Netanjahu gibt Renaud Girard für „Le Figaro“ ein Exklusivinterview

Warum machen es dem deutschen Publikum bekannt? Alles, was „Bibi“ sagt, hat unsere Journaille schon geschrieben, aber war zu feig einzuräumen, dass sie die Worte des israelischen Ministerpräsidenten wiederholte. Der gilt hierzulande als unfein, uncool und sonst etwas.

Benjamin Netanjahu zu „Le Figaro“:

„Frankreich sollte an der Seite Israels stehen. „Wir kämpfen gegen Menschen, die alle Werte hassen, für die Europa steht“,

e Figaro: „Als israelischer Ministerpräsident haben Sie die Meinung vertreten, dass Emmanuel Macron „eine beunruhigende Verzerrung der Geschichte“ vorrnimmt. Am 11. Oktober forderte Emmanuel Macron ein internationales Embargo gegen Israel in Bezug auf Waffen, die im Gazastreifen und im Libanon Verwendung finden. Was ist Ihre Reaktion?“

BENYAMIN NETANYAHOU (B.N.):  Israel ist der Meinung, dass seine Freunde in Europa, auch Frankreich, zu ihm stehen sollten. Denn es ist unser aller gemeinsame Zivilisation, die Israel in einem Siebenfrontenkrieg verteidigt, den es gegen die iranische Achse des Terrors führen muss. In unserem Kampf gegen die Hamas, gegen die Hisbollah, gegen die Huthis und gegen das iranische Regime kämpfen wir gegen Menschen, die alle Ideale hassen, für die Europa eintritt.

Während der Iran dafür sorgt, dass seine terroristischen Stellvertreter im Nahen Osten bestens mit Waffen versorgt werden, fordert Frankreich nun ein Waffenembargo gegen Israel. Auch wenn wir keine Waffen aus Frankreich beziehen, finde ich diesen Appell beschämend. Ich hoffe, dass Frankreich seine Politik ändern wird, damit wir sowohl für die Stabilität des Libanon als auch für andere regionale Fragen zusammenarbeiten können.

Le Figaro:

In einem Video vom 8. Oktober hatten Sie sich direkt an das libanesische Volk gewandt und es aufgefordert, die Kontrolle über sein Land zurückzugewinnen. Haben Sie keine Bedenken, dass Ihre Strategie, die Hisbollah zu schwächen, einen Bürgerkrieg im Libanon neu entfachen könnte?

B.N.: Ein neuer Bürgerkrieg im Libanon wäre eine Tragödie. Es ist gewiss nicht unser Ziel, ihn zu provozieren. Israel hat nicht die Absicht, sich in die inneren Angelegenheiten des Libanon einzumischen. Unser einziges Ziel ist es, unseren Bürgerinnen und Bürgern, die entlang der libanesischen Grenze leben, die Möglichkeit zu geben, wieder nach Hause zukehren und sich dort in Sicherheit zu fühlen. Ich denke, dass auch das libanesische Volk eine Zukunft in Wohlstand und Frieden verdient. Ich hoffe, dass die derzeitige Schwächung der Hisbollah, einer von Teheran angeführten Bewegung, die den Libanon nach und nach in Geiselhaft genommen hat, den Libanesen die Möglichkeit geben wird, ihr Schicksal wieder in die eigenen Hände zu nehmen.

Le Figaro:

Wann und wie wird Ihr Krieg im Libanon enden?

B.M.: Ich wiederhole, dass unser Kriegsziel sehr simpel ist: Es geht darum, unsere 60.000 Flüchtlinge aus Galiläa nach Hause zu bringen, und im Südlibanon alle terroristischen Netzwerke zu zerschlagen, die unsere Nordgrenze erneut bedrohen könnten. Die Hisbollah muss über den Litani-Fluss hinaus zurückgeworfen werden. Wir werden die gesamte terroristische Infrastruktur zerstören, die in den letzten zwei Jahrzehnten aufgebaut wurde. Als Ministerpräsident Israels muss ich dafür sorgen, dass Juden nie wieder einen Völkermordangriff erleiden, wie ihn die Hamas am 7. Oktober 2023 verübt hat. Nie wieder werden wir tolerieren, dass sich eine völkermörderische Organisation an unseren Grenzen festsetzt.

Le Figaro: Frankreich, Spanien und Italien beschuldigen Sie, die UNIFIL (Interimstruppe der Vereinten Nationen im Libanon) misshandelt zu haben, es gab mehrere Zwischenfälle mit leichten Verletzten…

B .M.: Wir haben absolut nichts gegen die UNIFIL und gegen ihre Präsenz. Es ist leider wahr, dass sich die Hisbollah oft hinter UNIFIL-Posten verstecken kann, um Raketen auf uns abzufeuern. Ich bedauere, dass die Mechanismen, die in der Resolution 1701 des UN-Sicherheitsrats nach dem Krieg zwischen der Hisbollah und Israel im Sommer 2006 beschlossen wurden, nicht umgesetzt wurden. Ich erinnere Sie daran, dass in der Entschließung gefordert wurde, dass die einzigen Waffen südlich des Litani-Flusses die der libanesischen Armee sein sollten. In diesem Gebiet hat die Hisbollah jedoch Hunderte von Tunneln und Lagern gegraben, wo wir gerade eine große Anzahl russischer Waffen der neuesten Technologie gefunden haben. Wie viele Raketen der Hisbollah hat die UNIFIL in fast zwanzig Jahren gestoppt? Gar keine, leider!

