Für wen oder für was kämpft Israel?
Aus der Tribüne Jüive
Nach dem Pogrom vom 7. Oktober 2023, nach all den Hunderte nvon Raketen iranischer Produktion auf Israel, nach fortgesetzten Terrorakten, beschloss sich ISRAEL, diejenigen anzugreifen, die seine Einwohner am friedlichen Leben hindern. Nördlich vom Zentrum Israels, schlugen Raketen ein und bedrohten schon das Herz des Landes. Welche Dauerzustände soll ein Land ertragen? Welcher Staat würde, ohne einen Schuss zu erwidern, hinnehmen, dass sein Gebiet der Bedrohung permanenten Beschusses ausgesetzt bleibt? Welche Menschen könnten es akzeptieren, unter einer solchen Bedrohung zu leben, ohne zu verlangen, dass der Staat reagiert?
Der oberste Führer der Islamischen Republik Iran hat es offen ausgesprochen, dass Israels Tage gezählt sind. Worauf bezieht er sich, wenn er eine solche Prophezeiung formuliert? Auf eine Atombombe, die der Iran auf Tel Aviv abwerfen will? Die Mullahs machen aus solchen Plänen keinen Hehl. In der apokalyptischen Vision der Welt, die im Iran besonders virulent ist, spielt es keine Rolle, welchen Preis man selbst zahlen muss. Ihr Anliegen ist es nicht, irgendein Palästina zu befreien. Ihr politischer Orgasmus folgt der der Zerstörung des jüdischen Staates, so wie es die „Vernichtung der jüdischen Rasse in Europa“ für Adolf Hitler war. Ist dieser Vergleich an den Haaren herbeigezogen?
Israel nimmt die Fläche von drei französischen Departements ein. Es wären nur drei Bomben nötig, um den Staat der Juden tödlich zu treffen. Was könnte Israels Maßnahme sein, wenn sich diese Bedrohung deutlicher abzeichnet? Vielleicht rafft sich die Welt auf und warnt den Iran vor einer symmetrischen Katastrophe. Vielleicht lässt der Westen sich das Heft aus der Hand nehmen und das Schlimmste wird zu einer möglichen Hypothese. Alternativ ergreift Israel die Initiative, um das apokalyptische Szenario zu verhindern. Hätten die Demokratien den Mut gehabt, Hitler 1938 zu stoppen, wäre der Menschheit viel Schrecken erspart geblieben. Vergeblich sucht man heute nach „Churchills“, die zu Klarheit und Mut für eine unpopuläre Entscheidung fähig sind. In der Zwischenzeit predigen unsere Führer diffuse „ gerechte Maßnahmen“, um auf die Massaker vom 7. Oktober zu reagieren. Anstatt Israel für die Rache an den französischen Soldaten zu danken, die 1983 im Libanon von der „Partei Gottes“ ermordet wurden, wagte es französische Präsident in seiner jüngsten Unterstützungserklärung für das libanesische Volk nicht einmal, die Hisbollah zu verurteilen.
Bereits in den Jahren 2006 und 2014 hatten empörte gute Geister die unverhältnismäßige israelische Reaktion anlässlich einer früheren Offensive angeprangert, die damals als Antwort auf eine frühere terroristische Aggression gedacht war. Diese Empörten spielten das Vorgehen der Hamas unter dem Vorwand herunter, dass ihre selbstgebauten Waffen der Überlegenheit der israelischen Armee gegenüberstünden. Dieses Vergleich zielte darauf ab, den Aggressor zum Opfer zu machen, als ob die iranischen Raketen, die an die Hamas geliefert wurden, jenen Waffen entsprächen, die mannche Armen in ihrer Verzweiflung erfinden. Dieser Vergleich mit der militärischen Technik wurde von den arabischen Staaten, und dann von den palästinensischen Gruppen sechzig Jahre lang unermüdlich wiederholt.
Israel hat sich 2005 vollständig aus dem Gazastreifen zurückgezogen. Seitdem ist dieses Gebiet frei, Die Blockade, der es unterworfen ist, wäre längst beendet worden, wenn der Wunsch nach Frieden ehrlich umgesetzt worden wäre. Stattdessen verwandelte sich das Gebiet in eine Terrorbasis. Die Räumung Gazas, die von Ariel Sharon einseitig vorgenommen wurde, erwies sich als Fehler, weil er den Palästinensern keinerlei Verantwortung für die Zukunft auferlegte. Was haben die Palästinenser mit diesem Streifen gemacht, das von jeder jüdischen Präsenz befreit wurde? Haben sie sich entschieden, einen Stadtstaat aufzubauen? Nach einem blutigen Putsch gegen die Palästinensische Autonomiebehörde von Mahmoud Abbas im Juni 2007 machte die Hamas ihre Charta zur Matrix ihres Projekts. Das hinderte Philosophen wie Stéphane Hessel und andere große Seelen nicht, anlässlich von Besuchen anno 2010 viel Reizvolles in Gaza zu entdecken. Jeder kann jetzt an dieserart Fabeln seine eigenen Träume überprüfen.
