Europa muss Palästina anerkennen

von Alon Liel

Die israelische Führung hat intern keinen Anreiz, ihre Politik zu verändern. Nur durch Druck von außen kann eine Zwei-Staaten-Lösung Realität werden.

Ein bedeutender Prozess hat in Europa begonnen: der Prozess der Anerkennung Palästinas. Dieser Prozess könnte die Zwei-Staaten-Lösung im israelisch-palästinensischen Konflikt retten und er könnte helfen, beide Seiten auf Augenhöhe an den Verhandlungstisch zurückzubringen.

Es war richtig, dass Schweden kürzlich den Schritt gewagt hat, für eine formale Anerkennung Palästinas zu stimmen. Es folgten das britische Unterhaus und dasspanische Parlament, ebenso befürwortete der irische Senat die Anerkennung. Nun soll in Frankreich, Dänemark und im Europaparlament abgestimmt werden.

In der europäischen Öffentlichkeit wird es inzwischen als zwingend angesehen, dass konkrete Maßnahmen ergriffen werden müssen. Die Menschen haben gesehen, dass Israels vorgeblich temporäre Besatzung nun ein halbes Jahrhundert dauert und kein Ende in Sicht ist. Die israelische Herrschaft wird nur brutaler mit jedem Jahr, und sie entfernt die palästinensische Bevölkerung immer weiter von ihren Grundrechten der Freiheit und Würde.  Weiterlesen

Israel’s Democracy soon just for Jews?

by Ludwig Watzal

Sixty six years after the establishment of the State of Israel, even the most ubiquitous term employed to describe the political nature of Israel, namely as a „Jewish democratic state,“ is becoming obsolete. The Netanyahu government and its right-wing coalition partners are preparing a law, which will exclusively define Israel as a „Jewish State“ for the benefit of what they define as the „Jewish people“. For independent observers, who do not wear Zionist propaganda glasses, Israel was never a democracy in the classical Western sense of the term, but always a Jewish democracy or a democracy sui generis, i. e. full democratic rights for Jews only. Jewish and democratic just does not fit. It’s an oxymoron. Nonetheless, the Zionist propaganda (hasbara) has left no stone unturned in order to hammer this conceptual contradiction into the Western public mind. The Israeli Palestinians have always been treated as second class citizens. The Israeli political class regards them as a „fifth column“ that cannot be trusted.

The proposed Basic Law shows that Israel, after 66 years of its existence, is in the dark about its identity. It is a proof of Israel’s shortcomings. From the Israel’s very foundation there existed a built-in contradiction: On the one hand, Israel was declared at its establishment as a „Jewish State in Eretz Yisrael“ (Eretz Yisrael in Hebrew is equivalent to historical Palestine), on the other hand, the same Declaration promised to „ensure complete equality of (…) political rights to all its inhabitants irrespective of religion”. It has turned out that Israel could not be both.

Weiterlesen

„Israel säht Verzweiflung und sinnlose Gewalt“

von Jeff Halper

Die ‘zionistische Antwort’ auf die Abwärtsspirale sinnloser Gewalt, in der sich Jerusalem zur Zeit befindet, lautet: Hauszerstörungen, Massenverhaftungen, Widerrufung des Aufenthaltsrechts eingeborener Jerusalemer, Abriegelung palästinensischer Viertel mit Betonblocks, Bewaffnung jüdisch-israelischer Milizen, und Bemerkungen unterhalb der Gürtellinie für den Letzten, der noch an eine Zwei-Staaten-Lösung glaubt, Abu Mazen. Sie versuchen alles, nur nicht die Beendigung der Besatzung und eine gerechte politische Lösung.

So etwas passiert, wenn ein mächtiges Land auf jegliche Anstrengung verzichtet, sich um die Bedürfnisse und Sorgen eines Volkes unter seiner Kontrolle zu kümmern und sich hinunter begibt auf die Ebene roher Unterdrückung.

Israel befindet sich nicht ‘in den Fängen eines terroristischen Ansturms’, wie Premierminister Nethanyahu heute Abend im Rahmen einer Pressekonferenz feststellte; es befindet sich vielmehr im Griff sinnloser Gewalt , verursacht durch Verzweiflung und Unterdrückung.  Weiterlesen

Why are Israeli and Russian „Occupiers“ so close Buddies?

by Ludwig Watzal

Is there a Russian Israeli friendship looming on the horizon that could replace the „ironclad“ one with the United States of America? The Zionist Israeli diplomacy is considered one of the best and most skillful in the world. It’s based solely on the national interest of the State of Israel and is contrary to the morally based insincere rhetoric of the US, not to speak of the hypocritical talk of its European „friends“, including Germany.

