Wenn Henryk M. Broder sich bei einem Gegner verbeißt, dann verhält er sich wie ein Pitbull – er lässt nicht mehr los. So hat er sich neulich in Thorsten Schmitz von der „Süddeutschen Zeitung“ (SZ) verbissen und wir können lesen, wie andere Wachhunde sich dazugesellt haben, Hunde, mit denen Broder schon immer zusammen gebellt und gebissen hat. So hat die Jerusalem Post seinen hämischen und schlecht recherchierten Beitrag aus der Achse des Guten vom 15. September 2014, in dem er glaubt Thorsten Schmitz den finalen Biss verpasst zu haben, zum Anlass genommen und hat daraus eine Story über vermeintliche israelische Flüchtlinge gemacht, die nach „Nazi-Deutschland“ fliehen. Die Jerusalem Post verlässt sich da auf Henryk M. Broder, den, nach Angaben des Korrespondenten Benjamin Weinthal, führenden Experten für zeitgenössischen Antisemitismus in Deutschland, der sich seinerseits auf die Zahlen des Bundesamtes für Migration verlässt.
Ich weiß nicht, warum diese Frage ausgerechnet dieser Tage eine solche Brisanz und Explosionsgefahr enthält. Jahrelang haben wir doch von den Massen von Israelis gelesen, gehört und im Fernsehen gesehen, die vor europäischen Botschaften standen und sich europäische Pässe ausstellen ließen. Es waren nicht nur europäische Einwanderer aus Mitteleuropa, Osteuropa, sofern es schon Mitgliedsländer der EU waren, oder aus Frankreich, Holland und England, es waren auch ihre Kinder und Kindeskinder, die plötzlich europäische Papiere beantragt haben. Das haben sie nicht aus Jux und Tollerei gemacht und auch nicht, um die Pässe in den Schubladen zu verstecken, sondern um sie tatsächlich zu benutzen. Viele dieser zehntausenden von Israelis sind in Deutschland, vor allem aber in Berlin, gelandet. Diese Israelis, oder Menschen, tauchen in keiner Statistik auf und erst Recht nicht in einer Statistik des Bundesamtes für Migration. Sie fühlen sich weder als Flüchtlinge noch als Emigranten. Die meisten von ihnen befinden sich, nach eigenem Verständnis, nur temporär in Deutschland und haben die feste Absicht, eines Tages, wenn sich die politische Lage in Israel beruhigt bzw. verbessert hat, zurückzukehren. Meistens belügen sie sich selbst und verdrängen die Tatsache, dass sie in Israel nicht mehr leben können und nicht mehr leben wollen. Der Grund dafür heißt heute Netanjahu, gestern hieß der Grund noch Barak und vorgestern Rabin. Die Namen ändern sich, der Grund aber bleibt derselbe. Man hat die Nase voll von der israelischen Verweigerungspolitik. Man will für seine Kindern eine bessere Zukunft, und man glaubt den Politikern nichts mehr.
Broder fragt nach Israelis, die in Deutschland Asyl beantragt haben, und nennt genüsslich die amtlichen Zahlen für 2011, 2012, 2013 und 2014, soweit vorhanden. Es sind nicht mehr als 84 Asylanträge von Flüchtlingen mit israelischem Pass eingetragen. Die Zahlen sind bestimmt richtig, das möchte ich hier gleich zu Anfang klarstellen. Wenn man aber die falsche Frage stellt, dann kann man auch nicht die richtige Antwort bekommen. Dabei hat Thorsten Schmitz nicht von Asylanten geschrieben, sondern von Israelis in Berlin, die es satt hatten, in Tel Aviv unter der Politik Netanjahus zu leiden.
Warum informiert sich Broder beim Bundesamt für Migration, wenn es in Berlin einen Verein gibt, der sich „Israelis in Berlin“ nennt, und wenn dieser Verein dazu auch noch eine eigene Webseite „israelisinberlin“ unterhält? Weil Broder es nicht anders kann und kennt. Das ist sein „Qualitätsjournalismus“, frei nach dem Motto: Warum Qualität, wenn es auch ohne geht! Hätte Broder die Webseite des Vereins angeklickt, dann wäre ihm vielleicht auch die Wissenschaftlerin Dr. Dani Kranz aufgefallen, die für ihr Projekt „Israeli Jews in Contemporary Germany“ Interviewpartner sucht.