Le Figaro: Angesichts der geringen Rücksichtnahme, die der Staat Israel in den Augen Frankreichs den Vereinten Nationen entgegenbringt, erinnerte der französische Präsident daran, dass sie von der UNO geschaffen worden seien…

B.N.: Das ist ein Hinweis auf historisches Unwissen und auf einen Mangel an Respekt. Die UNO erkannte das Recht des jüdischen Volkes auf einen Staat an, aber sie hat ihn sicherlich nicht geschaffen. Das jüdische Volk ist seit 3500 Jahren mit dem Land Israel verbunden. Der moderne Staat Israel wurde durch die Opfer der tapferen Kämpfer seines Unabhängigkeitskrieges geschaffen – unter ihnen befanden sich viele Überlebende des Holocaust und des Vichy-Regimes, die in der Lage waren, der Offensive von fünf arabischen Staaten zu trotzen, die sich gegen Israel zusammengeschlossen hatten. Diese wollten den UN-Plan zur Teilung des Mandatsgebiets Palästina nicht hinnehmen. Die UNO beteiligte sich nicht am Unabhängigkeitskrieg von 1948. Zu sagen, dass die UNO den Staat Israel geschaffen habe, ist eine irritierende Verzerrung der Geschichte.

Le Figaro: Ein israelischer General sagte, die Hamas sei in Gaza praktisch vernichtet. Gibt es Hoffnung, dass die israelischen Geiseln bald freigelassen werden?

B.N.: Unsere Ziele für den Krieg in Gaza waren klar: die militärischen und politischen Fähigkeiten der Hamas zu zerstören, die Geiseln zu befreien und sicherzustellen, dass der Gazastreifen nie wieder eine Basis zur Bedrohung für die israelische Bevölkerung hergeben kann. Heute haben wir praktisch alle Brigaden der Hamas zerstreut. Von den 251 unschuldigen Menschen, die am 7. Oktober als Geiseln genommen wurden, ist es uns gelungen, 154 zurückzubringen. Wir werden nicht ruhen, bis alle unsere Geiseln zuhause sein werden.

Le Figaro: Der Ankläger des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag hat die Ausstellung eines internationalen Haftbefehls gegen Sie und Ihren Verteidigungsminister wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Gaza beantragt.

B.N.: Es ist eine verleumderische Beschuldigung. Die IDF hat weit mehr getan als jede andere Armee der Welt, um die Zahl ziviler Opfer zu minimieren, während sie gegen Feinde kämpft, die alles in ihrer Macht Stehende tun, um die Zahl der zivilen Opfer zu maximieren. Für uns Israelis ist jeder zivile Tod eine Tragödie; für die Hamas sind die zivilen Verluste Teil ihrer Strategie. Alle zivilen Opfer gehen auf das Konto der Hamas. Sie benutzt palästinensische Zivilisten als menschliche Schutzschilde. Die Zahl der zivilen Opfer wird zu Propagandazwecken missbraucht.

Warum nutzt die Hamas Krankenhäuser, Schulen und Moscheen als Stellungen, um ihre Raketen abzufeuern? Damit wollen sie sich vor israelischem Vergeltungsfeuer schützen. Und wenn wir trotzdem Vergeltung üben, beschuldigt die Hamans Israel der Kriegsverbrechen gegen die Zivilbevölkerung.

Zu Millionen wirft Israel Flugblätter mit Fallschirmen ab, verschickt Textnachrichten und telefoniert, um palästinensische Zivilisten vorzuwarnen, sich aus den geplanten Gefechtszonen zu entfernen. Aus diesem Grund ist das Verhältnis von zivilen Todesopfern zu getöteten Kombattanten in Gaza das niedrigst Mögliche in dieser Art von Krieg. Der weltweit führende Experte für Häuserkämpfe, Colonel John Spencer, Professor an der West Point University, sagt, dass Israel Schritte unternimmt, um Zivilisten zu schützen, die keine andere Nation im modernen Häuserkampf je zuvor unternommen hat.

Benjamin Netanjahu empfing Renaud Girard im Büro seines Premierministers in Jerusalem. DR

Le Figaro: Die Anklage erscheint Ihnen also als Akt der Rechtsbeugung?