So far, the Israeli government hasn’t criticized Russia for its „occupation“ and „annexation“ of Crimea, as have its so-called Western friends been doing. Israel does not either participate in the Western sanctions against Russia. They do business as usual, and it’s increasing rapidly. Could perhaps a call by Chancellor Angela Merkel change Binyamin Netanyahu’s mind? Politically, this is unlikely. Netanyahu doesn’t listen to US President Barack Obama. On the contrary, he does everything possible to obstruct Obama’s policy. Why then should he be listening to Germany’s Merkel. Israel is not a banana republic. Thanks to Germany’s generosity, the country has several German-built submarines equipped with nuclear warheads to guarantee Israel a second strike capability, not against the virtual „Iranian existential threat“ but against a possible „Western threat“. Should the European Union one day decide to impose sanctions against Israel because of its enduring occupation of Palestinian land, the Israeli government might consider this as an unfriendly act and a „real“ existential threat.

Weiterlesen

Deutschland muss mit Israel Tacheles reden

von Daniel Barenboim

Wegen Deutschlands Geschichte ist Deutschland zurückhaltend, (politischen) Druck auf Israel auszuüben. Aber wenn es Israels bestes Eigeninteresse zugrunde legen würde, dann sollte Deutschland seinen Einfluß ausüben, um Frieden zu ermöglichen.

Fünfundzwanzig Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer sieht sich die internationale Staatengemeinschaft einem Bündel von nie dagewesenen Herausforderungen gegenüber.

Die großen Schlagzeilen und unsere kollektive Aufmerksamkeit werden von Hungersnöten, Krisen wie der Ebola Epidemie und zahllosen Konfliktzentren im Mittleren Osten, Afrika und Osteuropas dominiert. Wie eh und je scheint die Welt hilflos zu sein, und unsere Regierungen sind sich nicht einig, wie die Probleme gelöst werden können. Weltweit sind Millionen von Menschen in Bewegung geraten und fliehen vor Krieg, Hunger, Unterdrückung und Armut; Europäische Länder, speziell Deutschland, erscheinen ihnen eine letzte sichere Zuflucht. Die Herausforderung, welche reiche westliche Nationen sich gegenübersehen, ist sowohl eine moralische als auch eine soziale.

Die 25. Wiederkehr des Falls der Berliner Mauer ist ein geeigneter Anlaß, über die heutige Weltlage gründlich nachzudenken, sowie über die jeweilige Verantwortung, die Europa insgesamt, und speziell Deutschland, das seit einem Vierteljahrhundert wieder eine vereinigtes Land ist, zu tragen hat.  Weiterlesen

Warum ich Gregor Gysi konfrontiert habe

von David Sheen

In der vergangenen Woche waren die deutschen Medien voller Artikel, die mich und meinen Kollegen Max Blumenthal der Verbreitung von Judenhass bezichtigt haben. Diese haltlosen Anschuldigungen sind nicht nur diffamierend, sondern stellen auch eine echte Bedrohung für meine Sicherheit dar, da ich in Israel lebe, wo Dissidenten als „Zerstörer Israels“ gebrandmarkt werden und oft Opfer von Vergewaltigungsdrohungen und gewaltsamen körperlichen Angriffen werden.

Trotz des gezielten Versuches, uns zu verleumden und unsere Veranstaltungen in Berlin zu verhindern, haben wir im Bundestag- dem deutschen Parlament-  über die Angriffe Israels auf Gaza im vergangenen Sommer und die Anstiftung zu rassistischer Gewalt von führenden israelischen Politikern (Anm. Im Original „leaders“. Sheen meint damit wahrscheinlich auch z.B. die rechtsextremen Rabbiner) ausgesagt. Nachdem wir unser Zeugnis abgelegt haben, haben wir ein führendes Mitglied des deutschen Bundestags konfrontiert, das die Verleumdungskampagne gegen uns öffentlich unterstützt hat. Im Angesicht dieses Debakels werden Max und ich wahrscheinlich in Zukunft nicht mehr den Bundestag betreten dürfen.  Weiterlesen

Der Zionismus und die Unfähigkeit zu trauern

von Arn Strohmeyer

Die Weigerung, das Unrecht an den Palästinensern aufzuarbeiten, führt zur totalen politischen Stagnation/Parallelen zur politischen Situation der Bundesrepublik in den 1950er- und 1960er-Jahren.

