von Ludwig Watzal
Die israelische Besatzungsarmee hat innerhalb von fünf Jahren den von ihr immer noch – laut UN-Einschätzung – besetzten Gaza-Streifen mit zwei Kriegen überzogen und dabei schreckliche Massaker an der Zivilbevölkerung begangen. Über diese Massaker der „Israeli Terrorist Forces“ (ITF=IDF) legen die Bücher von Bahij Spiewak und des US-Amerikaners Max Blumenthal beredtes Zeugnis ab. Dass beide Bücher von den gleichgeschalteten Medien keine Würdigung erfahren, verwundert nicht.
Wie bereits beim Weihnachtsmassaker 2008/09 haben die ITF selber Vorwände konstruiert, um den Gaza-Streifen 2014 erneut zu überfallen, um die dort regierende Hamas zu „vernichten“. Neben der Bestrafung der Hamas für die angeblichen Morde an drei Siedlerkolonialisten, mit denen die Hamas gar nichts zu tun hatte, wurden andere Argumente wie die Zerstörung der Tunnel oder vermeintliche „Raketenabschussbasen“ später nachgeschoben, um der Welt eine Rechtfertigung für die Zerstörungswut der israelischen Besatzungsarmee zu geben.
Letztendlich wurde keines der Ziele erreicht. Die demokratisch gewählte Hamas ist weiter an der Macht. Was die ITF jedoch erreicht haben, ist, dass der Gaza-Streifen ein Jahr nach den Verwüstungen immer noch in Schutt und Asche liegt, weil das israelische Besatzungsregime den Strip und seine „Gefängnisinsassen“ weiterhin unter einer totalen Abriegelung zu Lande, zu Wasser und in der Luft gefangen halten. Der palästinensische Widerstand gegen Israels Besatzungsterror geht weiter, der sich tagtäglich in der Westbank und im Gaza-Streifen ereignet.
Chronologisch beschreibt Spiewak das Desaster der palästinensischen Befreiungsbewegung (PLO), das mit dem entwürdigenden Brief Yassir Arafats an Israels Ministerpräsidenten Yitzhak Rabin seinen Lauf nahm. Besonders aufschlussreich ist das kurze Kapitel über Mohammed Dahlan, dem von Arafat eingesetzten Chef des so genannten „Präventiven Sicherheitsdienstes“ im Gaza-Streifen. Dahlan, der einige Jahre in israelischen Gefängnissen saß, mauserte sich zum besten Mann der Israels und der US-Amerikaner.
Nachdem die Hamas 2006 die ersten freien und demokratischen Wahlen in der arabischen Welt mit überwältigender Mehrheit gewonnen hatte, beauftragten Israel und die USA „Präsident“ Mahmoud Abbas, die legitime Regierung abzusetzen. Die Abgeordneten der Hamas konnten den Gaza-Streifen nicht verlassen und bildeten dort eine „Exil“-Regierung. Bevor Dahlan gegen die Hamas putschen konnte, kamen deren Brigaden den Fatah-Putschisten zuvor und vertrieben sie aus dem Gaza-Streifen. Dahlan hatte vorher auf öffentlichen Kundgebungen seinen Fatah-Anhängern gedroht, nicht mit Hamas zusammenzuarbeiten.
Dahlan hatte Glück, dass er diesen Putsch per Handy aus dem Ausland digeriert hat. Kurz darauf veröffentlichte die Hamas-Regierung ein mehr als unterwürfiges Schreiben Dahlans an den damaligen israelischen Verteidigungsminister Shaul Mofaz, in dem er seine Servilität und Loyalität gegenüber den israelischen Besatzern beteuerte. Im Augenblick arbeiten Israel und die USA daran, ihren willfährigen und gefügigen palästinensischen Kollaborateur als Nachfolger von Abbas in Palästina zu inthronisieren. Mit Dahlan hätte man dann endlich den Palästinenser gefunden, der einen Kapitulationsvertrag mit den Besatzern unterzeichnen würde.
Allein die Fakten, die Spiewak über die beiden israelischen Massaker an der Zivilbevölkerung auflistet, sind „beeindruckend“. Da er sich in seinem Buch nur auf den Gaza-Streifen konzentriert, erscheinen die Zahlen in einem „positiven“ Licht. Die tagtäglichen Verbrechen an der Zivilbevölkerung der Westbank würden diese „positive“ Bilanz jedoch weiter eintrüben.
Der Autor weist insbesondere auf die unheilige Allianz zwischen Saudi-Arabien, Ägypten unter dem neuen Militärdiktator as-Sisi, dem „Kriegsverbrecher“ Tony Blair und der zionistischen US-Lobby AIPAC hin, die nicht nur gegen Hamas, sondern gegen alle zum Widerstand bereiten Palästinensern arbeitet. Diese Friedensfeinde arbeiten eng und vertrauensvoll mit der Kolonial- und Besatzungsmacht Israel zusammen, um die Palästinenser von einer Kapitulation gegenüber Israel zu überzeugen.
