von Ludwig Watzal
Das liberale Israel hat mit einer Großdemonstration des Mordes an seinem ehemaligen Ministerpräsidenten Yitzhak Rabin gedacht. Im Westen hat sich ein weitverbreitetes Cliché durchgesetzt, dass mit der Ermordung Rabins auch der „Friedensprozess“ zu Grabe getragen worden sei. Dem ist jedoch nicht so, denn der „Friedensprozess“ war von Beginn an eine politische Totgeburt. Dem Grundsatz „De mortuis nihil nisi bene“, das heißt, über Tote niemals schlecht zu reden, sollte nicht für das politische Handeln eines Politikers gelten, weil man sonst politische Hagiographie betreibt.
Yitzhak Rabin verkörperte Israels „Mister Sicherheit“ wie kein anderer. Er bestimmte das Schicksal des Landes bereits als Kämpfer und Kommandeur in der Palmah. Als junger Oberleutnant erhielten er und Yigal Allon den Befehl von David Ben-Gurion, die Palästinenser aus Ramle und Lydda zu vertreiben. An allen Kriegen Israels war Rabin federführend beteiligt. Als Generalstabschef im Juni-Krieg von 1967 eroberte er unter Führung von Verteidigungsminister Moshe Dayan Ost-Jerusalem. Während der ersten Intifada (1987-1993) gab er den berühmt-berüchtigten Befehl, den Aufständischen die Knochen zu brechen. 1992 ließ Rabin in einer Nacht-und Neben-Aktion 415 Hamas-Mitglieder in den Libanon deportieren. Am 30. März 1993 traf die Rabin-Regierung die Entscheidung, die besetzten Gebiete total abzuriegeln; diese Entscheidung, den Gaza-Streifen betreffend, ist bis heute in Kraft. In der „Operation Rechenschaft“ reagierte Rabin auf den Beschuss Nordisraels durch Katjuscha-Raketen seitens der Hisbollah mit der Vertreibung von 500 000 Libanesen aus dem Süden des Landes. Der ehemalige Nahost-Redakteur der FAZ, Wolfgang Günter Lerch nannte diese Aktion „Staatsterrorismus“, und Uri Avnery bezeichnete diesen Krieg Israels im „Spiegel“ als „grausamsten“, aber auch“ sinnlosesten“ Krieg Israels.
Von Beginn an (1993) habe ich den so genannten Friedensprozess für eine Farce gehalten, der nur zum Schaden für die Palästinenser ausgehen würde, und dies sowohl in dem Buch „Frieden ohne Gerechtigkeit. Die Menschenrechte der Palästinenser“ (1994) als auch in allen Artikeln seither vertreten. Nach intensiver Analyse der „Prinzipienerklärung“ und aller Anhänge vom September 1993 stand fest, dass dieser „Friedensprozess“ nichts mit Frieden zu tun hatte, sondern nur zur Kapitulation der Palästinenser führen würde. Die PLO hatte damit ihren Anspruch auf einen eigenen Staat ein für allemal aufgegeben. Damals lautete das Endresultat dieses Prozesses „Bantustanisierung“, heute kann man es als „Ghettoisierung“ bezeichnen. Von einem „Staat Palästina“ wurde weder in den Dokumenten noch jemals seitens irgendeines israelischen Politikers gesprochen. Die israelischen Kolonialisten sind heute wie damals überall. Während dieses „Friedensprozesses“ stieg die Zahl der Siedler von 100 000 auf heute 600 000. Im historischen Palästina gibt es nur noch einen Staat, und zwar Israel. Ein möglicher „Staat Palästina“ existiert nur noch als eine Idée fixe.
Der israelische Ministerpräsident wurde am 4. November 1995 nach Beendigung einer riesigen Friedensdemonstration in Tel Aviv von einem rechtsradikalen, nationalistischen Juden, namens Yigal Amir, heimtückisch, hinterrücks erschossen. Seine geistigen Mörder waren jedoch viele: Die rechtsextreme Likud-Partei, zusammen mit faschistischen Siedlerorganisation, Teilen einer rassistischen Rabbinerschaft und der national-religiösen Partei (Mafdal) haben seit der Unterzeichnung der Prinzipienerklärung ein Klima des Hasses auf die so genannte israelische Linke entfacht, an dessen Ende die Ermordung Rabins als „logische“ Konsequenz stand. Um das Attentat für Yigal Amir religiös „wasserdicht“ zu machen, berief er sich auf eine rabbinische „Fatwa“, die obskure Rabbiner erlassen hatten.
Zu diesem Klima des Hasses und der psychischen Vernichtung des politischen Gegners haben führende Vertreter des Likud-Blocks, namentlich Benyamin Netanyahu und Ariel Sharon beigetragen. Netanyahu hatte vom Balkon in Jerusalem einem faschistisch-nationalistischen Mob wohlwollend zu gewunken, die Rabin in SS-Uniform mit Hakenkreuzbinde, am Galgen baumelnd oder mit palästinensischer Keffieh und als „Rabin-Judenrat“ gezeigt haben und „Mörder“ und „Verräter“ brüllten. Der heutige Ministerpräsident spielte bei dieser Rabin-Hetze eine prominente Rolle.
