-Einen Antisemitismus Alter Schule gibt es nicht mehr. Es kann ihn auch gar nicht geben. Er war religiös und literarisch geprägt. Der „gantz jüdisch Glaub“ (Antonio Margaritha) bindet auch die meisten Juden nicht mehr. Was an deutscher Literatur heute angeboten wird, sind großenteils Übersetzungen aus dem Amerikanischen Ein Antisemitismus fände keine parallele Gedankenwelt wie früher, mit der er sich paaren könnte. Der Islamismus wäre für einen deutschen Antisemiten nur ein Akt der Rassenschande.
Der schiefe Blick geht traditionell vom so genannten Ostjudentum aus, das die Vorstellungen der Rabbinen bis zur völligen geistigen Verwahrlosung 1000 Jahre lang pflegte. Mit der „Aufklärung“ dank Moses Mendelsohn ging es in Deutschland dem Untergang entgegen (Felix Theilhaber). Heinrich Graetz blendet in seine „Geschichte der Juden“ die geistige Entwicklung in Spanien ein (Ibn Daud, Maimonides), deren Schriften von orthodoxen Juden verbrannt wurden Der RAMBAM erklärte das Judentum als Aristoteliker, was in aschkenasischen Kreisen grundsätzlich als Ketzerei gilt. Der kabbalistische Aberglaube, der seine Blüten im Osten trieb, ist anno 5785 immer noch virulent. Er hat den Antisemitismus integriert. Statt rational über das Judentum und die Zukunft Israels nachzudenken, schwelgen viel zu viele in den Gedankenwelt der Ghetti
So hat der böse Begriff Konjunktur und wird inflationär ausgemünzt. Alles, was einem Juden missfällt, ist antisemitisch (Gilead Atzmon). Die Juden aller Länder stehen zu Israel, das das reale Bezugsobjekt ihres Judentums schlechthin geworden ist. Der westliche Lebensstil in Deutschland und Israel sind zwar ähnlich. Ostjuden dominieren in Israel und das jüdische Leben in Deutschland. Daher legitimiert sich das Judentum para- kabbalistisch trotz verflogener Religiosität aus der biblischen Geschichte Nicht ein westlicher, sondern ein jüdischer Staat soll Israel sein, als sollte der Messias realiter noch kommen und das Reich Davids wieder errichten. Die zionistischem Pioniere sind schon vor Ort. Die Frage bleibt offen, ob ein Messias das Reich Juda überhaupt wieder in Kanaan errichten würde. Schon Kaiser Friedrich II witzelte zu Zeiten des RAMBAM, Gott dürfte Kampanien nicht gekannt haben, andernfalls hätte er Moses nicht Oberpalästina zu erobern empfohlen. In Amerika (USA et alteri) leben mehr Juden als in Palästina, und aus Palästina konnte nur deswegen mehr als eine „Heimstatt“ entstehen, weil die Nazis und die Araber ihre Juden vertrieben. Den Antisemitismus dieser Leute als göttliche Fügung zu sehen, wäre doch absurd Somit ist Israel irgendwie anachronistisch, eventuell sogar „displaced“, jedenfalls willkürlich. Auch wenn Neturai Karta, selbst archaisch, deswegen nicht direkt als „antisemitisch“ abgetan werden kann, obwohl es die zionistoische Staatsgründung ablehnt, wird jeder nicht-jüdische Israelkritiker analog doch als Antisemit angesehen. Die eigentlich dem Judentum gewogene NZZ (22.10.24) schreibt einen „antisemitischen“ Hetzartikel:
„Schläge, Hunger, sexuelle Gewalt: Israel inhaftiert immer mehr Palästinenser – unter teilweise furchtbaren Bedingungen
Israel hat seit Kriegsbeginn Tausende Palästinenser im Gazastreifen und im Westjordanland festgenommen. Einige ehemalige Häftlinge und israelische Whistleblower berichten von schrecklichen Zuständen in den Gefängnissen.“
Das zeigt, dass der jüdische Staat gar nicht die Kraft und Mittel hat, den Maßstäben einer westlichen Zivilisation zu genügen. Ohne amerikanische Militärhilfe dürfte ein Großteil der iranischen Raketen Israel erreicht haben. Die Israelis sind außerstande, die von ihnen deplatzierte arabische Bevölkerung zu versorgen. Von der kulturellen Höhe des europäischen Judentums herab erscheint Israel halbbarbarisch wie das halbtatarische Russland Problem sind für uns nicht die Zustände in den israelischen Lagern, sondern die Juden bei uns, die jedes skandalöse Verhalten israelischer Behörden vorauseilend apologisieren. Sie stellen sich auf eine niedere Kulturstufe und befremden ihre Umwelt in Europa. Das ist sogar in sich widersprüchlich. Einerseits wollen sie nicht mit Israel in einen Topf geworfen werden, andererseits vermengen sie Israelkritik mit Antisemitismus. Außerdem dürften eher die jüdischen Israelis für die Skandaltaten in Israel verantwortlich sein als die arabischen Israelis. Am übelsten profiliert sich in der Diskussion der Skandale „unsere“ Justiz, die Leute bestraft, die Israels Lagersystem mit den Lagern des GULAG- oder mit dem KZ- Imperium der SS vergleichen. Die Anwälte, die z. B. Leute wie Ingrid Furchner verteidigten, haben nicht von Nikolaus Wachsmann dessen Darstellung des deutschen Gefängnis- und KZ-Wesens gelesen. Heute noch kollaborieren Justiz und Polizei wie zu Adolfs Zeiten. Zu Adolfs Zeiten dienten die inländischen Lager als Anstalten zur Sicherungsverwahrung und zum Strafvollzug.
