren. Viel anders ist dabei auch nicht herausgekommen, denn die Betroffenen gehörten letztlich geschlossenen Gruppen an, deren Mitglieder sich zwar eher nicht „gegen die Menschlichkeit verschworen“ hatten, die sich aber menschenrechtsfeindlichen Strukturen angeschlossen hatten.

In der DDR negierte man die Existenz von  Kriminalität, weil die sozialen Verhältnisse als gerecht geordnet galten und Kriminalität eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit war.

In den späteren NS-Verfahren in Deutschland wurde der Mordvorwurf gegen die „Täter“ erhoben, weil man den „Rassenhass“ der Organisation dem einzelnen Täter zuordnete. Robert Mulka meinte (z.B.), er habe nie einem Juden etwas zu leide getan. Das wird schon stimmen, aber seine Organisation war auf Mord programmiert. Trotzdem zeigt die deutsche Strafverfolgung in NS-Sachen eine heterodoxe Rechtspflege. Am deutlichsten kann man das bei den KZ-Ärzten im Dienst „an der Rampe“ ausmachen: Diese waren dort nicht „Herr über Leben und Tod“, sondern machten einen vorgegebenen Job. Sie mussten nicht 70% der Ankommenden in den Tod schickten, sondern die erhofften 30% „Verwendungsfähigen“ (vgl. Lea Fleischmann in: Das ist nicht mein Land) zur Zwangsarbeit herausfilterten. Juristisch ist die Frage, ob in den Tod geschickt oder in den Tod gehen zu lassen,  ein gewaltiger Unterschied, auch wenn es auf dasselbe Resultat herausläuft. Man prüft nicht die Handlung des Täters, sondern vom Standpunkt der Opfer her. Das hat einen weiteren Schönheitsfehler: Die Opfer sind Tod. An deren Stelle tritt die jüdische Masse, die um die Ermordeten verkleinert wurde.

Die Maschinerie war auf prinzipiellen Totschlag programmiert, aber der einzelne Arzt sollte (in Majdanek nicht, aber) in Auschwitz gegen das Programm verwendungsfähiges Leben herausfiltern. Alle Urteile ignorieren dieses Problem. Ist der Rampenarzt ein Mörder, wenn er Leute ins Gas gehen lässt, die der Apparat dem Tod geweiht hat? Die wirklichen Mörder im Sinn des $ 211 StGB waren wesentlich höher platziert, speziell in den Institutionen der Wirtschaftslenkung, aus denen unser Bundeskanzler Ludwig Erhard stammt, emblematische Figur der CDU.

Ähnlich beschreibt es Hannah Arendt in „Eichmann in Jerusalem“. Ohne Ende wurden Dinge behandelt, die mit Eichmann an solchen nichts zu tun hatten.

Die hinter der Linienführung Finkielkrauts steckende Idee entspricht der Annahme, dass nicht Klassen- oder Rassenkämpfe die Welt bewegen, sondern die Auseinandersetzung zwischen Individuum und der Mehrheit. Passt sich ein Individuum an oder nicht? Das Individuum mit höheren Geistesgaben hat einen komplizierten Stand gegenüber den Massen mit durchschnittlichen Geistesgaben. Man kann es durchaus so sehen, dass während des ganzen Mittelalters die Juden, auch solche mit geringeren Geistesgaben, dem christlichen Totalitarismus widerstanden. Im Christentum wurde über die Jahrhunderte hinweg mittels Autodafés das Individuum unterdrückt; aber irgendwann bildeten sich auch bei den Juden Massen. In der Endphase des Mittelalters waren nur mehr die wenigsten Juden noch Individualisten. Die Massenjuden versuchten im 14. Jahrhundert, ihre Ketzer auf die Scheiterhaufen zu bringen, mussten sich aber mit der Verbrennung deren Schriften, etwa denen des Moses Narboni in Bagnols sur Cèze, begnügen.

Dem Judentum als lockerer Verband von Individualisten steht heute ein gut gefestigtes europäisches Massenjudentum mit einer zionistischen Affinität gegenüber. Damals waren es die Juden Osteuropas, deren Rabbiner die Schriften des Moses Narboni verbrannten, heute sind ein die Freunde Israels, die jeden Kritiker der Politik Israels des Antisemitismus zeihen. Die moderne Massendemokratie hat ihr Pendant in den jüdischen Massenbewegungen. Zornig fertigte die britische Presse einen offenen Leserbrief von Claude Montefiori gegen die zionistische Bewegung ab mit der Behauptung, dass er nur seine „behagliche“ Stellung in England im Auge hätte und für die Probleme der jüdischen Massen im Zarenreich keinen Sinn habe. Das Massenjudentum übernahm zunehmend die zionistische Idee. Mit der schrittweisen Übernahme Palästinas hat es sich bei den betroffenen Arabern und den antikolonialistischen Gruppen in Europa als Kategorie verhasst gemacht. Ein individueller Jude wird dagegen selten gehasst, aber „die Juden“ (als Masse) werden wieder zu Objekten des Hasses, je mehr Erfolg sie bei ihrer Besitznahme Palästinas haben.

Welche Konsequenzen zieht man nun für den Antisemitismusbegriff in Bezug auf jüdische Individualisten und auf eine Menge von Juden?

Man muss vielleicht andersherum fragen: Nicht, ob ein Antisemitismus israelbezogen oder generell sei, sondern ob etwas vom jüdischen Individuum als Antisemitismus verstanden werden muss, oder ob vom Standpunkt einer jüdischen Massenbewegung etwas antisemitisch erscheint. So wäre jemand kein Antisemit, wenn er die jüdische Religion für Aberglauben hält, wenn er nicht zufällig von einem christlichen Standpunkt aus den Juden missionieren will. In unserer Zeit gibt es kaum Ansatzpunkte, einen individuellen Juden zu verteufeln. Niemand würde heute sagen, das Verhalten eines Danny Dattel oder eines Werner Nachmann sei rassebedingt gewesen. Dagegen macht eine prinzipielle Gegnerschaft zu kolonialistischer Politik aus einem Kritiker Israels einen Antisemiten. Um eine solche Beschimpfung zu vermeiden, muss man die zionistischen Ambitionen „gut“ finden, muss man bestreiten, dass Israel ein Kolonialstaat sei, und muss erklären, dass die Idee eines „jüdischen Staates“ zur Apartheit der nicht-jüdischen (territorialen) Minderheiten nicht führen könne. Das bedeutet, der „Linke“ ist entweder wie Volker Beck glühender Israelverehrer oder er hält die Menschenrechte für alle für erstrebenswert und wird, bezogen auf Israel „Antisemit“.

In unserem Massenzeitalter ist schematisches, gruppenkonformes Denken verlangt und kein individualistisches. Es ist alles ganz schrecklich

von Lobenstein

 

 

Jüdische Hunde

Von Abraham Melzer

Irgendwann stellt sich jeder Israeli die Frage: Müssen wir zigtausende Menschen in Gaza töten? Objektiv fehlen für die Fortsetzung des Krieges die rationalen Gründe,  emotionale Beweggründe haben längst deren Platz eingenommen. Bei den einen sind es Gelüste nach Rache oder, wie es viele Kommentatoren in Israel behaupten, Netanjahus Angst, dass ein Friedensvertrag sein politisches Ende bedeuten könnte. Dieser Krieg entwickelt sich immer mehr in Richtung eines Genozids am palästinensischen Volk. Längst spielt es keine Rolle mehr, ob israelische Politiker und einige Intellektuelle es nicht zulassen wollen, dass dieser Krieg so genannt wird. Er hat sich längst zu einem Kriegsverbrechen entwickelt, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit und gegen das Völkerrecht. Es hilft der Kriegspartei der Israelis nicht mehr, die Kriegsgegner in Israel als Antisemiten zu diskreditieren. Die Diffamierung als Antisemit wirkt nicht mehr. Das böse Wort hat seine Schärfe verloren und wird von vielen nicht mehr ernst genommen. Es ist eben nicht jeder Antisemit, der sich gegen Israel ausspricht, weil zu viele Menschen reale Gründe hätten. Juden zu hassen, zumindest die Juden, die in Israel leben und den verbrecherischen Krieg fortführen wollen.

Während andere Völker ein, zwei oder vielleicht drei Generationen in den Verlauf ihrer Geschichte zurückblicken, scheinen die Juden in der Retrospektive Weltmeister zu sein. Sie blicken zurück bis hin zur Erschaffung der Welt und vergleichen zeitnahe Ereignisse mit Situationen, in denen Juden unter den Pharaonen ausgesetzt waren. Der Judenhasser Haman im antiken Persien und der Judenmörder Chemelnietzky in der Ukraine im 17. Jahrhundert sind präsente Zombies. Die gesamte Weltgeschichte wird für sie zu einer Geschichte des Antisemitismus. Die Nazis erschienen nur eine als eine Re-Inkarnation des biblischen Volkes Amalek, das die unschuldigen und friedfertigen Juden, als sie aus der ägyptischen Knechtschaft entflohen waren, in der Wüste überfallen hatte. Immer sind wir die Opfer und immer sind die anderen die Täter.

Das hat sich allerdings in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit der Gründung des Staates Israel verändert und die Juden drehten den Spieß um: Jetzt wurden sie die Täter und ein anderes Volk das Opfer. Mit der Macht aller Propagandamittel bis hin zur Geschichtsfälschung versuchen die Israelis und die zionistischen Juden ihre Legende als ewige Opfer fortzuspinnen.

Der Überfall der Hamas am 7. Oktober 2023 ist für die Israelis und für viele Juden wieder der ultimative Beweis, dass die ganze Welt die Juden hasst. Für sie ist klar, dass sie heimtückisch und grundlos überfallen und ermordet wurden, und dass dies wieder ein Versuch des Genozids an allen Juden der Welt, von Moskau bis New York war. Natürlich wurden die unschuldigen Israelis ermordet, nur weil sie Juden waren und, wie der jüdische Pulitzer-Preisträger Joshua Cohen schreibt, „man könnte das noch weiterspinnen und sagen, die Hunde, die an jenem Tag starben, wurden getötet, weil sie jüdische Hunde waren. In vielen der Kommentare israelischer und jüdischer Intellektueller stieß ich nicht auf ein einziges Wort über das, was die Israelis seit mehr als 75 Jahren den Palästinensern angetan hatten und immer noch zufügen. Stattdessen wurde der 7. Oktober als aktuelles Eintreffen des uralten Geschichtsverlaufs jüdischen Leidens betrachtet. In der Zeit, in der nationalistische Religiosität und jüdischer Extremismus auf dem Vormarsch sind, wurde an Juden ein Massaker verübt. Und Joshua Cohen vergisst nicht zu erwähnen, dass es am 7.10.23.säkulare Juden waren, die betroffen wurden. Er betont noch in vollkommener Selbstgerechtigkeit, die ihn naiv erscheinen lässt, dass „Juden getötet wurden, weil sie Juden waren“.

Im Massaker vom 7. Oktober sieht Cohen wie viele andere Israelis und Juden in der Diaspora, die Wiederkehr der ewigen Geschichte des alten Amalek, die vor 3000 Jahren stattgefunden haben soll. Sie müsste den Menschen des 21. Jahrhunderts wie ein Märchen aus 1001 Nacht vorkommen. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu vergaß in seinen Ansprachen Zum Kriegsbeginn nicht, den biblischen Satz zu wiederholen, „was Amalek euch angetan hat….“  Jedes Jahr, wenn ein Jude die Geschichte von Amalek liest, soll ihm das Gefühl kalt den Rücken hinunterlaufen, er „sei selbst von den blutrünstigen Amalekiten angegriffen und nur durch ein Wunder errettet worden“. Die Erinnerung eines Juden reicht nicht 3000 Jahre zurück, sondern es ist die Erinnerung an den Geschichtsunterricht, der 3000 Jahre zur Gegenwartsgeschichte verdreht. Als Beispiel für solche Erinnerungspflege verweise ich auf Marek Halter (in: Abraham : Wege der Erinnerung.und ähnliche Werke ) . Alle jüdischen Opfer von Amalek sind präsent, aber die Opfer ihrer eigenen Gewalt, die nicht so alt sind, sind bereits aus dem Kurzzeitgedächtnis entschwunden. Sie, die Juden, nennen den 7. Oktober den tödlichsten Tag für die Juden seit dem Holocaust. Sie stellen damit die Terrortat vom 7. Oktober auf derselben Stufe wie den Holocaust, bei dem ein Drittel des jüdischen Volkes vernichtet wurde. Wenn der Tag des Massakers nicht traurig wäre, wäre seine Einstufung lächerlich.

Fast alle Israelis und Palästinenser unserer Generation wurden in diese Atmosphäre der Gewalt hineingeboren. Trotz mehrerer Versuche einer Befreiung aus dieser Zwangslage hält dieser Zustand seit bald 100 Jahren unverändert an. Auf jede Aktion der Palästinenser folgt eine Vergeltung der Israelis oder vice versa. Ein Problem ist dabei, dass auf israelischer Seite eine hoch gerüstete Armee gegen weit unterlegenen Widerstand auftritt.

1983 schworen sich Rabin und Arafat „nie wieder Krieg“: „Wir kommen aus einem gequälten Land, trauernden Land…Wir wollen versuchen, den Feindseligkeiten ein Ende zu bereiten. Es reicht mit Blut und Tränen. Es reicht!“ Offensichtlich reichte es doch nicht. Israelis und Palästinenser sind derart traumatisiert, dass sie nicht mehr miteinander können. Sie wollen das Land wie eine Pizza teilen, und während sie darüber verhandeln frisst die israelische Seite inzwischen Stück Land für Stück Land. Am Ende bleibt für die Palästinenser nichts mehr übrig.

Lee Yaron rekonstruiert in Ihrem Buch Israel – 7. Oktober den Tag, der in die Geschichte Israels und des Nahen Ostens als schwarzer Sabbat eingehen wird. Sie zeichnet die Porträts der Ermordeten und geht in der Geschichte ihrer Familie zurück bis ins 15. Jahrhundert, als ob die Vertreibung der Juden aus Portugal irgendeinen Einfluss auf die desolate heutige Situation zwischen Israelis und Palästinenser haben könnte. Sie will uns belehren, dass das Massaker eng mit dem Holocaust verbunden sei. Das lässt sich nicht darstellen, auch wenn sie es sich wünscht. Das Massaker vom 7. Oktober hat keinen Bezug zum Holocaust, aber Bezüge zu Gaza und zu allem, was in Gaza seit Jahren passiert, Das Massaker hat auch einen Bezug zur Nakba, der Katastrophe der Palästinenser, die für letztere immer noch keinen Abschluss gefunden hat. Im Gegenteil zu den Juden, deren Shoa ultimativ abgeschlossen ist, und mit der es nichts auf der Welt Vergleichbares gibt, stellt der Aufstand der Palästinenser vom 7. Oktober 2023 etwas Eigenes dar. Dies nicht nur wegen der unvergleichbaren Zahl der Opfer an nur einem Tag, sondern vor allem wegen der unvergleichbaren Motive zu dem Anschlag. Während die Nazis keine rationalen Gründe hatten die Juden zu hassen und zu ermorden, so kann man solches von den Palästinensern nicht behaupten. Sie hatten jede Menge rationale und erst recht emotionale Gründe, angefangen mit ihrer Vertreibung aus ihrer Heimat durch die Juden bis zu ihrer Behandlung durch die Israelis, die sie zu Menschen zweiter und dritter Klasse gemacht haben.