Ein Anruf bei diesem Verein und bei Dr. Dani Kranz klärte mich auf, ohne dass ich Tage auf eine Reaktion des Bundesamtes für Migration warten musste. Genaue Zahlen kann keiner geben, weil es keine statistischen Erhebungen gibt und geben kann. Viele der Israelis in Berlin leben mit deutschen und anderen europäischen Pässen und können deshalb nicht von einer solchen Statistik erfasst werden und schon gar nicht beim Bundesamt für Migration eingetragen sein. Sie sind keine Asylanten, sondern Deutsche bzw. Bürger der Europäischen Union. Sie kommen auch nicht, um vom deutschen Staat Unterstützung zu betteln, sondern um hier zu arbeiten und frei zu leben.
Als ich den Sprecher des Vereins „Israelis in Berlin“, Ilan Weiss, fragte, wie viele Israelis in Berlin leben, antwortete er ehrlich, dass niemand die genaue Zahl kenne. Er könne mir nur sein „Bauchgefühl“ sagen. Ich fragte also nach seinem Bauchgefühl. Er meinte, so zwischen zwanzig- und dreißigtausend. Ähnliche Zahlen hat auch die israelische Tageszeitung „Haaretz“ verbreitet und ähnliche Zahlen nannte auch Dr. Kranz, die sich mit der Frage der sozialen Integration und der Bildung einer Gruppenidentität von Israelis in Deutschland wissenschaftlich beschäftigt. Da muss ich sagen, dass mir das Bauchgefühl des Sprechers von „Israelis in Berlin“ und die Schätzung einer Wissenschaftlerin wie Dr. Kranz in diesem Fall kompetenter erscheinen, als Broders Häme und das wishful thinking der Tageszeitung „Jerusalem Post“.
Ich fragte nach den Motiven der vielen Israelis in Berlin. Beide meinten, dass nur wenige von ihnen aus politischen Gründen in Berlin wohnten. Die meisten wären aus wirtschaftlichen Gründen hier, weil es ihnen hier wirtschaftlich besser ginge, weil sie hier ein ruhigeres und qualitativ besseres Leben hätten. Das heißt im Umkehrschluss, dass es ihnen in Israel schlecht ging. Aber darüber wollen wir uns nicht streiten, obwohl man fragen könnte, warum es ihnen schlecht ging.
Broder macht sich lustig über den „Qualitätsjournalismus aus dem Hause Augstein, Prantl & Co.“ und überzieht sie mit Häme und Spott. Er schreibt: „…die Zehntausende Israelis, die vor der Politik des israelischen Premierministers nach Deutschland geflohen sind, existieren nur in der Phantasiewelt von Schmitz“. Und beendet sein Kurzpamphlet mit einem Seitenstich gegen die SZ: „Sogar tote Fische auf dem Münchner Viktualienmarkt weigern sich, in eine alte SZ eingewickelt zu werden.“ Und die Tageszeitung „Jerusalem Post“ beeilt sich eine Woche danach, ihren Senf dazu zu geben, indem sie Broders alte und inzwischen nicht mehr ernst zu nehmende These aufstellt, dass solche Behauptungen wie von Thorsten Schmitz nur dazu dienten, Deutschlands Schuld am Holocaust zu reduzieren oder gar vollkommen zu eliminieren. Thorsten Schmitz und die SZ und Prantl, Augstein und Co. sind also alle „Knalltüten“ und „Schmieranten“, die das Vierte Reich schnell und bald entstehen lassen wollen, um israelische Flüchtlinge aus Tel Aviv und Haifa im gelobten deutschen Land wieder aufzunehmen.
Die „Jerusalem Post“ bemüht sich noch, Thorsten Schmitz´s Zahlen lächerlich zu machen und beschuldigt ihn, nicht zwischen israelischen Juden und israelischen Arabern unterschieden zu haben. Wenn das für Schmitz unerheblich war, umso wichtiger ist es für die Freunde von Broder, denn arabische Israelis sind keine echten Israelis und zählen deshalb nicht. Am liebsten sähen sie, wenn alle arabischen Israelis nach Berlin „fliehen“ würden. Warum denn sonst sollte ein Unterschied gemacht werden?