Israel ist krank, das hat kürzlich sogar der Präsident dieses Staates, Reuven Riflin, im Zusammenhang mit der Gewalt konstatiert, die in der israelischen Gesellschaft immer mehr um sich greift. Er meine damit aber nicht nur die Gewalt gegen die Palästinenser, die halten er und die meisten Israelis wohl für „normal“, wenn man sie denn überhaupt wahrnimmt. Nein, er meint die zunehmende Gewalt unter jüdischen Israelis, also Gewalt unter Juden, was eigentlich gar nicht sein darf. Sie sei inzwischen in alle Bereiche der israelischen Gesellschaft eingedrungen, sagt Rivlin. Kenner der israelischen Verhältnisse hatten das schon lange vorhergesagt. Denn die tägliche Gewalt der Israelis in den besetzten Gebieten gegen die Palästinenser musste auch in der eigenen Gesellschaft ihre Folgen zeitigen: Wer in „Feindesland“ sich ständig rücksichtslos und brutal aufführt, wird diese Verhaltensweisen auch zu Hause nicht ablegen können und sich dort wie ein braves Lamm benehmen. Und die Siedler haben ohnehin Narrenfreiheit, „sie dürfen alles“ – die Sicherheitskräfte schauen ihrem Treiben tatenlos zu, wenn sie ihre Gewaltorgien gegen die Palästinenser feiern. Präsident Rivlin hat also Recht – die Zustände in Israel sind äußerst besorgniserregend.

Der Staat, der vorgibt, das Erbe der Holocaust-Opfer zu vertreten, muss sich heute selbst den Vorwurf des Rassismus gefallen lassen. Der israelische Historiker Shlomo Sand schreibt: „Mir ist bewusst, dass ich in einer der rassistischsten Gesellschaften der westlichen Welt lebe. Rassismus ist bis zu einem gewissen Grad überall vorhanden, aber in Israel existiert er bis tief in die Gesetze hinein. Er wird in den Schulen und Hochschulen gelehrt, in den Medien verbreitet und über allem und am schrecklichsten: In Israel wissen die Rassisten nicht, was sie tun und deshalb fühlen sie sich auch nicht verpflichtet, sich zu entschuldigen. Diese Abwesenheit eines Bedürfnisses für Selbstgerechtigkeit hat Israel zu einem besonders wertvollen Bezugspunkt für viele Bewegungen der politischen Rechten in der Welt gemacht, deren vergangene Geschichte und Nähe zum Antisemitismus nur zu gut bekannt sind. (…) Das Wichtigste, falls man es momentan vergessen hat: Bevor wir Ideen vorbringen, die Israels Identitätspolitik ändern, müssen wir zuerst uns selbst von der verhassten und endlosen Besatzung frei machen, die uns auf den Weg zur Hölle führt.“ Die Einsicht, dass der gegenwärtige Zustand, in dem Israel die Palästinenser auf engstem Raum hinter Mauern einfach wegsperrt, unhaltbar ist, beginnt sich auch in den Staaten des Westens langsam durchzusetzen. Weiterlesen

Die Linkspartei hält es lieber mit den Verletzern des Völkerrechts

von Arn Strohmeyer

Die „Affäre“ um die beiden jüdischen Intellektuellen Sheen und Blumenthal belegt nur die Unfähigkeit dieser Partei, die nahöstlichen Realitäten wahrzunehmen.

Eine linke Partei sollte sich eigentlich dadurch auszeichnen, dass sie eine klare Analyse realer gesellschaftlicher Verhältnisse vornehmen kann und sich dabei nicht durch ideologische Vorwände und Interessen blenden lässt. Was ja heißt: die politische Realität so wahrzunehmen, wie sie ist. Wozu natürlich die Fähigkeit gehört, gerechte und ungerechte, soziale und unsoziale sowie humane und inhumane Zustände unterscheiden zu können. Aus einer solchen Analyse muss dann ganz automatisch eine Politik hervorgehen, die allerhöchsten humanitären Kriterien entspricht – das utopische Ideal von sozialer Gerechtigkeit und Frieden immer vor Augen. So steht es eigentlich auch in der Präambel des Parteiprogramms der deutschen Linkspartei. Da heißt es, die Linke stehe für internationale Solidarität und Kooperation zur Verbesserung der Lebensbedingungen aller Menschen.

