Die Jüdische Allgemeine veröffentlicht unter der Schlagzeile „Von der Welt vergessen“ das Foto eines jüdischen Kleinkindes, das mit seinen Eltern und Bruder seit mehr als einem Jahr in der Gewalt der Hamas ist. Ein Georg Hafner schreibt in der „JA“:
„… wurde am 7. Oktober 2023 mit Bruder, Vater und Mutter verschleppt: Kfir Bibas war damals knapp neun Monate alt. Seit 455 Tagen befindet sich das israelische Kleinkind Kfir Bibas mit rund 100 anderen Geiseln in der Gewalt der Hamas. Wo bleibt der Aufschrei? (Foto aus der Jüdischen Allgemeinen)…..“
Hier ist der Aufschrei
Wie kann ein Staat seine Belange für so wichtig nehmen, dass er 150 Staatsangehörige nicht gegen 4.500 gefangene Araber austauscht? Das war die Situation vor einem Jahr und ist heute immer noch Gegenstand der Verhandlungen in Doha. Seitdem hat der dieser Staat nur Maßnahmen ergriffen, die von der Weltorganisation als Kriegsverbrechen eingestuft werden; dabei wurden auch „Geiseln“ von den eigenen Soldaten „friendly“ erschossen. Eine Befreiungsaktion an der ägyptischen Grenze kostete weiteren Geiseln das Leben. Schlimm genug, Israeli zu sein; wie die „JA“ die israelische Regierung von der Verantwortung für diese Desaster exkulpieren möchte, schlägt dem Fass der Sympathien für Israel den Boden raus: Die „JA“ schreibt:
»Mit neun Monaten sucht euer Baby verstärkt eure Nähe und fremdelt in der Gegenwart von Menschen, die es nicht so häufig sieht«, schreibt die Illustrierte »Eltern«, das Fachblatt »für die schönsten Jahre des Lebens«. Kfir Bibas war in seinem Leben bisher länger im Dunkeln als am Licht, länger in einem Loch als auf dem Spielplatz. Kfirs Welt ist stickig und staubig. Wie er und die anderen Geiseln gefoltert werden mit Hunger, Kälte, Einsamkeit, Erniedrigung, Dunkelheit und sexueller Gewalt, ist jetzt nachzulesen im Bericht Israels an die UN…… Am 7. Oktober 2023 war er knapp neun Monate alt. Kurz davor entstand ein Foto, das ihn zeigt, wie er voller Erwartung in diese Welt strahlt, die kurz danach über ihm zusammenbricht: Gemeinsam mit seinem vierjährigen Bruder Ariel, seinem Vater und seiner Mutter wurde er in ein Verlies nach Gaza verschleppt. In Israel kennt jeder Baby Kfir. …. 2 weitere als Geisel genommene Kinder (Dareen und Kinan) sind gerade in Katar, wo sie behandelt werden. Der Rest der Familie soll bei einem Luftangriff Israels in Gaza ums Leben gekommen sein. … Die Hamas und ihre Helfershelfer haben alle Kinder auf dem Gewissen, jedes einzelne. Ihr barbarischer Überfall hat auch die Kindheit von Dareen und Kinan in Gaza und die von Stav in Israel jäh beendet …“
Alles richtig; dass es aber seit mehr als einem Jahr unverändert so geblieben ist, ist auch die Schuld der israelischen Regierung. Wenn die „JA“ meint, „diese Gleichsetzung des Leids sei perfide und obszön, weil es die Verantwortlichen freispreche“, redet sie Unsinn. Die Hamas wird nicht freigesprochen. Die israelische Regierung stellt sich nur auf das Geiselnehmer-Niveau. Man kann nur fragen, ob sie das aufgrund überdrehter Staatsautorität ihren Bürgern antut oder ob sie aus zionistischer Psychose zwanghaft handelt. Die „JA“ bringt ihr Irresein weiter durch inkohaerente Gedankengänge zum Ausdruck:
„Die israelfeindliche Hetze ist unerträglich. Zugleich wird kaum über die Geiseln gesprochen.