Broder wäre nicht Broder und hätte seinen Ruf als Pitbull kaum verdient, wenn er nicht noch mit Zynismus und Häme die SZ in den Dreck gezogen hätte, mit dem Vergleich zum Stürmer und Völkischen Beobachter. Es muss ja einen Grund für die Auswanderung so vieler Israelis nach Berlin geben und dieser liegt bei der SZ, die laut und deutlich auffordert: Juden raus aus Palästina. Der Stürmer und der Völkische Beobachter haben seinerzeit noch gerufen: Juden raus nach Palästina.
Thorsten Schmitz schreibt, dass „Juden und Israelis“ stets in einen Topf geworfen werden, und der Wachhund Henryk Broder fletscht sofort seine Zähne, bellt und beißt. Juden und Israelis sind seiner Interpretation nach erst ab 1970, nach dem bis heute nicht aufgeklärten Brandanschlag auf das jüdische Altersheim in München, in einem Topf geworfen worden. Bis dahin, schreibt er, „war es, Knalltüte, durchaus unüblich ´Juden und Israel` in einem Topf zu werfen“. Man liest und staunt. Dabei war es doch der Staat Israel selbst, der sich vom Tag seiner Gründung als der „Staat der Juden“ bezeichnet und alle Juden der Welt aufgefordert hat, nach Israel einzuwandern. Israel selbst hat doch mit seinem gewaltigen Propagandaapparat überall und zu jederzeit kundgetan, dass jeder Jude Israeli sei oder sofort werden kann. Da brauchte man doch nicht bis zum Jahre 1970 zu warten, um eine Verbindung zwischen Juden und Israel herzustellen.
Thorsten Schmitz meinte gegenüber der Post, dass Broder in einer Art und Weise agiert und diffamiert, die mehr über ihn selbst verrät, als über das, was er sagen wollte. Broder seinerseits droht mit einer Anzeige beim Deutschen Presserat. Da kann man gespannt sein, was er vorbringen wird. Um Thorsten Schmitz komplett aus dem Ring zu werfen, zitiert die Post noch einen Sprecher der Jüdischen Gemeinde in Berlin, Ilan Kiesling, der beschwört „noch nie einen Israeli getroffen zu haben, der aus politischen Gründen nach Deutschland geflohen ist“. Es stimmt sogar, kein Israeli muss „fliehen“. Sie kommen freiwillig und ohne Not in EL-AL-Maschinen oder in der Lufthansa Business Class. Jedenfalls nicht, wie Broder ironisch vermutet, mit der MS „Exodus“.
Sie kommen auch nicht als „Flüchtlinge von Israel nach Cuxhaven“, sondern benutzen meistens die Direktverbindung nach Berlin. Man braucht nur die vielen jüdischen und israelischen Gruppen nach ihnen fragen. Bei der „großen“ Kundgebung vor dem Brandenburger Tor haben auch oppositionelle israelische Gruppen mitgemacht, und man erinnert sich an eine Versammlung im Gemeindezentrum vor einigen Jahren, als Israelis laut und deutlich protestiert haben. Wenn also ein Ilan Kiesling keine Israelis kennt, dann will er sie nicht kennen. Das ist allerdings sein gutes Recht.
Seit langem steigt die Zahl der Israelis in Berlin unaufhaltsam und sogar die israelischen Zeitungen schreiben darüber. Vielleicht nicht die „Jerusalem Post“. Man weiß, dass viele Galeristen, Künstler, Schriftsteller und viele andere freie Berufe Israel verlassen und viele von ihnen kommen nach Berlin. Berlin ist absolut in und sehr beliebt in Tel Aviv. In den letzten Jahren hat „Haaretz“ mehrmals darüber berichtet. Und keiner dieser Neu-Berliner und keiner der noch in Tel Aviv und sonst wo in Israel Verbliebenen, die auch noch gerne nach Berlin kommen würden, denkt auch nur im Traum daran, Berlin mit Nazis in Verbindung zu bringen und keiner von ihnen weiß etwas über den Stürmer oder den Völkischen Beobachter, es sei denn, er liest regelmäßig den Stuss, den Broder verbreitet. Wäre Broder nicht der Geeignetste „Volksaufklärer“, um die Israelis über „Nazi-Deutschland“ aufzuklären, bevor diese sich entscheiden, in dieses Land zu „fliehen“?
