Wozu brauchen Juden ein Hetzblatt?

Die maßgebliche Zeitung in Deutschland ist die BILD-Zeitung; etwas angereichert mit bürgerlichen Informationen ist das Flaggschiff ihres Verlags, die „WELT“; flankierend dazu erscheinen für das gebildetere deutsche Publikum die „FAZ“ und für linkere Leute mit Bildung die „Süddeutsche“. Regionaler orientiert sind dann die Blätter mit Landeshauptstadtbezug auf mittlerem Niveau: Stuttgarter Zeitung, Münchner Merkur, Hannoversche bis hinab zum „Südkurier“, der schon erschreckend primitiv schreibt. Allen deutschen Blättern ist gemeinsam, behördenfreundlich zu schreiben. Wozu bedarf es einer „Jüdischen Allgemeinen“, die es tatsächlich gibt.

Sie hat eine Auflagenstärke von gut 10.000 Exemplaren in der Woche. Eine J“üdische Rundschau“ ist ähnlich stark verbreitet, erscheint aber nur einmal im Monat. Diese ist deutlich „rechter“ und religiöser geprägt: sie ist (z.B.) für Donald Trump, für Benjamin Netanjahu, für „Bibis“ Ambitionen usw.. Die „Allgemeine“ lässt dagegen das allgemeine flache Profil erfühlen. Sie schimpft auf die AfD, ignoriert aber ähnliche Parteien in Israel; sie regt sich über alles auf, was einen „antisemitischen“ Schein an deutet. Ein falsches Wort und es erbet sich ein lautes Geschrei.  Gleichzeitig rechtfertigt sie das  brutale Vorgehen des Ministerpräsidenten Netanjahu in Gaza mit 40.000 kollateral abgeschlachteten Zivilisten. UNO, IStGH und viele Hilfswerke seien allesamt von Antisemiten dirigiert. Die schlimmsten Bösewichter sind derzeit linke Intellektuelle, die Argumenten radikalerer Palästinensern zustimmen, und die Palästinenser selbst. Die „Allgemeine“ liegt im psychopathischen Trend der Gesamtgesellschaft, den Otto Kernberg (in: Die Bordeline Persönlichkeitsstörung)  als das Aufkommen einer Borderlinegesellschaft analysiert.

Eigentlich könnte jeder Jude in Deutschland auch Haaretz oder die The Times of Israel lesen. Moderne Computer und Übersetzungsprogramme erlauben auch den Zugang zur „Tribune Juive“, die in gedruckter Fassung gar nicht mehr erscheint. Für wen also werden die politischen Artikel in den Jüdischen Allgemeinen gedruckt?

Man kann zu dem Schluss kommen, dass religiös interessierte Juden eher die „Rundschau“ favorisieren (je gläubiger sie sind) statt der „Allgemeinen“, deren Rubrik „Religion“ ziemlich banale Beiträge zu Talmudweisheiten bringt. Und so wundert es niemanden, dass die „Allgemeine“ an Universitäten, in Kasernen und Behörden in Deutschland frei herumliegt, ein Verteilmodus, den sich der Verleger der „Rundschau“, Raffael Korenzecher, nicht leisten könnte. Offenbar schreibt „man“ die „Jüdische Allgemeine“ nicht für Juden, sondern eher für Leute, deren Meinung über Juden man beeinflussen will: man schreibt für deutsche Staatstreulinge zu deren Orientierung zum Judentum.

So wäre das gesamte Konzept bereits ein Schwindel; der nicht-jüdische Leser glaubt, Einblick in das jüdisches Leben zu gewinnen, erhält aber nur eine Anleitung, wie es das Judentum zu sehen habe.

So lässt es sich erklären, dass nach der Darstellung der „Allgemeinen“ alles Jüdische gut und alles der jüdischen Welt Oppositionelle schlecht sein muss. Die Bundesregierung setzt diese Sicht politisch um. Der Zentralrat präsentiert sich mit seiner Zeitung als so etwas wie eine Eier legende Wollmilchsau der deutschen Politik, ein wenig auch als eine Art „Giftpilz“ (Ernst Hiemer), giftig natürlich für die Bösen, folglich als Heilmittel gegen Antisemitismus. Was die Leute objektiv repräsentieren, ist genauso schwierig auf einen Nenner zu bringen wie bei der CDU: linkskonservativ und liberalsozialistisch? Ein Mischmasch.