Es gab durchaus einen Zeitabschnitt, etwa bis Ende der 1980er Jahre, in der die palästinensische nationalistische Bewegung behauptete, für die Gründung einer Heimstatt zu kämpfen. Mit dem Oslo-Abkommen hatte die Skizze eines Kompromissfriedens die Hoffnungen all jener genährt, denen die Aussicht auf zwei Staaten zweier Völker als mögliche Lösung dieses hundert- oder tausendjährigen Krieges erschien,. Man muss dazu seinen Glauben in der Bibel suchen. Worte des Friedens wurden auf Englisch gesprochen, während man auf Arabisch von Heiligem Krieg sprach, um die arabische Kasbah zu entflammen, die so leicht in zornige Begeisterung ausbricht. Im Westen haben die arabischen Revolutionen für all die ideologisch einäugigen Menschen das pawlowsche Signal reaktiviert, das uns in Illusionen schwelgen lässt: Von Tunis bis Kairo zeichnete sich zum zigsten Mal eine strahlende Zukunft ab, ohne sehen zu wollen, dass sich unter dem Kopfsteinpflaster die Scharia abzeichnete und nicht der Strand. Das Ende Gaddafis brachte keine Demokratie, sondern ein Schlaglicht auf ein Konzept, das man in Vergessenheit geraten glaubte: Es waren die alten Stämme, die zum Tanz aufspielten.
Nachdem der Westen verlernt hat, die arabische Welt und die aus dem Islam geborene Welt zu durchschauen, weil er nicht berücksichtigen will, was die Ethnologie über ihre Konstanten aussagt, erlebt die dominante Doxa ein ziemlich schmerzhaftes Erwachen. Ihre ideologischen Illusionen tragen dazu bei, viele Fiktionen zu befeuern. Eigentlich sollte man informierten Islamologen unterstellen dürfen, dass sie diese Schizophrenie der politischen Vorstellungent des Islam kennen, zwischen der muslimischen Sphäre einerseits, in der Frieden und Harmonie der Scharia herrschen, weil sie hauptsächlich von Muslimen bevölkert wird, und der Sphäre des Kampfes. In dieser Sphäre gilt es zu erobern, weil sie von den Ungläubigen, von Kreuzfahrern und von Juden verschmutzt wird. Das heißt, Europa und Palästina vom Jordan bis zum Meer seien dreckig. Nicht sehen zu wollen, dass der Hass auf Juden in der Lesart der Hamas oder der Hisbollah eine Matrix ist, ist ein erheblicher Fehler in der Einschätzung der Ideologie dieser Gruppen. Der Hass ist das Zentrum des islamistischen Denkens und besonders seiner organisatorischen Epigonen. Der Nationalsozialismus ohne rassistischen Antisemitismus wäre nur ein Faschismus unter vielen gewesen. All die verschiedenen Erwartungen an die Strategie dieses Islam sind bereits durchdiskutiert worden: Die Takia rät, maskiert voranzugehen, um die Realität des eigenen Projekts zu verbergen. Arafat war ein Virtuose dieser Praxis: er sprach die Worte des Friedens auf Englisch und predigte den Dschihad auf Arabisch. Seit dreißig Jahren praktiziert die Hamas einen Wechsel von Waffenstillständen und Aggressionen: die Hudna rät zu dieser Taktik des Krieges, die es ihr ermöglicht, sich wieder zu bewaffnen, indem sie Frieden vortäuscht.
Die Ideologie der Hamas, ihr Programm, das vollständig in ihrer Charta niedergeschrieben ist, hat nur ein Ziel: die Vernichtung Israels und die Ermordung der Juden. Die Hamas ist keine Widerstandsorganisation, sondern der bewaffnete Arm der globalen islamistischen Offensive, bei der Israel an vorderster Front steht. Er zielt nicht auf die Errichtung eines Staates für das arabische Volk Palästinas ab, sondern auf die Rückeroberung eines Raumes durch den Islam, für den er sich als legitimen Eigentümer göttlichen Rechts ansieht. Solange die Europäer diese Kategorien nicht in das Raster integrieren, das die Muslimbruderschaft in die psychischen Kategorien des muslimischen Raums und des arabischen Raums eingeschleust hat, werden sie nicht verstehen, was wirklich auf dem Spiel steht. Sie werden Palästina weiterhin als die Ursache einer verzweifelten Dritten Welt sehen, in der es als die Spitze eines Speers angesehen werden sollten, der auf den ganzen Westen gerichtet ist.