Vielleicht war der Überfall der Hamas zu brutal und vielleicht auch erschreckend barbarisch. Sicherlich war er eine Tragödie. Aber muss Israel derart brutal und selbst mörderisch antworten und in Kauf nehmen, dass Gaza nicht nur zerstört wird, sondern total ausgelöscht wird. Ist das nicht auch menschengemachter Terror gegen unschuldige Zivilisten, Frauen, Kinder und Säuglinge, die nicht nur durch Bomben, sondern auch an Hunger und Kälte sterben? Der Auftrag Israels bestand darin, die Juden aus der Opferrolle zu befreien. Die Politik Israels, nicht erst seit dem 7. Oktober 2023, treibt die Juden aber aufs Neue in diese Rolle zurück. Israel ist schon lange nicht mehr das sicherste Land für Juden. Und die Israelis werden inzwischen weltweit verachtet, nicht weil sie Juden sind, sondern weil sie eine völkerrechtswidrige Politik treiben. Israelis wurden am 7. Oktober 2023 getötet, nicht, weil sie Juden waren, sondern weil ihre Regierung seit Jahrzehnten eine palästinenserfeindliche Politik macht. Es ist das in der Charta der Menschenrechte verbriefte Recht der Palästinenser, sich dagegen zu wehren. Die Autos, die an diesem Tag angezündet wurden, verbrannten nicht, weil sie jüdische Autos waren, schon weil Autos nur Autos keine Menschen sind. Es gibt keine jüdischen Autos wie es auch keine katholischen oder protestantischen Autos gibt. Aber für Autoren wie Joshua Cohen gibt es nur Juden, oder nichts.

Ich weiß wirklich nicht, was ich dazu sagen soll.

Vielleicht analog zu Müllers Milch Werbung:

Alles Antisemiten, oder was?

Zufällig lese ich gerade in der „Jüdischen Allgemeinen“ ein Interview deren Redakteure mit 4 aus Israel nach Berlin verzogenen Juden; einige Passagen passen so gut zu meinen Ausführungen, dass ich diese aus dem Gespräch von Joshua Schultheis und Mascha Malburg über jüdische Identität und wachsenden Antisemitismus mit Roy, Shay, Tal und Hila hier anfügen möchte:

Frage der „JA“:

Berlin war lange ein Magnet für junge Israelis. Ist das noch so? Ihr habt Israel verlassen und seid in die deutsche Hauptstadt gezogen.

Roy: Ich wollte etwas aus meinem Leben machen, und in Tel Aviv ging das einfach nicht. Dort musste ich wie verrückt arbeiten, um meine Rechnungen bezahlen zu können. Manche brauchen drei Jobs, um in Tel Aviv über die Runden zu kommen. Man kann die Stadt nicht genießen.

Hila: Ich wollte Israel einfach nur verlassen, weil es in jeder Hinsicht ein schreckliches Land ist. Es ist rassistisch, es wird mehr und mehr religiös, es ist wirtschaftlich instabil. Es gab nichts, was ich wirklich mochte, außer das Essen. Ich habe erkannt, dass die Besatzung die israelische Gesellschaft von innen heraus ruiniert. Ich wollte kein Teil davon bleiben. ….

Shay, warum hast du Israel verlassen? Als Israel immer teurer, immer nationalistischer und religiöser wurde, bin ich endgültig nach Berlin gezogen. Ich fühle mich in Berlin jüdischer. In Israel konnte ich nichts mit den Religiösen anfangen. Wenn ich in Berlin jemanden sehe, der eine Kippa trägt, freue ich mich. Ich feiere auch  Chanukka Hila: Man wird jüdischer außerhalb Israels. Shay: Ich bin überzeugter Atheist. Aber ich bin in Deutschland damit konfrontiert, dass mich Leute als Juden sehen. Roy: Ich hatte aschkenasische Freunde, die sagten, ich würde jetzt ins »Reich« ziehen. Meine Familie hatte gar kein Problem damit und ich auch nicht. Aber wenn ich dauernd daran denken würde, was hier passiert ist, wenn ich durch Berlin laufe, würde ich verrückt werden. Man muss nach vorn blicken. Tal: Für meine Eltern war das absolut in Ordnung. Nur meine Mutter meinte, dass mein Großvater das gar nicht gut gefunden hätte. Tal: Ich wollte schon lange nach Berlin ziehen. 2023 fiel dann aber meine Entscheidung, wegzugehen.

Der 7. Oktober war auch eine Zäsur für Israelis im Ausland. Wie hat sich euer Leben in Berlin seitdem verändert?
Hila: Mein Blick auf Israel ist noch kritischer geworden. Ich lehne die Reaktion des Landes auf den 7. Oktober ab. Viele Leute in Berlin sind nicht in der Lage, beide Seiten zu sehen: Sie interessieren sich nur für das Schicksal der Juden oder nur für das der Palästinenser. Ich habe mein ehrenamtliches Engagement aufgegeben. An meinem Sicherheitsgefühl hat sich aber nichts geändert. Ich habe keine Angst, in Neukölln auf die Straße zu gehen und Hebräisch zu sprechen.

Es gab in Neukölln aber Angriffe auf Israelis, nur weil sie Hebräisch gesprochen haben.
Hila:  Ich verstehe Arabisch und weiß, was die Leute um mich herum reden. Sie geben mir keinen Anlass, Angst zu haben. Ich habe kein Problem damit, Taxifahrern zu sagen, woher ich komme. Mit palästinensischen Fahrern, die ich in diesem Jahr getroffen habe, hatte ich ein verständnisvolles Gespräch. Wenn ich in einen arabischen Supermarkt gehe, fühle ich mich besser, als wenn ich zu Netto gehe. Ich fühle mich mit den Menschen in Neukölln verbunden: Sie sehen aus wie ich, sie haben eine ähnliche Kultur. Ich teile nicht die Vorstellung vieler Israelis, dass alle Palästinenser Juden töten wollen. Wenn ich in den israelischen Nachrichten sehe, wie Menschen eine Flasche Champagner öffnen, um den Tod des Hamas-Chefs Sinwar zu feiern, dann bin ich angewidert. Man empfindet keine Freude, dass jemand getötet wurde. Roy:  Leider habe ich Freunde verloren und mich isoliert. Früher bin ich immer zu einer türkischen Frau zum Haareschneiden gegangen. Am 7. Oktober hat sie dann auf WhatsApp gepostet: »Free Palestine!« Das war’s für mich. Ich habe keine Kraft, Leute über die antisemitischen Wurzeln der palästinensischen Bewegung aufzuklären. Ich bin enttäuscht von den Deutschen. Wir hatten ein rotes Dreieck an unserem Nachbarhaus, »Intifada« stand darunter. Mein Mann hat es überstrichen. Diese Hilfe hätte ich mir von allen Deutschen gewünscht. Es scheint mir, dass es vielen Deutschen einfach egal ist. Ehrlicherweise hoffe ich mittlerweile auf die AfD, damit sich etwas ändert. Die AfD sollte vielleicht nicht stärkste Kraft werden, aber doch Teil einer Koalition. Sie sind die Einzigen, die endlich durchgreifen wollen: Kriminelle rausschmeißen und Leute abschieben, die nicht loyal zu Deutschland sind. Ich weiß zwar nicht, ob die AfD wirklich etwas unternehmen könnte. Aber was wird passieren, wenn wir weiter nichts tun? Hila: Das ist doch das israelische Narrativ, dass du hier hineinbringst. Immer harte Kante zeigen. Das funktioniert dort schon nicht. Wir müssen demokratische Wege finden, zum Beispiel in Bildung investieren.

Tal:  Ein Taxifahrer hat mich rausgeschmissen, weil ich am Telefon Hebräisch gesprochen habe. Ich gehe nicht mehr nach Neukölln. Wenn du Angst um dein eigenes Leben bekommst, dann ändert sich die Perspektiven.

Überlegst du, nach Israel zurückzuziehen?
Shay: Nicht jetzt. Ich bin viel zu kritisch gegenüber dem, was in Israel passiert. Aber wenn es in Deutschland wirklich so schlimm wird, wie ich befürchte, könnte Israel irgendwann der einzige sichere Hafen sein. Ich werde also nicht zurückkehren, weil ich es will, sondern weil ich es vielleicht tun muss, um zu überleben.

Gibt es irgendetwas, dass dich überzeugen könnte, nach Israel zurückzuziehen?
Hila: Frieden, Mietendeckel, öffentlicher Nahverkehr am Schabbat …

Roy, was ist mit dir – hast du einmal überlegt, zurück nach Israel zu ziehen?
Roy: Nein, niemals. Ich fühle mich Deutschland so verbunden. Ich liebe dieses Land. Und ich habe mehr als nur die Hauptstadt gesehen. Die Seen rund um Berlin! Die grünen Felder! Rügen! So wunderschön! Nein, ich will nicht zurück. Ich vermisse zwar dieses Grundvertrauen in Israel: Wenn etwas Schreckliches passiert, unterstützen wir uns gegenseitig. In Deutschland weiß ich nicht, wer zu mir. Das ist höllisch beängstigend. Dass mir ausgerechnet das Zusammengehörigkeitsgefühl fehlt, ist schon komisch. Genau vor dieser Enge bin ich damals weggelaufen.

Der israelische Staat lässt seine jüdischen Bürger im Stich

Die Jüdische Allgemeine veröffentlicht unter der Schlagzeile „Von der Welt vergessen“ das Foto eines jüdischen Kleinkindes, das mit seinen Eltern und Bruder seit mehr als einem Jahr in der Gewalt der Hamas ist. Ein Georg Hafner schreibt in der „JA“:

„… wurde am 7. Oktober 2023 mit Bruder, Vater und Mutter verschleppt: Kfir Bibas war damals knapp neun Monate alt. Seit 455 Tagen befindet sich das israelische Kleinkind Kfir Bibas mit rund 100 anderen Geiseln in der Gewalt der Hamas. Wo bleibt der Aufschrei? (Foto aus der Jüdischen Allgemeinen)…..“

Hier ist der Aufschrei

Wie kann ein Staat seine Belange für so wichtig nehmen, dass er 150 Staatsangehörige nicht gegen 4.500 gefangene Araber austauscht? Das war die Situation vor einem Jahr und ist heute immer noch Gegenstand der Verhandlungen in Doha. Seitdem hat der dieser Staat nur Maßnahmen ergriffen, die von der Weltorganisation als Kriegsverbrechen eingestuft werden; dabei wurden auch „Geiseln“ von den eigenen Soldaten „friendly“ erschossen. Eine Befreiungsaktion an der ägyptischen Grenze kostete weiteren Geiseln das Leben. Schlimm genug, Israeli zu sein; wie die „JA“ die israelische Regierung von der Verantwortung für diese Desaster exkulpieren möchte, schlägt dem Fass der Sympathien für Israel den Boden raus: Die „JA“ schreibt:

»Mit neun Monaten sucht euer Baby verstärkt eure Nähe und fremdelt in der Gegenwart von Menschen, die es nicht so häufig sieht«, schreibt die Illustrierte »Eltern«, das Fachblatt »für die schönsten Jahre des Lebens«. Kfir Bibas war in seinem Leben bisher länger im Dunkeln als am Licht, länger in einem Loch als auf dem Spielplatz. Kfirs Welt ist stickig und staubig. Wie er und die anderen Geiseln gefoltert werden mit Hunger, Kälte, Einsamkeit, Erniedrigung, Dunkelheit und sexueller Gewalt, ist jetzt nachzulesen im Bericht Israels an die UN…… Am 7. Oktober 2023 war er knapp neun Monate alt. Kurz davor entstand ein Foto, das ihn zeigt, wie er voller Erwartung in diese Welt strahlt, die kurz danach über ihm zusammenbricht: Gemeinsam mit seinem vierjährigen Bruder Ariel, seinem Vater und seiner Mutter wurde er in ein Verlies nach Gaza verschleppt. In Israel kennt jeder Baby Kfir. …. 2 weitere als Geisel genommene Kinder (Dareen und Kinan) sind gerade in Katar, wo sie behandelt werden. Der Rest der Familie soll bei einem Luftangriff Israels in Gaza ums Leben gekommen sein. … Die Hamas und ihre Helfershelfer haben alle Kinder auf dem Gewissen, jedes einzelne. Ihr barbarischer Überfall hat auch die Kindheit von Dareen und Kinan in Gaza und die von Stav in Israel jäh beendet …“

Alles richtig; dass es aber seit mehr als einem Jahr unverändert so geblieben ist, ist auch die Schuld der israelischen Regierung. Wenn die „JA“ meint, „diese Gleichsetzung des Leids sei perfide und obszön, weil es die Verantwortlichen freispreche“, redet sie Unsinn. Die Hamas wird nicht freigesprochen. Die israelische Regierung stellt sich nur auf das Geiselnehmer-Niveau. Man kann nur fragen, ob sie das aufgrund überdrehter Staatsautorität ihren Bürgern antut oder ob sie aus zionistischer Psychose zwanghaft handelt. Die „JA“ bringt ihr Irresein weiter durch inkohaerente Gedankengänge zum Ausdruck:

Die israelfeindliche Hetze ist unerträglich. Zugleich wird kaum über die Geiseln gesprochen.

Blödsinn: Die Geiseln sind das Thema schlechthin. Die Schlüssel für ihre Befreiung sind die Schlüssel der israelischen Gefängnisse. Inzwischen aber dürfte jedes menschliche Mitgefühl bei den Arabern abgetötet worden sein, denn dort türmen sich die arabischen Kinder- und Babyleichen dank der Aktivitäten der IDF zu Hauf. Was die „JA“ zu Papier bringt, ist bösartiger Hohn:

„Wer das Leid der Kinder in Gaza beenden will, dem darf das Leid der israelischen Kinder nicht gleichgültig sein, der muss die Freilassung Kfirs und aller anderen Geiseln fordern….“

Aha! Die arabischen Kinder werden solange abgeschlachtet, bis der kleine Kfir herausgegeben wird? Meint die „JA“ das im Ernst so? Klingt jedenfalls so, dass für die IDF die Kinder nur Opfer zweiter Klasse wären: weiter im Text:

„Sie aber sind selbst für UNICEF, für Amnesty International und das Internationale Rote Kreuz bestenfalls Opfer zweiter Klasse, ein pflichtschuldiges Anhängsel der Forderungen nach Waffenstillstand, die sich vor allem an Israel richten.

