Friedman kritisiert Netanjahu. Aber wo?

Von Abraham Melzer

Danke Michel Friedman, dass du uns wieder gezeigt hast, wes Geistes Kind Du bist. Du behauptest in der Überschrift Deines naiv-primitiven Artikels, voller Banalitäten und Widersprüche, dass „nun das Schweigen das letzte Wort“ hat. Wieso eigentlich? Von welchem Schweigen sprichst Du? Ich stelle erfreut fest, dass nach dieser politischen Berlinale nirgends geschwiegen wird. Es wird heftig diskutiert und gestritten und es geht überhaupt nicht um Antisemitismus, sondern immer nur um Meinungsfreiheit. Antisemitismus interessiert niemanden mehr. Es reicht. Es hat sich ausantisemitiert. Du selbst hast ja Dein neues Pamphlet JUDENHASS genannt, weil Du geahnt hast oder schon wusstest, dass sich niemand mehr für Antisemitismus interessiert und niemand Dein Buch mit einem solchen Titel kaufen wird.

Dass Du gefangen bist im Ghetto des Antisemitismus ist uns allen schon lange klar. Es ist deshalb kein Skandal und kein Wunder, dass Du so schreibst, wie Du schreibst, geschwollen bis zum Erbrechen und dummdreist. Skandalös und für mich verwunderlich ist allein die Tatsache, dass sich immer noch Zeitungen und Verlage finden, die deinen Mist drucken. Aber, schon die alten Römer wussten: Pecunia non olet – Geld stinkt nicht.

„Nie wieder ist jetzt“, ist Dein Slogan und wohl auch Dein Wunsch. Das wünschen sich aber auch viele andere Menschen. Nicht zuletzt auch für Palästina. Es stimmt, dass der Angriff der Hamas bestialisch war und es ist absolut richtig das immer wieder zu sagen, aber wenn Du beklagst, dass den Menschen der Mut fehlte „zum Widerstand gegen den Antisemitismus“, wobei ich korrigieren würde in „den vermeintlichen Antisemitismus“, dann frage ich mich wo Deine Kritik und Widerstand geblieben ist gegen den bestialischen Überfall israelischer Soldaten auf eine Versammlung von Menschen in Gaza, die hungrig nach Brot waren. Das geschah vor laufenden Kameras und wurde in der ganzen Welt ausgestrahlt.

Du schreibst, dass durch unser Land „eine weitere, dramatische, antisemitische Welle rollt.“ Das erinnert mich an das Kommunistische Manifest von Karl Marx, das damit beginnt: „Ein Gespenst geht um in Europa – das Gespenst des Kommunismus. Alle Mächte des alten Europas haben sich zu einer heiligen Hetzjagd gegen dies Gespenst verbündet.“ Und es war schon damals übertrieben, wenn nicht gar eine propagandistische Lüge, wie das, was Du heute schreibst, übertrieben und eine propagandistische Lüge ist. Du schreibst von einem exzessiven Judenhass und behauptest, dass sich auf deutschen Straßen „Gewalt breit macht“ und dass „Tod den Juden“ skandiert wird. Ich frage mich in welchem Land du lebst oder in welchem Jahrhundert. In dem Deutschland, in dem ich lebe, hört man jedenfalls sowas nicht und schon gar nicht, so wie bei Dir scheint, täglich. Menschen im Ausland, und vor allem Juden, müssen Angst haben nach Deutschland zu kommen. Das Gegenteil ist aber der Fall. Viele israelische Juden kommen gerne nach Deutschland und auf Berliner Straßen hörten man oft Hebräisch plappern.

Du behauptest auch: „Jüdische Menschen sind meist nicht israelische Staatsbürger, sondern Deutsche.“ Auch das ist nicht ganz richtig. Sehr viele Juden sind tatsächlich auch israelische Staatsbürger, wobei es darauf gar nicht ankommt, solange die politischen Vertreter der Juden, der Zentralrat der Juden in Deutschland, stramm, fest und ohne Widerstand hinter der rechts-radikalen israelischen Regierung stehen, solange alle jüdischen Gemeinden sich mit Israel solidarisieren, solange sie die Portraits der israelischen Präsidenten in ihrem Büro hängen und die israelische Fahne zeigen. Solange es so bleibt, wird man eben dem Vorsitzenden des Zentralrats immer wieder zum Geburtstag des israelischen Präsidenten gratulieren und nicht zu vergessen, solange eine Charlotte Knobloch in aller Öffentlichkeit behaupten wird, dass ihr Herz „in Israel begraben ist“. Leider ist auch ihr Verstand in Israel begraben, sonst hätte sie und die anderen Vorsitzenden längst dafür gesorgt, dass „Jüdische Menschen“ Deutsche sind und nicht nur Juden in Deutschland. Als Juden in Deutschland sind die Juden keine Deutsche, sondern eben nur Juden in Deutschland, wie Türken, Italiener oder Palästinenser in Deutschland. Es liegt an den Juden dies zu ändern und nicht an den Deutschen, denen sie Antisemitismus vorwerfen, wenn sie von Juden in Deutschland sprechen, die man leicht mit Israelis  verwechseln kann, da sie selbst sich von eine Identifizierung mit Israel und seiner Politik nicht Abstand nehmen. Es gibt aber nochmal genauso viele Juden, die nicht Mitglieder von jüdischen Gemeinden sind und nicht dem von Israel dirigierten Zentralrat angeschlossen sind. Das sind die jüdischen Deutschen oder Deutschen, von denen Du geschrieben hast. Du hast aber die falschen gemeint.

Du beklagst Dich, dass Demonstrationen gegen Judenhass „mickrig“ ausfallen. Dass der Funke der Empathie gegenüber Juden nicht übergesprungen ist. Und Du fragst warum. Frag doch Dich selbst. Du und Deine Mitstreiter hast doch mit dem Vorwurf des Judenhasses, den ihr bis zuletzt Antisemitismus genannt habt, völlig übertrieben. So sehr übertrieben, dass die Leute es satthatten und nicht mehr hören konnten. Und überhaupt, gab es nicht in Deutschland Jahrzehnte lang eine Empathie für die armen Juden? Und gibt es sie nicht heute noch, wenn Politiker immer noch Merkels unverantwortlichen und dümmlichen Satz wiederholen: „Israels Sicherheit ist deutsche Staatsräson.“? Und ist es nicht an der Zeit auch Empathie für die Palästinenser zu zeigen, deren Schicksal auch mit der deutschen Schuld zusammenhängt? Es reicht eben nicht nur von einer „Zweistaaten-Lösung“ zu sprechen. Man muss den zweiten Staat, nämlich Palästina auch anerkennen, und zwar sofort. Jede weitere Bemühung um Frieden zwischen Israel und den Palästinensern ist sinnlos und zum Scheitern verurteilt, solange man Palästina nicht als souveränen Staat anerkannt hat und damit den Palästinensern einen Teil ihrer Würde zurückgegeben hat.

Du interpretierst die Kritik der Kulturszene an Israels Politik als „Aggressivität gegen den Staat Israel.“ Das ist aber falsch, wo Du doch selbst schreibst: „Kultur ist ein geschützter Ort. Dort müssen alle Emotionen…möglich sein. Auch der Hass“. Das sind Deine Worte. Aber Du bist nicht in der Lage die Emotionen anderer Menschen, die Dir nicht passen, zu ertragen. Du meinst, wie schon seit langer Zeit, oder schon immer, dass man alles sagen darf und alle kritisieren darf – nur Israel nicht, denn das ist Antisemitismus.“ Und was Hass betrifft, so kann ich Dir versichern, dass in den Israel kritischen Kreisen, in denen ich verkehre, kein Hass auf Israel herrscht; allerdings Hass auf Israels rassistische Apartheid-Politik.

Du schreibst: „Harte, durchaus berechtigte Kritik an der israelischen Regierung ist eine Selbstverständlichkeit und kein Judenhass.“ Allerdings erlebe ich schon immer und ganz besonders in den letzten Tagen, dass Kritik an der Politik der israelischen Regierung überhaupt nicht selbstverständlich ist und von Dir und allen anderen Philosemiten und Israel-Freunde immer als Antisemitismus und Judenhass diskreditiert wird. Ich warte schon seit Jahren, dass Du oder Josef Schuster, oder vielleicht sogar Charlotte Knobloch, endlich uns Kritiker der israelischen Politik sagen, wann eine Kritik erlaubt sei und wann sie antisemitisch ist. Und ich warte auch schon Jahre darauf, dass Charlotte Knobloch sich bei mir entschuldigt dafür, dass sie mich einen „berüchtigten Antisemiten“ genannt hat. Ihr verhaltet euch wie der ehemalige israelische Botschafter in Washington, der nach seinen Erfolgen als Botschafter gefragt wurde und geantwortet hat: „Es ist mir gelungen die amerikanische Administration zu überzeugen, dass Kritik an Israels Politik Antisemitismus ist.“

Du behauptest, dass Terroristen und Autokraten keine Demokraten sind. Sie beschützen ihr Volk nicht, sie nutzen es aus und die eigenen Opfer spielen keine Rolle. Wie recht Du hast. Wir brauchen nur auf den Ukraine-Krieg zu schauen und auf den brutalen und rücksichtslosen Putin. Aber Netanjahu ist nicht weniger brutal, zynisch und rücksichtslos. Die israelischen Geiseln sind ihm egal und die inzwischen in die hunderten gefallenen oder besser gesagt getöteten israelischen Soldaten ebenfalls. Und nicht alle Terroristen sind Terroristen. Auch Menachem Begin und Moshe Shamir, die Führer der Etzel und Lechi, wurden von den Briten als Terroristen mit Steckbrief gesucht. Und Kenjata, der gefürchtete Führer der kenianischen Freiheitskämpfer wurde, nachdem er gesiegt hatte und Staatsoberhaupt wurde, sogar von der englischen Königin mit allen Ehren empfangen. Terrorist ist man, solange man der schwächere ist. So nannten die Nazis auch die russischen Partisanen und die französische Resistance Terroristen und die Israelis setzen diese Tradition fort. Ihre Gegner, die sie brutal bestialisch foltern und brutal unterdrücken bezeichnen sie Terroristen, wenn diese sich wehren. Und dass ein sich Wehren mit Worten nichts bringt, wehren sich die Unterdrückten am Ende mit „bestialischen Taten“. Natürlich ist das schrecklich. Aber eine mehr als fünfzigjährige Besatzung, Demütigung und Unterdrückung sind eben auch schrecklich.