Das arabische Unglück ist real, das palästinensische Unglück ist real, aber wer ist seit mehr als sechzig Jahren dafür verantwortlich? Die Konstante im arabischen Diskurs, die seine Rachegelüst motiviert, hat ihre Wurzeln in dieser vielbeschworenen Demütigung, deren Opfer die Araber sein sollen. Aber von wem und wovon sind sie die Opfer, wenn nicht in erster Linie von dem, was die Islamischen den Arabern angetan haben. Was war passiert, damit Saddam Hussein, Baschar al-Assad oder Bouteflika die Nachfolge von Emir Abdel Khader, Nasser, Bourguiba oder Mohamed V. antreten konnten? Wenn es Gründe gibt, gedemütigt zu werden, müssen wir dann nicht in dem suchen, was die arabische Welt mit ihrer eigenen Geschichte und ihrer glorreichen Vergangenheit gemacht hat? Wer hat heute wen in Syrien getötet? Wer hat wen in Algerien während des blutigen Jahrzehnts der späten 80er Jahre umgebracht? Wer entführt wen im Norden Nigerias? Was haben diese ölbeladenen Länder mit ihrem Vermögen gemacht? Haben sie zur Entwicklung ihrer Gesellschaften, ihrer Bildung beigetragen? Wer hat wen im Iran-Irak-Konflikt getötet, in Kuwait, im Sudan, im Libanon? Die Liste der arabisch-arabischen oder islamisch-islamischen Massaker ist zu lang, um eine Bestandsaufnahme zu erstellen. Indem sie den Grund für ihre psychische Eingenommenheit auf Israel projizieren, vermeiden die Araber oder diejenigen, die sich als Islamisten bezeichnen, jede kritische Arbeit an ihrer eigenen Geschichte, und die Muslime vermeiden jede Reflexion darüber, was der Islam unter islamistischer Herrschaft wird.
Mit einigen bewundernswerten Ausnahmen tost der arabisch-muslimische Raum in dieser Enge. Wir träumen vor diesem Film (der auf YouTube zu sehen ist), der Oberst Nasser zeigt, wie er sich über die Muslimbruderschaft und ihr Projekt, ägyptische Frauen zu verschleiern, lustig macht. Der Saal lacht und applaudiert seinem Raïs, aber wir können heute nur rückblickend die Blödheit Israels in den 70er Jahren beklagen, als es die Islamisten begünstigte, um gegen die PLO zu kämpfen. Es war die Zeit des Kalten Krieges, und Nasser und die PLO standen auf der falschen Seite. Der Zusammenbruch der säkularen (islamo-progressiven) Versuche der verschiedenen Baath-Stäbe wich 1979 der Macht der Islamischen Revolution im Iran. Der Zusammenbruch des Kommunismus hat nicht nur endgültig das Ende der Ost-West-Konfrontation signalisiert, sondern auch den Zusammenprall zweier Zivilisationsprojekte, die von Huntington vorausgesehen wurde: das der Islamisten, den dritten großen Totalitarismus des 21. Jahrhunderts, und das einer liberalen Welt.
„Wir lieben den Tod so sehr, wie die Amerikaner das Leben lieben“, sagten die Dschihadisten vom 11. September 2001.
Können wir irgendetwas mit einer Welt verhandeln, die die menschliche Bombe zur heroischen Figur ihrer Soldaten gemacht hat? Können wir mit demjenigen verhandeln, der die Hasserziehung zum Elixier seines Bildungssystems gemacht hat? Können wir mit demjenigen einen Frieden aushandeln, der die Negation des Existenzrechts des anderen zur Seele seines Projekts gemacht hat? Wir sehen diesen tödlichen Gedanken jetzt in Frankreich und in Europa am Werk. Es ist dieser Islam, der ebenso mörderisch wie selbstmörderisch ist, der in London, Madrid, New York, Paris und Brüssel zugeschlagen hat. In seinem Namen wurden französische Lehrer ermordet, weil sie es gewagt hatten, eine Reflexion vorzuschlagen. In seinem Namen wurden die Journalisten von „Charlie Hebdo“ massakriert. Er ist es, der eine Front in den Norden Malis, in den Norden Nigerias, in den Tschad und in den Sudan zieht. In Ägypten sind es die koptischen Christen, die abgelehnt werden, im Libanon, im Irak sind es die Christen, die zerstückelt werden, und auf jeden Fall sind es die Frauen, die die ersten Opfer der neuen Kalifen sind. Müssen wir uns blind stellen, um uns dieser globalen Bedrohung nicht bewusst zu werden?