Broder selbst nennt für 2013 die Zahl von 11.655 Israelis, die ihm von Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, „sozusagen als Bonus-Material“, genannt wurde. Wenn also mehr als zehntausend Israelis offiziell registriert sind, ist es doch kaum verständlich und geradezu unbegreiflich, warum Broder ausflippt und derart reagiert, als Thorsten Schmitz von „Zehntausende Israelis“ schrieb. Bei einem Augenblick des Nachdenkens wäre er doch von selbst darauf gekommen, dass dies nur die Spitze des Eisbergs ist und mindestens noch doppelt so viele Israelis hier mit anderen Pässen lebt. Er hätte sich doch seine Recherche beim Amt ersparen können. Warum hat er dieses Wissen total ausgeblendet und ist wie ein tollwütiger Terrier auf Schmitz gesprungen und hat sich so verbissen? Schmitz´ Artikel war doch harmlos und deckte sich, was die Kritik an der Kundgebung des Zentralrats vor dem Brandenburger Tor sogar mit der Kritik von Henryk Broder, der genauso wie Schmitz der Meinung war, dass die Kundgebung besser von anderen geplant und durchgeführt worden wäre als vom Zentralrat der Juden in Deutschland. Wie kommt es also, dass ausgerechnet Broder, der auf einen solchen Artikel mit gutem Gewissen in seinem Blog „die Achse des Guten“ hätte hinweisen können, sich in diesen Artikel so verbeißt?
Wessen „nützlicher Idiot“ ist Broder in diesem Fall? Welcher seiner Freunde steht diesmal Gewehr bei Fuß, um ihm wieder aus der Patsche zu helfen, falls er von der „Süddeutschen Zeitung“ wegen Beleidigung und Übler Nachrede verklagt werden würde? Hat er denn tatsächlich eine „carde blanche“ für all seine Versuche, Israels Ruf rein zu halten bzw. rein zu waschen?
Er ahnt wohl, und vielleicht weiß er es auch, dass weder die SZ noch jede andere seriöse und renommierte Zeitung sich die Hände an ihm schmutzig machen würden. Er ist inzwischen nicht mal mehr wert, ignoriert zu werden. Und satisfaktionsfähig ist er schon lange nicht mehr. Wenn ich trotzdem auf seine unappetitlichen Einsätze für den Zionismus und für Israel aufmerksam mache, dann nur um festzustellen, dass er nicht im Namen der Juden spricht und handelt, sondern im Namen seiner, wie er in einem Interview sagte: „Förderer, die mir bei der Begleichung der Anwaltsrechnungen helfen, weil die es gut finden, was ich mache“.
Cui bono, wem nützt das, was er macht? Wenn man das beantwortet, dann weiß man auch, wer seine „Förderer“ sind. Es lohnt sich übrigens, Broders Antwort vollständig zu genießen: „Im Übrigen klage ich ja nicht, ich werde verklagt, ich werde ab und zu verklagt von Leuten, die glauben, sie hätten eine Chance gegen mich. Ich bin in solchen Fällen sehr fair. Ich lass in der ersten Instanz ein bisschen gewinnen und in der zweiten mach ich sie platt. Das macht noch viel mehr Spaß.“ Das passt ja wunderbar zu Broders berühmt-berüchtigter Aussage: „Israelis sind Täter, aber Täter sein macht Spaß“.
„Broder selbst nennt für 2013 die Zahl von 11.655 Israelis, die ihm von Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, „sozusagen als Bonus-Material“, genannt wurde. Wenn also mehr als zehntausend Israelis offiziell registriert sind, ist es doch kaum verständlich und geradezu unbegreiflich, warum Broder ausflippt und derart reagiert, als Thorsten Schmitz von „Zehntausende Israelis“ schrieb“. Weil er ein Zahlenlegastheniker ist?