In der Knesset, dem israelischen Parlament, attackierte Netanyahu Rabin: „Sie, Herr Premierminister, werden in die Geschichte eingehen, der eine Armee palästinensischer Terroristen gegründet hat … Sie, Yitzhak Rabin, klage ich an, Sie schüren den arabischen Terror, Sie tragen die unmittelbare Verantwortung für das scheußliche Massaker in Tel Aviv. Sie sind schuldig. Dieses Blut komme über ihr Haupt.“ Netanyahu sprach auch auf Veranstaltungen, auf denen die erwähnten Transparente mitgeführt worden sind, und er hat sie weder verurteilt noch sich jemals davon distanziert. Auf diesen Veranstaltungen brüllten die Extremisten: „Mit Blut und Feuer werden wir Rabin vertreiben.“ Drei Wochen nach diesem satanischen Zirkus war Rabin tot. Völlig zu Recht hatte sich damals die Familie Rabin den „Beileidsbekundungen“ Netanyahus verweigert, als er der Witwe, Lea Rabin, kondolieren wollte. Für die zionistische Linke in Israel hatte Netanyahu metaphorisch Rabin „ermordet“ und ihn gleichzeitig als Ministerpräsident „beerbt“, nachdem Shimon Peres sechs Monaten nach Rabins Ermordung die Wahlen sang- und klanglos gegen Netanyahu verloren hatte. Die geistigen Ursachen dieses Attentats sind niemals wirklich aufgeklärt worden. Israel Shahak hatte in seinem bahnbrechenden Buch „Jewish History, Jewish Religion. The Weight of Three Thousend Years“ die geistigen Wurzeln im Judentum verortet.
Israel durchlebte, abgesehen vom Intermezzo Ehud Baraks, rechtsnationalistische Regierung, deren extremistischste und nationalistischste die jetzige Netanyahu-Regierung ist. Das Vermächtnis Rabins spielt im heutigen Israel keine Rolle mehr. Der 20. Todestag hatte noch einmal in nostalgischer Verbundenheit Zigtausende auf die Straßen von Tel Aviv gebracht. Aber längst hat sich Netanyahu der Legende Rabins bemächtigt und seine Rolle als Aufrührer gegen dessen Politik in den 1990er-Jahren abgelegt und sich zum Gralshüter seines Erbes gemacht. Diese politische Stafette dürfte er auch irgendeinem seiner rechtsnationalistischen Amtsnachfolger weitergeben. Von einer so genannten linken Regierung ist Israel Lichtjahre entfernt. Israels Zukunft sieht düster aus.
Auch hier.
Lieber Ludwig Watzal,
ein sehr guter wie gleichermaßen aufklärerischer Bericht, den ich an Freunde
weiterleiten werde. Bitte so weitermachen: Aufklärung ist immens wichtig,
da diese durch unserer Staatspresse leider nicht erfolgt.
Sehr geehrter Herr Dr. Watzal, ich glaube. wir kommen weiter, indem wir schlicht Begriffe definieren, nämlich so: 1. Juden sind Angehörige einer Religion, wie ich meine der ältesten, die wir kennen, und bilden damit kein Volk. 2. Zionisten vertreteb eine Ideologie, die einen bestimmten Staat legitimieren soll, eine Art „Weltghetto“ für alle Juden, der in Palästina gebildet werden sollte. Sie gibt es als Organisation erst seit dem Ende des 19. Jahrhundert und gliedern sich in zwei Richtungen: sie linken Zionisten stellten sich einen laizistischen Staat vor, in welchem Juden, Araber, Drusen und was sich sonst vorfindet, friedlich miteinander leben. Sie gibt es nicht mehr. Die heutigen Zionisten streben einen Staat an, in welchem nur solche Juden, die sich mit dem Zionistmus identifizieren, leben oder leben könnten, wenn sie denn wollten. 3. Israelis sind Bewohner des Territoriums der Republik Israels – nichts weiter. Sie wohnen dort,weil schon die Eltern, vieleicht aich Großeltern in Palästina zu Hause waren. Sie sind durchaus nicht alle Zionisten. 4. Die Siedler schließlich bilden den harten Kern der jüdischen Faschisten, die natürlich vor Allem Zionisten sind. Sie beanspruchen das Land, das sie als Eretz Israel bezeichnen und möchten alle Araber daraus vertreiben. Sie sind, wie alle Faschisten, keinem Kompromiss zugänglich und deshalb nicht nur für die Araber der Relgion eine tödliche Gefahr, weil ihre Atomraketen locker bis Köln reichen und wir dürfen überzeugt sein, dass sie sie auch auf uns abschießen, wenn sie das für erforderlich halten. Sie sind praanoid, also durchaus bereit, sich selbst zu vernichten – und ihre Welt -, wenn sie ihren Willen nicht durchsetzen können. Sie sind also die Gefahr – für uns! – über die wir reden müssen. dede.klaus@t-online.de