Und wenn Du Dich darüber beklagst, dass man auf der Bühne der Berlinale nur Israel kritisiert hat und nicht die bestialische Tat der Hamas erwähnte, dann solltest Du so ehrlich sein und hinzufügen, dass Du auch nicht von der bestialischen Besatzung ein Wort geschrieben hast. Die sinnlose Siedlungspolitik der Netanjahu Regierung zu kritisieren, reicht nicht. Die Besatzung ist das Problem und sie muss aufhören und ich vermisse hier Deine Kritik.

Nie wieder ist jetzt, heißt Deine Forderung. Warum gilt sie nicht für den israelischen und palästinensischen Filmemacher, die es gewagt haben, eben jetzt, in Berlin und vor einem vollen Saal zu verlangen: „Peace for Palestine and Israel“. Und wo blieb Deine Stimme, als bekannt wurde, dass der israelische Filmemacher nicht nach Israel zurückkehren kann und sich in Griechenland versteckt, aus Angst vor einem jüdisch-israelischen Mob, der sich für seine vernünftigen Worte rächen will. Und ist das schon Antisemitismus, wenn der amerikanische Kollege mit einem Arabertuch, einer Kefia, auftritt? Sind denn alle bescheuert?

Und Du manipulierst wieder Deine Leserschaft, wenn Du fragst: Warum eigentlich immer Israel? Es geht um BDS und um Boykott. Wieso also „immer nur Israel“. Wird denn Russland nicht boykottiert, und der Iran und Nord-Korea?

Du schreibst geschwollen und selbstgerecht von Artikel 1 des Grundgesetzes, von der „Würde des Menschen“, die unantastbar ist. Du vergisst aber zu erwähnen, dass dies für alle Menschen gilt, nicht nur für Juden, auch für Moslems und auch für Palästinenser, deren Menschenwürde in Israel nichts gilt. Wir haben es gerade in Gaza gesehen. Und es begann nicht erst jetzt. Als vor mehr als 30 Jahren in der Wüstenstadt Beer-Sheva ein durchgeknallter Richter entschieden hat, das jüdisches Blut wertvoller als arabisches Blut sei, hat keine israelische Zeitung aufgeschrien und die Bevölkerung schwieg. Als voriges Jahr Netanjahu zwei vorbestrafte rassistische Minister in sein Kabinett aufgenommen hatte, schwiegen die Israelis und die ganze Welt. Es sind Minister, die seit Jahren Genozid für die Palästinenser fordern, und wenn nicht das, dann zumindest die totale Vertreibung der Palästinenser. Als ob das menschlicher und humaner wäre. Und Du beklagst Dich, dass der harmlose Slogan „From the River to the Sea“ an das Verhalten der Nazis erinnert. Daran erinnert mich eher die Gewalt der Siedler und der Siedlerjugend gegen palästinensische Bauern und dass Yeshajahu Leibowitz diese Juden als „Judeo-Nazis“ bezeichnet hat. Und was den Slogan betrifft, so weißt Du sicherlich, dass das auch der Slogan der Rechts-Nationalisten in Israel ist. Sie haben es allerdings umgedreht und skandieren: „Vom Meer bis zum Joran „ und sogar darüber hinaus. Ich habe lange genug in Israel gelebt um das nicht zu vergessen.

Die Bühne in Berlin wurde mitnichten missbraucht, als Israel, als Apartheid-Staat bezeichnet wurde. Viele Juden und Israelis machen es auch. Und das Israels Handeln in Gaza ein Genozid genannt werden kann, hat auch das IGH in Den Haag schon festgestellt. Engstirnigkeit, Hetze und Hass sehe ich auf beide Seiten und leider gießen die Politiker beider Seiten, aber auch Du und Deine Freunde, immer mehr Öl ins Feuer. Es wird keinen  Frieden geben, wenn es so weiter geht. Netanjahus Politik, dass man den Konflikt „managen“ kann, ist gescheitert. Es kann nur noch eine radikale Umkehr der israelischen Politik etwas ändern. Aber eine solcher ist nicht in Sicht..

Du schreibst: „Kultur ist ein geschützter Ort. Dort müssen alle Emotionen in Texten, in Musik, in bildenden Künsten und in vielen anderen kulturellen Übersetzungen möglich sein. Auch der Hass.“ Dann solltest Du dich entscheiden, ob das auch für Kritik an Israels Politik gilt.  Wenn ja, dann solltest Du endlich aufhören Kritik an Israel als antisemitisch diskreditieren. Wenn nein, wenn Du der Meinung bist, dass es so ist, dann solltest Du nicht mehr von der Freiheit der Kunst bzw. von jeglicher Meinungsfreiheit schwafeln, denn es hört sich dann heuchlerisch, zynisch und falsch an. Ich bin schon seit langem überzeugt, dass Du ein Heuchler und Lügner bist. Du redest und predigst von Wahrhaftigkeit und betrügst uns alle, sogar Deine Frau. Du bist ein falscher Prophet und ein schlechter Schriftsteller. Deine Sprache ist gefällig und schwer lesbar. Aber Du bist wie Du bist und ich kann Dir deswegen keine Vorwürfe machen, denn wie Du selbst sagst: Die Gedanken sind frei. Auch wenn sie voller Hass, Verachtung und Geringschätzung sind. Wahrhaftigkeit, Dein Lieblingswort, sieht anders aus.

 

An die Beauftragte für Kultur und Medien, Staatsministerin Claudia Roth

1. März 2024

Guten Tag Frau Staatsministerin Claudia Roth,

ich bin entsetzt über Ihre Antisemitismusvorwürfe nach der Berlinale.

Ist es antisemitisch, wenn man einen Waffenstillstand fordert, ist es antisemitisch, wenn man dieses Gemetzel in Gaza als Völkermord bezeichnet? Nein, der israelische Experte für Völkermord und
Holocaust, Raz Segal, bezeichnete den israelischen Angriff auf den Gazastreifen als Genozid, und wies auf die Kriterien der Völkermordkonvention der Vereinten Nationen von 1948 hin. Gaza ist für Segal ein „Lehrbuchfall“ von Genozid, denn es ist ein Völkermord mit Ansage, wie einige Aussagen israelischer Politiker eindeutig zeigen:

Israels Verteidigungsminister Yoav Gallant: „Ich habe eine vollständige Belagerung des Gazastreifens angeordnet. Es wird keinen Strom geben, keine Lebensmittel, keinen Treibstoff, alles ist geschlossen. Wir kämpfen gegen menschliche Tiere, und wir handeln entsprechend. Der Gazastreifen wird nicht mehr so sein wie vorher. Wir werden alles liquidieren.“

Premierminister Netanjahu: „Ich sage den Bewohnern des Gazastreifens: Verschwindet jetzt von dort, denn wir werden überall und mit aller Kraft handeln […] Gaza ist die Stadt des Bösen, wir werden alle Orte, an denen sich die Hamas aufhält und versteckt, in Trümmer verwandeln.“

Energie- und Wasserminister Yisrael Katz: ”Sie werden nicht einen Tropfen Wasser oder eine einzige Batterie erhalten, bis sie die Welt verlassen.”

Tsachi Hanegbi, Vorsitzender des Rates für nationale Sicherheit: „Mit einem Feind, den wir auslöschen wollen, wird es keine Verhandlungen geben.“

Das israelische Militär befolgt diese Anweisungen und lässt kaum Lebensmittel, Wasser, noch Medikamente in den Gazastreifen, die die hungernde Bevölkerung so dringend braucht.

Das Aushungern von Zivilisten als Mittel der Kriegführung ist laut dem Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs ein Kriegsverbrechen und sollte auch von der deutschen Regierung immer wieder angeprangert werden. Aber schöne Worte oder Appelle scheinen schon lange ohne irgendwelche Konsequenzen zu verhallen. Also müssen den Worten Taten folgen, was etliche Regierungen angesichts des anhaltenden Mordens und Zerstörung schon lange fordern. Das heißt, keine Waffenlieferungen, keine finanzielle Unterstützung und sofortiges Aussetzen des EU-Israel-Assoziierungsabkommens!

Es ist absolut unverständlich und in meinen Augen auch absolut skandalös, dass die Bundesregierung weiterhin Waffen an die israelische Regierung liefert. Will die Bundesregierung wirklich die israelische Regierung unterstützen, der zwei rechtsextreme Minister angehören? Itamar Ben-Gvir, Minister für Nationale Sicherheit und Polizei, wird von der israelischen Zeitung Haaretz als „jüdischer Terrorist“ bezeichnet und ist wegen Rechtsterrorismus rechtskräftig verurteilt. Er verteilte unlängst Waffen an die Siedler im Westjordanland, die Palästinenser aus ihren Häusern und von ihrem Land vertreiben.
Die Bedrohungen und Angriffe auf die palästinensische Bevölkerung im Westjordanland sind allerdings kaum in den deutschen Medien. Die fokussieren sich wie die Politik auf den Antisemitismus, der mit Israelkritik gleichgesetzt wird.

Der israelische Finanzminister Bezalel Smotrich nennt sich selbst öffentlich Faschist und leugnet die Palästinenser als Volk, „weil es so etwas wie das palästinensische Volk nicht gibt“. Und solche Leute
unterstützt die Bundesregierung?

