Von: Franz Piwonka [mailto:franz.j.piwonka@gmail.com]
Gesendet: Freitag, 5. November 2021 12:16
An: ‚Hertreiter, Laura‘ <laura.hertreiter@sz.de>
Betreff: AW: Eine Frage des Standpunkts
Liebe frau hertreiter,
leider ignorieren sie meine mail vollständig und wiederholen sich lediglich und geben mir nolens volens recht. Offenbar kreisen sie nur um sich selbst. Sie belügen sich leider selbst, denn der einzige grund ihrer rechtfertigung der kündigung ist ihr proisraelisch verzerrtes bild des nahostkonflikts, alles andere sind vorwände. Wollen sie sich nicht einmal die lange solidaritätsliste anschauen? Glauben sie tatsächlich, daß die alle nicht wissen, was aufgabe des journalismus ist?
Viele grüße
Franz piwonka
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Von: Hertreiter, Laura [mailto:laura.hertreiter@sz.de]
Gesendet: Freitag, 5. November 2021 09:10
An: Franz Piwonka <franz.j.piwonka@gmail.com>
Betreff: AW: Eine Frage des Standpunkts
Lieber Herr Piwonka,
ich danke Ihnen für Ihre ausführlichen Ausführungen, denen ich entnehme, dass wir sehr weit auseinanderliegen. Oder vielleicht auch nicht? Alles, was Sie schreiben, sehe ich für Privatmenschen und Aktivisten als absolut zulässige Legitimation für ihre Selbstdarstellung in der Öffentlichkeit. Alles davon. Aber Journalisten, insbesondere öffentlich-rechtlicher Sender müssen professionell davon absehen können. Sie beispielsweise wissen nicht, woher meine Eltern stammen, ob ich eine Behinderung habe, ob ich meine Kinder beerdigt oder sonstige Krisen durchlebt habe, welche Religion ich habe, welche Sexualität, ob ich schon immer einen Frauenkörper hatte und so weiter. Und selbst wenn Sie es wüssten: Es geht mir auch gar nicht ums Sichtbarmachen. Selbst das kann jeder Journalist tun. Nur kann er sich nicht in den Dienst seines Standpunkts stellen und der Öffentlichkeit sagen „Deal with it“. Das kann nur der Aktivist. Da kenne ich keine Doppelmoral. Deshalb schreibe ich auch, dass Nemi El-Hassans persönliche Geschichte niemanden kalt lässt, dass ihr Schreckliches widerfahren ist, dass ihr Standpunkt ein Stück weit nachvollziehbar wird – und dass all das trotzdem nicht ihre berufliche Selbstbeschreibung bestimmen darf, wenn der WDR doch schon mitteilt, er wolle Quarks nicht politisieren.
Damit alles Gute für Sie, lieber Herr Piwonka,
Laura Hertreite
Ressortleitung // Kultur & Medien
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+49 (0)174 150 76 54
Twitter: @LauraHertreiter
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Von: Franz Piwonka <franz.j.piwonka@gmail.com>
Gesendet: Donnerstag, 4. November 2021 22:45
An: Hertreiter, Laura <laura.hertreiter@sz.de>
Betreff: Eine Frage des Standpunkts
Sehr geehrte frau hertreiter,
zu ihrem artikel gibt es einiges anzumerken.
Sie verkehren leider ursache und wirkung, wenn sie den kündigungsgrund des wdr rechtfertigen, denn eine politisierung ist gerade erst aufgrund der kündigung eingetreten, obwohl nemi el-hassan sich von der demonstration distanzierte. Auf diese in keinster weise zu rechtfertigenden kündigung reagierte sie mit vollem recht in der berliner zeitung mit empörung. Auf diese weise hat sich der wdr selbst ein weiteres alibi für die kündigung ergattert.