Auch die UN und Außenministerin Annalena Baerbock attackieren nicht etwa die Hamas oder deren Verbündete Iran und Jemen, sondern sie delegitimieren Israels Verteidigung. Im Namen der Menschenrechte werden so die Opfer zu Tätern. Die Geiseln dagegen sind nur noch eine lästige Fußnote, dabei müssten ihre Fotos überall gezeigt werden, um den Druck der Welt auf die Hamas zu erhöhen, endlich aufzugeben und so den Krieg zu beenden…..“

Sind „die“ noch ganz bei Trost? Die Opfer werden doch nicht zu Tätern, wenn sich derjenige, der seine Fürsorgepflicht für die Opfer verletzt, zu den Tätern gesellt, um „Israels Verteidigung nicht zu delegitimieren“. Was verteidigt Israel eigentlich, wenn es seine Bürger bis zum Kleinkind hinunter hängen lässt? Der Irrsinn der „JA“ wird durch einen weiteren Artikel verdeutlicht, der das „legitime“ Anliegen der Angehörigen der Opfer nicht verstehen will: Die „JA“ schreibt in einem zweiten Artikel:

„… Demonstranten fordern Ende des Gaza-Kriegs. Tausende gingen im ganzen Land [für] einen Geiseldeal auf die Straßen. Auch 15 Monate nach ihrer Entführung leiden die Geiseln der Hamas weiter unter den grauenhaften Umständen ihrer Gefangenschaft. Lautstarke Proteste erhöhen den Druck auf Regierungschef Netanjahu…. Derweil laufen die indirekten Verhandlungen zwischen Israel und den Islamisten äußerst schleppend. Die lautstarken Demonstrationen, die es nahezu jeden Samstagabend in israelischen Großstädten gibt, sollen ….  die Heimkehr der Entführten ermöglichen….. Noch etwa 100 Geiseln werden in Gaza festgehalten – wobei unklar ist, wie viele von ihnen unter den grauenhaften Bedingungen in der Gewalt ihrer Peiniger [noch] leiden müssen. Israel, das aus Prinzip nicht direkt mit der Hamas verhandelt,  war diesmal durch höhere Beamte und Offiziere vertreten….Ein Durchbruch sei nicht in Sicht. Die offene Frage, welche Geiseln wann gegen welche palästinensischen Gefangenen in israelischen Gefängnissen auszutauschen wären, ließ den Regierungschef beteuern, dass seine Regierung unermüdlich daran arbeite, die Geiseln nach Hause zu bringen.

Netanjahu hat es nicht eilig

Angehörige und Freunde der Geiseln sowie Demonstranten werfen Netanjahu vor, mit immer neuen Forderungen eine Waffenruhe mit der Hamas und damit die Freilassung der Geiseln zu torpedieren. Sie unterstellen ihm, mit der Verlängerung des Krieges sein politisches Überleben sichern zu wollen. Netanjahu bestreitet das. Zugleich steht er unter Druck rechtsextremer und ultra-religiöser Koalitionspartner, die Zugeständnisse an die Hamas strikt ablehnen. Außerdem muss sich Netanjahu vor Gericht gegen Korruptionsvorwürfe verteidigen. dpa“

Es ist mehr als nur „etwas“ faul im Staate Israel. Das sein oder Nicht-Sein der Geiseln ist jetzt die Frage.

von Lobenstein

 

Islam im Westen

Der Moslem, der in Europa lebt, kann eigentlich nicht mehr an einen Gott als Schöpfer der Menschen glauben, schon weil er ganz nebenbei zu viel von Naturwissenschaft mitbekommt. Einfache anatolische Geister ziehen sich sozial mit ihresgleichen in soziale Nischen zurück. Der Prophet aber wusste schon vor 1.500 Jahren, dass „die Juden“ den traditionellen Mythos der Genesis verfälscht haben mussten. „Die Juden“ wurden in diesem Zusammenhang selbst Opfer ihrer Priesterkaste, die sich mittels des verfälschten Mythos die politische Macht über das jüdische Volk reservierte. Der Oberpriester Samuel sah Gott als den König der Juden und regierte für diesen die Irdischen; ihm missfiel der Wunsch seines Volkes, einen richtigen König (Saul) zu bekommen. Die jüdische Religion sicherte eine „Pfaffenmacht“ nach der Logik: Wenn ein Ur-Gott den Menschen geschaffen hätte, schuldet der Mensch diesem Gott einen Gehorsam wie ein Hund seinem Züchter und den Pfaffen (Rabbinern) den Gehorsam als Gottbeauftragten. Deswegen entwickelte sich bei den Juden kein republikanischer Sinn und keine Demokratie wie bei Griechen und Römern.

Der Sinn für unsere Staatsformen kam im hellenischen Westen auf, wo der Mythos erzählt, ein Titan der zweiten Generation, ein gewisser Prometheus, habe den Menschen geschaffen. Die Titanen erster und zweiter Generation wurden von den neuen Göttern, den Olympiern gestürzt. Prometheus selbst wurde an den Kaukasus geschmiedet. Der hellenische Mensch existiert gegen Gottes Willen, denn die neuen Götter wollten auch die Menschen vertilgen. Die vorsokratischen Naturwissenschaftler studierten deren Naturgewalten und wussten, den Zorn der Götter zu überleben. Die Priester der Tempel herrschten bei den Griechen und Römern nicht über die politischen Gemeinschaften der Menschen, sondern dienten den hellenischen Staaten, die Götter durch Opfer milde gestimmt zu halten.

Überlegt man diese Umstände genauer, fallen einem die Widersprüche des biblischen Märchens auf. Man merkt, dass der Mythos der Genesis, wie er uns überliefert ist, verfälscht sein muss. Hätte Gott den Menschen wirklich geschaffen, dann hätte er ihn, wie alle seine Geschöpfe, a.) gleich als Mann und Frau kreiert. Aber warum hätte er b.) den Menschen überhaupt schaffen sollen? In seiner göttlichen Weisheit schuf er als intelligenteste Tiere Orang-Utans, Gorillas und Schimpansen. Als Lebewesen mit gigantischer Staatsbildungsfähigkeit schuf Gott voraussehend nur niedere Insekten wie Ameisen, Termiten, Bienen und Wespen. Höhere Tiere siedeln allenfalls in „Kolonien“. Niemals hätte Gott ein Wesen mit Intelligenz und der sozialen Fähigkeit zur Bildung von Staaten geschaffen, das über kurz oder lang seine Schöpfung vernichten werde. Genau so ist es aber gekommen: ganze Tierarten rottete der Mensch aus, er fischt die Meere leer, laugt die Böden aus und verwandelt fruchtbares Land in Wüsten. Der Fauna entzieht er die Lebensgrundlage durch Zerstörung der Flora.

Niemals hätte Gott selbst eine derartig destruktive Kreatur in seine Welt gesetzt. Facit: Gott kann den Menschen nicht geschaffen haben. Aber wie konnte es zur Existenz des Menschen kommen? Der wahre Mythos der Genesis korrespondiert mit der Prometheus-Sage:

Ein Erzengel   – später in Phosphoros, Lucifer, Satan, Helel usw. umgetauft –   wollte sich als ein größerer Künstler erweisen als Gott, der als Krone der Schöpfung die Affen schuf. Der künftige Satan formte nach dem Ebenbilde Gottes das Wesen „Adam“, dem er Leben einhauchte; so entstand der erste Mensch. Als Gott die obszöne Kreatur des Engels sah, stürzte er den frevelhaften Engel in die Hölle.

Sturz Satans, Illustration von Gustave Doré, 1865

Als Gott beobachtete, wie der verwaiste Mensch ohne Ansprache und unbeweibt traurig durch seinen Garten Eden schlich, erbarmte er sich des Menschen und schuf ihm aus dessen Rippe das benötigte Weib. Er holte nach, was er bei seinen anderen Kreaturen von Vorne herein gemacht hatte, und schuf dem Menschen ein Weibchen aus dessen vorhandener Substanz. Gott musste das Weib aus einer Rippe des Mannes formen, um es aus dem gleichen Stoff bilden zu können, aus dem der Satan mit seinen schmutzigen Fingern den Adam geformt hatte. Von Anfang an bemüht sich der zum Teufel mutierte Engel, die Herrschaft über sein Kunstwerk zurückzugewinnen. Eine gewisse Furcht vor Tod und Hölle hält den Menschen in der Familie seines Ziehvaters (Gott) zurück.

Vielleicht deswegen, weil das Weib nur eine derivate Schöpfung Gottes ist, erklärt es sich, warum es so viele schwule Männer gibt. Aber solche Details sind nicht das Problem.

Das Problem ist die Unterdrückung des wahren Schöpfungsmythos, den die jüdische Priesterschaft verfälscht hat. Sie verkündet den Menschen,  Geschöpfe des Allmächtigen zu sein und erzählten den jüdischen Stämmen auch noch, bevorzugt dieses Gottes Lieblinge zu sein, wenn sie nur die absurdesten Gebote (613 an Zahl) befolgten. Sie erzeugten damit abergläubische Neurosen bei den Frömmsten und werten simultan die Güte Gottes ab, der nachsichtig und in unendlicher Barmherzigkeit das Geschöpf des gestürzten Erzengels adoptiert hatte. Indem Gott dem „Satansbraten“ das Weib geschaffen hat,  hatte Gott ihn in seinen eigenen Kosmos aufgenommen (dem er sich nicht würdig erweist).

Für die Verfälschung des Gründungsmythos überlässt Gott die Menschen ihrem Schicksal: 1248/1250 ließ er zu, dass die Christen Sevilla und die Mongolen Bagdad eroberten. Die Juden strafte er ähnlich, indem er geschehen lässt, wie ihre Priester, Propheten und Rabbinen sie in die Irre führen; schon Kaiser Julian (360-363) fiel auf, dass ihm der Gott den Juden wie ein böser Kobold erscheine, denn er führt sie von einer Katastrophe zur nächsten. Erst lockt er sie weg von den Fleischtöpfen Ägyptens, scheucht sie durch die Wüste, ließ sie ein Reich errichten, dessen Dynastie an Brudermorden zerbrach, ließ im erweiterten Brudermord den Stamm Benjamin vernichten, und schickte ihnen die Assyrer auf den Hals, die 10 Stämme Israels spurlos nach Innerasien verschleppten. Er zerstreute den verbliebenen Stamm Juda in alle Welt, wo dessen Nachkommen, soweit sie sich nicht den Völkern anschlossen, unter Pogromen kurzgehalten wurden. Er schickte ihnen den Journalisten Theodor Herzl als Propagandisten des Kolonialismus. Er demütigte Kolonialismusabstinente durch ein „Würstchen“ (Hannah Arendt) und subalterne Offiziere der „Krauts“, indem er sie für ihre schlimmsten Feinde als Sklaven schuften ließ. Der parallel erlittene Holocaust war so schrecklich, dass die Theologen der Welt streiten, öb er überhaupt ein Ereignis im Sinne Gottes gewesen sein könne. Man möge es nachlesen in Wikipedia unter „Holocaust-Theologie“. Die grandiosen Leistungen großer jüdischer Geister (Arthur Ruppin listet deren Namen auf in: Soziologie der Juden Bd. II) gereichten nie den Juden als solchen zum Vorteil: Gott ließ sie der ganzen Welt zugutekommen. Den Juden verblieben Kabbalisten und zionistische Chauvinisten als Führer übrig.

So weit eine komprimierte Darstellung der jüdischen Geschichte. Und wie ist es mit dem Christentum, das in gewisser Hinsicht ein Derivat des Judentums ist? Spirituell ist es eine Banalisierung des Letzteren, aber machttechnisch eine geniale Ordnungslehre. Die „Religiösen“ wurden in Klöster interniert oder als Ketzer verbrannt, um die Macht der christlichen Staaten nicht zu gefährden. Von einem Standpunkt des Ungläubigen ist das Wesen des Christentums schnell erklärt:

Der Großvater Kaiser Julians (s.o.), Kaiser Konstantin hatte aus dem jüdischen Aberglauben vom Schöpfergott den Gipfel einer imperialen Vermessenheit promulgiert. Dessen Sonnengott wurde mit dem jüdischen Jahwe gleichgesetzt; die Staatsdogmatik legt als Verfassung für die Römische Despotie fest (Nikäa 325):

der Jahve-Sonnengott habe einen Sohn (Jesus)  gezeugt mit einer frei von Erbsünde geborenen Jungfrau (Maria). Von beiden, Gott dem Vater und vom Sohn ginge noch ein Hl. Geist aus, um als drei Personen die komplette Gottheit als Trinität bilden. Der durch die Geburt aus der Jungfrau Maria zeitweilig „fleischgewordene Sohn Gottes“ (Jesus) fuhr    – nach vermutlich 40 Jahren Erdenzeit –   nach einem inszenierten Kreuzestod (nach nur 3 Stunden Hangens) und einer getürkten „Auferstehung von den Toten“ 40 Tage nach Ostern körperlich in den Himmel auf (in Wahrheit setzte er sich nach Indien ab, wo in Srinagar sein Grab liegt). Seine durch die „Himmelfahrt“ (eigentlich Indienfahrt) verwaiste Jünger- und Apostelgemeinschaft soll zum mystischen Leib des Gottessohnes auf Erden geworden sein, in den zu Pfingsten der Hl. Geist einfuhr. Dieser bliebe „bis zu Jüngsten Tage“ in dieser Organisation. Das machte die Christenheit zu einer Art Gottheit auf Erden von der Qualität des seinerzeitigen Jesus: Durch die permanente Präsenz des Hl. Geistes im christlichen Staatskörper wird die christliche Menschheit zum Leib Gottes. Der Kaiser und oberste Bischof als Repräsentant des Leibes, „Reich“ genannt,  wird in dieser Logik automatisch zum Stellvertreter Gottes auf Erden. Von der göttlichen Trinität sitzen der alte Jahwe und Jesus im Jenseits auf der Reservebank, wo sie die brav gewesenen verstorbenen Untertanen in den Himmel einlassen.

Tragen nun „die Juden“ für das gedankliche Konstrukt des Christentums eine Verantwortung? Nein, denn sie sind auch nur das Opfer gewissenloser Ideologen. Sigmund Freud (in: Der Mann Moses und die monotheistische Religion) erkannte, das „die Christen“ instinktiv fühlten, dass die Theologie nicht stimmen konnte und sie unglücklich ihre Abneigung gegen die Zwangsreligion auf die Juden sublimierten. Der Prophet Mohammet hatte zwar immer ein Gespür dafür, dass etwas an Tora und Evangelium nicht stimmen könne, aber er bekam es nicht heraus. Der Prophet war ein genialer Staats und Heerführer, aber kein philosophisch geschulter Theologe. Er verstand den Erzengel Gabriel nur so weit, als der dessen spirituellen Gedanken folgen konnte. Der Prophet hatte dessen Offenbarung (z.B.) so verstanden, dass die christliche  „Trinität“ aus Gott-Vater, Jesus und Maria bestünde. Heute, fast 2000 Jahre später, durchschaut man es besser: Heterodoxe Christen haben inzwischen in den USA die Evangelien zur verschrobenen Morallehre versimpelt, und verkennen die Pointe der christlichen Theologie. Der Katholizismus, mit seinen Heiligen ist die „profilierteste polytheistische Religion der Welt“  (Friedrich Schleiermacher). Er, praktiziert die römische Taktik weiter und hat kein Problem mit einer Apotheose, präkolumbianische Götter in seinen Heiligenhimmel aufzunehmen, wenn es die politischen Umstände erfordern..

Und die Juden? Sie verkindschen und vergreisen (Heinrich Graetz) wieder oder gehen mit einem nihilistischen Zionismus in neue Katastrophen. Und die Moslems? Sie haben eine echte Chance, die Barmherzigkeit Gottes zu erkennen, der sie in den Westen gelangen ließ. Gott hat sie, die Nachkommen, diese Satansbraten seines rebellischen Engels als eigene Geschöpfe adoptiert, und ihnen die Chance gegeben, sich der Barmherzigkeit Gottes würdig zu erweisen. Nichts ist vermessener als die irrige Behauptung, von Anfang an als Geschöpf des Allmächtigen ein Recht auf Weltherrschaft zu haben.