Sie werden wohl gehört haben, dass der israelische Filmemacher Yuval Abraham, dem Sie auf der Berlinale applaudiert haben, nach den Antisemitismusvorwürfen nach seinem Berlinale-Auftritt Morddrohungen erhalten hat und dass seine Familie von einem rechtsgerichteten israelischen Mob in ihrem Haus bedroht wurde, so dass sie noch in der Nacht flohen.

Ist Ihnen und den anderen Politikern eigentlich bewusst, dass sie mit den Antisemitismusvorwürfen gegen Juden und Jüdinnen diese Menschen gefährden? Warum wird nicht zwischen Kritik an der
israelischen Politik und Antisemitismus unterschieden, wird diese Differenzierung bewusst nicht gemacht?

Darf ich Sie erinnern, dass der Bundestag 2010 einmütig einen Antrag angenommen hat, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, alles zu tun, um die Blockade Gazas aufzuheben? Leider haben die Bundesregierungen der letzten 14 Jahre nicht ansatzweise versucht, dieser Forderung stattzugeben. Jetzt ist die Aufhebung der Blockade lebensnotweniger denn je.

Mit dem drohenden Hungertod Tausender Menschen im Gazastreifen und der Fristverstreichung, die der Internationale Gerichtshof der israelischen Regierung auferlegt hat, muss die internationale Gemeinschaft, und insbesondere die USA und die Bundesregierung als die größten Unterstützer der israelischen Regierung, sich jetzt eindeutig positionieren und entsprechende Maßnahmen ergreifen. Dazu gehören die sofortige Einstellung aller Waffen- und Geldlieferungen an Israel, Suspendierung aller Handelsverträge und die sofortige Wiedereinstellung der Zahlungen an UNRWA! Die Ermöglichung von Hilfslieferungen auf dem Land-, Wasserweg und von Flugzeugen und ein sofortiger
Waffenstillstand.

Wie Sie wissen, hat der IGH Ende Januar Israel auf Antrag Südafrikas in einer Eilentscheidung aufgefordert, in Gaza keinen Völkermord zu begehen und die Versorgung der palästinensischen Zivilbevölkerung zu verbessern. Bis Ende Februar sollte Israel dem IGH berichten, wie es die Vorgaben umgesetzt hat. Das ist nicht geschehen. Welche Konsequenzen hat diese Unterlassung?

Ich möchte Sie bitten, die ungerechtfertigten Antisemitismusvorwürfen gegen Kulturschaffende zu unterlassen, die sie gefährden, und die eher dem Antisemitismus dienlich sind und ihn befördern.

Wenn die Diffamierungen gegen israelkritische Menschen weitergehen, werden immer wenige Kulturschaffende bereit sein, nach Deutschland zu kommen, weil sie Gefahr laufen, beschimpft und möglicherweise bestraft zu werden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie eine solche drohende kulturelle Armut bei uns fördern möchten.

Ich hoffe sehr, dass die beiden Regisseure des Films „No other Land“ Yuval Abraham und Basel Adra die Anschuldigungen und Antisemitismusvorwürfen ohne weitere große Probleme überstehen! Falls ihnen etwas passiert, tragen Sie, Claudia Roth, eine Mitschuld.

Am besten wäre eine publikumswirksame Entschuldigung Ihrerseits und die „Reinwaschung“ der beiden Regisseure vom Stigma des Antisemitismus! Viele Menschen würden Ihnen dafür viel Beifall zollen!

Mit der Bitte um Bestätigung des Erhalts meines Briefes verbleibe ich

Annette Groth

ehemalige Menschenrechtspolitische Sprecherin der Linken im Bundestag

Kulturministerin Claudia Roth klatschte auf der Berlinale 24 nur mit einer Hand.

Shelly Steinberg, München
Mein Brief an Claudia Roth (Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien):

Sehr geehrte Frau Roth,

ich wende mich an Sie, da ich sprach- und fassungslos bin angesichts der Reaktionen auf die Reden auf der Berlinale 2024.
Ich selbst bin in Israel geboren und in Deutschland aufgewachsen. Ich habe Judaistik, Jüdische Geschichte und Kultur sowie Kultursoziologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München studiert.
2010 habe ich im Rahmen des IPS (International Parliamentary Scholarship) für den Bundestag ein Praktikum in der Knesset in Jerusalem absolviert.

Seit Jahren ist hier in Deutschland ein äußerst bedenkliches, repressives Vorgehen der Politik gegenüber israelkritischen Stimmen zu sehen.
Um eine pro-israelische Agenda durchzusetzen, missbrauchen Politiker und weitere öffentliche Institutionen den Begriff Antisemitismus. Diese Diffamierung macht auch vor jüdischen bzw. israelischen Kritikern keinen Halt. Es ist zu beobachten, wie deutsche Politiker sich zu Handlangern der Israellobby machen und dabei geltendes Recht missachten. Meinungsfreiheit ist eines der höchsten demokratischen Güter – doch sobald es um Israel geht, wirft die deutsche Politik rechtsstaatliche Prinzipien über Bord. Zugunsten der Politik Israels wird Menschen das in der Verfassung verbriefte Recht auf Meinungsfreiheit entzogen. Meinungsfreiheit bedeutet aber nicht nur das Recht des Einzelnen auf freie Meinungsäußerung, sonder auch das Recht, sich freiheitlich eine Meinung bilden zu können; mit den permanenten Zensuren missachtet der Staat somit das Recht der Gesellschaft, Zugang zu unterschiedlichen Informationen zu bekommen. Und genau dieses Spektrum an Informationen zu gewährleisten, wäre die Aufgabe der politischen Ebene und nicht – so wie sie es jetzt tut – eine bestimmte Meinung und Direktive vorzugeben und mit verfassungswidrigen Repressionen durchzusetzen.

Antisemitismus ist ganz klar als Hass/Anfeindung gegen Juden aufgrund ihrer bloßen Existenz als Juden definiert. Beim Antisemitismus geht es wie bei jeder Form des Rassismus‘ nicht darum, was gemacht wird, sondern vom wem etwas gemacht wird – nicht das Was, sondern das Wer ist hier entscheidend. Und daher ist der Antisemitismusvorwurf gegen Kritiker der israelischen Politik absurd. Den Palästinensern und ihren Unterstützern ist es egal, dass die Besatzer und Unterdrücker Juden sind – wären die Besatzer Buddhisten, würden sich die Palästinenser genauso wehren. Es sind doch eher die Deutschen, die mit einer regelrechten Obsession alles verteidigen, was Israel macht, weil es sich dabei um Juden handelt. Es sind die Deutschen, für die das Wer die entscheidende Rolle spielt – und das entspricht ganz klar der Definition von Antisemitismus.

Das Wort „Jude“ ist kein einziges Mal auf der Berlinale gefallen. Dennoch wird hier Antisemitismus herbei fantasiert. Wenn man den Begriff „Genozid“ im Bezug auf Israels Vorgehen in Gaza nicht verwenden darf, weil das antisemitisch sei, dann bedeutet das im Umkehrschluß, dass Genozid etwas Jüdisches sei. Es ist eine schiere Unverschämtheit, welches Bild des Judentums von deutschen Politikern hier gezeichnet wird. Es ist nichts Jüdisches, Kinder, Männer und Frauen zu entrechten, zu entwürdigen und umzubringen. Es ist nichts Jüdisches, Land eines anderen Volkes zu rauben und die dortige Bevölkerung zu unterdrücken und auszubeuten. Daher KANN die Kritik an solchen Zuständen gar nicht antisemitisch sein. Wer jedoch angesichts dieser Verbrechen von Antisemitismus spricht, missbraucht diesen Begriff und zeichnet ein widerliches Bild vom Judentum. Gegen eine solche Darstellung des Judentums verwehre ich mich vehement!
Statt in den eigenen Reihen wahren Antisemitismus zu bekämpfen, wird hier gegen jeden Israelkritker geschossen. Ein solches Vorgehen wirkt sich nicht sonderlich förderlich für die demokratische Ordnung in diesem Land aus.
Es wäre schön, wenn auch einmal andere jüdische Stimmen als die des Zentralrats der Juden Gehör finden würden – denn der Zentralrat vertritt nur die absolute Minderheit der in Deutschland lebenden Jüdinnen und Juden. Der Zentralrat ist kein von den Bürgern gewähltes politisches Organ, daher herrscht bei den Bürgern Unverständnis über die enorme Einflussnahme des Zentralrats auf bestimmte politische Themen. Es ist nicht Aufgabe der deutschen Politiker, sich in Israelbelangen Vorgaben vom Zentralrat machen zu lassen und diese dann unkritisch umzusetzen.

Der Skandal ist der Skandal

Von Abraham Melzer

Seit mehr als 50 Jahren beschäftige ich mich mit dem Nahost-Konflikt und mit dem Problem des Antisemitismus, vor allem in Deutschland. Früher, in meiner Jugend, war allen klar, was Antisemitismus bedeutet und wer ein Antisemit ist: Nämlich derjenige, der Juden hasst und sie beseitigen will. Auch das „Beseitigen“, ersatzweise ihr. „vernichten, ermorden,  endlösen“ war ein unmissverständliches Anliegen. Es ist ein Verbrechen und muss vom Staat verfolgt und bestraft werden. Das mit dem Hass ist aber nicht so einfach, denn Hass kann man nicht erkennen; er fällt schließlich unter die Gedanken- und Gefühlsfreiheit, die wie gesagt, frei sind.

Der Begriff des Antisemitismus hat sich im Verlauf der letzten fünfzig Jahre völlig gewandelt. Er hat mehrere Metamorphosen erlebt und bewältigt. Was früher Judenhass bedeutete, bedeutet 50 Jahre später Kritik an der israelischen Politik. Aktuell mutiert er in reine Kritik am Vorgehen der Israelis gegen die Hamas und in Kritik am Krieg Israels schlechthin. Mehr noch, schon der Umstand, dass der amerikanische Filmemacher Ben Russel, der für seinen Film „Direct Action“ mit einem Palästinensertuch bei der Preisverleihung aufgetreten ist, reichte aus, ihn als Antisemiten hinzustellen.