Wahrscheinlich sind die meisten Redakteure der „Allgemeinen“ Juden, sei es im Sinne der Halacha, sei es im Sinne der „Nürnberger Gesetze“. Es liegt nahe, dass die Zeitung von der deutschen Regierung finanziert wird. Allerdings dürfte das Medium ein getürktes bzw. zur Wollmilchexistenz „inszeniertes“ Blatt sein. Sie wetterte gegen „Nena“ als Geistesfunzel, weil diese die Corona-Impfung als Individualentscheidung erklärte, lag alöso in ihrer Regierungstreue ziemlich neben der Spur. Sie schreibt nichts, was ein aufmerksamer Jude bereits aus Haaretz und der Times of Israel erfahren könnte, aber der staatstreue Nicht-Jude noch auszugsweise erfahren soll.

Hans Wagner, der am Münchner Institut für Zeitungswissenschaft lehrte, hat die Qualität einer Zeitung am „Zeitgespräch“ aufgehängt. Natürlich ließ der damalige „Bayernkurier“ keine linken Meinungen in seinen Sparten zu; aber ist die Jüdische Allgemeine nicht auch so ein „Juden-Kurier“? Ein so genanntes „Zeitgespräch“ im Sinne einer Meinungsfindung findet in der „Allgemeinen“ (wie im eingegangenen Bayernkurier) so gut wie nicht statt. Es fällt schon auf, dass nicht einmal Leserbriefe abgedruckt werden. „Der deutsche Einheitsjude“, wie er in der Allgemeinen vermittelt wird, könnte durchaus eine Erfindung des Springer-Verlags sein. In der WELT von Springer steht im Grunde das ziemlich Gleiche wie in der „Jüdischen Allgemeinen“.

Der Nicht-Jude mit einer gewissen Affinität zu Israel weiß eher nichts von Erich Grözinger, der über die diversen Denkrichtungen im Judentum einen Band verfasst hat. Tatsächlich ist das reale Judentum auch viel breiter aufgestellt, als es die „Allgemeine“ vermittelt. Die „Allgemeine“ vergibt sich also die Chance, ein für Juden und Philosemiten interessantes Blatt sein zu können. Man erinnere sich, dass schon das Ghetto Nuovo unterschiedliche jüdische Schulen kannte, die alle separat für sich wurstelten. Die „Allgemeine“ ist gar nicht so allgemein, sondern nur verallgemeinernd, um die Unterschiede im Judentum zu nivellieren.

Sie ist aber auch streitsüchtig. Sie sucht gleichsam nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner für eine möglichste breite konservative Schicht. Folge ist, dass sich die Fraktionen außerhalb der Jüdischen Allgemeinheit bilden, die Herren der „Allgemeinen“ aber für die Deutschen „das Judentum“ als zentrale Organisation unrichtig repräsentieren. Das war zur Nazi-Zeit ähnlich. Wie es Lea Fleischmann (in: Das ist nicht mein Land) bemerkte, fördert der Staat den deutschen Zweckjuden für seine amerika-affine Politik.

Folglich organisieren sich viele Juden gesondert. Es gibt z.B. auch eine „Jüdische Stimme“, die sich um einen gerechten Frieden in Nah-Ost bemüht, ein Vorhaben, das derzeit nicht in das Konzept der israelischen Regierung passen dürfte. Die Berliner Polizei unterband folgerichtig einen von diesem Verein mitgetragenem „Palästina-Kongress“ in Berlin auf ziemlich üble Weise (wie man es eben von KZ-Wärter-Epigonen erwarten darf). Aktuell versucht ein obskurer Journalist, der der Springer-Journaille nahestehen oder zugehören dürfte, die „Jüdische Stimme“ zu diskreditieren. Die angegriffene Organisation veröffentlichte auf ihrer Webseite den Briefwechsel:

Am 01.07.2024 bekamen wir [die Jüdische Stimme] vom Journalisten Martin Niewendick eine Presseanfrage im Namen der Jüdischen Allgemeinen. Er schrieb an unseren Vorsitzenden:

Sehr geehrter Herr Hoban,

ich schreibe einen Artikel für die „Jüdische Allgemeine“ über Pro-Palästina-Aktivist:innen mit jüdischem Hintergrund (SIC!). Dazu hätte ich ein paar Fragen an Sie:.