Das zu lehren ist der Sinn des Islam im Westen.

von Lobenstein

 

„Völkermord? Im Ernst? ( SZ vom 30. 12. 2024)

Zum Leserbrief von Eva Illouz:

Von Abraham Melzer

Eva Illouz, wer ist das? Man kennt sie; Wikipedia informiert:

„Illouz wuchs als Tochter eines Juweliers einer strenggläubigen sephardischen Familie auf. 1971, als sie zehn war, zog die Familie von Marokko nach Frankreich. Sie ist heute Professorin für Soziologie an der Hebräischen Universität Jerusalem sowie an der École des hautes études en sciences sociales (EHESS) in Paris. Außerdem wirkt sie an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen]. Sie hat bedeutende Beiträge zur Soziologie der Emotionen, zur Kultur und zum Kapitalismus verfasst. Sie war die erste Frau, die als Präsidentin der Bezalel Academy of Arts and Design diente. Ihre Werke, darunter das Buch Der Konsum der Romantik, haben großen Einfluss in der soziologischen Forschung und sind in viele Sprachen übersetzt worden.“

Dies vorausgeschickt,  verlangt sie heute, vor jeder „nüchternen Diskussion über Israels Verbrechen“ vorab anzuerkennen, dass sich die israelische Psyche seit dem 7. Oktober 23 in einer Art Schockzustand befände. Als ob diese Psyche davor vollkommen gesund und vorbildlich für andere Völker gewesen wäre.

Illouz Artikel in der SZ muss auch Ausdruck dieser Schockstarre sein. Anders lassen sich ihre historischen Verdrehungen und Falschaussagen, die abgestandenen Floskeln und Unterstellungen, der hilflose Whataboutism, das apologetische Gerede, das Illouz ihren Gegnern zuschreibt [vgl. SZ vom 14. 10. 2024], kaum erklären. Sie fordert eine „exakte Wortwahl im juristischen, intellektuellen und moralischen Feld“ und bietet selbst pures Ressentiment: „Menschen, die das unfassbare Leid, die humanitäre Katastrophe, die sich vor aller Augen in Gaza abspielt, Genozid nennen, seien „moralische Maximalisten“, getrieben von „offenem Antisemitismus“. Dabei sind selbst israelische Soldaten, die bei den Kämpfen dabei gewesen sind, der Meinung, dass es sich um Genozid handelt.

Was kann mit einer brillanten Autorin und Wissenschaftlerin geschehen sein, die sich noch bis vor kurzem für einen konsequenten Menschenrechts-Universalismus eingesetzt hatte, und damit ihre Kritik an der israelischen Politik begründet hat?

Täglich erreichen uns schreckliche Nachrichten aus Gaza. Täglich schließen sich Berichte über getötete Zivilisten, ermordete Kinder an. Immer wieder sind es Kinder. Seit dem 7. Oktober 2023 finden die Diskussionen über Israels Verbrechen statt: jetzt folgt die Rechtfertigung dieses völkerrechtswidrigen Krieges seitens einer jüdisch-israelischen Philosophin, die sich bis zum grauenhaften Massaker im Oktober 2023 eher damit ein Ansehen geschaffen hat, dass sie die israelische Politik der tagtäglichen Verletzung und Missachtung des Völkerrechts und der Menschenrechte angeklagt hatte. Noch 2015 schrieb sie in ihren Soziologischen Essays, dass

das jüdische Trauma nicht länger als moralische Rechtfertigung für die systematische Blindheit gegenüber der massiven Erosion der Demokratie in Israel und gegenüber der moralisch sowie politisch unverantwortlichen Unterdrückung entrechteter Palästinenser dienen kann…..  Wenn jemand, dem die Menschenrechte wichtig sind, damit zum Verräter an Israel und an den Juden wird […] würde dies den moralischen Bankrott des organisierten Judentums und Israels bedeuten.“

Eva Illouz wollte keine Verräterin an Israel sein. Sie reagierte  wie so viele Israelis und Juden reagieren, wenn vermeintliche Judenfeinde Israel kritisieren: Sie fühlte sich zuerst persönlich angegriffen und dann verpflichtet und berufen Israel zu verteidigen, auch wenn sie ihre Grundsätze und Überzeugungen dabei verraten müsste. Dieser Verrat schien ihr geringer und bedeutungsloser zu sein. Dieser moralische Bankrott Israels, nicht des Judentums, ist nun schneller gekommen, als wir alle dachten. Eva Illouz bietet dafür keine andere Erklärung und Entschuldigung als die des Schockzustandes der israelischen Psyche, „weil an diesem Tag der wohlbekannte Vorsatz zur Vernichtung Israels in die Tat umgesetzt wurde.“

Das ist freilich genauso absurd und falsch wie ihre Behauptung, die palästinensische Führung führe seit 100 Jahren Krieg gegen Israel. Dabei existiert der Staat Israel erst seit 1948, also erst seit 86 Jahren. Und würde sie Deutschlands Versagen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entschuldigen wollen, dass es wegen des verlorenen Ersten Weltkrieges in Schockzustand war? Das wäre zwar die Erklärung, aber es ist keine Entschuldigung, die von den Opfern akzeptiert werden könnte.

Aber Eva Illouz scheint es nicht so genau zu nehmen mit geschichtlichen Fakten und der Beurteilung des Völkermordes im Gazastreifen. Sie stellt alles, was sie bisher gesagt und geschrieben hat auf den Kopf,  und macht aus Opfern Täter und aus Tätern Opfer.

Ihr Beitrag in SZ vom 30.12.2024 ist überladen mit Selbstgerechtigkeit und Selbstmitleid. Wer ihre früheren Schriften kennt, mag nicht glauben, dass sie wirklich die Autorin dieser Rechtfertigung der israelischen Gräueltaten ist. Sie verharmlost diese Taten und, mehr noch, sie hält sie für notwendig. Sie behauptet ernsthaft, dass sie nicht den Tatbestand des Genozids erfüllten, obwohl unzählige israelische, jüdische und nicht-jüdische Beobachter genau das behaupten und auch belegen. Sie will nicht wahrhaben was sie und alle anderen sehen. Es kann halt nicht sein, was nicht sein darf. Illouz scheint nicht wahrzunehmen, was sie nicht sehen will, und weist solche Zeugen als Antisemiten ab.  Sie taktiert mit einem Vorwurf und einer Diskriminierung, die sie bis zum 7.10.2023 nicht nur vermieden, sondern auch intellektuell und leidenschaftlich bekämpft hatte.

Illouz argumentiert wie die diversen Antisemitismusbeauftragten, die in jeder Kritik an Israel unverzüglich auf Antisemitismus-Abwege schalten. Wenn sie früher solche Praktiken kritisiert und ad absurdum geführt hat, so bedient sie sich jetzt selbst solchen primitiven und obsoleten Argumenten. Der südafrikanische ANC ist für sie genauso antisemitisch wie der gesamte IStGH, weil der eine Israel des Völkermordes angeklagt und der andere Haftbefehl gegen Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu erlassen hatte. Illouz richtet ihren Frust und Zorn gegen alles: gegen die UN, weil man es dort gewagt hat, Israel Genozid vorzuhalten. Sie verweist immer wieder auf das Massaker der Hamas, das zweifelsfrei grausam und menschenverachtend war, aber sicher nicht mit „erklärtermaßen genozidaler Absicht“ verübt wurde. Es war für mich ein verzweifelter Ausbruch in einer für die Hamas fast aussichtslosen Lage, als nicht nur Israel und der Westen sich gegen sie vereinten, sondern auch bedeutende arabische Staaten im Begriff standen, die Fronten zu wechseln und die Palästinenser in ihrer verzweifelten Lage aufzugeben. Das Massaker der Hamas barg m. E. keine genozidale Absicht, sondern erscheint eher als Versuch auf sich und seine Lage aufmerksam zu machen. Das Attentat mag zwar gelungen sein, aber der Preis, den die Palästinenser dafür zahlten und weiter entrichten, ist sehr hoch.

Illouz beklagt, dass „drei Tage, nachdem Israelis vergewaltigt, lebendig verbrannt und vor den Augen ihrer Eltern und Kinder erschossen worden waren“, bereits vom Genozid gesprochen wurde. Wenn es damals zu früh für diese Qualifizierung gewesen ist, so ist es doch heute, nachdem die israelische Armee, die humanste Armee der Welt, mehr als 50 000 Frauen, Kinder, Zivilisten und wohl auch Hamas Kämpfer „neutralisiert“ hat, und nachdem mehr als eine Million Menschen aus ihrem Wohnort vertrieben, vielleicht doch zeitlich passend, von Völkermord oder Genozid zu sprechen? Oder wird das Morden erst Genozid, wenn, wie im Tschad, 400 000 Menschen getötet und weit über zwei Millionen vertrieben worden sind? Oder gikt als ultimativer Maßstab die Zahl von 6 Millionen Ermordeten?

Illouz wird nicht müde von ermordeten Israelis zu schreiben und ignoriert die ermordeten Palästinenser. Palästinenser wurden nicht nur in diesem genauso unerbittlichen wie überflüssigen Rachekrieg Israels hingeschlachtet, sondern die ganzen letzten 76 Jahren seit der Gründung des Staates Israel hindurch, seit der Vertreibung der Palästinenser aus ihrer Heimat, seit der palästinensischen Katastrophe, die sie Nakba nennen und was für die Israelis der Tag der Unabhängigkeit ist. Und ihre Zahl reicht in die hunderttausende.

Illouz erklärt den Schockzustand der Israelis und damit auch ihr eigenes Versagen mit den „jahrzehntelangen Bombardierungen an ihren Grenzen im Norden und im Süden und mit Irans Schlinge um den Hals“, die Israels faschistischste Regierung seit Gründung des Staates genötigt habe, den Gazastreifen abzuriegeln. Sie wundert sich dennoch über den Versuch der Eingeschlossenen aus ihrem Gefängnis auszubrechen und verurteilt ihn. Das dabei hunderte und sogar über eintausend Israelis getötet wurden, ist entsetzlich und ist natürlich zu verurteilen, aber was ist mit den Hunderten und Tausenden Palästinenser, die diesseits und jenseits der Grenzen von israelischen Kommandos und bewaffneten nationalistischen und chauvinistischen Siedler im Verlauf der vielen Jahren ermordet wurden? Was ist mit dem Land, das den Palästinensern geraubt wurde, wo jetzt israelische Siedlungen gegen jedes internationale Völkerrecht entstehen?

Eva Illouz vertritt den Grundsatz, dass für den Fall „wenn in ein fremdes Staatsgebiet eingedrungen wird, wenn Menschen gefoltert, getötet und vertrieben werden, wenn Militärstützpunkte angegriffen und Zivilisten bombardiert werden, eine militärische Antwort durch internationales Recht und den gesunden Menschenverstand gerechtfertigt ist.“ Wenn das aber, nach Illouz’ Meinung, richtig und gerechtfertigt für die Israelis ist, um wie viel mehr ist es gerechtfertigt für die Palästinenser, in deren Staatsgebiet die Israelis schon seit langem eingedrungen sind und es inzwischen als ihr eigenes betrachten, analog zu handeln?

Illouz platzt fast vor Selbstgerechtigkeit und Selbstmitleid, wenn sie von „jahrelanger relativer militärischer Zurückhaltung seitens der Israelis“ schreibt, und dabei übergeht, was sie vor dem 7.10.23 geschrieben hat. Wann war denn Israel „militärisch zurückhaltend“? Ich lasse hier unberücksichtigt die Vertreibung der Palästinenser 1948. Aber die Invasion der West-Bank 1967, die völkerrechtlich Palästina heißt, kann man doch nicht als „militärische Zurückhaltung“ definieren. Die Unterdrückung der palästinensischen Bevölkerung ist doch für alle Welt sichtbar und keine Kleinigkeit, vor der man die Augen und das Gewissen verschließen darf und kann. Aber es sieht offenbar jeder nur das, was er sehen will.

Illouz behauptet und meint es offensichtlich ernst, dass Netanjahu und sein bisheriger Verteidigungsminister und Armeechef Galant ihren Krieg tatsächlich nur führen, um „ihre Bevölkerung zu schützen“. Wie naiv, unehrlich und närrisch muss man sein, um solche Dinge  zu glauben. Dabei räumt sie doch selbst ein, dass Israel „zweifellos alle Verhältnismäßigkeit missachtet“. Sie schreibt weiter: „Israel hat zahlreiche Kriegsverbrechen begangen…Aber unverhältnismäßige Gewaltanwendung und ein Kriegsverbrechen ergeben noch keinen Völkermord“. Ab wann wird es denn für die israelbezogene Autistin ein Völkermord? Und wenn es nur Kriegsverbrechen bleiben, ist es dann weniger schlimm? Wenn es niederträchtig ist, wie Illouz behauptet, dass die Hamas ihre militärische Infrastruktur unterhalb oder inmitten ziviler Gebäude eingerichtet hat, was in Gaza kaum anders möglich wäre, so ist es doch noch niederträchtiger und erst recht ein Kriegsverbrechen 1000 Kilogramm Bomben auf Häuser abzuwerfen und kollateral zig Tote in Kauf zu nehmen, nur um einen Verdächtigten zu treffen und zu töten. Nein, Illouz leugnet nicht die Grausamkeit der Zerstörungen. Aber sie tröstet sich und ihre Leser damit, dass diese Verbrechen noch keinen Völkermord darstellen. Sie beruhigt ihr Gewissen und das ihrer Leser, mit der These, dass Israel „stets alles getan habe, um die Zivilbevölkerung in Gaza zu schützen.“  Wie geschah das? Indem die IDF die Bevölkerung 5 Minuten, manchmal sogar 15 Minuten vor einer Bombardierung gewarnt hat. Zynischer geht es nicht.

Sie ist offensichtlich tatsächlich davon überzeugt, dass das Ziel der israelischen Militäroperation war und ist, die Stadt, nicht aber die Identität der Bevölkerung zu zerstören.  Diese wurde schon „zerstört“ bzw. ignoriert, als Golda Meir, Israels eiserne Regierungschefin einst behauptete, sie kenne kein palästinensisches Volk. Die Palästinenser waren für sie wohl nur Statisten.

Das sei für sie eine conditio sine qua non bei der Definition von Völkermord. Die zigtausend Tote und die mehr als eine Million Vertriebene spielen wohl keine Rolle. Das sei für sie kein Völkermord, sondern offensichtlich nur Kollateralschaden. Sie behauptet, dass die Hamas bereit gewesen ist „ihre Bevölkerung jeden Preis zahlen zu lassen.“ Und welchen Preis verlangt die israelische Regierung von ihrem Volk?

Illouz beschuldigt Michael Fakhri, dem UN-Sonderberichterstatter, der von systematischem Aushungern der Zivilbevölkerung klagt, er würde historische Fakten missachten, weil er behauptet, „niemals in der Nachkriegsgeschichte ist eine Bevölkerung so schnell und so vollständig in den Hunger getrieben worden wie die 2,3 Millionen Palästinenser, die in Gaza leben“. Wann beginnt denn für diese Philosophin das Aushungern einer Bevölkerung, wenn sie dazu ergänzt, „dass wir anerkennen müssen, dass die Menschen dort schrecklich leiden“. Die Menschen in Gaza leiden also, sie hungern nicht. Dass sie leiden, scheint sie zu akzeptieren.