B.N.: Total. Ich denke, dass sich alle verantwortungsbewussten europäischen Staaten gegen diese Farce der internationalen Gerechtigkeit wenden sollten. Einige von ihnen haben glücklicherweise Eingaben beim IStGH eingereicht, in denen sie erklären, dass eine Anklage gegen die israelische Führung gegen das vom Gerichtshof anerkannte Prinzip der Komplementarität verstoßen würde. Letzteres bedeutet, dass, wenn ein mögliches Kriegsverbrechen vor Ort beurteilt werden kann, wenn es ein unabhängiges und funktionierendes Justizsystem vor Ort gibt, der IStGH nicht angerufen werden kann. Und genau das ist der Fall in Bezug auf den Staat Israel.

Le Figaro: Was ist Ihr Plan für die Zukunft des Gazastreifens?

Wir haben drei Ziele für den Aufbau eines dauerhaften Friedens in Gaza:

1) die Demontage der militärischen und politischen Fähigkeiten der Hamas – da sind wir gerade dabei;

2) die Entmilitarisierung des Gazastreifens – dies wird in jeder zukünftigen politischen Vereinbarung erreicht werden müssen;

3) die Deradikalisierung der palästinensischen Gesellschaft in Gaza – es ist wichtig, dass man nicht mehr von klein auf lernt, Juden zu hassen und zu massakrieren wünscht.

Diese Deradikalisierung wird mit Hilfe erfahrener internationaler Partner vor Ort erreicht werden können. Und das ist es, was die Zukunft des Friedens für Palästinenser und Israelis gleichermaßen garantieren wird.

Le Figaro: Könnte ein Friedensvertrag mit Saudi-Arabien eine historische Versöhnung zwischen Juden und Arabern, zwischen Judentum und Islam herbeiführen.“ 

Benjamin Netanjahu: Die Saudis stehen der Zwei-Staaten-Lösung des Palästina-Problems kritisch bis ablehnend  gegenüber.

Le Figaro: Aber was empfehlen Sie?

Jahrzehntelang war meine Lösung folgende: Die Palästinenser sollten alle Macht haben, sich selbst zu regieren, aber keine, um Israel zu bedrohen. Ich habe immer gedacht, dass es eine Bedrohung für Israel darstellen könnte, den Palästinensern souveräne militärische Macht zu geben. Für mich war das schon vor dem Pogrom vom 7. Oktober offensichtlich. Heute teilt die überwältigende Mehrheit der Israelis meine Meinung: Israel muss die Sicherheitskontrolle vom Mittelmeer bis zum Jordan behalten.

Die Tatsache, dass die Palästinensische Autonomiebehörde (die aus dem Oslo-Abkommen von 1993 zwischen Israel und Jassir Arafats PLO hervorgegangen ist) weiterhin Entschädigungen an die Familien der von der IDF getöteten Terroristen zahlt und die am 7. Oktober 2023 begangenen Gräueltaten immer noch nicht verurteilt hat, ist, gelinde gesagt, enttäuschend. Ihnen heute einen souveränen Staat zuzusprechen, wäre gleichbedeutend mit der Gewährung einer Belohnung für den Terrorismus.

Le Figaro: Ich weiß, dass Sie mir nicht sagen werden, wann und wie Israel auf den Angriff mit ballistischen Raketen durch den Iran am 1. Oktober 2024 reagieren wird. Aber gibt es nicht eine mögliche diplomatische Lösung?

B.N.: Stimmt. Ich werde nicht mit Ihnen über Israels militärische Reaktion diskutieren. Was die Diplomatie betrifft, wie können wir schlecht uns mit denen zusammensetzen, die unsere Vernichtung fordern.  Sollten wir mit ihnen darüber diskutieren, wie Israel von der Landkarte getilgt werden sollte? Es ist absurd. Dennoch ist  das große iranische Volk nicht unser Feind ist. Der Feind ist lediglich sein diktatorisches Regime. An dem Tag, an dem das iranische Volk die demokratische Kontrolle über seine Administration wiedererlangt hat, werden die persische und die jüdische Nation ihre früheren ausgezeichneten Beziehungen wieder aufnehmen.

Le Figaro: Glauben Sie, dass es Ihnen gelingen wird, einen Friedensvertrag mit Saudi-Arabien zu unterzeichnen, diplomatische und wirtschaftliche Beziehungen mit diesem Königreich aufzunehmen, das wie Israel bis zum Roten Meer führt?

B.N.: Absolut. Und es wird schneller geschehen, als Sie denken. Dies wird einen sagenhaften wirtschaftlichen Sprung für die gesamte Region bedeuten. Vor allem aber wird sie zu einer historischen Versöhnung zwischen Juden und Arabern, zwischen Judentum und Islam, zwischen Jerusalem und Mekka führen.

Quelle: Le Figaro

https://www.lefigaro.fr/international/benyamin-netanyahou-au-figaro-la-france-devrait-se-tenir-aux-cotes-d-israel-20241016

 

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