Ayelet Shani schreibt für Haaretz. Jetzt behauptet sie von ihrer liberalen Warte aus, Israel habe Neo-Nazi-Minister. Diese sind derzeit noch „eingerahmt“. Die westliche Presse schreibt deshalb etwas diskreter von „Far-Right-Government“. Die Jüdische Allgemeine ist in einer Zwickmühle: Faschismus in Israel „ja“, AfD in Deutschland „nein“. Sie warnt vor einer Verurteilung Israels wegen seiner rechten Regierung. Warum auch sollte man Israel wegen einer rechten Regierung verurteilen? Israel befindet sich in einer Art Krieg, Deutschland nicht. In Deutschland kann sich nicht einmal ein Liberaler mit Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten wählen lassen. Die Gefahr für eine objektive Sicht auf Israel besteht allein in dem anerzogenen Affenverhalten in Deutschland, dass „rechts“ gleich schlecht sei. Die Jüdische Allgemeine warnt also vor ihren selbst ausgelegten Minenfeldern. Versuchen wir trotzdem, es vorsichtig zu passieren.
Warum schreibt Shani von Neonaziministern und nicht von „faschistischen“? Zwischen Faschismus und dem deutschen Nationalsozialismus bestehen elementare Unterschiede, die lediglich durch den Krieg in Afrika durch Waffenbrüderschaft überdeckt waren. Der Faschismus akzeptiert sein Staatsvolk einschließlich seiner Juden, wie es Nahum Goldmann berichtete. Der Nationalsozialismus organisiert sein Volk und bildet es nach biologischen Vorstellungen. Der traditionelle Staat ist administrative Nebensache. Der ns Reichsstatthalter steht über dem Ministerpräsidenten, der Gauleiter über dem Regierungspräsidenten. Rassehygiene und Rassereinheit sind politische Ziele, weil das Volk stark sein muss, nicht der Staat. Der Nationalsozialismus versteht sich als „völkisch“, was Sozialismus und Nationalismus kombiniert. Die faschistischen Diktaturen waren nicht völkisch im deutschen Sinne.
In der lateinischen Welt haben sich immer wieder Militär-Juntas und zivilfaschistische Organisationen an die Macht geputscht, die aktuelle Missstände in der Griff zu bekommen versuchten. Faschisten kamen dort zur Macht, wo etwa eine Linke das Land an den Rand des Abgrunds geführt hatte: In Chile und in Spanien, zum Beispiel. Der Film „Mientras dure la Guerra“ zeigt den spanischen Nobelpreisträger Miguel Unamuno, der den Aufstand der Generale unterstützte in der Meinung, sie machten nur ihren Job, das politische Chaos in Spanien von 1936 zu beenden. So soll es General Cabanellas gesehen haben, während sein Gegenspieler Milan d‘ Astray eine Dauereinrichtung aus der Militärherrschaft machen wollte. Das Problem des Faschismus besteht genau hierin, wenn er zu einem Dauerzustand der Illegalität wird. Der Nationalsozialismus errichtet eine neue Legalität. Die Regierung Mussolinis, die sich 1922 mit vielen jüdischen Mitgliedern etablierte, hatte um 1934 herum ihren eigentlichen Job gemacht gehabt. Sie hätte besser wieder demokratische Verhältnisse zugelassen statt den Abessinienkrieg zu beginnen. Mussolini benötigte neue Erfolge, um seine Diktatur zu rechtfertigen und kam dadurch in das Fahrwasser der neuen deutschen Diktatur, deren Sinn es war, durch einen Krieg in Europa die Welt neu zu ordnen. Im Nationalsozialismus beherrschen Volk, Gesellschaft und Partei den Staat, im Faschismus stehen die Präfekten der staatlichen Provinzen den Parteiorganisationen ihrer Departements vor. Logischerweise gibt es beim Nationalsozialismus keine zeitliche Beschränkung, bevor das Volk insgesamt politisch scheitert. Der Faschismus endet mit der ersten Niederlage seiner bewaffneten Staatsmacht. „Faschistisch“ verhielten sich die Militärs in Griechenland und Argentinien. Sie traten zurück, als sie in Konfrontation mit dem Westen gerieten. Auf den Philippinen führte der Diktator auf Zeit tödliche Schläge gegen die Drogendealer aus. Objektiv waren diese rechtswidrig, aber genauso effektiv. Materiell waren sie gerechtsfertigt. Ein Dauerzustand darf aber eine solche Notwehr nicht werden. Sie wurde kein Dauerzustand. Die philippinische Diktatur Duterte endete verfassungsgemäß mit Neuwahlen.