Spätestens wenn die Palästinenser kapituliert haben werden, schlägt auch die Stunde des „Islamischen Staates“ (IS) in Palästina, die vermutlich die „Dahiyah-Doktrin“ der Israelis gegen Israel anwenden werden. (Die „Dahiyah-Doktrin besagt, dass auch zivile Wohnviertel zum Beschuss freigegeben werden, da die ITF nicht mehr zwischen „Zivilisten und Bewaffneten“ unterscheide, wie es General Gadi Eisenkot vor dem Weihnachts-Massaker 2008/09 erklärte.) Angeblich seien die selbstgebastelten Raketen auf Israel, die so gut wie keinerlei Schaden angerichtet haben, aus Wohnvierteln abgeschossen worden, wie weiland 2006 auch aus dem Libanon geschehen, worauf die israelische Luftwaffe die schiitischen Wohnviertel im Süden von Beirut in Schutt und Asche gelegt haben.
Wer sich über die kolossalen Kriegsverbrechen der ITF an der Zivilbevölkerung des Gaza-Streifens und den politischen Hintergründen fundiert informieren will, ist mit dem Buch von Bahij Spiewak bestens bedient.
Das Buch des US-Amerikaners Max Blumenthal „The 51 Day War“ ist ein Augenzeugen-Bericht über die Massaker der ITF im Gaza-Streifen. Dieses Buch wird, wie sein erstes über die Expansion der israelischen Siedlerkolonialisten, „Goliath: Life and Loothing in Greater Israel“ von den US-Medien bewusst totgeschwiegen. Seine beiden Bücher scheinen nicht ins Weltbild der zionistisch dominierten US-Medien zu passen.
Die Zahlen des 2014-Massakers der ITF sprechen für sich: 2 150 Menschen wurden bewusst getötet, davon über zwei Drittel Frauen und Kinder, 10 000 Häuser wurden zerbombt über 300 000 Menschen wurde ihre Bleibe genommen. Zahlreiche Moscheen, Schulen, Krankenhäuser und UN-Einrichtungen wurden dem Erdboden gleichgemacht, und dies alles von der ITF des so genannten jüdischen und demokratischen Staates Israel, dessen „Sicherheit“ angeblich zur deutschen „Staatsräson“ gehört, wie einer der vielen politisch dämlichen Aussprüche von Angela Merkel lautet. (Jüdisch und demokratisch ist ein Oxymoron, ein Widerspruch in sich.)
Gleich zu Beginn demaskiert Blumenthal die israelische Legendenbildung über die „Gründe“ für den geplanten Überfall. Wie die Legenden über die Rückkehr der Juden ins Gelobte Land nach 2 000 Jahren, so besteht die Erklärung über diese Menschenrechtsverbrechen aus einem „Produkt von religiösem Extremismus, endemischen Antisemitismus und unlösbarem Konflikt“, wie der Autor schreibt. Die „Entführung“ und „Tötung“ von drei Siedlerkolonialisten geschah durch eine kleine extremistische Gruppe, die nichts mit Hamas zu tun hatte; darüber hinaus wusste Netanyahu bereits nach drei Tagen, dass die Entführten getötet worden waren, gleichwohl inszenierte er eine Treibjagd auf Hamas-Mitglieder in der Westbank. Trotz dieser Fakten wollte Israel Krieg, wie Blumenthal schreibt.
Der Amoklauf der ITF wird plausibler durch die Aussagen des israelischen Obristen Ofer Winter, eines fanatischen religiösen Militärs. In einem „Motivationsschreiben“, das vor dem Überfall von ihm an seine Soldaten verteilt worden ist, schreibt dieser religiöse und nationalistische Fanatiker: „History has chosen us to be the sharp edge of the bayonet fighting the terrorist enemy ‘from Gaza’ which curses, defames and abuses the God of Israel’s battles.” Später sage der Obrist zu seinen Soldaten, dass Gott sie bei ihrer direkten Intervention beschützt habe. “We were protected by clouds, clouds of divine honor. We — all the warriors — were suddenly covered by a heavy fog, which came with us throughout the attack.”
Ein prominenter Kriegsverbrecher wie der ehemalige US-Präsident George W. Bush hatte sich bei seinem Überfall auf Afghanistan und Irak auch auf direkte „Eingebungen“ Gottes berufen. Eine intensive Auseinandersetzung mit dem religiös motivierten Terrorismus wird durch die Medien in Israel vorsichtshalber verhindert, um die tatsächliche katastrophale innenpolitische Situation des Landes zu verschleiern.
In souveräner und überzeugender Weise dokumentiert Max Blumenthal, dass Israel der Aggressor ist und Hamas sich nur gegenüber einer überwältigen Tötungsmaschinerie verteidigt hat. Es ist ein schmuckloser Blick auf die Völkerrechts- und Menschenrechtsverbrechen der ITF sowie den religiösen Nationalismus in Israel. Israels politische und militärische Klasse gehören vor den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag so wie George W. Bush, Tony Blair und alle anderen, die für das politische Desaster in Palästina und den Staaten des Mittleren Ostens verantwortlich sind.
Beide Bücher sind überaus aufschlussreich, lesens- und empfehlenswert.
Bahij Spiewak, Die Hölle von Gaza, Laika Verlag, Hamburg 2015, 127 Seiten, € 11.90.
Max Blumenthal, The 51-Day War: Ruin and Resistance in Gaza, Verso, London 2015, PP 272., 10.49 Pounds.
„THE 51 DAY WAR“ von Max Blumenthal würde ich gern lesen, doch leider gibt es immer noch keine er deutsche Auflage.
Warum gibt es keinen Verlag für eine deutsche Version?