Auch ein israelischer und ein palästinensischer Filmemacher bekamen für ihren Dokumentarfilm „No Other Land“, der die Brutalität der israelischen Besatzungstruppen im Westjordanland zeigt, den Dokumentarfilmpreis der Berlinale. Sie empfingen auch den Panorama-Publikum Preis, wurden dafür kritisiert und schließlich als Antisemiten abgefertigt, weil der israelische Regisseur Yuval Abraham es gewagt hatte zu bemerken, dass bei Rückkehr in ihr Land für seinen palästinensischen Partner und Kollegen Basel Adra im besetzten Westjordanland nicht dasselbe Recht gelte, wie für ihn in Israel. Basel Adra seinerseits beging den unverzeihlichen und für viele einen antisemitischen Fehler, als er zum Ausdruck brachte, dass es ihm schwer falle, den Preis zu feiern, während in Gaza weiterhin Menschen getötet werden, nur weil sie Palästinenser sind. Das war wohl zu viel für die zarten Ohren der deutschen Gutmenschen, die nicht hören wollen, wenn palästinensisches Leid thematisiert wird.

Yuval Abraham schrieb in einem offenen Brief am 27.02.2024:

„Ein rechtsgerichteter israelischer Mob kam gestern (26.2.24) in das Haus meiner Familie, um nach mir zu suchen. Er bedrohte enge Familienmitglieder. Dies geschah, nachdem israelische Medien und deutsche Politiker meine Rede auf der Berlinale – in der ich die Gleichberechtigung von Israelis und Palästinensern, einen Waffenstillstand und ein Ende der Apartheid forderte – absurderweise als „antisemitisch“ bezeichneten. Ich bekomme Morddrohungen und musste meinen Heimflug absagen.“

Politiker, Professoren, Journalisten und Redakteure fühlten sich sofort in der Pflicht, nach angelerntem Schema  zu reagieren; sie alle schrien auf: „Haltet den Dieb, er ist ein Antisemit.“  Bestärkt wurden sie durch die Tatsache, dass es linientreue „Gutmenschen“ auch in Israel gibt, die den israelischen Regisseur Yuval Abraham als „Antisemit“ verunglimpften. Israel wird mehr und mehr zum dem, was der berühmte und gefürchtete Kritiker der israelischen Politik, Prof. Yeschajahu Leibowitz  schon vor Jahren vorausgeahnt hat: Ein Land von Judeo-Nazis. Rückblickend gesehen wurde Professor Leibowitz zu einem Proto-Antisemiten neuer Art.

Je deutscher der Politiker, desto eifriger nutzt er die Chance, um sich in den Medien zu produzieren. Die Medien ihrerseits hatten endlich ein Skandalthema, und hatten nichts anderes zu tun, als vom Berlinale-Skandal zu berichten. So sprach Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner, der mit seiner Bildung leider im Kindergarten steckengeblieben zu sein scheint, von einem „untragbaren Relativieren“. Er vergaß zu erwähnen was im verteufelten Dokumentarfilm wohl „relativiert“ worden sei. Er nannte das Geschehen eine „perfide Täter-Opfer-Umkehr“, wie sie Franz Werfel in seiner Novelle: „Nicht der Mörder, der Ermordete ist schuld“ beschrieben hatte. Nach Kai Wegner sind die Israelis edel, vollkommen und immer unschuldig. Die Palästinenser sind schuldbeladen, wohl deswegen, weil sie den Juden ihr Land nicht auf einem silbernen Tablett servierten, sondern selbst heute noch, nach mehr als siebzig Jahren um ihr Land, um ihren Grund und Boden, um ihre Freiheit und Würde kämpfen.

Die Palästinenser sind also die Täter, und die Israelis sind ihre Opfer. Ein anderer, mit dem ich in der Regel absolut nicht übereinstimme, Henryk M. Broder, hat sogar gesagt: „Es stimmt, die Israelis sind Täter“, und er fügte zynisch und geschmacklos hinzu, „Aber Tätersein macht Spaß!“ Kai Wegner, der keine Ahnung hat sollte sich besser informieren, wenn er weniger dümmliche und peinliche Statements von sich geben möchte.

Aber auch die Grünen- und FDP-Politiker Konstantin von Notz und Linda Teutenberg meinten, der Genozid-Vorwurf angesichts von nur 30.000 Toten Palästinenser, darunter 12.000 Kinder, sei „absurd“,  und ein „Gefasel vom Genozid“. Müssen es immer erst Millionen werden, um als Genozid bezeichnen werden zu dürfen? Dreißigtausend sind nicht der Rede wert, zumal es sich noch nur um Palästinenser handelt, die der israelische Präsident unter die „Tiere in Menschengestalt“ gerechnet hatte.

Es melden sich aber noch viel mehr pro-israelische Stimmen zu Wort, die als Gutmenschen wahrgenommen werden wollen. Nicht wenige halten sich tatsächlich für gute Menschen, wenn sie die bestialischen Taten der Hamas verurteilen und die nicht weniger bestialischen Taten der israelischen Armee verschweigen. Christian Tretbar, der Chefredakteur des Tagesspiegels bezeichnet die Preisverleihung: „Peinlich, beschämend, verstörend, propagandistisch und eine Pro-Palästina Show.“ Wenn es eine amtlich genehmigte „Pro-Israel-Show“ gewesen wäre, hätte er sie vermutlich ignoriert, denn diese wäre dann politisch korrekt gewesen. Eine „spontane“ Pro-Palästina-Show kommt einem blanken Antisemitismus gleich. Es ist Tretbar wohl entgangen, dass das, was er geschrieben hat, peinlich, beschämend und propagandistisch ist, nämlich fast wörtlich bei der israelischen Hasbara abgeschrieben.

Und für NZZ-Redakteur Alexander Kissler, der genauso gut zur Bildzeitung passen würde, war die Berlinale ein „Klassentreffen der Israelhasser“. Man fragt sich warum er nicht gleich „der Judenhasser“ geschrieben hat. Judenhass ist, frei nach Michel Friedman, das neue-alte Wort für Antisemitismus, nachdem sich dieser immerhin mehr als 150 Jahre bewahrt hat, und jetzt vollkommen umgewertet worden ist. Haltlose Gesinnungsverdächtigungen von Leuten wie Michel Friedman, Charlotte Knobloch, Josef Schuster und seitens anderer „ehrenwerter“ Juden haben es zustande gebracht, dass sogar Juden als „berüchtigte Antisemiten“ diffamiert werden können, als diese es gewagt haben sich von der israelischen Regierungspolitik zu distanzieren, wie zum Beispiel mich. Wenn auch Juden Antisemiten sein können, umso mehr können es auch Nichtjuden sein.

Die Liste solcher und ähnlicher Äußerungen ließe sich beliebig fortführen. Es begann schon letztes Jahr bei der documenta, wo die Freiheit der Kunst und die Freiheit der eigenen Meinung heftig attackiert wurde und aus Banalitäten Antisemitismus konstruiert wurde. Ein Vorwurf, den nicht-deutsche Künstler überhaupt nicht verstehen können. Und schon bei der documenta erhoben sich Stimmen dämlicher und kulturloser Politiker und Journalisten, dass man in Deutschland die Kulturpolitik „sehr genau beobachten“ muss und im ernsten Fall die finanziellen Mittel entziehen sollte. Mit Geld lässt sich eben alles regulieren. Dr. Josef Goebbels kontrollierte die Kunst und Meinung über Papierzuteilungen, Nancy Faeser will es über Zuwendungen an Geld organisieren.

Philipp von Becker schreibt in den Nachdenkseiten: „Für Union und Publikationen der Axel Springer SE – die im Übrigen mit illegalen israelischen Siedlungen Geld verdienen – mögen Rassismus und Zensuraufrufe noch als trauriges „business as usual“ zu verbuchen sein. Doch dass auch weite Teile der sogenannten „bürgerlichen Presse“ sowie Vertreter ehemals als „links“ geltender Parteien nicht auf die Idee kommen, dass der Protest herausragender Filmkünstler auf einem der wichtigsten Filmfestival der Welt nichts mit Antisemitismus, sondern mit 30.000 getöteten Menschen (davon 12.000 Kindern), einem komplett zerstörten Gazastreifen, 1,7 Millionen Vertriebenen, Jahrzehnten Apartheid, einer von Hungersnot bedrohten Bevölkerung und offen geäußerten genozidalen Absichten einer rechtsextremen Regierung zu tun hat, ist ein erbärmliches Schreckenszeugnis für eine sich für demokratisch und aufgeklärt haltende Gesellschaft.“

Das ist der Skandal.

Und von Becker führt fort: „Die traurige Realität hierbei ist: Nicht diejenigen, die gegen die Kriegsverbrechen einer rechtsextremistischen Regierung und Jahrzehnte Apartheid protestieren, sondern diejenigen, die dies weiterhin rechtfertigen, sind diejenigen, die Antisemitismus befördern und mit ihren haltlosen Anschuldigungen den Antisemitismusbegriff vollkommen entwerten.“ Er kann damit nur diejenigen meinen, die auch ich seit Jahren anprangere. Es sind die inzwischen zahllosen gewordenen Antisemitismusbeauftragten, die von Politiker bestallt und vergattert werden. Zum Teil sind die Krypto- Antisemiten, zum Teil glühende Philosemiten, wobei ihre Glut das gleiche verderbliche Ergebnis hat.