Und Illouz beendet ihren polemischen Artikel, mit dem sie einen intellektuellen Tiefstand erreicht, nicht nur indem sie alle Kritiker Israels zu Antisemiten erklärt, sondern auch noch indem sie Moral, Ethik und Völkerrecht auf den Kopf stellt und behauptet, dass die von Zionisten und sich auf den Zionismus berufenden Banden überfallenen Palästinenser „seit hundert Jahren Krieg gegen Israel führen.“ Dabei könnte man glauben, dass die Palästinenser in Palästina eingewandert, um nicht zu sagen eingedrungen sind, und die ansässigen Juden vertrieben haben.

Man kann sich Eva Illouz Ausführungen nur damit erklären,  dass bei ihr, der als aufgeklärter Soziologin geltenden Autorin, unter dem Schock des 7. Oktober 2023 die Koordinaten völlig verrutsch sind. Wenn das bei einer Frau wie ihr schon zutreffen kann, wie muss die Schockwelle auf Millionen jüdische Israelis wirken?“

Gottseidank wirkt der Schock nicht auf alle.

Neues Impressum

Der Verleger Abraham Melzer, der den SEMIT vor 47 Jahren initiiert und 46 Jahre lang in verschiedenen medialen Aggregatszuständen verantwortlich geleitet hatte, ist weiterhin dessen spiritueller Chef: Er ist der Herausgeber. Presserechtlich verantwortlich ist ab jetzt René Freiherr von Godin.

1.

Während Herr Melzer allgemein wegen seines aufrichtigen jüdischen Herkommens, seines Rechtsgefühls und seines festen Charakters bekannt ist, muss ein Bezug zum Judentum von Godins neu dargestellt werden: Herr von Godin wäre nach den Vorschriften der Nürnberger Gesetze dem arischen Volksteil zuzurechnen gewesen, weil er mit einer Nicht-Jüdin verheiratet ist und mit ihr Kinder hat.

Kann nun ein Arier eine jüdische Zeitung leiten? Er kann nicht nur, er muss. Arthur Ruppin (in: Soziologie der Juden) schreibt, dass die vorderasiatisch geprägten Semiten ein Mischvolk seien. In diesem Zusammenhang ist es auch nicht mehr überzeugend, ein individuelles Judentum von der Zufälligkeit der halachischen Abstammung einer Mutter abhängig zu machen, oder deren Fehlen durch religiöse „Übertritte zum Judentum“ zu korrigieren, wenn die künftigen „Proselyten“ in Wirklichkeit an gar nichts glauben. Im Nicht-Glauben sind Juden und Nicht-Juden vereint.

Der historische Gegensatz zwischen Judentum und Nicht-Judentum tauchte im Hellenismus auf, als die Makedonen den Orient eroberten. Seit 333 („Issuskeilerei“) vor u.Z. siedelten sich auch Griechen an den syrischen und palästinensischen Gestaden an und brachten eine Zivilisation mit, für die „die Juden noch nicht reif waren“ (Heinrich Graetz). Jesus, der heute wieder zum Juden deklariert wird, galt den Juden lange Zeit als Sohn des griechischen Söldners Patheras (Toledot Jeshu). Dessen Jünger hatten griechische Namen wie Andreas und Philipp, Simon musste sich den griechischen Namen Petrus geben lassen.

Der biblische Mythos von der Schöpfung der Welt und des Menschen ist bekannt: Jahwe ist der Ewige und Allmächtige. Nach griechischem Mythos war die Welt von Uranos und Gaia geschaffen worden, der Mensch dagegen eine Kreatur des Titanensohns Prometheus. Der Chef des Göttergeschlechts der Titanen, Kronos, hatte den Ur-Gott Uranos (seinen Vater) entmannt und auf die Insel der Seligen expediert. Die Titanen wurden ihrerseits von der Generation der olympischen Göttern gestürzt, denen die Menschen ebenso ein Gräuel waren wie die Titanen selbst. Die Menschen überlebten jedoch die göttliche Abneigung dank ihrer Intelligenz und Schläue. Mit ihren Tempeln bestachen sie die Götter

Das Ausgangsverständnis der Griechen und Römer zu den Göttern ist also ein gänzlich anders als das der Juden und Moslem.

Der Untergang ihres Schöpfers Prometheus ließ Hellenen und Römer unsere Staatsformen von Republik und Demokratie hervorbringen. Beide Begriffe sind der Tora fremd. Während die jüdische, wie die islamische Welt in ihrem Glauben an den ununterbrochen herrschenden und allmächtigen Schöpfergott hierarchische Despotien über den gottverpflichteten Menschen bedingt, erzwang erst Kaiser Konstantin 325 n.u.Z. den Despotismus mittels der Lehre von Trinität und zur Person des Jesus. Um es in einem kurzen Satz auszudrücken: Den Gegensatz zwischen heidnischer Freiheit und göttlich legitimierter Despotie erkannte auch Sigmund Freud als Quell für den Antisemitismus der westlichen Völker, die ihre instinktive, aber verdrängte Abneigung gegen das Christentum auf die Juden sublimierten.

Die Frage „warum lässt Gott das zu“ ist für den realistischen Menschen hellenistischer Tradition unsinnig und sinnlos, „der Jude“ dagegen versucht die gröbsten Schicksalsschläge mit dem Buch Hiob zu beantworten.

Inzwischen herrscht auch in Israel der Materialismus (vgl. Tuvia Tenenbom in: Gott spricht Jiddisch) vor. Religion ist nur mehr eine Morallehre, wie sie die heidnischen Philosophen nicht wesentlich anders vertraten. Damit hat auch das Judentum seinen religiösen Sinn verloren. Hat es Ersatz gefunden, einen Staat wie Israel als Reservat für die Nachkommen der religiös verwaisten Kabbalisten zu schaffen, oder hat das Judentum besondere Werte verkörpert, die zu erhalten Sinn machen? Eine Antwort gibt Bruno Bettelheim (in: Aufstand gegen die Masse). Judentum ist angewandter Individualismus, und simultan eine Klammer, mit der die Individualisten ihre Rechte verteidigen. Wie jeder Kaufmann seinen Handel in Konkurrenz zu anderen Kaufleuten betreibt, verteidigen sie doch als Gilde das Recht des freien Handels. Diesen Grundsatz muss man über alle Gebiete des sozialen Lebens erstrecken, und man landet beim Judentum.

2.

Heute ist das Christentum auf weite Strecken überwunden und „die Juden“ glauben mehrheitlich nicht mehr an einen Schöpfergott. Woher soll ein aktueller Antisemitismus kommen, wenn „der Jude“ ein säkular denkender Bürger seiner Länder ist? Eine Antwort gab Abraham Melzer in seinem Buch

„Die Antisemitenmacher“.

Es wird daher eine Aufgabe der neuen Redaktion sein, der Antisemitenmacherei auf den Grund zu gehen.

Ist Herr von Godin dafür die richtige Person? Ja. ist er. Er entstammt einer ursprünglich jüdischen Familie, dessen 1715 geborener Spross Isaac Gautain 1765 geadelt wurde. Der im Familienwappen zu führende Judenstern wurde als Komet dargestellt, die Herkunft der Familie in die Nebel des englischen Bürgerkriegs verlegt. Heinrich Graetz schreibt für diese Epoche der jüdischen Geschichte, dass das deutsche vor-mendelsohnsche Judentum geistig ziemlich verarmt war. Er nennt die Juden dieser Zeit „kindische Greise“.  So darf es nicht verwundern, wenn sozialer Aufstieg mit Distanzierung von den kindischen Greisen einherging. Die jüdischen Traditionen übertrugen sich anders. Die Nachkommen des Isaac „René“ (als Taufname) heirateten in ähnlich gemischte Familien, unter denen die Freiherren von Eichthal die bedeutendsten waren. Elias Hayum Meyer-Bing war Geschäftspartner des berühmten, 1738 gehenkten Jud Süß, er selbst saß auf den Hohen Asberg ein Jahr lang in Haft, bevor er nach Mannheim an den kurpfälzischen Hof kam. Sein Enkel kam 1777 mit dem Kurfürsten Karl Theodor von der Pfalz als dessen Hoffaktor nach Bayern, wo dessen Enkel Simon Freiherr von Eichthal 1835 für König Ludwig I. die Bayerische Hypotheken- und Wechselbank AG gründete. Dessen Enkelin war die Großmutter des Vaters von René Freiherr von Godin. Die Bedeutung der Eichthals machte alle anderen Traditionen der Familie rezessiv.

Von Godins Mutter entstammt dem Familienclan mitteldeutscher Juden, unter ihnen die Chemiker Dres. Adolph und Albert Frank, die die Stickstoffwerke in Trostberg an der Alz zusammen mit Nikodem Caro gegründet und bis zur Arisierung geführt hatten.

Was soll das für das Redaktionsprogramm bedeuten? Einfach skizziert zweierlei: Der Geist jüdischen Individualismus wird durch René Freiherrn von Godin vertreten. Es wäre der jüdischen Sache in Deutschland abträglich, wenn eine vom NS-Nachfolgestaat finanzierte „Jüdische Allgemeine“ einen national-bolschewistischen Kurs im Sinne von Benjamin Netanjahu unkritisiert fortfahren könnte. Der jüdische Handelsherr unterwarf sich weder einem paradiktatorischen Regime des Ghettos noch arbeitet er unter autoritären Bedingungen. Schon der berühmte Jud Süß wohnte als württembergischer Finanzienrat nicht in der Judengasse (vgl. Barbara Glaser in: Jud Süß), auch wenn er für seinen Herzog in Frankfurt anwesend sein musste. Deswegen kann es in der Tradition des deutschen Judentums nicht richtig sein, die Diaspora auf die Massaker in Gaza nach der Formel „right or wrong, my Israel“ propagandistisch auszurichten. Auf diese Weise fördert man allein durch eine Propaganda nichts als Ekelgefühle in weiten Teilen der an sich desinteressierten Bevölkerung. Überflüssigerweise beklagt man simultan Sicherheitsdefizite. Die Bekenntnisse von „Geistesfunzeln“  (Sandra Kreisler) wie Volker Beck, Marcus Söder oder Boris Rhein zum Rechtsbruch internationaler Verträge zugunsten eines umstrittenen israelischen Politikers sollen weiterhin zwar vermittelt, aber nicht abgesegnet werden. Der Leser möge selbst sein Urteil bilden und entscheiden, ob die Zukunft seiner Kinder von Bombardierungen arabischer Dörfer oder eher von der Unabhängigkeit der Diaspora von Israel abhängt. Wahrscheinlich ist das US-Judentum der bessere Verbündete für die Juden der europäischen Diaspora, auch wenn es weniger halachisch ist als das israelische (Jewish Outreach Program).

3.

Die Jüdische Allgemeine unterminiert die natürlichen Interessen der jüdischen Diaspora; sie postuliert Mitte Dezember 2024 „einen Maßnahmenkatalog, mit dem sie [selbst] in die Anfangsphase des Wahlkampfs im Vorfeld der Neuwahlen zum Bundestag am 23. Februar 2025“ eintritt; (schwere Syntax- und Grammatikfehler der Redaktion der Jüdischen Allgemeinen werden von unserer Seite korrigiert).  Nun zum Text der „JA“:

„Der Zentralrat der Juden in Deutschland ist die wichtigste Vertretung der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland und repräsentiert 104 jüdische Gemeinden…..“

Anmerkung: in den 104 jüdischen Gemeinden sind ca. 100.000 Personen immatrikuliert, etwa ein Drittel der nach Charlotte Knobloch feststellbaren „Juden“. Damit ist das Verhältnis zwischen immatrikulierten und nicht-immatrikulierten schlechter als bei den Kirchen, zu denen sich noch 50% der Nachkommen christlicher Eltern bekennen. Die deutsche Regierung verleiht „ihrem“ Judentum eine Tara als ein künstliches Gewicht, das das immatrikulierte Judentum von ihr abhängig macht wie Russland das Assadregime von sich abhängig hielt.

„Der Zentralrat hat sich mit Vorschlägen für den Schutz jüdischen Lebens an die politischen Parteien Deutschlands gewandt. Nach dem 7. Oktober 2023 ist jüdisches Leben mehr denn je seit der Schoa in Gefahr,,,“

[Falsches Deutsch] In Gefahr war das jüdische Leben vor und während der Shoa, seit der Shoa  – soll sprachlich ausgedrückt werden –  war es bis zum 7.10, nicht mehr in Gefahr. Sachlich stimmt die Behauptung auch nicht, denn nach dem II. WK gab es mehr als genug Massaker an Juden (sogar in Polen).

„Jetzt brauche es einen wirklichen Wandel zum Schutz – und damit die Förderung – jüdischen Lebens in Deutschland. Der anstehende »Umbruch« in der deutschen Politik biete eine Chance, »konkrete Verbesserungen anzustreben«.“

Ganz versteht man die Logik nicht. Ein „Umbruch“ richtet sich doch eher gegen die bisherige Kuschelpolitik mit Israel. Auch die Besorgnis um die Sicherheit jüdischer Menschen in Deutschland ist nicht „nachvollziehbar“. „Der 7.10.“ hatte erinnerlich dort stattgefunden, wo ein Nova-Tanzfestival durch den Schutz von 400 Soldaten und starke Grenzanlagen gesichert war. Nirgends ist „jüdisches Leben“ stärker gesichert als in Israel. Die Tür der Haller Synagoge war so gut gezimmert, dass der Verrückte (Stefan Berliet) mit seinen Waffen nicht durch diese in die Synagoge gelangen konnte. Die JA weiter im Text:

„Für den Kampf (!) gegen Antisemitismus schlägt der Zentralrat vor, bestehende Strafbarkeitslücken zu schließen und etwa den Volksverhetzungsparagraphen zu verschärfen sowie den Aufruf zur Vernichtung von Staaten unter Strafe zu stellen.“

Soso: Es geht also weniger um konkrete Schutzmaßnahmen für Juden bei uns als um eine Politik der Meinungsmache zugunsten von Israel. Offenbar soll es in Deutschland noch mehr autoritären Polizei- und Obrigkeitsstaat geben als bisher, Welchen Staat aufzulösen könnte man denn verlangen? Die Ukraine? Sofort die ganze AfD samt Sahra Wagenknecht verhaften! Die Aufteilung von Bosnien-Herzegowina unter Kroatien und Serbien?  Strafbar! Kosovo? Die Teilung Zyperns zwischen Türkei und Griechenland? Wäre die Forderung nach „weniger Staat“ im Ansatz nicht schon eine Forderung nach weniger Staaten? Das soll strafbar werden? Wäre eine solche Vorschrift nicht ein Rohrkrepierer, denn Israel hat die von der UNO verlangte Zweistaatenlösung als obsolet erklärt? Ist es nicht Israel, das aktuell die Vernichtung eines faktischen Stadtstaates praktiziert? Heute gilt bereits als „Aufruf zur Vernichtung Israels“ die Forderung, dass die Nachkommen der im Rahmen der Nakba vertriebenen Araber zurückkehren dürfen. Man erkennt die intellektuelle Leistungsschwäche der Autoren solcher undurchdachten Forderungen. Schusters dümmliche Darstellung ist sogar noch steigerungsfähig:

„Jüdisches Leben soll durch eine Konkretisierung und Umsetzung der Bundestagsresolution gegen Antisemitismus vom November gestärkt werden. …  Zudem solle eine »zeitgemäße Holocaust-Education« dauerhaft gefördert werden…

Niemand kann sich vorstellen, was genau konkretisiert werden soll und wie eine allgemeine Holocaust-Erziehung gestaltet werden kann. Man darf aber unterstellen, dass eine „Holocausterziehung“ in gewissen jüdischen Kreisen tatsächlich stattfindet Eine solche Erziehung dürfte psychopathogen sein, denn die „JA“ fordert simultan, dass

die zusätzlichen Bedarfe (sic!) für die soziale Absicherung der Schoa-Überlebenden und der Nachfolge-Generation gewährleistet werden….“

Da haben wir es. Der Holocaustkult macht Juden psychosomatisch krank. In Israel wurden die nach dem Holocaust in Israel ankommenden Juden von den Sabras (Autochthonen) als Savonim (Seiflinge) geschmäht.