Wie viele Mitglieder hat Ihr Verein?
Wie finanziert sich Ihr Verein?
Zu welchen anderen jüdischen Organisationen hat Ihr Verein Verbindungen?
In welchem Turnus wird der Vorstand gewählt, wann sind Sie das letzte Mal gewählt worden?
Ist Ihr Verein offiziell mit der amerikanischen „Jewish Voice“ assoziiert?
Sie sind Mitglied der „Revolutionären Linken“.

Man muss sehr lange suchen, um diese Information zu finden, als Selbstauskunft tauchen diese – korrigieren Sie mich – nirgends auf, auch nicht bei der „Jüdischen Stimme“ selbst. Warum scheinen Sie mit dieser Doppelrolle nicht offen umzugehen? (SIC! Hallo, Hallo; merken wir uns das Stichwort „Doppelrolle“)
….. Martin Niewendick

Die Jüdische Stimme hat folgende Antwort gesendet:

„….. weil Ihre Fragen suggestiv formuliert sind und nicht für eine ethische journalistische Arbeit sprechen, möchten wir nicht mit Ihnen telefonieren. Unsere Antwort dürfen Sie ausschließlich in ihrer Gänze zitieren.

Unsere Mitglieder haben nicht nur einen „jüdischen Hintergrund“, wie Sie anfragen. Sie sind Jüd*innen. …. Die Anzahl der Mitglieder steigt jedes Mal stark an, wenn Israel den Gazastreifen bzw. den Libanon attackiert. Die Repression durch den Zentralrat der Juden macht uns auch zunehmend bekannter, was uns auch neue Mitgliedsanfragen beschert. Seit dem 7.10.2023 ist die Zahl unserer Mitglieder noch weiter deutlich angestiegen. ….  Weil viele der etwa 500.000 jüdischen Israelis, die Israel seit dem 7.10 verlassen haben, nach Berlin ausgewandert sind, erwarten wir weitere solche Anfragen. Diese Menschen sehen wir bereits bei verschiedenen pro-palästinensischen Aktivitäten.

Bis 2008 hatte sich unser Verein nur über Mitgliedsbeiträge finanziert. 2008-9, als Israel zum ersten Mal den Gazastreifen, hat der Zentralrat der Juden in Deutschland eine Zeitungsanzeige veröffentlicht und diese israelische Politik unterstützt. Wir haben eine Anzeige im Namen unserer damals wenigen Mitglieder gegen diese Politik veröffentlicht und die Summe selbst vorgestreckt, mit der Bitte um Spenden. Wir haben dann mehrere kleine Spenden von Privatmenschen bekommen. Seitdem brauchen wir die Zeitungen dafür nicht, weil wir bekannter wurden und dafür weder Geld ausgeben müssen noch wollen. Wenn wir Geld für eine bestimmte Aktion brauchen, wenden wir uns an diese Menschen. Das ist aber selten der Fall. Unsere Aktivitäten basieren auf ehrenamtlicher Arbeit mehrerer Mitglieder und Sympathisant:innen. Wir wurden nie durch irgendeine Organisation gefördert – schon deswegen nicht, weil wir uns von solchen nicht abhängig machen wollen, aber auch, weil keine Organisation uns nsolches nie vorgeschlagen hat.

Wir stehen in Verbindung mit folgenden jüdischen Organisationen:

AJAB – Anti-Zionist Jewish Alliance Belgium
Alternative Jewish Voices of Aotearoa NZ – Sh’ma Koleinu (Neuseeland)
Another Jewish Voice /Een Andere Joodse Stem (Belgien
Associació Catalana de Jueus i Palestins – JUNTS (Spanien)
Black-Jewish Alliance (Großbritannien)
Boycott From Within/Israeli Citizens for BDS (Israel)
Coletivo Vozes Judaicas por Libertação (Brasilien)
De-colonizer – Research and Art Laboratory for Social Change (Belgien)
Een Ander Joods Geluid (Niederlande)
Erev Rav (Niederlande)
Independent Jewish Voices (Kanada)
Independent Australian Jewish Voices (Australien)
International Jewish Anti-Zionist Network (IJAN)–Canada
Israelis against Apartheid
Jewish Bund (Deutschland)
Jewish Call for Peace (Luxemburg)
Jewish Network for Palestine (Großbritannien)
Jewish Voice for Labour (UK)
Jews for Palestine–Ireland (Ireland)
Jewish Socialists“ Group (Großbritannien)
Jewish Voice for Peace (USA)
Jews Against the Occupation ‘48 (Australien)
Jews Say No! (USA)
Jøder for en Rettferdig Fred (Dänemark)
Judar för Israelisk-Palestinsk Fred (Schweden)
Judeobolschewiener*innen (Österreich)
Judeus pela Paz e Justiça (Portugal)
Jüdisch antikolonial (Schweiz)
LeA – Laboratory for Anti-Racist Jews (Italien)
Marad – collectif juif décolonial (Schweiz)
Na“amod (Großbritannien)
Nahlieli – Jews for Justice in Palestine (Finnland)
Not In Our Name (Österreich)
Rete degli Ebrei contro l’Occupazione (Italien)
South African Jews for a Free Palestine
Tzedek Collective Sydney (Australien)
Tsedek! Collectif Juif Decolonial (Frankreich)
Union des Progressistes Juifs de Belgique
Union Juive Francaise Pour La Paix (Frankreich)
Zochrot (Israel)

Wir setzen uns nur mit der Politik der israelischen und deutschen Regierung auseinander, weil nur diese im Namen „der Juden“ oder „für die Juden“ zu sprechen behaupten, womit wir als jüdische Individuen ohne unser Einverständnis vereinnahmt werden. Im Gegensatz zum Zentralrat der Juden in Deutschland behauptet die Jüdische Stimme nicht, im Namen aller in Deutschland lebenden jüdischen Menschen zu sprechen; so eine Behauptung wäre im Grunde antisemitisch. Wir stehen zu den Prinzipien des Völkerrechts, daher sind unsere Adressaten diese Regierungen, die dem Völkerrecht verpflichtet sind.
MfG
Der Vorstand der Jüdischen Stimme

Bedenkt man noch, dass engagierte jüdische Damen, Abigail Gerstetter, Barbara Steiner und Deborah Feldman das amtlich (bzw. springerlich) vorgestellte Judentum für eine Art Fake halten, so verstärkt sich dieser Gedankenschluss, wenn man die Texte der „Allgemeinen“ hinterfragt.  Dazu passt auch, dass „Kostümjuden“ (Jargon der Allgemeinen) wie Fabian Wolf und Damen von der Sorte Mirna Funk ( „Vaterjüdin“) mit ihren Thesen die Sparten voll mit jüdischem Enthusiasmus füllen; aber auch Artikel des Chefredakteurs Peyman Engel sind für Juden nur dünnbrettgebohrte Analysen, für nicht-jüdische Israelfreunde in Kasernen, Krankenhäusern und Hochschulen eventuell eine  geistige Nahrungsergänzung.

Daher stellt sich die Frage, ob die Zeitung zum Thema, wie geht man gegen Antisemitismus vor, nicht ziemlich kontraproduktiv wirkt (vgl. Abraham Melzer in: Die Antisemitenmacher): sie drängt (wettbewerbswidrig) die „Jüdische Rundschau“ als echtes Organ von Juden zurück; sie ist ein Verbandsorgan einer staatlich inszenierten Pseudoreligionsgesellschaft bzw. einer Art Partei. Aus der Süddeutschen konnte man zeitgleich erfahren:

Premierminister Benjamin Netanjahu bei einem Termin in der Westbank. (Foto: Reuters)

 

Die USA und Deutschland stellen sich schützend vor Israels Premierminister Netanjahu – und bitten den Internationalen Strafgerichtshof, von einem Haftbefehl wegen Gaza-Kriegsverbrechen abzusehen. Experten sehen das kritisch.