Es ist gefährlich für Deutschland, wenn das deutsche Kulturleben von hörigen Beamten und von Israels Geheimdienst gemanagt wird.  Kulturignorante jüdische Funktionären wie Charlotte Knobloch oder Josef Schuster wollen bestimmen, dass jede noch so vorsichtig vorgetragene Kritik an Israel und seiner rechtsradikalen Regierung als Antisemitismus ausgemacht wird. Wenn man es ihnen nachsehen will, weil es ja ihr Job ist und weil sie dafür gedungen sind und besoldet werden, dann ist es umso schlimmer, dass die deutschen Medien hier mitmachen. Sie verschaffen diesen objektiv unbedeutenden Funktionären und politischen Zwergen eine Bühne.

Leider ist es der jüdischen Funktionärin Charlotte Knobloch gelungen, dass die Stadt München, als einzige Stadt in Deutschland und weltweit, das Anbringen von Stolpersteinen nicht zulässt. Knobloch ist es gelungen den Münchner Stadträten, quer durch alle Fraktionen und seit Jahren, einzuimpfen, dass das Treten auf einem Stolperstein ein antisemitischer Akt sei. Und das erinnert an den ehemaligen israelischen Botschafter in Washington, der auf die Frage was sein größter Erfolg während seiner Amtszeit als Botschafter Israels gewesen sei, geantwortet hat: „Es ist mir gelungen die amerikanische Administration davon zu überzeugen, dass Kritik an Israel Antisemitismus sei.“

Das hat die deutsche Szene in vorauseilendem Gehorsam übernommen und setzt es täglich um.

 

 

Vorsicht vor diesem Buch.

Man hat mir selten ein derart schlechtes, banales und verhetzendes Buch zur Rezension vorgelegt. Schon sein Titel ist mehr Narretei als Provokation. Dem Autor gereicht aber zur Ehre, auf das inzwischen abgenutzte Wort „Antisemitismus“ verzichtet zu haben. Denn alles, was er sich so von seiner verletzten Seele heruntergeschrieben hat, hat nichts mit Antisemitismus und noch eniger mit Judenhass zu tun. Oder glaubt irgendwer noch, dass die Palästinenser die Israelis weniger hassen würden, wenn sie keine Juden wären?

Mit dieser Rezension möchte ich eigentlich vor diesem Buch warnen. Andere Leser sollten sich ersparen, was ich mir mit der Lektüre antun musste. Trotz seines absurden, falschen und dümmlichen Titels bringt das Buch nichts zu Palästina, nichts über die Hamas, und nichts über den Nahost-Konflikt. Es behandelt einzig und allein Friedmans Angstneurosen, sein Paranoia und verläuft sich in einer Warnung vor Antisemitismus in Deutschland, was so weit geht, dass er seine jüdischen Mitbürger auffordert, „ein Land, in dem die Gefahr für jüdisches Leben existenziell werde, zu verlassen. Seit dem 7. Oktober dächten sehr viele, gerade jüngere Menschen darüber mehr nach als je zuvor. Auch ich.“ Also auch er, Michel Friedman.

Wenn das hier nicht sein Land ist, auch wenn er es bisher tausendmal beteuert hat, wenn er sich nicht als deutscher Jude oder meinetwegen jüdischer Deutscher fühlt, sondern immer noch als „Jude in Deutschland“ (als „displaced person“), so wie es der Zentralrat der Juden in Deutschland vorschreibt, dann soll er doch das umsetzen, was er den anderen Juden empfiehlt: Deutschland verlassen. Vielleicht nach Israel, wo jüdisches Leben inzwischen noch gefährdeter ist als woanders in der Welt? Ich werde ihn nicht vermissen.

Friedman empfiehlt „nicht nur auf den Blick der Gesellschaft, der Antisemiten, zu achten“. Die Gesellschaft, die Deutschen, unter denen er lebt, besteht für ihn aus Antisemiten. Wie kann er noch in einem solchen Land leben? Er wiederholt mehrfach, dass Juden keine Opfer mehr sein wollen, beklagt aber unentwegt, dass Juden Opfer sind. Ein anderer „Jude in Deutschland“, Wolf Biermann, sagte dagegen vor wenigen Tagen in einem Spiegel-Interview, dass „Juden in Deutschland wie im Paradies leben“ würden. „Leben“ sagte Biermann. Friedman spricht aber von einem Überleben. Er schreibt: „Das will jeder Mensch. Überleben auch. Und da Juden Menschen sind, sie ebenfalls.“

Da möchte man Friedman allgemein in Erinnerung rufen, dass auch die Palästinenser Menschen sind, dass auch sie überleben, oder sogar leben wollen. Einerseits gibt er seinem Buch den Titel „7. Oktober 2023- JUDENHASS“, andererseits erwähnt er die Palästinenser mit keinem Wort. Er spricht von Bildung, die für ihn der wichtigste Schritt sei, dem radikalen muslimischen Judenhass entgegenzutreten. Wie wäre es mit Respekt und Gleichberechtigung, mit denselben Menschenrechten auch für Muslime? Er mahnt zigfach „antisemitische oder rassistische“ Hetze ab, aber unterlässt es zu erwähnen, dass Antisemitismus auch Rassismus ist . So müsste es ausreichen, wenn man gegen Rassismus kämpft.

Skandalös und deshalb auch absurd und falsch ist Friedmans Abgleich des „Massakers“ vom 7. Oktober 2023 mit denen der Nazis, vollzogen „an entrechteten jüdischen Menschen, mit denen man alles machen konnte.“ Seltsam, dass mir bei diesem Vergleich eher die Palästinenser, die Menschen in Gaza einfallen, mit denen die Israelis so ziemlich alles machen, was früher die Nazis mit den Juden in Warschau gemacht haben. Friedman will uns einreden, dass die Hamas diesen brutalen Überfall verübt hat, weil die Israelis Juden sind. Abgesehen davon, dass das ganze Buch grottenschlecht geschrieben ist und dass es einen Affront gegen die deutsche Sprache darstellt, wird es mit Sicherheit nicht „die Botschaft“ der Hamas gewesen sein, wie Friedman unterstellt. Der Überfall ist nicht, wie bereits UN-Generalsekretär Antonio Guteres erklärte, plötzlich und unerwartet wie ein Blitz aus heiterem Himmel gekommen. Israel hat die ganze Zeit die Palästinenser, ob in Gaza oder auf der Westbank, nicht gerade mit Samthandschuhen traktiert und nicht mit Mozartkogeln auf sie geschossen. Der Abwurf einer 1000 Kilo Bombe auf ein Wohngebiet in Gaza stellt auch keine humanitäre Aktion dar. In Deutschland werden, findet man eine Fliegerbombe aus dem letzten Krieg, die Wohnungen im Umkreis von 500 Metern geräumt.  Darüber aber schreibt Friedman nichts in seinen Vergleichen.

Friedman nutzt jede noch so banale Gelegenheit aus, die Hamas mit den Nazis zu vergleichen. „Auch die Nazis hatten die Menschen jüdischen Glaubens entmenschlicht. Sie nannten sie Ratten und Ungeziefer.“ Und er ergänzt: „Ein Mensch, der Jude ist, ist vor allem Jude und weniger ein Mensch.“ Ich aber vermisse die Aussagen israelischer Minister, dass die Hamas „Tiere in Menschengestalt“ seien, dass die Palästinenser ein „Krebsgeschwür“ darstellten. In Israel und auch in den jüdischen Gemeinden in Deutschland werden die Palästinenser auch nicht als Menschen gesehen, sondern als radikale Terroristen, die man vernichten muss.-

Friedman irrt blind und taub durch die Landschaft. Er ist sich nicht zu schade, üble und falsche pro-israelische Propaganda zu wiederholen. Er fragt, warum Brandsätze vor Synagogen stattfinden und nicht vor die israelische Botschaft („Wie bei „Israelkritik“ zu erwarten“). Vielleicht, weil die Juden in Deutschland sich ohne Wenn und Aber hinter Israels Politik stellen und zu Parolen wie „Tod den Arabern“ in Israel schweigen. Vielleicht, weil sie auch schweigen, wenn in Israel „Vom Jordan bis zum Meer“ skandiert wird, und sie sich empören, wenn in Deutschland auf Demonstrationen „From the river to the sea“ gerufen wird und, nach Michel Friedman, „die Fantasie der Vernichtung des Staates Israel und aller seiner (jüdischen) Bewohner“ herausgebrüllt wird. Oft genug fügt er noch hinzu: „Der Vernichtung aller Juden auf der ganzen Welt“. Immerhin räumt er ein, dass es sich dabei um „Israelkritik“ handelt und nicht um Antisemitismus.

Er jammert und weint, dass es schon peinlich wird, weil immer noch kein Mitleid mit ihm aufkommt. Er beschwört, dass Deutschland „doch auch unser Land sei“ und fleht „Ich will doch nur eine Umarmung. Eine Umarmung von einem nichtjüdischen Menschen, der mir zeigt: „Ich fühle deinen Schmerz.“ Und er steht vor den Scherben seiner Arbeit und vor den Scherben seines Lebens. Und wenn irgendwo Verständnis für die Palästinenser durchklingt, und sogar geäußert wird, und wenn man die israelischen Siedlungen und die israelische Besatzungspolitik…und, und, und kritisiert, würde er am liebsten schreien: „Die Israelis sind nicht die Täter. Sie bleiben die Opfer.“ Frei nach Franz Werfels Novelle: Nicht der Mörder, sondern der Ermordete ist schuld. Und er glaubt wirklich, dass wir nach dem 7. Oktober „an einem Scheidepunkt stünden, weil es nicht nur um das Judentum geht.“ Da zeigt er schon wieder, dass er keine Ahnung hat. Natürlich geht es nicht um das Judentum. Es geht um Juden. Und eigentlich auch nicht um die Juden, sondern um die Israelis, die von vielen Juden nicht mehr als traditionelle Juden akzeptiert werden. Aber das weiß Michel Friedman nicht, und ignoriert es. Und durch das ganze Büchlein macht er keinen Unterschied zwischen Juden und Judentum, als ob Christen und Christentum dasselbe wären. Nicht alle Juden sind Israelis und nicht alle Israelis sind Juden.

