Deutschlands Krieg gegen die freie Meinung

Anti-Israel-Aktivistin

Die „WELT“ kam nicht umhin, ihren Redakteur des Feuilletons, Marcus Woeller dem Publikum über ein Kunstereignis berichten zu lassen. Wäre das Werk der jüdischen Künstlerin nicht so bedeutend, wäre die Berichterstattung eher unterblieben. Interessant für den politischen Beobachter ist die Technik, einerseits die politische Gesinnungspflicht  zum Ausdruck zu bringen, andererseits immer wieder wahrheitswidrig zu erwähnen, dass es in Deutschland weder Zensur noch Meinungsverbote gäbe. Man erinnere sich an eine Szene, als Willy Brandt vor 50 Jahren die DDR besuchte und westdeutsche Journalisten diesen Besuch begleiteten. Die Stasi konnte nicht verhindern, dass das westdeutsche TV-Team auch anwesende DDR-Bürger befragte; ein junger Mann meinte, dass er sich von dem Besuch Brandts erhoffe, dass er zu mehr Meinungsfreiheit in der DDR führe. Sofort wurde er von Stasileuten angepöbelt und weggeschubst.

So weit ist es bei uns inzwischen mit der Meinungsfreiheit auch gekommen. Die Berliner Behörde hatte nur versäumt, genug Polizisten aufmarschieren zu lassen, sonst wäre die Vernissage so beendet worden wie im Sommer der „Palästina-Kongress“. Wir zitieren die Meinungsmacher in „Die WELT“::

Nan Goldin Quelle: Fabian Sommer/dpa

„Die Fotografin Nan Goldin hat die Eröffnung ihrer Retrospektive in der Neuen Nationalgalerie missbraucht (!), um Deutschland und Israel schwere Vorwürfe zu machen – unterstützt von propalästinensischen Aktivisten. Das Museum schaute ratlos zu.… Goldin ist nämlich nicht nur eine international gefeierte Fotografin, sondern auch eine von vielen bewunderte, aber auch gefürchtete politische Aktivistin.….  Seit dem 7. Oktober 2023 hat Goldin nur noch ein Thema, den Nahostkonflikt, in dem sie …  die Partei der Palästinenser ergreift und Israel einen Völkermord vorwirft.…“

Hier entlarvt sich der Vorwurf „missbraucht“ als Stilmittel der Lügenpresse; denn, wenn die „politische Aktivistin seit dem 7.10.23 nur noch „ein Thema“ hat, dann kann die Ausstellung nur dem Geschehen in Gaza und im Libanon gewidmet gewesen sein. Weiter im WELT-Text:

„….. Im Gedenken an „die 44.757 Menschen, die in Palästina von israelischen Streitkräften getötet wurden, die Hälfte von ihnen Kinder“, an „die 3516 Menschen, die im Libanon von israelischen Streitkräften getötet wurden“ und für „die 815 israelischen Zivilisten, die am 7. Oktober getötet wurden“. Die übrigen 400 mutmaßlichen (?) Nicht-Zivilisten erwähnt sie nicht. …. War es Ihnen unangenehm?“, fragt sie. „Ich hoffe es.“….. Es falle ihr schwer zu atmen nach dem 7. Oktober, sagt sie. Selbst in Berlin, …. werde man mundtot gemacht und geknebelt von Regierung, Polizei und kultureller Maßregelung“, behauptet die Fotografin.…. Kritik an Israel werde mit Antisemitismus gleichgesetzt. ….  Das Wort Antisemitismus sei zur Waffe geworden. Auch krudere Thesen kann sie ungestört vorbringen, etwa dass sich die „Umwandlung des Antisemitismus zur Waffe gegen die palästinensische Gemeinschaft in diesem Land und gegen diejenigen, die sich für sie einsetzen“, richte….. Nun predigt Nan Goldin nicht mehr zu der ihr kritiklos lauschenden Gemeinde, sondern sie adressiert ihre Rede an den Staat. „Hörst du zu? Deutschland?“ Die Vereinten Nationen, der Internationale Strafgerichtshof, selbst der Papst sprächen von Völkermord, nur Deutschland nicht. „Macht es dir Angst, das zu hören? Deutschland?“ In Gaza werde Krieg gegen die Kinder geführt. „Kinder werden direkt ins Visier genommen. Es wird ihnen in den Kopf geschossen. Sie zerstören absichtlich die nächste Generation“, kann Goldin unwidersprochen behaupten. …. Zensur findet nicht statt.