Von Deutschland wird allerdings auch ein klares Bekenntnis vor den Kulissen der Politik erwartet, Ein Artikel des Chefredakteurs Philipp Peyman Engel, der die Notwendigkeit eines Einsatzes der Bundeswehr an der Seite Israels für den Fall eines offenen Konflikts mit dem Iran forderte, machte deutlich, dass verbale Bekenntnisse nicht genügen. Die NZZ berichtete, dass

„… Berlin nach Beitritt zur Uno-Truppe auf der koreanischen Halbinsel mehr Verantwortung im Indopazifik (gibt es diesen Ozean überhaupt?) übernehmen wolle.

Verteidigungsminister Boris Pistorius überreicht Anfang August im Hauptquartier der US-Armee in Südkorea die deutsche Nationalflagge…… um so den Beitritt zu der multinationalen Truppe zu symbolisieren.

Warum soll Deutschland nicht auch in Palästina mehr Flagge zeigen? Soll Pissi-Mausi eine solche Standarte auch Netanjahu überreichen? Wohl stehen die deutschen Streitkräfte nicht der deutschen Regierung für deren Politik, sondern der NATO zum Zwecke der Verteidigung Europas zur Disposition. Die Bundeswehr hat nämlich nicht einmal einen eigenen Generalstab. Aber als amerikanische Ersatzbataillone lassen sich die deutschen sogar in Korea verwenden. Können nach Israel nicht wenigstens ein oder zwei Kompanien abkommandiert werden?

Peyman Engel forderte allerdings nur diffus „militärischen Beistand von Deutschland“ an. Was genau will er sehen? Der Begriff „Militärisch“ ist unter den heutigen Bedingungen von Krieg auch ein sehr weit gefasster Begriff geworden; die zivile Kriegswirtschaft vom Panzerbau über den Mercedes-SUV bis zu Computern gehört heute auch dazu. Die unglückliche BRD sieht sich jetzt schon wegen Beihilfe zum Völkermord in Gaza dank ihrer Munitionslieferungen vor den IStGH angeklagt; dem parallelen Verfahren gegen Israel ist sie streithelfend beigetreten. Sie leistet also militärische Beihilfe im weitesten Sinn.

Vielleicht hätte sich die deutsche Luftwaffe auch an der Bekämpfung iranischer Raketen (April 2024) beteiligen können? Immerhin war sie sogar bei Einsätzen in Mali und Afghanistan mit Fußsoldaten dabei. Aus Afghanistan flüchtete sie unter Zurücklassen ihres Hilfspersonals, aus Mali zieht sie sich aus Furcht vor russischen Söldnern zurück; es wäre nicht vorteilhaft, wenn deutsche Panzergrenadiere etwa die Golanhöhen „verbissenen und fanatisch“ verteidigten wie die letzten Aufgebote 1945 die Seelower Höhen. Also können Bundeswehreinsätze für Israel eher nur den Schein einer Hilfe bringen, etwa so wie die verbalen Bekundungen der deutschen Politik. Lasst es bei den Munitionslieferungen, sie sind Beihilfe genug.

Das scheint die Jüdische Allgemeine durchaus zu wissen; Engel schreibt selbst, dass die Bundeswehr überhaupt und eigentlich auch in Europa nur „bedingt einsatzbereit“ sei. Gucke man einmal nach Litauen: außer dem Vorauskommando steht dort seit Monaten kein einziger Panzer der versprochenen Brigade.

Man stelle sich vor, dass wirklich eine oder zwei Kompanien Bundeswehr zum Kampf an einem möglichen Frontabschnitt in Arabien lägen? Wäre dies für Israel nicht sehr risikobehaftet wie für die Deutschen, wo die von Italienern und Rumänen besetzten Frontabschnitte vor Stalingrad nicht gehalten wurden? Vielleicht schicken die Deutschen nur die 6 Militärrabbiner als Vorauskommando des Kantinenpersonals, um die koschere Verpflegung sicher zu stellen. Die 6 deutschen Militärrabbiner zählen bei den 2% Pflichtaufwand für die Nato mit, warum sollten sie nicht als militärische Hilfe für Israel genutzt werden können? . Die drei anderen jüdischen Soldat*inn*en, die in der Bundeswehr Dienst tun, können leider keinen Leopard fahren.