Und weil er, wie es Charlotte Knobloch einmal sagte, mit dem Herzen in Israel lebt, fragt er rhetorisch: „haben wir hier (Deutschland) eine Zukunft?“ Und antwortet gleich: „Die Antwort fällt immer pessimistischer aus.“ Aber wohin will er auswandern? Wo hat er selbst eine Zukunft? In Israel etwa? David Grossman schreibt über sein Land: „Dieses Land wurde preisgegeben – zugunsten engstirniger Interessen, zugunsten einer zynischen, schlafwandlerisch unvernünftigen Politik.“ Und obwohl die Politik sich schon längst nach rechts ausgerichtet hat und obwohl Rassisten und Nationalisten schon seit langem in der Regierung sitzen, wird das Land nach dem jetzigen Krieg noch viel rechter, militanter und rassistischer sein. Die letzten Wochen haben gezeigt, dass die Tragödie im Nahen Osten ohne gleichzeitige Linderung des palästinensischen Leides nicht zu bewältigen ist. Wenn sich nichts ändert, werden die Israelis nun wohl auf ewig unter höchster Anspannung und ständiger Kriegsbereitschaft leben müssen. Yael Dayan, die Tochter des legendären Moshe Dayan drückte es so aus: Ich schlafe mit meinem Gewehr. Es war schon immer so und dennoch, die Israelis, wie sie einst waren, werden nie wieder sein können. Das Gefühl der Trunkenheit vor Überheblichkeit und Siegeswahn, wie nach dem Sechs-Tage-Krieg ist für immer verschwunden. Es kommt nie wieder zurück. Jetzt wissen die Israelis, dass sie siegen können, aber auch, dass sie verlieren könnten. Von jetzt an wird alles Erleben binär: Null oder eins. Sein oder Nichtsein.

Jüdische Menschen wie Friedman, nicht alle Juden, sind verstört, traumatisiert und verunsichert. Nicht, weil in Israel mehr als tausend Juden ermordet wurden, sondern weil sie befürchten, dass Juden den Nichtjuden gleichgültig sind. Ich kann diese Art von Furcht nicht verstehen. Friedman schreibt: „Angst griff um sich. Denn gemeint waren von der Hamas nicht die Israelis, sondern alle Juden in der Welt.“ Das ist keine Angst mehr, sondern schon Paranoia. Es erinnert mich an den Mann, dem man vorwirft, dass seine Schwester eine Hure sei. Es hilft nicht, wenn er sagt: Ich habe keine Schwester. Er hat eben eine Schwester zu haben. Und so ist es mit der Hamas. Es hilft nicht, wenn sie immer wieder behauptet, dass sie nichts gegen Juden in New York, Amsterdam oder Berlin hat. Sie hat etwas gegen diese Juden zu haben, damit man sagen kann sie seien Antisemiten. Absurd? Nicht wahr?  Genau das kann und will Michel Friedman der Hamas nicht verzeihen, dass sie nicht antisemitisch ist. Es erinnert an die Nazis, die Auschwitz den Juden nie verzeihen werden.

Friedman zitiert Adornos Definition des Antisemitismus, die nicht deshalb richtig sein muss, weil sie von Adorno stammt. Antisemitismus sei „das Gerücht über die Juden“. Ich verstehe nicht wie Adorno, der ja ein kluger und gebildeter Kopf war, auf eine solch abwegige und irreführende Definition kommen konnte. Gerüchte sind schleimig, schreibt Friedman und sein Büchlein ist so voll mit Schleim, dass er fast schon aus dem Buch fließt. Will man Friedman packen, glitscht er weg und schwafelt immer wieder von Wahrhaftigkeit und Menschlichkeit. Als ob nur Juden benachteiligt würden. Als ob die Sinti und Roma, die in diesem Land von vielen immer noch Zigeuner genannt werden, nicht benachteiligt werden, als ob Türken, Muslime und Schwarze nicht benachteiligt werden. Immer nur die Juden, die Juden, die Juden.

Dass Friedman keine Ahnung hat, belegt er immer wieder selbst. Er behauptet, dass die Kirchen, also das Christentum, das Gerücht über die Juden in die Welt gesetzt hätten. Die Kirche hat die Juden gehasst, und das war kein Gerücht. Das war eine für alle erkennbare Tatsache, besonders für die Juden. Wenn man Friedmans Buch liest, wird es jedem auch deswegen überdrüssig, weil es ununterbrochen den Eindruck erweckt, dass wir immer noch im Mittelalter leben, oder bestenfalls schon im Dritten Reich, wo Juden wirklich verfolgt wurden. Deswegen möchte man es nach jeder mit Abscheu und Widerwillen bewältigten Seite in den Papierkorb werfen, oder auf den Mühlhaufen der Geschichte.

Man wird fast verführt zu glauben, dass in diesem Land täglich Juden ermordet werden. Friedman schreibt von den 1990er-Jahren, in denen es „latenten und manifestierten Antisemitismus und brutalen Rassismus gab.“ Und man könnte fast glauben, dass in Mölln, Solingen, Rostock, Hoyerswerda und Hanau Juden von der NSU ermordet wurden. Mir ist nicht bekannt, dass mehr als ein einziger Jude ermordet worden ist. Es gibt kaum ein anderes Land auf dieser Welt, wo Juden so sicher leben wie in Deutschland, wo die Behörden sie in Watte packen, und sie außerdem noch mit Samthandschuhen anfassen.

Friedman behauptet, dass die Gesellschaft in der Bundesrepublik sich nicht mit ihrer Vergangenheit auseinandergesetzt hat. „Man wusch die Hände in Unschuld“. Das ist aber nicht das Deutschland, in dem ich aufgewachsen bin. Er kommt auf Israel, und da schreibt er ab bei der israelischen Propaganda. Der offene Antisemitismus war nach dem Massenmord in Verruf geraten.. Deshalb entstand der „sekundäre Antisemitismus“, der Hass auf Israel. Was für eine Lüge, was für eine Verdrehung der real existierenden Sympathie für Israel. Ich habe nie Hass auf Israel beobachtet. Ich habe Kritik an Israels Politik erfahren und diese zurecht. „Jeder kann und darf die israelische Regierung kritisieren“, behauptet Friedman. Aber wenn ein Jude wie ich es tut, dann wird er von einer Charlotte Knobloch, die Präsidentin des Zentralrats war und seit Generationen Vorsitzende (oder Besitzerin) der Jüdischen Gemeinde in München ist, als „berüchtigter Antisemit“ diffamiert. Und Michel Friedman hat geschwiegen, obwohl ihm die Würde des Menschen, jedes Menschen, lieb und teuer wäre.

Michel Friedman redet nicht nur geschwollen, selbstgerecht und immer an der Sache vorbei, er schreibt auch so. Sein Buch, wenn nicht „Friedman“ überhaupt, sind kaum erträglich zu lesen. Er behauptet, dass der Überfall vom 7. Oktober ein Pogrom war. Es wundert mich, dass ein Jude wie Friedman nicht weiß, was ein Pogrom ist. Noch mehr ekelt es mich an, dass er nicht müde wird den Widerstand der Palästinenser gegen eine ungerechte und brutale Besatzung mit den grundlosen antisemitischen Überfällen eines Mobs auf eine unschuldige Bevölkerung zu vergleichen oder gar mit dem organisierten Massenmord der Nazis. Der Überfall der Hamas war bestialisch, aber es stehen nicht palästinensische Panzer in Tel Aviv, sondern israelische, nicht jüdische, Panzer in Gaza.

Friedman meint, dass die rote Linie überschritten ist, wenn man die israelische Regierung mit Nazi-Deutschland vergleicht. Aber der bekannte und geachtete jüdische Religionsphilosoph Jeshajahu Leibowitz nannte die israelische Regierung: „Judeo-Nazis“. Und Henryk Broder schrieb: „Die Israelis sind Täter, aber Täter sein macht Spaß.“ Und dieser fürchterliche Satz ist sogar in der Jüdischen Zeitung abgedruckt worden. Dürfen nur die Israelis Spaß haben? Und was ist mit den Palästinensern, die dabei sicherlich kein Spaß haben, wenn israelische Soldaten mordend durch ihre Siedlungen toben.

Friedman findet die Aktion der Stolpersteine großartig. Er hat es aber bis heute versäumt seine Kollegin Charlotte Knobloch zu kritisieren, die dafür gesorgt hat, dass München die einzige Stadt europaweit ist, die das Einsetzen von Stolperstein verbietet. Verhindert hat es keine andere als Charlotte Knobloch. Die rabiate zionistische Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde für München und Oberbayern hat mit ihrer Art des Drucks, die eher nach Erpressung riecht, die Stadtverwaltung bzw. den Oberbürgermeister gezwungen, Stolpersteinverlegungen in München zu untersagen, obwohl Familienangehörige der Opfer glücklich und dankbar darüber sind, dass ihrer Familienangehörigen gedacht wird.

Und warum ist Knobloch dagegen? Weil sie nicht will, dass Nichtjuden auf jüdische Namen treten. Sie hat wohl mit ihrer begrenzten Einsichtsfähigkeit nicht verstanden, dass dies genau das verhindert, worum es den Stolpersteinen geht. Die Menschen sollen stolpern, erschrecken und zum Nachdenken gebracht werden. Nicht umsonst heißt es, dass dies die nachhaltigste Idee der Versöhnung ist. Knobloch hat es nicht verstanden.

Ich kann nicht weiter und werde hier aufhören. Für Friedman sind Juden wieder Opfer, obwohl er tausendmal versichert, dass er kein Opfer mehr sein will. Er verhält sich aber so, er schreibt wie aus dem Ghetto, als ob wir immer noch regelmäßig Judenpogrome hätten. Man hat bei ihm den Eindruck, als ob er auf gepackte Koffer säße, und auf eine Gelegenheit fiebere zu flüchten. Er wird aber hierbleiben, weil es ihm nirgends auf der Welt so gut gehen wird, wie hier und heute. Das hindert ihn nicht, bei den übrigen Juden Angst und Schrecken zu säen.  Er trinkt Wein und predigt Wasser. Aber sein Wasser ist versalzen und schmeckt bitter.