Soziale Absicherung der Shoa-Überlebenden soll wohl generell bedeuten:  Deutschland bezahlt die Renten, die in Israel fällig werden. Die „JA“ schreibt hierzu einen passenden Bericht von Sabina Brandes, aus dem wir zitieren;

„… Ein Viertel der Israelis hat nicht regelmäßig genug zu essen, bei den Kindern sind es sogar ein Drittel. Der neueste Bericht der Hilfsorganisation Latet (hebräisch für »geben«) zeichnet ein düsteres Bild des Wohlstandes im jüdischen Staat. Fast 1.1 Million Kinder müssen manchmal Hunger leiden. Dem Bericht zufolge hat sich die wirtschaftliche Lage von 65% dieser Familien im vergangenen Jahr weiter verschlechtert. 80% hatten nicht genug Geld, um genügend Lebensmittel einzukaufen. In Israel sind fast alle Lebensmittel sehr teuer. Laut Latets Bericht leben in Israel 28,9% der Menschen unterhalb der Armutsgrenze. Die israelische Wirtschaft hatte in den letzten Jahren zwei große Krisen erlebt: zum einen die Corona-Krise sowie die Ereignisse des 7. Oktobers und der darauffolgende Krieg, in dem wir uns noch befinden. Diese Ereignisse haben großen Einfluss auf die wirtschaftliche und soziale Lage des Landes. Das Kindergeld beträgt pro Kind umgerechnet etwa 50 Euro. Nahezu 80%  der Israelis, die Unterstützung von Hilfsorganisationen erhalten, sind zudem verschuldet. Fast 85% können ihre Häuser im Winter nur unregelmäßig heizen. 22% wurde im vergangenen Jahr aufgrund unbezahlter Rechnungen der Strom abgestellt. Im Ergebnis ist eine ständige Unsicherheit, dass es irgendwann finanziell nicht mehr weitergeht, die Folge….“

Nachtigall, ick hör dir trapsen. Die Bomben auf arabische Dörfer kosten viel zu viel Geld. Woher kommt es in einem Land ohne natürliche Bodenschätze? Selbst wenn man das Holocaust-Remembering zum Exzess als Crowd-Funding betreibt, bleiben finanzielle Ansprüche gegen die heutigen Deutschen nicht mehr vertretbar.. 40% der Deutschen haben Migrationshintergründe. Eine „Umvolkung“ hat längst stattgefunden. Wäre es z.B. billig, die dunkelhäutige Enkelin von Götz Ammon abzukassieren? Eher nicht; Vielleicht löhnt sie aber freiwillig für Israels Wohlstand. Weiter im Text:

„Für die Stärkung der deutsch-israelischen Beziehungen empfiehlt der Zentralrat, die Sicherheit Israels als Leitfaden deutscher Außenpolitik zu verankern, und Israel auf internationaler Ebene gegen antisemitisch motivierte Verurteilungen in Schutz zu nehmen.“

Jetzt wird es gefährlich und verfassungsfeindlich. Deutschland soll internationale Entscheidungen von UNO und IStGH nicht mehr respektieren, wenn sie Israel betreffen und von diesem Oberstaat als „antisemitisch“ verworfen werden?. Ist denn Theodor Meron ein Antisemit, der den Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu bestätigte?  Jetzt schlägt es 13. Hat Israel im Laufe seiner relativ jungen Geschichte internationales Recht jemals respektiert, wo es seine fanatischen Interessen berührt sah. Soll Deutschland der gleiche gesetzlose Staat werden? Diese Forderung kommt der einer Vernichtung Deutschlands gleich. Weiter im Text:

„Der Zentralrat macht deutlich, dass er diese Maßnahmen für dringend hält: »Es ist etwas aus den Fugen geraten in diesem Land. Jüdinnen und Juden sind in Teilen unseres Landes nicht mehr sicher vor Anfeindungen, Ausgrenzungen und körperlicher Gewalt.“

Man sollte Dr. Josef Schuster sofort in Haft nehmen: Wiederholungsgefahr.

Wen wundert es, dass Juden, die eine solche Privatpolitik publizieren, angefeindet werden?

Damit ist klar: Dieser Blog hat die Aufgabe, den Wahnsinn des Zentralrats darzustellen. H.G. Adler (in: Theresienstadt, das Antlitz einer Zwangsgesellschaft) hat die damalige Zwangsgesellschaft, die durch das „Geschenk des Führers“ zusammenkam, so treffend analysiert, dass man diese, etwas amplitudenmoduliert, auf die durch Bundesmittel finanzierte Zwangsgemeinschaft der finanziell geförderten Juden übernehmen könnte. Der damalige Judenrat habe (laut Hannah Arendt) das Geschäft der „Nazis“ vereinfacht, der heutige Zentralrat sekundiert alle Wünsche der Bundesregierung. HG. Adler nannte den Theresienstädter Judenrat als eine Art Karnevalsgesellschaft, und so ähnlich tritt der Zentralrat als politische Karnevalsgesellschaft auf. Nichts ist wichtiger als eine jüdische Opposition gegen diesen politischen Zirkus. Die Situation jüdischen Lebens ist durchaus ernst und gut vergleichbar mit der allgemeinen Lage der deutschen Gesellschaft. Die jüdische Gesellschaft wie die gesamtdeutsche wurden durch permanenten politischen Fasching der Parteienpolitik verdorben. Was kommt nach Fasching, Fascism (Ayelet Shaked) oder Aschermittwoch? Beginnen wir eine Fastenzeit der Besinnung. Jetzt!

von Lobenstein

Otzma Yehudit – Jüdische Macht Heute Teil der israelischen Regierung – Wie lange will der Zentralrat der Juden noch schweigen?

Von Abraham Melzer

Seit Jahren, und seit dem 7. Oktober 2023  fast täglich, lesen wir in der Presse, hören im Rundfunk und sehen im Fernsehen, dass „die Zahl der antisemitischen Straftaten sich im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt hat.“ Es müssten inzwischen zigtausender Straftaten sein und wir müssten eigentlich in antisemitischen Straftaten ersticken. Ist dem wirklich so?

Ich lebe als Jude in Deutschland und merke nichts davon, außer die ständigen Berichte in der Zeitung, auch in der FAZ. Und erst recht habe ich nicht den Eindruck, dass ich von der Polizei  mehr geschützt werden muss als nichtjüdische Mitbürger oder gar moslemische. Das Bundesinnenministerium ruf aber zum Schutz von Juden (nur Juden?) in Deutschland auf. Und die FAZ beruft sich ausgerechnet auf den jüdischen Philosophen Theodor W. Adorno in ihrem Ruf nach Autorität. Zum letzten Mal, als wir „Autorität“ in Deutschland hatten, gab es nicht weniger Antisemitismus, sondern mehr, viel mehr, und am Ende hat es bis nach Auschwitz geführt.

Was aber bei den täglichen Warnungen vor Antisemitismus fehlt, ist die klare Beschreibung was Antisemitismus (heute) ist und wo und wann es anfängt. Ich lese immer wieder, dass es sich um „Israel bezogenen Antisemitismus“ handelt. Was bedeutet das aber? Für Adorno fing der Antisemitismus stets mit dem „Gerücht über die Juden“, was immer er damit auch meinte. Das ist aber nicht debatierbar, sondern einfach nur falsch. Deshalb, sagte Adorno, müsse dem „Gerücht“ die Wahrheit entgegengesetzt werden. Wer aber die Wahrheit über den Vernichtungskrieg Israels gegen die Palästinenser, ja die Palästinenser und nicht nur die Hamas oder die Hisbollah, sagt, gilt als Antisemit und wenn er selbst Jude ist, wie ich, dann sogar als „berüchtigter Antisemit“. Wie absurd ist das?

Es wäre wünschenswert und wichtig, wenn die Presse uns endlich aufklärt, was das für „antisemitische Straftaten“ sind, die die FAZ am Anfang ihres Beitrags stellt, die die Statistik angeblich immer wieder ermittelt. Oder ist es nur Kritik an Israels völkerrechtswidrige Politik, die nach § 5 unseres Grundgesetzes erlaubt ist. Nur leider halten sich Politiker und Medien nicht daran.

Das Jahr 2024 endete mit einem Eklat, den die Presse anheizte; so etwa die NZZ, die berichtete:

„Judenhass, Schwurbler und Esoteriker: Evangelische Gemeinden auf Abwegen. Eine Kirche im Bundesland Hessen hat einen antisemitischen Weihnachtsmarkt veranstaltet. Unsere Recherche zeigt, wie katastrophal die Zustände wirklich sind. ….

Die Jüdische Gemeinde Darmstadt hat Strafanzeige gegen die lokale Michaelisgemeinde gestellt…. Die Staatsanwaltschaft ermittelt…“

Antisemitismus ist ein echtes Problem und zugleich ein Schreckgespenst geworden. Zwar leben Juden nach den Beobachtungen der Tribune Juive in den USA ohne antisemitische Belästigungen, aber in Europa ist es anders: Hajo Meyer hatte einst gesagt, dass früher derjenige als Antisemit galt, der Juden hasste, und heute derjenige als Antisemit beschimpft wird, den die Juden hassen. Und den Eindruck habe ich auch.

Der Satiriker Roda Roda wird gern von jüdischen Publizisten wie Broder zitiert; „Aus dem Antisemitismus könnte noch was Rechtes werden, wenn sich nur die Juden seiner annehmen würden“.

Inzwischen haben sich jüdische Funktionäre und Politiker seiner wirklich angenommen und zeihen jüdische Friedensaktivisten und Gelehrte als Antisemiten. Deutsche Akademiker, Unidirektoren, Oberbürgermeister und Sparkassendirektoren verweigern Friedensaktivisten und Gelehrten  – auch wenn sie jüdisch sind  –  das Recht der Meinungsfreiheit verwehren. Statt der SA können sie die Polizei aufmarschieren lassen, wie es im Sommer 24 zur Sprengung des von der „Jüdischen Stimme“ mitveranstalteten Palästinakongresses geschah. Den unerwünschten Juden wird einfach „jüdischer Selbsthass“ unterstellt. Wie soll man dieses „rätselhafte Phänomen“ verstehen? Was motiviert jüdische Funktionäre wie Josef Schuster und Charlotte Knobloch, oder jüdische Intellektuelle wie Broder und Wolffsohn, sich derartig verächtlich gegenüber anderen Juden zu äußern? Menschen, die behaupten, in Israel passiere    – abgesehen vom Holocaust –  Vergleichbares zum Dritten Reich, sind nach Broders Überzeugung Antisemiten. Dabei räumte er in der Jüdischen Allgemeinen selbst ein, dass Israelis – und er meinte Juden – „Täter“ seien, ein Begriff, der sonst nur in Bezug auf „Nazis“ angewendet wird, sind. Ja, was gilt denn nun?

Die überwiegende Mehrheit der Deutschen verabscheut die jüngsten Angriffe auf Juden und jüdische Institutionen, und nimmt sie sehr ernst. Manche jüdischen Funktionäre allerdings bauschen die Ereignisse derart auf, als sei das Dritte Reich kurz vor der Auferstehung von den Toten. Die „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“ sei der erste Vorbote der antisemitischen Pogrome. Schuster, Broder und Knobloch, um nur wenige zu nennen, tun so, als ob der Antisemitismus die finale Phase der Endlösung der Judenfrage eingeläutet habe, reden, als stünde ein zweites Auschwitz vor der Tür. Sie unterstützen damit die amerikanische Anti-Defamation League (ADL), die sich mehr als alle anderen Organisationen bemüht, das Bild eines aufkeimenden Antisemitismus in Europa zu verbreiten. Wie kommen sie auf diese Idee?

Bürger überall auf der Welt, darunter auch etliche Juden, haben aus den Ereignissen der letzten 80 Jahre gelernt, eine Hemmschwelle zu überwinden, und Israels Politik und Kriegsverbrechen so zu kritisieren, wie sie es bei allen anderen Völkern üblich ist.

Solches darf nach Meinung mancher Juden nicht vorkommen (Ahavat Israel). Für Juden ist es daher grundsätzlich schwierig, sich von Israels Übergriffen zu distanzieren, bei anderen Gelegenheiten dagegen auch leichter als es Nichtjuden fällt. Letztere sind immer einer Art moralischer Erpressung durch Zionisten ausgesetzt, vor allem in Ländern wie Deutschland mit seiner antisemitischen Vergangenheit. Sie müssen sich dann doppelt für ihre Stellungnahme rechtfertigen. Juden werden allerdings auch unter besonderen Druck gesetzt, oft von ihren Familienangehörigen. Man nennt sie zwar nicht Antisemiten, aber dafür Nestbeschmutzer, Vaterlandsverräter, oder auch „koschere Antisemiten“ unabhängig davon, ob Israel ihr Vaterland ist oder nicht.

Gelegentlich wird unsere Neigung zu empörten Reaktionen gefordert, die eine legitime Kritik an der israelischen Politik und ihren Praktiken verlangen. Wenn Palästinenser rücksichtslos enteignet, schnöd entrechtet, willkürlich eingesperrt, vertrieben und nicht seltengetötet werden, ist es ganz und gar nicht antisemitisch, die Taktiken des Boykotts, des Investitionsentzugs und Sanktionen (BDS) als gewaltfreie politische Maßnahmen gegen eine Macht zu verteidigen, die wie eine historische Kolonialmacht sich über die politischen Rechte einer Minderheit hinwegsetzt. Man muss nicht der BDS-Kampagne nahestehen, um  sie als eine legitime politische Äußerung der Betroffenen, zu akzeptieren. Auch ohne, dass jemand die BDS unterstützen möchte, muss man zugeben, dass diese Bewegung nicht zensiert oder für ihre Ansichten bestraft werden darf. In den USA ist bisher jeder Versuch, Gesetze zu erlassen, um die Unterstützung der BDS-Kampagne zu verbieten oder zu kriminalisieren, an der Verfassung der USA gescheitert. Entsprechende Bestimmungen höheren Rechts finden sich auch in den Urkunden über die Menschenrechte und sogar im Grundgesetz. Leider werden solche von vielen Stadtverwaltungen, von Köln bis München und Hamburg bis Frankfurt ignoriert. Sie stehen im Gegensatz zu einer fiktiven „Staatsraison“. Dennoch können die Kommentatoren der Verhältnisse nicht um eine Diagnose herumkommen, dass zwischen der Feindschaft gegenüber Juden und der Gegnerschaft zur Politik Israels ein Zusammenhang besteht. Dieser führte dazu, dass europäische Antisemiten häufig Sympathien für Israel erklären: je schlechter sich Israel benimmt, desto höher steigt das Land in ihrer Wertschätzung. Und je mehr Israel in der Schätzung neo-nazistischer Parteien steigt, desto mehr fühlen sich deutsch-jüdische Patrioten diesen Parteien verbunden. Der jüdische Publizist Henryk M. Broder machte im Frühjahr 2019 eine europäische Begegnungstour mit rechten und ultrarechten europäischen Parteien. Er begann mit der AfD, wo er von der Parteivorsitzenden Weigel herzlich umarmt wurde, und ist inzwischen, wie man hört, auch schon bei der FPÖ gewesen. Es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis er nach Ungarn und Polen reist.