Engels Forderung, soweit ernstlich gemeint, führt zu ironischem Grinsen.

Was versprechen sich die Redakteure der Allgemeinen von solchen Jammerartikeln, mit denen sie die Jüdischen Interessen eher ins Lächerliche ziehen? Mehr Abonnenten? Kaum. Mehr soldatisches Denken in Deutschland? Auf die Bundeswehr könnte auch die NATO verzichten. Wenn Israel ernsthaft deutsche Soldaten würde an der Seite der Seinen sehen wollen, hätte die Jüdische Allgemeine schon vor Jahren dafür Stimmung machen müssen, dass die Bundeswehr ein Nah-Ost-Einsatzkommando aufstellte. Die potentielle Diskussion über solche Dinge geht sie aber behutsam aus dem Weg.

Aber es geht hier nicht um taktische, sondern um grundsätzliche Fragen. Und diese werden in zwei in der „Allgemeinen“ erschienen Artikeln deutlich: Die Widersprüchlichkeit, einerseits Jude in der Diaspora zu sein und andererseits bedingungslos für Israel zu plädieren. Das ist schon seit Karl Kraus (Die Fackel) ein Widerspruch in sich. Die Jüdische Allgemeine offenbart die „Doppelrolle“ (s.o.), die sie ihren Konkurrenzblättern unterstellt. Doppelrolle? Der Diaspora-Jude könnte durchaus Palästina from River bis zur Sea „frei“ werden lassen; was geht ihn Israel an? Die „Allgemeine“ müsste sich zum Thema Doppelrolle an die eigene Nase fassen. Ein israelischer Staat mit radikalen Moslems als Nachbarn kann nur bewaffnet und wehrhaft überleben, was letztlich immer als „Faschismus“ interpretiert werden kann. Aber in der Diaspora will niemand Faschist sein, auch wenn viele Juden Italiens 1922 Faschisten waren.  Mit diesem Widerspruch kommt die „Allgemeine“ nicht zurecht. Sie ist gegen Faschismus und konservativ-links, aber gleichzeitig zionistisch; wie eng ist eigentlich ihr objektiver Standpunkt?

Wie dem auch immer sei, für Israel kommt es zum Überleben auf die Diaspora der USA an. Sara Farzan kommt in der „Allgemeinen“ zu Wort:

„…. Die Entscheidung für Tim Walz als Vize-Präsidenten-Prätendenten hat eine außenpolitische Dimension, die [für Juden] sehr gefährlich ist. Die Hamas/Hisbollah/Iran-Fraktion der US-Demokraten hat gewonnen. Eine digitale Kampagne gegen den Gouverneur von Pennsylvania, Josh Shapiro, hat ihn als Vize-Kandidaten verhindert, weil er unerschütterlich an der Seite Israels steht und Jude ist. Er … hätte viele noch unentschlossene und mit Trump stark hadernde Wähler gewinnen können. Es wäre auch eine einmalige Gelegenheit gewesen, die Unterwanderung der Demokratischen Partei durch …. antisemitische Stimmen wie die von Ilhan Omar einzudämmen … Die Leute um Ilhan Omar herum lehnen den jüdischen Staat in seiner Gesamtheit ab und sind taub für die vielen unterschiedlichen Diskussionen innerhalb Israels und innerhalb der jüdisch-amerikanischen Gemeinde.,.. Tim Walz ist zwar kein Israel-Feind, aber er bezieht keine klaren Positionen. Er hat nach dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober die Flaggen in seinem Bundesstaat Minnesota auf Halbmast gesetzt, um kurz danach auch Palästinenser in Gaza in Schutz zu nehmen: »Die überragende Mehrheit der Palästinenser sei nicht Hamas und die Hamas repräsentiere nicht die Palästinenser. „Ein Narrativ“, welches nicht der Wahrheit entspricht, denn Umfragen zeigen, dass 73 Prozent der Palästinenser im Gazastreifen und im Westjordanland die Massaker vom 7. Oktober gutheißen. Auch hat sich Walz für einen Waffenstillstand ausgesprochen, der zurzeit nur der Hamas nutzen würde.