Wenn man es geschafft hat, das Buch zu lesen, dann kann man Juden nicht mehr hassen, man muss einfach Mitleid mit ihnen bekommen. Viele von ihnen, besonders die Zionisten, zahlen heute den Preis, weil sie sich jahrelang von dummen, korrupten und rassistischen Politikern haben verführen lassen. Und selbst jetzt, nach den letzten Gräueltaten sind viele von ihnen nicht bereit die Schuld Israel zuzuschreiben. Wie zum Beispiel Michel Friedman. Die Besatzung ist ein Verbrechen und sie versuchen eine Hierarchie des Bösen mit einer eindeutig pro-israelischen Randordnung zu gestalten. Zivilisten kaltblütig niederzuschießen – das ist ein viel schwereres Verbrechen, behaupten sie. Sie sollten Franz Fanon lesen, der schon vor mehr als achtzig Jahren in seinem Buch „Die Verdammten dieser Erde“ solche Erhebungen gegen Unterdrückung, Gewalt und Dehumanisierung vorausgesagt hat.

Fanon war ein französischer PsychiaterPolitikerSchriftsteller und Vordenker der Entkolonialisierung. Und bei der Gräueltat der Hamas geht es um nichts anderes als um einen Aufstand gegen eine brutale und erbarmungslose Besatzungsmacht, die den Menschen in Gaza gerade noch die Luft zum Atmen überließ, nicht aber den Strand zum Baden und die Freiheit Gaza zu verlassen. Nicht umsonst wurde Gaza das größte Freiluftgefängnis  der Welt genannt. So macht man aus Menschen mit menschlichem Antlitz Bestien, die auch in der Lage sind, Frauen und Kinder zu ermorden.

All das kümmert aber Michel Friedman nicht. Er hat nur seine Juden im Kopf, seine jüdischen Kinder, die jetzt in Angst und Furcht leben,  und von ihren nichtjüdischen Kameraden nicht umarmt werden. Es ist typisch jüdisch, und daran leiden viele Juden, dass sie die Probleme der Juden in den Mittelpunkt ihrer Welt stellen und alles, was in der Welt passiert, perifer beurteilen: Ist es gut für die Juden oder ist es schlecht für die Juden. Ob eine mehr als 70jährige Besatzung schlecht ist für die Besetzten, spielt für Friedman und seine Juden keine Rolle. Deshalb ist er auch blind zu erkennen, dass eine solche Besatzung auch schlecht ist für die Besatzer sein könnte. Eine solche Besatzung korrumpiert und entmenschlicht und macht den Besetzern, nach Henryk Broder, nur dann Spaß, wenn sie kein Gewissen haben, wenn sie keine Moral kennen und wenn Menschenrechte für sie nicht gelten. In Israel gilt immer noch David Ben-Gurions Häme über die UNO: Um-Schmum, was ins Deutsche übersetzt, heißt: Die UNO ist nichts wert. Aber dass die UNO die Gründung des Staates Israel in jener verhängnisvollen Nacht im November 1947 beschlossen hatte, das Lernen israelische Schüler schon in der ersten Klasse der Volksschule.

Ob Michel Friedman das weiß? Wenn er es weiß, warum fordert er Israel nicht auf der UN zu folgen, und fordert seinerseits, den Krieg in Gaza zu beenden. Sind 30 000 getötete palästinensische Einwohner noch nicht genug? Sind mehr als 13500 tote Kinder nicht ausreichend? Friedman hat aber nur jüdische Kinder im Sinn. Nur jüdische Kinder verdienen es frei und in Wohlstand zu leben. „Jüdische Kinder waren und sind verstört und traumatisiert. Nicht nur, weil sie sahen, wozu die Terroristen in Israel fähig waren, sondern weil die spontanen Reaktionen auf der Straße nicht solidarisch waren für die jüdische Gemeinschaft.“  Dass palästinensische Kinder mehrfach traumatisiert und verunsichert sind, das interessiert ihn offensichtlich nicht.

Warum sollten sich die Menschen auf der Straße mit den Jüdinnen und Juden solidarisieren? Sind sie also doch Israelis und gehören nicht in dieses Land? Und verdienen die Palästinenser keine Solidarität? Sie sind doch die Juden der Juden. Friedman wirft den Deutschen vor, dass „kaum Fahnen mit dem Davidstern aus den Fenstern gehängt wurden. Es versammelten sich nicht Hunderttausende. Es ist nicht verstanden worden, dass es nur vordergründig um „Juden“ geht, aber in Wirklichkeit um die Würde des Menschen, die verletzt wurde.“ Wenn man will, kann man diesen Satz als die Quintessenz seines schmalen Buches betrachten. Er versucht uns und unser Grundgesetz in die Verantwortung einzubinden. Dabei ging es von Anfang an und auch am 7. Oktober 2023 nicht um „Juden“. Israelis sind Israelis, sind Israelis. Manche von ihnen sind Juden und andere ohne Religion. Die Hamas wollte keine Juden töten, weil sie Juden sind, sondern Israelis, weil es Feinde sind und man sich seit mehr als 70 Jahren in einem Kriegszustand befindet. Und so übel und verbrecherisch die Ermordung von Zivilisten, darunter Frauen und Kinder, auch war, Friedman sollte nicht vergessen, dass auch palästinensische Frauen und Kinder ermordet wurden und werden. Unter dem Strich sind es weitaus mehr Palästinenser als Israelis.

Wenn Friedman wollen würde, dass das „nie wieder“ passiert, dann soll er sich auch für einen totalen Frieden einsetzen, einen nachhaltigen Frieden, der den Israelis Sicherheit garantiert und den Palästinensern volle Menschenrechte, Achtung ihrer Würde und Freiheit bringt.

Die Rezension ist doch länger geworden als ich beabsichtigt habe. Ich könnte als Antwort auf Michel Friedman ein gleich langes Büchlein schreiben. Aber JUDENHASS verkauft sich besser. Friedmanns Traktat ist gerade erst erschienen, und schon auf der Bestseller-Liste. So macht man Geld mit dem Elend seiner Brüder und Schwestern , und vor allem mit dem Elend der Palästinenser. Man wirft ein Buch auf den Markt, schnell hingeschrieben, hastig lektoriert (wenn überhaupt), eiligst gedruckt und schleunig und billig verkauft. Es kostet nur 12 Euro und das können die Käufer verschmerzen, wenn sie das Buch nach wenigen Minuten in den Abfall, zu den verschimmelten Gurken, werfen

 

Michel Friedman – 7. Oktober 2023 – JUDENHASS, Berlin Verlag, 104 Seiten, 12,–€, ISBN 9 783827 015150

Die Dummheit der Menschen ist grenzenlos.

24.12., Heiliger Abend 2023, von Abraham Melzer

Als wir verfolgt wurden, sah die Welt zu und schwieg. Als meine Großeltern in Auschwitz ermordet wurden, hat es kaum jemand erfahren. Die Mächtigen der Welt im Osten wie im Westen wussten es und schwiegen. Die Menschen in Ost und West wussten es nicht. Es gab damals kein Fernsehen und kein Facebook.

Heute werden Palästinenser (und auch Ukrainer) verfolgt, gedemütigt und ermordet. Alle wissen es. Die ganze Welt konnte zusehen wie palästinensische Terroristen mehr als tausend jüdische Israelis brutal am 7. Oktober ermordet haben und seitdem sieht die ganze Welt zu, wie Israelis inzwischen 20.000 Palästinenser, darunter mehr als 7000 Kinder, bestialisch ermordet haben und weiter ermorden, da die UN nicht beschließen konnte, wegen eines Vetos der US, dass das Morden aufhören muss.

Theodor Herzl, der Gründer der zionistischen Bewegung, träumte von einem jüdischen Staat, der wie alle anderen Staaten sein sollte, in dem Polizisten und Kriminelle Juden sind. Nun gibt es einen jüdischen Staat in dem Polizisten kriminell sind und Palästinenser verfolgen und Kriminelle im Parlament und in der Regierung sitzen. So sind die Juden zwar nicht so geworden wie alle Völker, aber wie die Nazis. Die Welt schaut, wie die Juden rasen und morden und wer weiß, was die Regierenden bei uns sich denken. „Sollen doch die Juden so weiter machen. Danach werden sie uns nie mehr Moral predigen können.“

Das hat schon vor mehr als zweihundert Jahren Heinrich Heine vorausgesehen. Er schrieb sein berühmtes Gedicht An Edom:

Ein Jahrtausend schon und länger,
dulden wir uns brüderlich,
Du, du duldest, dass ich athme,
dass du rasest, dulde ich.
Manchmal nur, in dunklen Zeiten
Ward Dir wunderlich zu Muth,
und die liebesfrommen Tätzchen,
färbten sich mit meinem Blut.
Jetzt wird unsere Freundschaft fester,
und noch täglich nimmt sie zu;
denn ich selbst begann zu rasen,
und ich werde fast wie du.

Wie konnte Heinrich Heine so weit vorausblicken? Wie konnte er die deutsch-israelische Freundschaft im Zeichen der „Raserei“ ahnen? Wie konnte er wissen, dass die Juden einst so werden wie die Deutschen?

Als die Welt nach dem Zweiten Weltkrieg erfahren hat was die Nazis getan haben, beschloss man in der UNO die Juden zu entschädigen, um das eigene Gewissen zu beruhigen. Man schenkte den Juden ein Land, welches der UNO nicht gehörte. Es war nicht das Land der Täter, nicht Hessen, Baden-Württemberg oder Schleswig-Hollstein. Es war das Land der Palästinenser, die plötzlich zu den Juden der Juden wurden.