Es ist die Politik der israelischen Regierung, vor allem in den letzten Jahrzehnten, die rudimentäre antijüdische Gefühle verstärkt und gleichzeitig Sympathien bei rechten Parteien gewonnen hat. Im Grunde hat Israel selbst erheblich zum Wiederaufleben des Antisemitismus beigetragen. Das ist freilich ein Ergebnis, mit dem viele israelische Politiker keineswegs unglücklich sind. Denn die zionistische Ideologie Herzls setzt einen virulenten Antisemitismus voraus.

Geht es den meisten Deutschen, die täglich über Israel und den Antisemitismus schreiben, wirklich um Israel und um die Bekämpfung des Antisemitismus, oder nur um ihre Selbstdarstellung? Wenn ich z. B. an den Frankfurter Bürgermeister Uwe Becker denke oder an die Frankfurter „linke“ Aktivistin Jutta Ditfurth, dann kommen mir Zweifel an deren Ehrlichkeit. Sie wollen zeigen, wie sehr sie sich von den Verbrechen des Dritten Reiches und ihren eigenen Familientraditionen distanziert haben, und dass sie echte „Gutmenschen“ geworden sind. Jutta Ditfurth hat zugegeben, dass ihre Familie antisemitisch war. Dass sie durch ihre zwanghafte Läuterungsdemonstration die Rechte und Würde dritter Menschen verletzen, Moslems, Christen und Juden, wollen sie nicht wahrnehmen. Sie denken, dass ein einseitiges, blindes Eintreten für  israelische Positionen das Gebot der Stunde sei. Dabei sind diese ganz und gar keine jüdischen Positionen, für die sie sich stark machen, denn das Judentum lehnt Rassismus und Menschenverachtung ab. Wollen sie die Ermordung jüdischer Semiten dadurch ausgleichen, dass sie heute moslemische Semiten diskriminieren und vertreiben?

Es vergeht doch seit Jahren kein Tag an dem nicht in irgendeiner Zeitung, im Rundfunk oder im Fernsehen, über Antisemitismus geschrieben wird. Meistens dozieren vermeintliche Experten, die wenig Ahnung von Judentum und kaum Kenntnisse über Israel haben, und daher wie Blinde über Farben reden. Der Versuch, die anstößige israelische Politik mit dem Holocaust zu rechtfertigen, widerspricht den moralischen Grundsätzen des Judentums. Wenn ein Deutscher mit Blick auf Auschwitz zu den Maßnahmen Israels eine Meinung hat, dann schweige er besser taktvoll und diskret. Das ist das Einzige, was der Holocaust rechtfertigen kann; er kann aber nicht die Maßnahmen der israelischen Regierung gegen Araber rechtfertigen. Es ist offensichtlich, dass wir nicht vor der Gefahr eines zweiten Auschwitz stehen, auch wenn Hetzer wie Josef Schuster vom Zentralrat der Juden, Charlotte Knobloch, Präsidentin der Jüdischen Gemeinde in München oder der Hofjude und Hofnarr Henryk M. Broder immer wieder diese Vorstellung beschwören. Sie verunsichern damit nur ihre geistige Klientel, die angeblich auf gepackten Koffern sitze. Noch nie sind Juden sicherer gewesen als heute. In den USA, in Europa und auch in Deutschland leben Juden friedlich und zumeist in Wohlstand.

Schaut man aber nach Israel, dann kann einem schwindlig werden. Seitdem Benjamin Netanjahu an der Regierung ist, gleitet Israel ohne Halt nach rechts. Es nähert sich immer mehr einem wirtschaftlichen Abgrund. Nationalismus und Rassismus bestimmen die Richtlinien Netanjahus Politik.

Statt aber die Gründe für diese Entwicklung in der israelischen Politik zu suchen, holt man lieber die Antisemitismus-Keule hervor. Die Völkergemeinschaft, die Europäer und vor allem die Deutschen werden als Judenhasser in verletzender Weise diskreditiert. Man schreckt nicht einmal vor Beleidigungen zurück. Die Taktik ist klar: man zeigt auf andere, um von seinen eigenen Problemen abzulenken. Und wenn das internationale Strafgericht in Den Haag gegen Benjamin Netanjahu einen Haftbefehl erlässt, wegen der Beteiligung an Kriegsverbrechen, dann ist die Antwort Netanjahus und der israelischen Öffentlichkeit: Die Richter sind Antisemiten.

Zwar trifft Deutschland wohl eine Schuld daran, dass es so weit kommen konnte, aber es hilft weder den Juden noch den Israelis und auch nicht den Palästinensern, wenn man immer nur zurückblickt und sich weigert, nach vorn zu schauen. Es stimmt, ohne den deutschen Nationalismus und Rassismus hätte es in den dreißiger Jahren nicht die massive Einwanderung nach Palästina gegeben. Ohne die britische Mandatsmacht, die diese Einwanderung begünstigt hat, hätten wir nie die Probleme von heute bekommen. Aber wir sollten auf die heute anstehenden Probleme schauen und nicht in der Vergangenheit nach Rechtfertigung suchen. Wir sollten vor allem nach Recht und Gerechtigkeit streben und dem Propheten Jeremias nacheifern, der gerufen hat: „Gerechtigkeit, der Gerechtigkeit sollst du nachlaufen.“

Der angebliche neue Antisemitismus ist letztlich nichts anderes als ein Propagandainstrument bestimmter jüdischer und israelischer Interessen. Für diese ist es geschickt, wenn Antizionismus mit Antisemitismus  vermengt wird. Die Zionisten haben von Anfang an mit den antisemitischen Nazis kooperiert. Bis zuletzt hat Benjamin Netanjahu den Antisemitismus begrüßt, weil er „Juden nach Israel spült“. Kritik an dieser Politik ist nicht einmal Antizionismus, sondern eine nur allzu berechtigte Kritik an der aggressiven, nationalistischen, ja chauvinistischen Politik Israels, die von vielen Juden und Israelis mitnichten antisemitisch bzw. antijüdisch aufgefasst wird. Netanjahu hat sogar versucht, den Mufti von Jerusalem, Hagh al Husseini, für den Holocaust verantwortlich zu machen und behauptet, der Mufti hätte Hitler die Ermordung der Juden ins Ohr geflüstert. Als ob Hitler Ratschläge des Muftis, den er verachtete, nötig hatte. Diese Behauptung wird aber trotzdem immer wieder frisch daher gebetet.

Aber die Kritik kann noch so sachlich, berechtigt und moderat sein, von zionistischer Seite wird stereotyp der Vorwurf erhoben, dass sie „weit über eine sachlich gerechtfertigte Kritik hinausginge.“ Man hört immer wieder von prozionistischen Kreisen, vom Zentralrat der Juden und anderen jüdischen Hasspredigern, dass man selbstverständlich Israel kritisieren könne und dürfe. Wenn man es aber tut und nicht etwa Israel, sondern dessen Politik kritisiert, dann wird man umgehend als Antisemit verleumdet. Diese zionistische Kritikabwehr wurde und wird derart überzogen, dass sie immer weniger Menschen überzeugt und auch immer mehr Juden und Israelis abstößt.

Inzwischen ist eine radikal chauvinistische Partei aus der Asche wieder auferstanden. Es ist eine israelische Nazi-Partei, die in eine Koalition rechter Parteien in das israelische Parlament einzog, gefördert von Benjamin Netanjahu, der so hofft, mit deren Hilfe an der Macht zu bleiben. Kein Wunder, wo doch schon sein Vater, der jahrzehntelang Sekretär des rechtsradikalen jüdischen Politikers Ze‘ev Jabotinski war, des Ahnherrn der heutigen rechten Parteien, ein bekennender Faschist und Bewunderer von Mussolini war. Seine paramilitärische Beitar-Jugend brachte sich mit braunen Hemden zur Geltung.

Das Panier der neuen Kach-Partei lautet: Entfernung aller Nichtjuden aus Jerusalem, Aberkennung der israelischen Staatsbürgerschaft für alle nichtjüdischen Israelis und Kontaktverbot zwischen Juden und Arabern. Die Nazis in Deutschland dürften sich freuen und manche Juden auch. Manche sind schon der AfD beigetreten und verteilen dort fleißig Persilscheine.

Ich habe lange geglaubt, dass es zwecklos und entwürdigend ist, mit solchen jüdischen Chauvinisten zu diskutieren. Das würde ihnen bloß Legitimität verschaffen. „Es gibt jedoch Zeiten, in denen Absurditäten zu politischen Tatsachen werden und nicht mehr ignoriert werden können“, schreibt Omer Bartov. Wir müssen uns wohl oder übel mit diesen Leuten auseinandersetzen, nicht nur, indem wir ihre gewalttätigen, rassistischen Vorstellungen entlarven, sondern indem man ihnen Grenzen setzt, und sei es mittels Boykotts und Delegitimation.

Es ist nachvollziehbar, dass fanatische Zionisten uns nicht mögen. Wir mögen sie auch nicht. Der Unterschied ist nur, dass wir sie nicht daran hindern, ihre Meinung zu sagen oder Israel-Tage zu veranstalten, während sie alles tun, um unsere Meinungsfreiheit zu unterdrücken. Es ist ein Skandal, wenn der Zentralrat der Juden und jüdische Funktionäre linken jüdischen Intellektuellen Antisemitismus vorwerfen, weil diese sich für die Rechte der Palästinenser und einen gerechten Frieden in Israel einsetzen. Und es ist ein noch größerer Skandal, dass deutsche Funktionsträger (der Bürgermeister in Göttingen, die dortige Unipräsidentin, der Antisemitismusbeauftragte, etc.…), sich dieser Verleumdungskampagne unterwerfen und sich gegen die Vergabe des Göttinger Friedenspreises an die „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“ wenden.

Besonders ärgerlich für uns kritische demokratische Juden ist der Mangel an Sensibilität bei Herrn Josef Schuster, dem Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, der sich nicht geniert, den Bundespräsidenten zu kritisieren wegen seines Glückwunschtelegramms zum iranischen Nationalfeiertag. Schuster schreibt: »Beim Glückwunschtelegramm des Bundespräsidenten zum Jahrestag der Revolution im Iran scheint die Routine‐Diplomatie das kritische Denken verdrängt zu haben.“ Dabei scheint es mir, dass bei Schuster das kritische Denken ausgesetzt hat. Es ist eine ausgesprochene Unverschämtheit, dass beim Thema Iran im Zentralrat offenbar die nötige Sensibilität gefehlt hat. Weiterhin sagte Schuster laut Bild.de: »Ich erwarte vom Bundespräsidenten, dass er die nächste Gelegenheit ergreift, um gegenüber dem Iran unmissverständlich die kritische Haltung der Deutschen zu verdeutlichen, in deren Namen er spricht.«

Josef Schuster hat da aber nichts zu erwarten und sollte sich für diesen Ton möglichst bald entschuldigen. Wir, als Volk, dürfen aber sehr wohl von unserem Präsidenten erwarten, dass er den Israelis „unmissverständlich die kritische Haltung der Deutschen verdeutlicht, in deren Namen er spricht.“

Das Auswärtige Amt hatte dazu erklärt, solche Telegramme seien zu Nationalfeiertagen eine verbreitete Praxis im diplomatischen Verkehr zwischen Staaten. Darauf hat auch das Bundespräsidialamt hingewiesen. Offenbar hat Schuster das nicht eingesehen. Ich habe nirgends gelesen, dass der Zentralrat der Moslems in Deutschland sich beim Bundespräsidenten beschwert hat, weil er 2018 Israel zum 70. Geburtstag gratuliert hat. Da liegt auch der Unterschied zwischen Menschen ohne Erziehung, die davon ausgehen, dass sie alles dürfen, weil sie Juden sind, und kultivierten Menschen, die sensibel genug sind zu wissen, was man nicht tun darf. Einen besseren Beweis, dass der Zentralrat der Juden in Deutschland nichts anderes ist als eine Filiale der israelischen Botschaft und ein treuer Vertreter der israelischen Propaganda, konnte uns Schuster nicht erbringen.

Er erweist sich damit als getreuer Anhänger der rechtsextremen israelischen Regierung und liefert den Kritikern dieser Politik noch mehr Munition, diese abzulehnen. Es ist wie ein Teufelskreis, in dem wir alle stecken. Seit dem Jahre 2004 verweisen die israelischen Regierungen zunehmend auf den Holocaust, um ihre Unterdrückung der Palästinenser zu rechtfertigen. Der Zentralrat der Juden in Deutschland fördert ihn dabei, indem er die Gefahr eines neuen Holocaust heraufbeschwört und sich in außenpolitischen Fragen einmischt, die ihn gar nicht angehen. Es ist nicht die Aufgabe eines Zentralratsvorsitzenden Kommentare zur deutschen Außenpolitik zu geben.

Wenn er sich aber für berufen hält, die Außenpolitik zu beeinflussen, dann sollte er sich bei der Politik Israels zu Wort melden und die dortigen Menschenrechtsverletzungen anprangern. Leider ist er aber auf diesem Auge blind. Er will nicht wahrhaben, dass -so sehen es inzwischen viele israelische Kommentatoren –  „Israel zunehmend eine Erosion der Demokratie, ein Erstarken des Rassismus, das Aushöhlen des Rechtsstaates und einen immer rücksichtsloseren Einsatz von Gewalt, erlebt. Kritik an Regierungshandeln wird in Israel regelmäßig nicht nur als antizionistisch, sondern als antisemitisch betrachtet.“

 

 

 

Das Kreuz für die deutschen Juden?

Was viele vergessen zu haben scheinen, als sie Markus Söder applaudierten, kann man in WIKIPEIA rekapitulieren:

„Markus Söder forderte 2006 die Übernahme eines klaren Verbotes von Blasphemie in das Strafrecht. Wenn Kirche und Papst in einer Zeichentrickserie für Jugendliche lächerlich gemacht würden, habe das „nichts mehr mit Satire zu tun“. Er forderte, der § 166 StGB  müsse erweitert werden. Religiöse Symbole müssten „endlich gesetzlich geschützt sein“. Nachdem Volker Beck erklärt hatte, der § 166 StGB sei „ein Relikt aus voraufklärerischer Zeit“, erwiderte Söder: „Volker Beck spinnt.“ Er erklärte, die Achtung religiöser Gefühle gehöre zu den „Grundwerten unserer Gesellschaft“. .. Eine Verschärfung des Paragrafen 166 StGB sei notwendig.“

Für den juristischen Laien sei die Vorschrift skizziert:

Strafgesetzbuch (StGB)
§ 166 Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen

(1) Wer öffentlich oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wird …  bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer öffentlich oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) eine im Inland bestehende Kirche oder andere Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsvereinigung, ihre Einrichtungen oder Gebräuche in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.