Natürlich kann eine Zensur (im engeren Sinn) nicht stattfinden, weil es Goldin gelang, die Ämter zu überrumpeln. Sie hätte aber stattgefunden und sie könnte gegen die fortgesetzt werden, die Goldins „krude“ Thesen eins zu eins weiterverbreiten in förmlicher Strafverfolgung wegen Volksverhetzung. Die einzig richtige Meinung, die man in Deutschland heute ddr-mäßig zu Gaza und Palästina haben darf, steht, von Daniel Neumann und Volker Beck formuliert,  in der Jüdischen Allgemeinen:

Jeder, der es bis jetzt noch nicht wusste, obwohl er es schon lange hätte wissen können, der weiß es spätestens jetzt: Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) hat öffentlich seinen Bankrott erklärt, als er Haftbefehle gegen den israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu und den inzwischen entlassenen Verteidigungsminister Gallant erlassen hat, denen angebliche Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen im Zusammenhang mit dem Verteidigungskrieg in Gaza vorgeworfen werden.“

Albern! Woher soll man wissen, dass der Gerichtshof pleite sei? Die JA verwechselt hier was mit der Klimakonferenz. Und Volker Beck von der DIG (deutsch-israelische Gesellschaf) meint:

„dass das angegriffene Israel und die Angreifer propagandistisch auf eine Stufe gestellt werden. … Israel ist ein Rechtsstaat. Es muss auch Verletzungen des Kriegsvölkerrechts durch einzelne Soldaten und Offiziere ahnden. ….. Die Haftbefehle gegen Netanjahu und Gallant werden ein Festival der Selbstgerechten auslösen…  Die es schon immer gewusst haben wollen, werden den Haftbefehl dafür nutzen. Die Bundesregierung sollte dieser Stimmung entgegentreten.

Soso. „Bankrott“ des IStrGH? Auf gleicher Stufe die asymmetrisch kriegsführenden Parteien? Objektiv schaut es sogar so aus, dass Israel mit seiner moralischsten Armee der Welt nach 13 Monaten Gaza-Verteidigungskrieg moralisch bankrott sein dürfte. Vielleicht steht das Land schon eine Stufe unter der der HAMAS. In diesem Zusammenhang darf man nicht vergessen, dass Israels Mossad im norwegischen Lillhammer marokkanische Kellner abknallt, also mitten im Westen seine Terroranschläge verübt. Hat es die israelischen Mörder vor Gericht gestellt? Nie davon gehört. Für die Ermordung (!) eines amerikanischen Staatsbürgers im besetzten Gebiet bekamen die Soldaten Disziplinarstrafen. Weiter so mit der israelischen Rechtstaatlichkeit, der Ami war nur ein behinderter palästinensischer Greis. Und weiter im Text der WELT:

Was hast du gelernt, Deutschland?“, fragte Goldin. „Nichts, nichts, nichts“, skandiert das Publikum, dem ein langanhaltender Beifall für die jüdische Amerikanerin folgt. „Israel definiert sich als das ewige Opfer, weshalb es glaubt, niemals verantwortlich gemacht werden zu können, andere zu Opfern zu machen“ ergänzte Goldin…“

Das hatte schon Nahum Goldmann (in: Mein Leben als deutscher Jude) gesagt: „Die Juden sind nicht nur Opfer“. Und derzeit gibt es für sie kaum Gelegenheiten, Opfer zu werden. Vielmehr berichtet auch die WELT Goldins Meinung:

„Israel geht es um „die totale Auslöschung der Lebensbedingungen einer ganzen Bevölkerung“, um  „Landraub“ und mehr. „Inzwischen werden Immobilien am Wasser auf palästinensischem Land an Synagogen in den USA verkauft. Tausende von Stunden Videos von Soldaten, die Kriegsverbrechen begehen, Häuser zertrümmern, sich Frauenunterwäsche anziehen, brennende Dörfer feiern und damit prahlen, Kinder getötet zu haben, stünden allen zur Verfügung (auf TikTok)…“  Und weiter:

„Nachdem Goldin hinter der Bühne verschwunden ist, übernehmen die Aktivisten, holen Transparente aus ihren Taschen, schwenken die palästinensische Flagge, brüllen ihre Parolen: „Free, free Palestine“ schallt es durch die Nationalgalerie, aber auch „Yallah, yallah Intifada“…..  Zu laut ist der Protest gegen einen Staat, der doch angeblich alle Kritik an Israel mundtot machen will. Vor der Freitreppe zum Museum steht ein Polizeiwagen, keine Hundertschaft….“

Aus dem Versäumnis der Berliner Polizeiführung auf generelle Meinungsfreiheit in Deutschland zu schließen ist eine abenteuerliche Art von Verlogenheit. Die WELT:

„Klaus Biesenbachs Team hat sich hinter ihm aufgebaut und stärkt ihm demonstrativ den Rücken. „Das Existenzrecht Israels steht für uns außer Frage. Der Angriff der Hamas auf den jüdischen Staat am 7. Oktober 2023 war ein grausamer Terrorakt, der durch nichts zu rechtfertigen ist“, bekennt er. „Wenn Juden bedroht oder verfolgt werden, nur weil sie Juden sind, zeigen wir unsere Solidarität. Gleichzeitig fühlen wir mit der Zivilbevölkerung im Gazastreifen und im Libanon mit, deren Leid nicht zu übersehen ist.“

Das ist das mindeste, was Biesenbach sagen muss, um selbst einer Strafverfolgung zu entgehen oder ggf.  auf eine Bewährungsstrafe rechnen zu dürfen. Indem er an die „einzigartige historische Verantwortung hier in Berlin und in Deutschland erinnert und die üblichen Phrasen drischt, kauft er sich wieder ins Lager der Staatstreulinge zurück. Weil er aber eine daraus abgeleitete Verpflichtung eines kulturellen Boykotts „wie die Kampagne des BDS“ ablehnt, kann ihm durchaus noch Saures blühen. Die von ihm abgelehnte Verpflichtung wird in den Berliner Kunstinstitutionen wohl nicht so unwidersprochen geteilt, schon weil die meisten – die bei der Ausstellungseröffnung anwesende Künstlerin Candice Breitz, Eyal Weizman von „Forensic Architecture“, die Schriftstellerin Masha Gessen, sogar Hito Steyerl – selbst an seinen Futtertrog stellen wollen. Sie haben sich lieber selbst gecancelt, als in den sonst von ihnen selbst geforderten Meinungsaustausch zu treten. Die Vernissage von „This Will Not End Well“ jedenfalls hat eine Eskalation mit Ansage erlebt. Ind a, folgenden Tag kann man schon der „WELT“ entnehmen, dass Biesenbach seinen Posten räumen sollte:

Es war zweifellos der traurigste, unwürdigste und beschämendste Moment in der 56-jährigen Geschichte der Neuen Nationalgalerie: „… wie auf Goldins Kommando „Fuck Israel“ rollten Aktivisten palästinensische Flaggen aus und stimmten Intifada-Sprechchöre an. Bilder, wie wir sie nie sehen wollten (!), und die sich dank Social Media schnell um die Welt verbreiteten. Dass sich Klaus Biesenbach, der Direktor, im Anschluss von Nan Goldins Rede zu distanzieren versuchte und dabei von den Aktivisten niedergebrüllt wurde, darf nicht davon ablenken, dass Biesenbach selbst die Verantwortung für diesen neuen Tiefpunkt deutscher Kulturpolitik trägt. Niemand anderes als er selbst hat Nan Goldin die Bühne bereitet. Es war abzusehen, dass die Fotografin – für die Kunst und politischer Aktivismus inzwischen untrennbar zusammengehören – ihre Berliner Schau und die damit verbundene öffentliche Aufmerksamkeit als Lautsprecher für ihre Boykottforderungen gegen Israel und ihre Unterstützung der „Strike Germany“-Bewegung nutzen würde.

Und die „WELT wusste schon immer, dass Nan Goldin ihre Kunst – die an ihrer polarisierten politischen Position wohl keinen Schaden nehmen wird – lediglich missbraucht, um sich als Aktivistin eine Bühne zu verschaffen…. Hermann Parzinger, der scheidende Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, empfindet Nan Goldins Äußerungen als „unerträglich und durch ihre Einseitigkeit gefährlich verharmlosend“. Das waren sie allerdings schon seit dem Tag, als Goldin in der Zeitschrift „Artforum“ vor mehr als einem Jahr ihren offenen Brief zum Thema veröffentlichte und 8000 Mitunterzeichner ihre einseitige Position unterstützten. Wenn die Stiftung Preußischer Kulturbesitz und die Nationalgalerie ihr nun diese Bühne nicht geboten hätten, wäre es sicher keine Zensur gewesen.“

Da haben wir es: In der Bundesrepublik findet Zensur technisch statt. Wie es zur Nazi-Zeit keine Papierzuteilung gab, wenn ein Regionalblatt „einseitig“ gegen das Regine berichtete, so gibt es heute eine breite Palette materieller Möglichkeiten, die Zensur praktisch doch stattfinden zu lassen. Die WELT-Artikel leiten die Strafverfolgung Biesenbachs ein. Früher („bei den NAZIS“) war es Wehrkraftzersetzung, heute ist es Kulturzersetzung. Eine üble Show ihrer Möglichkeiten bot die Berliner Polizei beim „Palästina-Kongress“. Zuerst verlangte sie, dass die Hälfte der Teilnehmer aus feuerpolizeilichen Gründen den Kongress im Freien über Lautsprecher und Bildschirme verfolgen musste, danach löste sie die Versammlung „§unter freiem Himmel auf. Dass sie einem Österreicher die Einreise von einem EU-Land ins andere (Deutschland) verbot, zeigt, wie wenig in diesem schleichend heranwachsendem Unterdrückungsstaat die Gesetze noch gelten.

Man würde ja gerne für ein Existenzrecht Israels eintreten. Zwei Fragen stehen dazu im Raum: eine ist die der Verfassung: Israel will Rechtstaat sein (Volker Beck), hat aber keine geschriebene Verfassung, was seit 1815 der Mindeststandart für ein europäisches Land ist. Die andere ust die nach der absehbaren Dauer der ilitärischen Gewalt: Diese ist angesichts der Blutbäder, die täglich veranstaltet werden, nicht mehr so einfach zu  beantworten; die Massaker sind auch trotz „7.10.23“ seit Monaten nicht mehr vertretbar. Man stelle sich vor, ein angegriffener Mann schlägt seinen Angreifer nieder. So weit ist es okay; wenn der ursprünglich Angegriffene aber nun auf den am Boden liegenden weiter eintritt, dann handelt er abscheulich. Welcher Jude außer den Herrschaften um Josef Schuster, um Posener Alan etc. kann der abscheulichen Kriegsführung in Gaza noch applaudieren? Selbst blutrünstige Militaristen fühlen sich von der Kriegspraxis der israelischen Streitkräfte angewidert.

von Lobenstein

 

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