Deswegen ist es umso bedenklicher, wenn Ayelet Shani in Haaretz von israelischen Neo-Nazis in der Regierung sprechen kann. Inzwischen will der Minister für das Siedlungswesen das palästinensische Städtchen Huwara „ausradieren“. Er bedient sich eines hitlerischen Ausdrucks, der die Vernichtung der Einwohner einschließt. Selbst im amerikanischen Außenministerium bekommen die Beamten Gänsehaut, er, Netanjahu möge sich von Schmotrich distanzieren. Kann er das? Im so genannten Westjordanland gibt es keinen richtigen Staat, nur eine Besatzung. Der völkische Kampf zwischen jüdischen Siedlern und arabischen Einwohnern ist voll im Gang. Insoweit trifft es eher zu, dass Shani zu Recht von Neonazi-Ministern als von Faschisten spricht.
„Wir“ haben also eine völkisch geprägte Regierung in Israel. Warum verwendet sie aber auch noch historische Nazi- Vokabeln? Sie haben den Komplex der Kriegszeit noch nicht überwunden.
Mögen sie Huwara „ausradieren“, ein „Lidice“ oder „Oradour“ veranstalten und ihre völkische Politik weitertreiben; sie haben einen deutschen Blankoscheck. Amerika kann auch nicht viel machen, die Grenzen von 1967 sind für Israel keine Option, schon gar nicht seit der „Zeitenwende“, seit der Krieg, bzw. Spezialoperationen wieder zugelassene Mittel der Politik geworden sind. Sie werden 9in Syrien, im Irak, und im Jemen praktiziert, ohne dass es jemanden geniert. Aber ein Unterschied besteht doch: Palästina ist bereits besiegt, hier herrscht Besatzungsrecht und kein Faustrecht des Krieges. Wenn man hier anfängt, „auszuradieren“, dann ist Israel wirklich beim Nationalsozialismus angekommen.
Die bisherigen Vorwürfe von BDS, Pseudo-Antisemiten und Palästina-Sympathisanten könnten nun eine neue Antwort finden. Man könnte der neuen Regierung anraten, aus Gaza doch ein richtiges KZ nach dem Muster von Sachsenhausen zu machen. Frauen und Kinder nach Norden, Männer nach Süden.
Aber konstruktiv muss das bleiben, um die Grenzen des Faschismus nicht zu überschreiten:
Für 5 Jahre wäre das Geschlechtsleben in Gaza suspendiert. Natürlich muss man die Leute seriös beschäftigen. Die arabischen Frauen sollen eine arabische Übersetzung von Christine de Pisanes „Stadt der Frauen“ erhalten und Gaza-Stadt ganz nach feministischen Idealen aufbauen. Vielleicht gewinnt man Alice Schwarzer als Beraterin An Material darf es keinesfalls fehlen, die arabische Frau soll sich mit ihrem Werk identifizieren. Sie wird es sich später nicht gefallen lassen, dass irgendwelche Böllermeister Gegenschläge der israelischen Luftwaffe provozieren. 5 Jahre Frauenlager Gaza könnten in Zukunft den Frieden in Israel sichern.
Die arabischen Männer und Knaben können damit beschäftigt werden, einen vernünftigen Hafen anzulegen, der die wirtschaftliche Grundlage des autonomen Gazastreifens bedeuten wird. Arabische Karawanen könnten über einefreie Cuñada von ganz Arabien herkommend dort ihre Waren verschiffen. Auch sie werden auf andere Ideen kommen, als aus Gaza eine Art arabisches Swinemünde zu machen.
Ganz ohne Faschismus geht es in Nahost nicht, aber „ausradieren“ sollte man niemanden. Auch das KZ Gaza soll nicht zur Dauereinrichtung werden.
Lobenstein