von Ludwig Watzal
Die „Geburt Israels“ zählt zu den Klassiker, wenn es um die historische Wahrheit über die Hintergründe des Nahostkonfliktes geht. Das Buch ist im deutschsprachigen Raum wenig bekannt, da es kurz nach seinem Erscheinen 1988 vom Markt auf wundersame Weise verschwunden und nie wieder aufgelegt worden ist. Umso größer ist das Verdienst des Zambon Verlages, der das vor zehn Jahren im Melzer Verlag neu aufgelegte Buch der Öffentlichkeit erneut wieder zugänglich gemacht hat. Der palästinensische Menschenrechtsaktivist Mazim Qumsiyeh hat das Vorwort verfasst.
Insbesondere im 50. Jahr der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Deutschland und Israel ist Aufklärung nötiger denn je, weil es der zionistischen Propaganda (Hasbara) zusammen mit ihren deutschen Sayanims (IMs des Mossad) gelungen ist, die Wahrheit über die verbrecherische israelische Besatzungsherrschaft als „Antisemitismus“ zu stigmatisieren. Flächendeckend wurden anlässlich des Jahrestages in ganz Deutschland Propaganda-Events zelebriert.
Zu sehr sind die Ereignisse um die Staatsgründung Israels ins Reich der Legenden und Mythen entrückt, wie denn der komplette zionistische Narrativ von der wundersamen Rückkehr des „Jüdischen Volkes“ nach 2000 Jahren Exil eine Erfindung Ben-Gurions ist. Die beiden Bücher „Die Erfindung des Landes Israel“ und „Die Erfindung des Jüdischen Volkes“ des israelischen Historikers Shlomo Sand legen dafür ein beredtes Zeugnis ab. „Die Mythen des Staates bilden den Kern des israelischen Staatsverständnisses“, so Flapan. Sie zu entzaubern und der historischen Wahrheit zum Durchbruch zu verhelfen, war das zentrale Anliegen von Simcha Flapan, Sekretär der sozialistischen Mapam-Partei und deren Leiter des Referats für Arabische Angelegenheiten.
Die Brisanz des Buches, das 1987 in Englisch erschienen ist, liegt darin, dass erstmals ein Insider über die wirklichen Motive der zionistischen Eliten berichtet. Seine Ausführungen haben eine ähnliche Brisanz wie die Tagebücher des ehemaligen Außenministers und kurzzeitigen Ministerpräsidenten Moshe Sharett, die ebenfalls totgeschwiegen werden, weil sie der historischen Wahrheit im Wege stehen. Das Buch von Livia Rokach, „Leben mit dem Schwert. Israels Heiliger Terror„, zitiert große Passagen aus den Tagebüchern Sharetts, die zeigen, dass die zionistische politische Klasse von Beginn der Staatsgründung eine Strategie des Terrors verfolgt habe.
Flapan äußert sein Entsetzen über die unaufrichtige Politik David Ben-Gurions, die ihn zutiefst enttäuscht habe. Zu keinem Zeitpunkt sei er zu einem Kompromiss gegenüber den Palästinensern bereit gewesen. Wäre Sharett von Ben-Gurion nicht 1955 als Ministerpräsident wieder gestürzt worden, sähe die Geschichte des Nahen Ostens wohl anders aus. Sharett wollte einen Frieden mit den Arabern schließen, Ben-Gurion dagegen nicht.
Die sieben Gründungsmythen Israels hätten sich zwischen 1948 und 1952 etabliert und bestimmten die Politik des Landes bis heute. Die Lektüre des Buches lässt eine historische Sichtweise aufscheinen, die sich in dieser Radikalität bei den so genannten neuen Historikern nicht findet, weil sie aus der Perspektive des Zeitzeugen souverän und glaubwürdig vorgetragen werden. Bereits 1988 schieb Flapan über die Politik Israels, was wohl bis heute seine Gültigkeit hat: „Das Diaspora-Judentum und die Freunde Israels in aller Welt müssen begreifen, dass die Politik, die Israel heute betreibt, dazu verdammt ist, den Kreislauf der Gewalt und des Terrors immer weiter in Gang zu halten, jene Kette willkürlicher und sinnloser Mordanschläge, die uns jedes Mal aufs neue schockieren, gleich, ob sie mit Pistolen oder Bomben begangen werden. Wenn die Armee eines Landes für die Ermordung eines seiner Bürger grausame kollektive Rache nimmt, so ist dies um keinen Deut rechtschaffener oder bewundernswerter als die individuelle Rache eines verzweifelten Jünglings nach der Ermordung eines der Seinen. Wenn das eine als ´nationale Verteidigung` und das andere als ´Terrorismus` bezeichnet wird, so sind das Begriffe, die nur Propaganda und eine verzerrte Sicht geprägt haben.“
Netanyahus überzogene Rhetorik gegenüber den „Feinden“ Israels ist geradezu sprichwörtlich. Dass kaum ein westlicher Politiker über den Staatsterror Israels gegenüber dem geknechteten und strangulierten Volk der Palästinenser im Westen spricht, ist beschämend. Ein rühmliche Ausnahme bilden der gerade neugewählte Labor-Chef Jeremy Corbyn und George Galloway, die wie selbstverständlich von der zionistischen Israel-Lobby in Großbritannien als „Antisemiten“ stigmatisiert werden.
Die Bedeutung und Brisanz des Buches kann nicht hoch genug veranschlagt werden. Es ist ein Muss für jeden, der sich eine wirklichkeitsnahe Meinung über die Ursachen des Nahostkonfliktes bilden will. Die zionistischen Märchen über die Ursprünge des Nahostkonfliktes sollten ein für alle Mal der Vergangenheit angehören.
Simcha Flapan, Die Geburt Israels. Mythos und Wirklichkeit, Semit edition bei ZAMBON, Frankfurt/M. 2015, 400 Seiten, € 15.
Erstveröffentlichung hier.
Ich kann das Buch Simcha Flapan nur dringensd empfehlen! Ebenso das, von Livia Rockach.
Wo bekommt man die Tagebücher von Sharett?
Winfried Belz
Sorry – Am 27. November 1947 gab es in der UNO einen Vorschlag wie das Land nach dem Abzug der Engländer aufgeteilt werden soll. Demnach sollten die Araber den größten Teil bekommen. Die Araber lehnten ihn unter Führung von Al Husseini mit „Entweder alles oder nichts“ ab.Das sind historisch belegbare Tatsachen. In der Verweigerung dieses Angebotes liegt auch die Misere im Nahen Osten!
Ist schon sehr lange her, dass ich das Buch von Simcha Flapan gelesen habe, aber wenn ich mich recht erinnere, dann belegt er, dass die israelische Regierung den Teilungsplan ebenfalls ablehnte. Erst als klar wurde, dass die Palästinenser gegen ihn waren, schwenkte die israelische Regierung plötzlich um und konnte damit die Schuld am Scheitern des Planes dem Gegener in die Schuhe schieben. Nun ja, ich werde mir das Buch bei Gelegenheit noch mal besorgen und schauen, ob ich mich richtig erinnere.