Israel ist in Wirklichkeit für uns in Deutschland völlig unwichtig. Sollten die Araber siegen und alle dortigen Juden abschlachten – was ginge das uns an? Massakrieren die Israelis die Araber weiterhin, Pech für diese. Die Natur regelt alles, auch die Natur des Menschen. Dazu gehören Revierkämpfe wie unter Raubtieren üblich. Die Frage, ob Kanaan das optimale Revier für „den Juden“ ist oder war, ist auch so gesehen offen.
Und das jüdische Leben in der Diaspora ginge auch im Fall eines Sieges der arabischen „Antisemiten“ weiter. Nirgends droht der Diaspora ein neuer Holocaust. Wäre Israel schon 1933 unabhängig gewesen, hätte es unter den deutschen Juden kaum mehr Emigranten gefunden als real. Willy Cohn (in: … kein Recht, nirgends“) war 1936 mit seiner Familie in Palästine und kehrte enttäuscht nach Deutschland zurück. Vor der „Reiichskristallnacht“ lebten 50.000 Juden mit polnischen Pässen im Deutschen Reich. Ihre Ausweisung empörte Grienspan, der den deutschen Botschaftssekretär erschoss.
Was war der Holocaust überhaupt? Er war keine „Fußnote der Weltkriegsgeschichte“ ( Jean Marie Le PEN), aber er gehört zum Weltkrieg. Er war eine Kriegsmaßnahme, ein ins Extreme gesteigertes Kriegsverbrechen, das die Wehrmacht 1941 eingeleitet hatte (Jean Lopez in: Barbarossa 1941). Die SS, die die Planung exekutiert hatte, holte sich auf der Wannseekonferenz (Januar 42) das Placet der obersten Reichsbehörden ein. Danach kam es zur Aktion Reinhard und 1943/44 zu den Massenmorden von Auschwitz. Wie hätte ein unabhängiges Israel dies verhindern können wollen? Die Alliierten konnten es schon nicht. Der Krieg lief damals schon auf Hochtouren. Ohne den mörderischen Krieg gegen Deutschland wäre der Holocaust eher nicht real geworden. Deutschland sah sich für den Fall seiner neuerlichen Niederlage dem Morgenthauplan ausgesetzt, der eine Weiterentwicklung der Pläne Dr. Karel Kramars und Hanusch Kuffners aus dem Ersten Weltkrieg über die Aufteilung Deutschlands war. Auch französische Zeitungen veröffentlichten seit 1914 Entwürfe für ein Deutschland, das dem Rheinbund von 1809 entsprach. Auf einen „zweiten Versailler Vertrag“ durften die Deutschen nicht hoffen. Dank der Konfrontation der Sieger wurden die Deutschen nur ihrer Länder östlich von Oder und Eger verlustig. Die reale Niederlage mit 15% an Toten kam den Plänen Dr. Karel Kramars trotzdem ziemlich nahe. Wie heißt es bei Friedrich Schiller über Iloh? „Mehr um Tod als Leben focht jetzt Ilow nur…. haut alles in Scherben, Schädel und Flaschen jetzt, wie ein Eber im Sterben, noch die Hauer wetzt…“. Es ist ganz klar, dass in dieser Situation das Leben von Juden keinen höheren Stellenwert als „Schädel und Flaschen“ mehr besetzen konnte.
Man sollte die Bezüge zum Holocaust sein lassen. Unsere Zeit hat ihre autonomen Gemeinheiten. Aber wetzt Netanjahu nicht doch seine Hauer?
2024 ist nicht 1944 und auch nich 1914. Die Zeit ist eine andere, in der Afrikaner auf dem Weg in die Freiheit nach Europa streben statt wie früher unter Zwang dorthin in die Sklaverei. Nicht die Liebe zum Leben, sondern die Furcht vor dem Tod charakterisiert unsere Zeit, gepaart mit einem diffusen Egoismus, der sich trotz aller
Asozialität als sozial vorstellt. Das eigene Überleben wird als so wichtig verstanden, dass hundert tote Negerlein bedeutungslos erscheinen. Das hat weder mit „Juden“, noch mit Israel oder Deutschland zu tun. Weder Deutschland noch Frankreich könnten eigene Soldaten in die Ukraine schicken, Frankreich vielleicht noch ein Regiment seiner Fremdenlegion. Israel kann unter diesen Zeitumständen seine Soldaten nur sehr restriktiv opfern, schon jetzt sind der Gefallenen „zu viele gestorben; das Vaterland zählt seine Toten“ (Mörike).
Nur die Toten der Gegenseite zählen nicht. Der „slain“ ist allenfalls Maßstab eines mörderischen Erfolgs
von Lobenstein