Also müsste man als Jude auf Trumps Wahlsieg hoffen? In einem separaten Artikel schreibt Hannes Stein in der „Allgemeinen“, dass

„…. Donald Trump ein „Philosemitischer Antisemit“ sei und appelliert an Juden, sie sollten nicht in die Falle tappen, Donald Trump für einen Verbündeten zu halten. Denn das Gesicht von Donald Trump ist das Gesicht des amerikanischen Faschismus. …. In seinen Reden hat sich Donald Trump wiederholt antisemitischer Ressentiments bedient. …. Juden seien geldgierig und handelten nur für die Interessen ihres eigenen Clans. …. Allerdings hat Trump einen jüdischen Schwiegersohn. Seine Tochter Ivanka ist zum Judentum übergetreten; Trump hat also jüdische Enkelkinder. Der ausländische Staatschef, mit dem Trump in seiner Amtszeit am besten harmonierte, war Benjamin Netanjahu. Er hat die Israelis nie mit der Zweistaatenlösung genervt. Als Trump Präsident war, wurde die amerikanische Botschaft nach Jerusalem verlegt; er hat die Annexion der Golanhöhen anerkannt….. Trump hat immer wieder dem Iran gedroht, Krieg zu führen, wenn das Mullah-Regime eine Atombombe entwickle. Trump hat den Befehl zum Luftschlag gegeben, durch den Qassem Soleimani getötet wurde, der Kopf einer iranischen Elitetruppe. Haben wir es hier mit einem judenfreundlichen Faschisten zu tun? So etwas kam schon vor, …. Dem griechischen Diktator Ioannis Metaxas, der sehr philosemitisch war, wollten die Juden von Athen 1941 ein Denkmal errichten. Oder ist Trump doch ein Judenhasser?….. Die Frage ist nur scheinbar paradox: Wir haben es bei Donald Trump mit einem philosemitischen Antisemiten zu tun. Was heißt das? Trump glaubt die üblichen antisemitischen Märchen, und …glaubt tatsächlich, dass Israel ein rassistischer Apartheidstaat ist, nur findet Trump das gut. …..  Juden unterstützen ihn, weil er ihrer Meinung nach gut für Israel ist, und sehen es nicht als Problem an, dass Trump nur mit einem Teil der israelischen Öffentlichkeit solidarisch ist: mit den Rechten. ….

Was nun? Die israelischen Rechten gelten doch wohl mehr als praktizierende Juden als die säkulare jüdische Linke; letztere rühmen sich sogar, liberal und politisch indifferent zu sein. Selbst diese Linke nennt Israel einen rassistischen Apartheitsstaat, nicht nur der antisemitische Nicht-Jude in Süd-Afrika oder der philosemitische Faschist. Eines ist klar: Es gibt eben keine „Allgemeine“ jüdische Denkrichtung, nicht nur nicht bei Erich Grözinger, sondern es gab sie schon nicht zur Zeit von Peter Beer zu Beginn des 19. Jahrhunderts.

Fazit:

Die Jüdische Allgemeine versucht, die Meinungsvielfalt im Judentum, nicht nur die zwischen einem „faschistischem“ Israel und einer linksdemokratischen Diaspora unter den Teppich zu kehren. Die Deutschen versuchen diesen Spagat seit 1949 ähnlich. Sie leisten möglichst wenig Unterstützung für die Ukraine, aber beten, dass bloß kein Trump als Präsident den Krieg für verloren geben könnte. Es ist das pathologisch gleiche Schaukeln des „Sowohl-Als auch“. Insoweit produziert sich die Jüdische Allgemeine wie ein Springerprodukt, das sich über „Nazis“ empört und gegen die Linken hetzt.  Im mittleren politischen Nirvana fühlt man sich zuhause. Hauptsache ist, dass der für jüdische Dinge interessierte Leser nur leicht beunruhigt bleibt. So gesehen hat die Jüdische Allgemeine mit Judentum und Israel so viel zu tun wie China Today mit dem realen Leben in China.

von Lobenstein

 

Apropos und eigentlich:

Was ist denn bei dem gemeinsamen Training von israelischer Luftwaffe und der der Bundeswehr herausgekommen? Man erfährt darüber nichts in der „Allgemeinen“. Wäre wahrscheinlich auch nur ein Hoch auf den militärisch notwendigen Faschismus.

 

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