Aber einige absätze später geben sie ihre eigenen gründe für die richtigkeit der kündigung an: „ weil sie mit diesen erfahrungen vorurteile über israel und juden legitimiert“. Das ist eine merkwürdige aussage, denn sie denkt sich ja selbst nichts aus, sondern berichtet von empirischen realitäten, so daß sich unweigerlich die frage stellt, warum sie vorurteile damit schüren würde. nach dieser logik darf man somit aufgrund normativer vorgaben über empirische realitäten gar nicht mehr sprechen. Sie bedienen sich hier einer tendenziell totalitären logik, gemäß der normativität darüber bestimmt, über welche empirischen realitäten gesprochen werden dürfen. Nach dieser logik darf man die realitäten des „brutalen besatzungsregimes“ ( so moshe zuckernmann) und des „israelischen staatsterrors“ ( so der antisemitismusforscher klaus holz) nicht zur sprache bringen, damit erst gar keine vorurteile entstehen. mit diesem vorwurf wird weiterhin unterstellt, daß es diese brutale realitäten gar nicht gibt, da sie doch nur ausdruck von vorurteilen sind. sie leugnen daher schlicht empirische realitäten.
Dann behaupten sie allen ernstes, daß es nicht aufgabe der journalisten ist, den eigenen standpunkt als den allein richtigen hinzustellen. Sieht man einmal davon ab, woher sie wohl wissen, daß sie dies behauptet, muß ich sie fragen, ob sie denn überhaupt ihrer eigene zeitung lesen? Denn aus regelmäßiger lektüren geht unmißverständlich hervor, daß ihre politischen journalisten in erster linie gar nicht umfassend informieren möchten, sondern vielmehr ihren lesern ihre eigene sichtweise als die allein richtige verkaufen. Die trennung von information und meinung ist mittlerweile aufgehoben. Mainstreamjournalisten verstehen sich nämlich in ganz zentralen themenfeldern als sprachrohre der herrschenden politik. Davon kann sich jeder leser täglich überzeugen. Daher schreibt selbst habermas in ihrer eigenen zeitung: „ zur postdemokratischen einschläferung der öffentlichkeit trägt auch der gestaltwandel der presse zu einem betreuenden journalismus bei, der sich arm in arm mit der politischen klasse um das wohlbefinden von kunden kümmert“. Die belege füllen mittlerweile medienwissenschaftliche bände.
Das komplexitäts-„argument“ („ komplexität der situation“) wird gern benutzt, um realitäten unkenntlich zu machen, sie zu entnennen. Damit unterstreichen sie ein weitere mal die eben beschrieben leugung empirischer realiäten im nahostkonflikt. Woher sie den vorwurf der „eindeutigkeit der halbwahrheiten“ nehmen, wird wohl ihr geheimnis bleiben. Die position des zentralrats der juden darf sie gern unterschlagen, denn in einem persönlichen gespräch mit josef schuster konnte ich mich von seiner realitätsblindeit in der erfassung des nahostkonfikts überzeugen. Er wandte sich auch schnell ab, als ich ihn mit realitäten der brutalen unterdrückung der palästinenser konfrontierte, die man beispielsweise regelmäßig in den stellungnahmen von amnesty international zur kenntnis nehmen kann.
Wenn ihr schluß stimmmen sollte, daß nemi el-hassan sich mit ihrer stellungnahme vom journalismus verabschiedet hat, dann kann es gar keinen zweifel geben , daß sich ihre politjournalisten ebenfalls vom journalismus verabschiedet haben. Ich möchte sie erst gar nicht ins schwitzen bringen und von ihnen belege für die existenz der „vierten gewalt“ verlangen.
Es zeugt von purer doppelmoral, wenn westliche journalisten zwar die einschränkung der journalistischen berichterstattung in autoritären bis totalitären staaten beklagen, aber im eigenen bereich nichts besseres zu tun haben, als dasselige zu rechtfertigen.
Ihr artikel besteht somit summa summarum aus unterstellungen, vorgeschobenen gründen und doppelmoral.
Mit freundlichen grüßen
Franz piwonka