Blödsinn: Die Geiseln sind das Thema schlechthin. Die Schlüssel für ihre Befreiung sind die Schlüssel der israelischen Gefängnisse. Inzwischen aber dürfte jedes menschliche Mitgefühl bei den Arabern abgetötet worden sein, denn dort türmen sich die arabischen Kinder- und Babyleichen dank der Aktivitäten der IDF zu Hauf. Was die „JA“ zu Papier bringt, ist bösartiger Hohn:
„Wer das Leid der Kinder in Gaza beenden will, dem darf das Leid der israelischen Kinder nicht gleichgültig sein, der muss die Freilassung Kfirs und aller anderen Geiseln fordern….“
Aha! Die arabischen Kinder werden solange abgeschlachtet, bis der kleine Kfir herausgegeben wird? Meint die „JA“ das im Ernst so? Klingt jedenfalls so, dass für die IDF die Kinder nur Opfer zweiter Klasse wären: weiter im Text:
„Sie aber sind selbst für UNICEF, für Amnesty International und das Internationale Rote Kreuz bestenfalls Opfer zweiter Klasse, ein pflichtschuldiges Anhängsel der Forderungen nach Waffenstillstand, die sich vor allem an Israel richten.
Auch die UN und Außenministerin Annalena Baerbock attackieren nicht etwa die Hamas oder deren Verbündete Iran und Jemen, sondern sie delegitimieren Israels Verteidigung. Im Namen der Menschenrechte werden so die Opfer zu Tätern. Die Geiseln dagegen sind nur noch eine lästige Fußnote, dabei müssten ihre Fotos überall gezeigt werden, um den Druck der Welt auf die Hamas zu erhöhen, endlich aufzugeben und so den Krieg zu beenden…..“
Sind „die“ noch ganz bei Trost? Die Opfer werden doch nicht zu Tätern, wenn sich derjenige, der seine Fürsorgepflicht für die Opfer verletzt, zu den Tätern gesellt, um „Israels Verteidigung nicht zu delegitimieren“. Was verteidigt Israel eigentlich, wenn es seine Bürger bis zum Kleinkind hinunter hängen lässt? Der Irrsinn der „JA“ wird durch einen weiteren Artikel verdeutlicht, der das „legitime“ Anliegen der Angehörigen der Opfer nicht verstehen will: Die „JA“ schreibt in einem zweiten Artikel:
„… Demonstranten fordern Ende des Gaza-Kriegs. Tausende gingen im ganzen Land [für] einen Geiseldeal auf die Straßen. Auch 15 Monate nach ihrer Entführung leiden die Geiseln der Hamas weiter unter den grauenhaften Umständen ihrer Gefangenschaft. Lautstarke Proteste erhöhen den Druck auf Regierungschef Netanjahu…. Derweil laufen die indirekten Verhandlungen zwischen Israel und den Islamisten äußerst schleppend. Die lautstarken Demonstrationen, die es nahezu jeden Samstagabend in israelischen Großstädten gibt, sollen …. die Heimkehr der Entführten ermöglichen….. Noch etwa 100 Geiseln werden in Gaza festgehalten – wobei unklar ist, wie viele von ihnen unter den grauenhaften Bedingungen in der Gewalt ihrer Peiniger [noch] leiden müssen. Israel, das aus Prinzip nicht direkt mit der Hamas verhandelt, war diesmal durch höhere Beamte und Offiziere vertreten….Ein Durchbruch sei nicht in Sicht. Die offene Frage, welche Geiseln wann gegen welche palästinensischen Gefangenen in israelischen Gefängnissen auszutauschen wären, ließ den Regierungschef beteuern, dass seine Regierung unermüdlich daran arbeite, die Geiseln nach Hause zu bringen.
Netanjahu hat es nicht eilig
Angehörige und Freunde der Geiseln sowie Demonstranten werfen Netanjahu vor, mit immer neuen Forderungen eine Waffenruhe mit der Hamas und damit die Freilassung der Geiseln zu torpedieren. Sie unterstellen ihm, mit der Verlängerung des Krieges sein politisches Überleben sichern zu wollen. Netanjahu bestreitet das. Zugleich steht er unter Druck rechtsextremer und ultra-religiöser Koalitionspartner, die Zugeständnisse an die Hamas strikt ablehnen. Außerdem muss sich Netanjahu vor Gericht gegen Korruptionsvorwürfe verteidigen. dpa“
Es ist mehr als nur „etwas“ faul im Staate Israel. Das sein oder Nicht-Sein der Geiseln ist jetzt die Frage.
von Lobenstein