von Ludwig Watzal
Laut Beschluss der Luxemburger Richter des Europäischen Gerichtshofes muss die Europäische Union die palästinensische Widerstandsorganisation Hamas von ihrer Terror-Liste streichen oder innerhalb von drei Monaten die Verfahrensfehler beheben oder aber Rechtsmittel gegen dieses Urteil einlegen. Immerhin haben es europäische Richter gewagt, eine Eingabe von Hamas positiv zu bescheiden. Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig, und die zionistischen Lobbyisten in Brüssel und in den anderen europäischen Hauptstädten werden alles tun, um die europäischen Regierungen auf Linie zu bringen, allen voran den deutschen Musterknaben/in.
Hamas kam auf Geheiß Israels und seines Protektors, den USA, auf diese ominöse Liste, auf die eigentlich gewisse Staaten gehörten, die durch Terror und Folter andere Völker unterdrücken. Seit 1897 wird jeder Widerstand gegen die zionistische Kolonisierung Palästinas von den Zionisten und später von den Israelis als „Terrorismus“ bezeichnet. Folglich war das Terror-Stigma gegen Hamas nur folgerichtig. Bevor Hamas vom israelischen Geheimdienst mit aus der Taufe gehoben worden ist, spielte Arafats PLO den „Terrorpart“ in der westlichen Welt.
Laut Völkerrecht hat jedes Volk, das unter Besatzung und Kolonialismus leidet, ein Widerstandsrecht. Das zionistische Besatzungsregime besteht bereits seit 1967 und hat seither den Palästinensern peu à peu ihr Land geraubt. Selbst nach der katholischen Soziallehre ist Widerstand gegen eine lang anhaltende Ungerechtigkeit moralisch und ethisch geboten, dies schließt den „Tyrannenmord“ mit ein.
Hamas wurde durch dieses Urteil als nationale Befreiungsbewegung anerkannt, wie weiland alle antikolonialen Bewegungen. Man könnte den Urteilsspruch als kongeniale Entscheidung zur Bereitschaft des EU-Parlaments sehen, dass den Staat Palästina irgendwann einmal anerkennen will. Aber in der EU entscheidet nicht das Parlament oder die Kommission, sondern die einzelnen Mitgliedstaaten. Und hier führt Deutschland leider ein viel zu gewichtiges Wort im Sinne der Kolonialmacht Israel.
Selbst wenn die neue Außenbeauftragte der EU, Federica Mogherini, eine Änderung herbeiführen möchte, ist sie abhängig von den nationalen Regierung, und hier frühen die reaktionärsten Staaten im Sinne der israelischen Verweigerungshaltung das Wort. Dass die Vertreter von Hamas schon lange auf der internationalen Bühne agieren, ist bekannt. Selbst die USA, die Israel sonst jeden Wunsch Israels erfüllen, reden schon seit langen mit Vertretern dieser Organisation. Sie geben selbst zu, dass Hamas keine „Terror-Organisation“ sei. Auch die Israelis vor Ort unterhalten Kontakt zu Hamas-Politikern.
Der Europäische Gerichtshof sollte auch den Status der anderen Organisationen, die auf der ominösen „Terror-Liste“ der EU stehen, auf dessen Rechtmäßigkeit überprüfen. Obgleich sich die Mitglieder der EU oder der Euro-Zone nicht an ihre eigenen Gesetze halten und die Einhaltung immer nur von potenziellen Mitgliedern fordern, ist nicht zu erwarten, dass die EU-Regierungen dem Urteilsspruch des Europäischen Gerichtshofes Folge leisten werden und Hamas von der „Terror-Liste“ streichen werden. Dass Israel dagegen sein Veto einlegen wird und die EU-Regierungen dieses befolgen werden, erscheint mehr als wahrscheinlich.
Die politische Klasse könnte über Hamas besser informiert sein. Die fundiertest Abhandlung stammt aus der Feder von Khaled Hroub und Helga Baumgarten. Wer es lieber mit der zionistischen Propaganda hält, sollte zu Matthew Levitt oder Joseph Croitoru greifen. Für erstere ist Hamas keine „Terror-Organisation“, für letztere Autoren erübrig sich jeder Kommentar.
Emanzipiert sich die EU doch noch vom israelisch-US-amerikanischen Einfluss?
Erschienen auch hier.