Die Idee mit der Störung des „öffentlichen Friedens“ ist von den Vorschriften der Nazi-Zeit abgekupfert. Damals sollte strafbar sein, öffentliche Empörung zu entfachen, weswegen sich brave Deutsche gerne als „empört“ erklären. Daheim kann man niemand erpören und darf also weiterhin fluchen. Aber seit dem 1. Juni 2018 ist in jedem Dienstgebäude ein Kreuz anzubringen. Dazu erklärte Söder:

„Das Kreuz ist nicht Zeichen einer Religion“; im Kreuz spiegle sich „unsere bayerische Identität und Lebensart“ wider.

Komischerweise machen bayerische Juden noch kein Kreuzzeichen, wenn ihnen eine Sau über den Weg läuft. Das müsste auch noch Pflicht werden im allerchristlichen Freistaat. Aber schon damals löste der Beschluss eine Diskussion aus. Vertreter der Kirchen widersprachen der Beschlagnahme des Kreuzzeichens durch den Staat. Bundespräsident  Steinmeier distanzierte sich vom Kreuz-Beschluss mit den Worten:

„Es gibt verfassungsrechtliche Maßstäbe. 1995 hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass das Kreuz den Wesenskern des Christentums symbolisiert … Das müssten die Landesregierungen berücksichtigen. Steinmeier als bekennender Christ wollte außerdem bekennen: „Was uns sonntags in der Kirche fehlt, wird das Kreuz in den Behörden nicht ersetzen.“

Wie formulierte es Ludwig Thoma? „Söder sei ein ausgezeichneter Jurist und auch sonst von mäßigem Verstande“; aber auch mit seinem juristischen Verstand kann es nicht allzuweit her sein.

Beginnen wir mit dem allgemeinen Verstand von Söder; die Bilder verbreiteten dokumentieren, dass er im Karneval am echtesten herauskommt. In Google kann man viele Erscheinungsformen des bayerischen Ministerpräsidenten betrachten (alle Fotos aus Google/dpa):

Einmal als bayerischer Monarch, dann als preußischer Reichskanzler

Augsburger Allgemeine Bildergalerie: Die verrückten Kostüme des Markus Söder

Inzwischen mit Bart und Friedrich Merz in der Nähe der Realität. Die zwei Beiden…

wollen einen «Politikwechsel für Deutschland»: sie stellen das gemeinsame Wahlprogramm für 2025 vor. (Foto Frederic Kern/Imago

Wieder in seiner Realität zurück:

Stern www.all-in.de

Marilyn Monroe (???) oder Homer Simpson: Das sind Söders beste Fastnachts-Kostüme

www.merkur.de

Markus Söder in seinen Faschingskostümen: Ein Überblick

SZ 

Man kann zwar agen „es war Fasching“, aber so viel Hingabe an den Karneval lässt sein Amtsethos nicht erkennen. Zwischenrein spazierte er auch als Moses herum

Foto: Stern

Damit sind wir wieder bei den Juhden. Kurt Tucholski meinte hierzu, dass „über den Antisemitismus wie über jede Abneigung wohl zu reden sei. Was aber hier getrieben wird, ist Volksverdummung schlimmster Art, und das alte Wort Roda Rodas (Alexander Rosenfeld) passt wie gehauen hierher: »Der Antisemitismus wäre… eine ganz nette Sache. Aber er wird wohl erst etwas werden, wenn ihn die Juden in die Hand nehmen« Das ist ganz richtig, denn jeder kluge Jude könnte viel bessere und schlagendere Dinge gegen das Judentum anführen als alle Deutschnationalen zusammen, bei denen kaum ein Argument stimmt.“

Das gilt natürlich analog für den Philosemitismus. Die Philosemiten verschaffen den Juden Dinge und Umstände, die sie nicht nur nicht brauchen, sondern die ihnen durchaus schaden. Trotzdem erntete Markus Söder vor einem jüdischem Publikum stehende Ovationen in der Generalversammlung des Zentralrats der Juden in Deutschland. Diese jüdische Repräsentanz ist ein bundesdeutsches Konstrukt, in dem analog auch nur der jüdischen Diaspora Bärendienste geleistet werden können.

Söders Bärendienst wird wie fvon der Jüdischen Allgemeinen referiert, womit simultan die mäßige juristische Kultur des Ministerpräsidenten eklatant wird:

„… als Ehrengast des Zentralrats übte (sic! üben!) Söder scharfe Kritik am Haftbefehl gegen Israels Premier Netanjahu und führte aus: »Das Gericht hat sich massiv selbst beschädigt«, und gab damit eine klare Antwort auf die Frage, ob Netanjahu auf deutschem Boden verhaftet werden sollte. in einer anschließenden Fragerunde auf die Frage eines Delegierten zum jüngsten Beschluss des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) stellte Söder klar: »Ich hielte es für absurd, wenn auf deutschem Boden der Regierungschef von Israel verhaftet werden würde.«  ….  Als Ehrengast des Zentralrats und der Ratsversammlung hatte Söder hervorgehoben: »Jüdisches Leben hat eine feste Heimat in Bayern. Die Bayerische Staatsregierung und ich ganz persönlich geben ein klares Schutzversprechen: Wir schützen jüdisches Leben und Freiheit in jeglicher Form und werden jedem Auswuchs von Antisemitismus konsequent entgegentreten. Jüdisches Leben gehört zu unserem Alltag und hat einen festen Platz in unserer Mitte.« Jüdisches Leben habe das Recht, sich in Deutschland zu entwickeln. Herzlich willkommen in Bayern», betonte Söder zum Schluss seiner Rede, für die er stehende Ovationen erhielt…..“

Soweit die Jüdische Allgemeine. Die von Söder gedroschenen Phrasen waren zuvor schon von Philipp Peyman Engel gedruckt und publiziert worden. Ein paar Ausgaben später schreibt das alte Hetzblatt:

Was muss sich Markus Söder dieser Tage nicht alles anhören: »Selbstbesoffenheit« …. »Hanswurst«, bei dem selbst große historische Gesten zu einem »Funfact« verkommen (Claudia Roth). Peer Steinbrück formulierte: »Da sind irgendwelche Synapsen nicht richtig verdrahtet bei dem Mann«.

Wahrscheinlich hat Peer Steinbrück recht. Der Mann spinnt wahrscheinlich wie Volker Beck (s.o.). Die Jüdische Allgemeine sieht es aber anders:

„….Markus Söder hatte sich bei seinem Kurzbesuch(!) in Polen mal (so eben sic!) hingekniet (Anm.: eher nicht , um das Schuhbandel neu zu binden), nämlich vor einer wichtigen Location, dem Denkmal für den Aufstand der Juden gegen die deutschen Besatzer 1943 …. Willy Brandt bekam dafür den Friedensnobelpreis. Markus Söder …  ist ständig bestrebt, Kanzlerformat zu zeigen (Anm.: er wird den Nobelpreis auch noch bekommen wollen). … Jedenfalls sah Söder nichts Anrüchiges darin, es Willi Brandt in Warschau nachzutun (hat er das mit seinem Kniefall en passant?) und dort an gleicher Stelle auf ein Knie zu fallen. …. Kenner dürften bemerkt haben: Brandt war damals auf beiden Knien, Söder jetzt nur auf einem. …. Söders Kniefall wird, ebenso wie Brandts Kniefall, in die Geschichtsbücher eingehen.  …“

Naja: Brandts Kniefall geschah vor einem großen Publikum, bei Söders Geste waren nur wenige Passanten Zeugen. Aber am Wurststand fanden sich mehr Leute ein:

Knien macht bekanntlich hungrig: Markus Söder mit Bratwurst. Foto: picture alliance/dpa

Passt alles wunderbar zusammen für ein psychologisches Gutachten einer fehlerhaften Verdrahtung. Für beide: Seit wann macht Knien hungrig? Überhaupt meint die Jüdische Allgemeine:

es sei »völlig respektlos und auch unangemessen gegenüber Millionen von Juden und jüdischen Bürgern in unserem Land, die genau das erwarten, dass man einen Respekt à la Söder zeigt«. …..“ (Obacht: § 166 StGB „Weltanschauung“)

Wenn in Deutschland ein Politiker nichts mehr bringt, macht er auf Schutzpatron der Juden. Das funktioniert immer. Die Frage ist nur, ob solche Patronate den Juden nützen oder ob die Juden sich  mit ihnen lächerlich machen lassen. Die Diaspora hat nämlich andere Probleme als den IStGH-verfolgten Netanjahu, der mit Sicherheit nicht nach Deutschland kommen wird, um sich eine Fußfessel wie Nicolas Sarkozy anlegen zu lassen. Das Problem, das die jüdische Diaspora in Frankreich hat, kann sich durchaus auch in Deutschland entwickeln. Die Tribüne Jüive beklagt eine Tendenz in „Le Monde“, einem an sich seriösen Blatt:

„… dort stellte sich ein Teil der Reaktion  offen auf die Seite der Palästinenser. Das ist nicht neu in einer Zeitung, die schon immer pro-palästinensisch orientiert war. Im Zentrum ihrer Büros ist eine ganze Pin-Wand mit der Aufschrift reserviert „Stoppt den Völkermord in Gaza“. Diejenigen, die diesen Flickenteppich gewidmet haben, mischten Presseausschnitte über die anhaltenden Gemetzel, Fotos von verstümmelten Kindern, eine Zeitleiste mit dem Titel „Lass dir von niemandem sagen, dass es am 7. Oktober 2023 begann“ mit der Litanei der Verbrechen, die Israel angelastet wurden. Die ausgestellten Karikaturen grenzen an klassischen Antisemitismus: eine Karikatur, die eine Hand zeigt, die ein Produkt mit der Aufschrift „Ethnische Säuberung“ hält und Blut auf eine Landkarte von Palästina spritzt: „es war immer ein Völkermord“.

Die Emotion angesichts der Geschehnisse in Gaza ist durchaus legitim, bleibt aber trashig, wenn man eine so einhellige Meinung zu einem so komplexen Konflikt zeigt. Mehrere Personen berichten von  einer Planungssitzung, in der es hieß: „Wir haben ein Problem mit der jüdischen Gemeinde, sie sind uns feindlich gesinnt.“ ….  Am Jahrestag der Anschläge kursierte in den sozialen Netzwerken eine Titelseite von Le Monde: „Sonderausgabe, Gaza erdrückt von einem Jahr Krieg und Chaos“. Viele Persönlichkeiten äußerten ihre Empörung. Ist das ein pro-palästinensischer Tropismus?  Die New York Times ist in ihrer Berichterstattung über den Konflikt viel ausgewogener als ‚Le Monde‘….. Im Juni 2024 unterschieden der Historiker Vincent Lemire und der Anwalt Arié Alimi zwischen „kontextuellem, populistischem, wahltaktischen,  instrumentalisiertem“ linken Antisemitismus und rechtsextremem Antisemitismus, der „ontologisch“ sei. …. Einige zeigen … auf den Chefredakteurs Benjamin Barthest. Er bringe die offen antisemitischen Positionen seiner Frau Muzna Shihabi zur Kenntnis. Diese frühere PLO-Unterhändlerin, die Barthes als Korrespondent in Ramallah kennengelernt hatte, postete  am 7. Oktober 2023, wenige Stunden nachdem Hamas-Gleitschirme auf die Nova-Party herabstürzten, um die tanzenden Leute zu massakrieren:

„Sie haben schon lange davon geträumt, zu fliegen, Freiheit zu spüren und ihre Heimatstädte in Palästina zu sehen. Sie sind meist Flüchtlinge und dürfen nicht in ihre Heimat zurück. Sie sind die Jugend von Gaza. Der 7. Oktober ist der Tag der Überraschungen“.

Sie …  beschuldigte Emmanuel Macron, unter dem Einfluss der CRIF(Zentralrat der Juden in Frankreich) zu stehen. Muzna Shihabi wurde wegen ihrer antiisraelischen Äußerungen aus dem Verein CARE ausgeschlossen. „Ich bin überhaupt keine Aktivistin, ich bin eine einfache Palästinenserin, die ihr Leben erzählt“, sagt Muzna Shihabi vor den Kameras von Al Jazeera, die gekommen waren, um sie als Opfer der „Zensur“ zu filmen.

Am 4. Mai 2024 twitterte Muzna Shihabi: „Frankreich, Komplizin des Völkermords, lässt einen palästinensischen Arzt nicht herein, damit er nicht erzählen kann, was er in Gaza gesehen hat.“ 20 Minuten später twitterte Benjamin Barthes: „Der palästinensisch-britische Arzt Gasshan Abu Sitta wurde bei seiner Ankunft am Flughafen abgewiesen.“ Um 13.33 Uhr erschien auf der Website von „Le Monde“ ein Artikel, der von Benjamin Barthes gezeichnet war: „Dem palästinensischen Arzt Gasshan Abu Sitta, Zeuge der Hölle von Gaza, wurde das Betreten französischen Bodens verboten“. (Anm. d. Red. der TJ: Der betreffende Arzt wurde von Deutschland aus dem Schengen-Raum verbannt, Frankreich wendet insoweit nur EU-Recht an)….. Der Herausgeber von „Le Monde“, Jérôme Fenoglio, verteidigte auf Anfrage von „Le Figaro“ Benjamin Barthes als „einen exzellenten Spezialisten für den Nahen Osten, der seit Monaten Ziel einer bösartigen Kampagne sei, die versucht, die Berichterstattung Le Mondes über den anhaltenden Konflikt zu beeinflussen“. …. © Eugénie Bastié

Bei uns in Deutschland leben wie in Frankreich mehr Araber als Juden, zumindest seit der Kanzlerschaft Angela Merkels. Man kann deren Recht auf Meinungsäußerung nicht ewig kurz halten. Die Wahrscheinlichkeit persönlicher Beziehungen zwischen Palästinensern mit Alt-Deutschen ist wesentlich höher als Liaisons von Juden und nicht-jüdischen Deutschen. Die Leute, die die Diaspora umgeben, sehen Bilder von Gaza und bekommen die historische Verwüstung des Warschauer Ghettos vor Augen gehalten. Die Philozionisten fördern damit die Verknüpfung der Ghetto-Verwüstung mit den aktuellen Verwüstungen von Gaza. Sie kommen zu dem Schluss, dass „die Juden“ mit zweierlei Maß messen. Insoweit leisten Leute wie Söder mit ihren politischen Auftritten der jüdischen Diaspora einen Bärendienst. Soweit sie mit bundesdeutschen Geldern gespeist wird, nimmt die Diaspora ihre Gefährdung nicht wahr, was schon Eva Gabriele Reichmann bedauerte. Ma macht dieselben Fehler wie zu Tucholskis Zeiten.

von Lobenstein