Mit unglaublichem Mut rebellieren einige Intellektuelle aus der arabisch-muslimischen Welt gegen dieses Schicksal. Da sie begriffen, dass die schlimmste Zukunft und die schlimmste, die noch kommen wird, in diesem Trend liegt, beschlossen sie, es zu sagen und zu verurteilen. Der Imam von Drancy, Hassen Chalghoumi, reiste mit einer weiteren Delegation muslimischer Geistlicher nach Israel, um diese Zwangsjacke zu zerreißen. Er zeigt das Gesicht eines anderen Islams, das der Aufklärung. Er ist nicht der Einzige. Bereits im Mai 2011 hatte Boualem Sansal auf Einladung der Internationalen Schriftstellermesse Israel besucht. Brüderlich startete der Autor von „Das deutsche Dorf“ mit David Grossman einen Appell zu Frieden und Dialog. Seit langem prangern Fethi Benslama, Kamel Daoud, Malek Chebel, Abdenour Bidar, Abdelwahab Medeb die psychische Gärung der arabischen Gefangenschaft an, die die Rache für eine fiktive Demütigung zu ihrer Daseinsberechtigung macht. Sie bieten eine erleuchtete Lesart der Spiritualität des Islam an. Weit davon entfernt, Araber und Muslime zu befreien, verurteilt der Islamismus von Hamas und Hisbollah sie zum Rückschritt.
Wenn man sich nicht bewusst ist, was für den aktuellen Konflikt auf dem Spiel steht, verschließt man zum x-ten Mal die Augen vor dem, was diese Konfrontation wirklich ist. Aus kurzfristigem Interesse hat der Westen Katar zu seinem privilegierten Verbündeten gemacht, indem er so tut, als sähe er nicht, dass seine Petrodollars dazu verwendet werden, die französischen Vorstädte ebenso zu kaufen wie Waffen für die zukünftigen Märtyrer Allahs. Die französische Diplomatie würde viel Klarheit gewinnen, wenn sie verstehen würde, dass der Emir von Katar auch unser bester Feind oder unser schlimmster Freund ist. Die Amerikaner haben den gleichen Fehler mit Saudi-Arabien gemacht und setzen ihn fort. Es ist noch nicht zu spät, die Augen zu öffnen.
Dieser Konflikt ist nicht nur eine ferne Konfrontation, er ist nicht nur ein weiterer Krieg, auf den wir in Frankreich oder in Europa Elemente unserer eigenen Vorstellungskraft und verschütteten Geschichte projizieren. Er ist auch ein Enthüller, eine Enthüllung. Es sind andere Rechnungen, die unter dem Deckmantel wissenschaftlicher geopolitischer Analysen oder selektiver Empörung beglichen werden. Mehr als dreihunderttausend Tote in Syrien bewegen sich kaum, sie interessieren niemanden im Bereich des rechten Denkens. In unseren Breitengraden bildet der Maulkorb unter der Fassade der Mode und das Lügen im Gewand der Wahrheit die Paradigmen der vierten Gewalt. Es ist eine Konstante in der Genese des totalitären Denkens, unter emanzipatorischen Masken eine Realität zu verbergen, die gar nicht realistisch ist. Dieser Mechanismus ist bekannt, er ist eine Konstante in der Art und Weise, wie wir den israelisch-palästinensischen Konflikt betrachten, der jetzt israelisch-islamistisch geworden ist. Nur Israels Maßnahmen erregen Aufmerksamkeit, und nur die monströsen angeblichen Verbrechen, die ihm zugeschrieben werden, fordern das Gewissen heraus. Seit den 2000er Jahren war die Nazifizierung Israels der sicherste Weg für alle „Empörten“, die Vergangenheit Europas aufzuwischen, und für die Araber, den islamistischen Gulag als Paradies für alle auszugeben.
In der gegenwärtigen Konfrontation findet Israel zu seinem legitimsten Recht. Es kämpft gegen seinen Angreifer. Es kämpft darum, sein Territorium und seine Bevölkerung zu verteidigen. Es macht sich das nicht einfach. Durch die Konfrontation mit der fortgeschrittenen Figur des Islamismus, der die Bevölkerung von Gaza als menschlichen Schutzschild benutzt, befreit Israel sie gleichzeitig von einer terroristischen Sekte, die sie als Geisel genommen hat. Das Unglück, das ihr auferlegt wurde, ist nicht die Tat Israels, sondern die Folge des Würgegriffs der Hamas auf diese Bevölkerung. Die Installation von Raketenrampen neben einer Schule oder einem Krankenhaus ist keine heroische Tarnung, sondern eine schreckliche Strategie des Todes. Man muss kein großer Experte sein, um das zu verstehen und um zu verstehen, dass es neben dem, was im Nahen Osten auf dem Spiel steht, wahrscheinlich unsere Zukunft hier ist, die auf dem Spiel steht. Für wen kämpft Israel? Er kämpft für sich selbst, er kämpft aber auch für uns. Was Israel bedroht, bedroht den ganzen Westen.
© Jacques Tarnero