Misst man die Linkspartei an diesen Maßstäben in Bezug auf ihre Nahostpolitik , muss man ein vernichtendes Urteil fällen, wobei hier nicht verschwiegen werden soll, dass es in der Linkspartei auch Minderheiten gibt, die das ganz anders sehen. Letztes Beispiel für die offizielle Richtung der Partei: Da kommen zwei kritische jüdische Intellektuelle – der eine aus den USA, der andere aus Israel – nach Berlin und reden Tacheles über die Zustände in Israel/ Palästina, sprechen aus, was sich dort wirklich abspielt: eine brutale, in jeder Hinsicht völkerrechts- und menschenrechtswidrige Unterdrückung der palästinensischen Bevölkerung in den besetzten bzw. eingeschlossenen Gebieten durch den siedlerkolonialistischen Besatzerstaat Israel.  Weiterlesen

’’Blessed are the Peacemakers“

von Felicia Langer

Zwei linke progressive jüdische Intellektuelle sind zu Gast in Berlin, Max Blumenthal und David Sheen, um über die Politik der israelischen Regierung und deren Folgen zu berichten. David Sheen sagt ironisch, offensichtlich wollen deutsche Politiker einen israelischen Juden darüber belehren, was er über seine eigene Regierung zu sagen habe. – Das war gestern, am 11. November. Heute, am 12.11., schreibt Ha’aretz im Leitartikel: „Benjamin Netanjahu ist gegen den Staat Israel“. Dieser Artikel verurteilt die Politik Netanjahus so scharf wie nie zuvor.

Max Blumenthal sagt, man solle nicht schweigen gegenüber der Politik der rechtsextremen israelischen Regierung und sich für eine andere Politik einsetzen. Auch die israelischen Kriegsverbrechen im letzten Gazakrieg solle man nicht verschweigen. – Wie außerordentlich wichtig ist eine derartige Stellungnahme hier in Deutschland, wo die pro-israelische Lobby bekanntermaßen so aktiv ist.

Ich konnte meinen Augen nicht glauben, als ich in der Berliner Morgenpost las, dass Gregor Gysi eine Veranstaltung mit den beiden im vorgesehenen Raum im Deutschen Bundestag stornieren wird. Auch der Auftritt in der Volksbühne wurde kurzfristig abgesagt, auf Betreiben von Petra Pau und anderen. Die beiden Gäste wurden als Antisemiten diffamiert, und ich habe noch einmal eine Verleumdungsaktion erlebt – so wie 2009 nach der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an mich.

Was für eine Schande, sage ich als Jüdin und Israelin, dass z.B. Frau Petra Pau nicht an die ermordeten Kinder von Gaza denkt. Frau Pau, ich sage Ihnen, dass ich mit eigenen Augen die Wunden von Folterungen an meinen palästinensischen Mandanten gesehen habe. Es gab auch Folterungen, die zum Tode führten. – Die besten Töchter und Söhne Israels haben sich dagegen gewehrt und sie tun es auch heute. Aber sie brauchen internationale Solidarität, um Frieden mit Gerechtigkeit zu erreichen. Ihre Stumpfheit, Frau Pau, ist mir unverständlich.

Die beiden Gäste verkörpern das gute und gerechte Judentum, sein menschliches Gesicht.

Ich erlaube mir, mit etwas Persönlichem aus meinem Leben zu schließen: 1976 wurde ich in die USA eingeladen, um meine Erfahrungen zu teilen und weiter die Brücke zwischen Israelis und Palästinensern zu bauen. Das Thema meiner Veranstaltungen war u.a. die israelische Politik der Besatzung und Kolonisierung.

Am 10. Mai war eine Veranstaltung mit mir an der Universität Harvard in Cambridge, Massachusetts organisiert. Die pro-israelische Lobby gab bekannt, dass diese Veranstaltung nicht stattfinden werde. Daraufhin mischte sich die Polizei ein und verpflichtete sich, die Veranstaltung zu schützen. ’’She will not speak here!“ brüllten die Gegner, aber letztendlich habe ich doch sagen können, was ich zu sagen hatte. Zum Schluss überreichte mir eine Frau aus Cambridge ein Portrait von mir, das sie während der Veranstaltung gezeichnet hatte. Es trägt die Widmung ’’ To Felicia Langer: Blessed are the Peacemakers“.

So sage ich heute zu Max Blumenthal und David Sheen, gegen alle Feiglinge und Opportunisten, ‘’Blessed are the Peacemakers”.