Die Palästinenser haben keine sechs Millionen Juden ermordet. Sie haben keine Juden ermordet und wenn sie Juden getötet haben, so doch nur weil sie sich verteidigen mussten. Sie mussten mit ihrem Land zahlen für die Verbrechen der Deutschen. Der falsche Slogan der Zionisten „Ein Land ohne Volk für ein Volk ohne Land“ war eine perfide Lüge. Im Land lebten Menschen, deren einziges Verbrechen es war, dass sie keine Juden waren. Dabei waren die Juden auch keine Juden, aber das ist eine andere Geschichte.

Wird die UNO demnächst, wenn die Kämpfe und Massaker in Gaza beendet sein werden, den Palästinensern auch ein Land schenken? Das fordern die Palästinenser nicht, wie es seinerzeit die Juden gefordert haben. Sie sind bescheidener. Sie wollen kein Land geschenkt bekommen. Sie wollen ihr Land zurückhaben. Und sie sind sogar bereit auf mehr als die Hälfte zugunsten der Juden zu verzichten.
Aber wird die UNO, die Welt damit einverstanden sein. Wird die USA wieder Veto einlegen, obwohl die UNO schon einmal gezeigt hat, dass sie ein Land verschenken kann, dass ihr nicht gehört.

Und wir in Deutschland verstecken uns hinter den USA und stimmen nicht für die Palästinenser. Wir unterstützen nicht die schwächeren und unterdrückten Palästinenser und debattieren sinnlos, unnötig und unwissend über einen mehr als hundertjährigen Konflikt um Land und Freiheit. Und alle, die es sich leicht machen, keine Ahnung haben und dumm sind, rufen: Haltet den Dieb, er ist ein Antisemit!

Statt sich um das Schicksal der Menschen zu kümmern, diskutiert man seit Jahren über einen kaum noch vorhandenen Antisemitismus und bezeichnet jede noch so berechtigte Kritik an der Politik des Staates Israel als Judenhass bzw. Antisemitismus. Dabei bedeutet doch Antisemitismus: Juden unbegründet hassen, nur weil sie Juden sind. Nicht mehr und nicht weniger.

Wenn aber die Palästinenser jüdische Israelis hassen, dann ist es doch nicht unbegründet. Immerhin haben die Juden ihr Land besetzt und sie vertrieben und zu Flüchtlingen gemacht, ohne auch nur daran zu denken, sich deswegen zu entschuldigen, oder Schadenersatz anzubieten. Die Deutschen haben den Juden immerhin eine „Wiedergutmachung“ gezahlt. Es ist zwar nichts wiedergutgemacht worden, und reichte nicht vorne und hinten, aber immerhin.

Und was, Gott behüte, wenn tatsächlich eine halbe Million Palästinenser in Gaza an Hunger und Durst und an Mangel an Medikamenten sterben werden. Wer wird das den Israelis verzeihen können? Wie werden die Israelis danach leben können. Und wie werden wir Juden, die wir keine Israelis sind, damit leben können?

Wer kein Gewissen hat, der wird überleben. Was aber mit denen, die ein Gewissen haben? Sie werden in der gleichen Lage sein, wie unzählige Deutsche mit rechtem Gewissen, die nach der Shoa damit leben mussten oder damit nicht leben konnten.

Wie schaffe ich es meine israelischen Freunde und Familienmitglieder, meine Schwester und meinen Bruder, zu überzeugen innezuhalten, umzukehren und die Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal der Nachbarn zu beenden. Wir sind alle Kinder dieser Erde, die uns allen gehört bzw. nicht gehört. Ich höre dauernd im Radio, dass der Krieg im Nahen Osten und in der Ukraine nicht aufhört. Was erwarten noch Putin und Netanjahu von diesem Krieg? Mehr Sicherheit und mehr Land? Es sterben in Gaza Palästinenser und Israelis, so viele wie nie zuvor. Wie werden diese zwei Völker nebeneinander weiterleben können? Sie sind dabei sich gegenseitig abzuschaffen. Hass ist keine Grundlage für Frieden.

Ich frage mich ob nur ich das sehe, weil um mich herum alle schweigen. Kinder sterben, unsere Zukunft stirbt und wir sind nicht in der Lage es zu beenden. Wie sind wir abgestumpft. Am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts gab es so viel Hoffnung, dass die Welt besser wird. Wohin ist diese Hoffnung verschwunden? Wir stehen fassungslos vor der Klimakatastrophe und dem Sterben der Natur und noch fassungsloser stehen wir vor dieser Dummheit der Menschen, die glauben mit Krieg eine bessere Welt zu schaffen.

Wie sagte Alber Einstein: Die Dummheit der Menschen und die Weite des Weltalls sind unendlich groß. Beim Weltall bin ich mir aber nicht sicher.

Reden ist Silber, aber Schweigen ist Gold

Die Worte des Vorsitzenden Joseph Schuster

Abraham Melzer, 17.12.2023

„Wir wollen frei leben in Deutschland, unserem Land.“ Mit dieser Lüge beendet Schuster sein Gemeindetags-Rede. Und diese Worte sind geheuchelt und eine Lüge. Die Juden in Deutschland bekennen sich nicht zu Deutschland. Sie wollen nicht deutsche Juden sein und betrachten deshalb Deutschland nicht als ihr Land. Sie sind nur Juden in Deutschland. Schon Charlotte Knobloch, die Vorgängerin von Schuster im Zentralrat, hat bei öffentlichen Kundgebungen voller Emotion und Leidenschaft bekannt, dass ihr Herz in Israel begraben ist.
Die Juden in Deutschland, die keine deutsche Juden sein wollen, betrachten sich mehr als Israelis und Israel betrachtet diese Juden auch als Vertreter Israels, die jederzeit nach Israel einwandern können. Bei der Einreise bekämen sie sofort ihren israelischen Personalausweis.
Juden in Deutschland bedeutet für ewig ein Gast in diesem Land zu sein, nicht dazuzugehören und ewig auf gepackte Koffer zu sitzen. Die Heimat dieser Juden ist offensichtlich nicht Deutschland, sondern die Heimatlosigkeit, weil sie auch noch keine vollwertigen Israelis sind. Jetzt, nach dem 7. Oktober sind sie es erst recht nicht mehr, denn welcher Jude will noch nach Israel auswandern, das zurzeit unsicherste Land für Juden weltweit? Ich kenne wenige Juden, die in Deutschland ihr Land sehen. Es fällt ihnen immer noch schwer zu sagen, dass sie Deutsche sind. Sie sind eben nur Juden in Deutschland, wie es Italiener, Spanier und Türken in Deutschland auch sind, obwohl ich inzwischen Türken kenne, für die Deutschland das Heimatland geworden ist.

Joseph Schuster meint, dass in diesem „aus den Fugen geratenen Land“, etwas nicht stimmt, wenn nach dem Horror des 7. Oktobers zahlreiche Menschen mit arabischem Migrationshintergrund auf die Straße gehen und diesen barbarischen Akt des Terrors feiern. Was erwartet denn dieser gehirngewaschene Zentralratsvorsitzende von den arabischen Bürgern dieses Landes? Dass sie mit ihm und den Israelis trauern? Für die Palästinenser in diesem Land, die sich mit Palästina genauso identifizieren, wie Schuster mit Israel, war es ein Tag der Befreiung , ein Tag, der der Welt gezeigt hat, dass sie noch leben und sich verteidigen können, wenn auch mit bestialischer Gewalt. Diese Gewalt und dieser Widerstand kamen und kommen nicht, wie der UN-Generalsekretär Gutteres gesagt hat, aus einem „luftleeren Raum“. Diese Gewalt hat eine lange Vorgeschichte nicht nur seitens der Hamas, sondern vor allem auch seitens der Israelis. Immerhin haben die Juden fast eine Million Palästinenser aus deren Land vertrieben, und es von Palästina in Israel verwandelt. Die Hamas in Gaza ist nichts anderes als eine Organisation von Kindern und Kindeskindern dieser Erstflüchtlinge, die vor der Gründung des Staates Israel in Jaffa, Jerusalem, Ramallah und Aschkalon gelebt hatten.
Natürlich war es eine bestialische Tat, aber schon Franz Fanon hat in seinem Buch „Die Verdammten dieser Erde“ aus den 40er Jahren des vorigen Jahrhunderts vorausgesagt, dass die unterdrückten Völker eines Tages aufstehen und ihre Unterdrücker bestialisch ermorden werden. Das ist jetzt in Gaza passiert und es war zu erwarten, wenn man bedenkt, was Israel in den letzten Jahrzehnten den Palästinensern alles angetan hat und immer noch antut.
Schuster meint, dass das Leugnen des Existenzrecht Israels gesetzlich unter Strafe gestellt werden müsste. Aber er bedauert, dass er auf der Justizministerkonferenz miterleben musste, dass es für diesen klaren Schritt keine Mehrheiten gibt. Wie gut, dass wir uns in unserem Land immer noch auf die Justiz verlassen können, die erkannt hat, was für ein unsinniger und demokratiefeindlicher Gedanke bzw. Vorschlag das war. Wie gut, dass wir ein Grundgesetz haben, in dem in Artikel 5 steht: Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten. Eine Zensur findet nicht statt.

Das Existenzrecht Israels lässt sich nicht mehr leugnen. Israel existiert und soll auch weiter existieren, aber im Einklang mit den Bestimmungen des Völkerrechts. Es kann und darf nicht sein, dass Israel sich darauf beruft von der UN-Vollversammlung gegründet worden zu sein, dass es aber seither sich nicht mehr an UN-Resolutionen hält, und solche missachtet und verachtet. In Israel gilt immer noch David Ben-Gurions Bonmot: Um Schmum (auf Deutsch: Die UNO ist nichts wert.)

Besonders bizarr wird Schuster, wenn er behauptet, dass Israel und die Hamas keine gleichzusetzenden Konfliktparteien sind. „Die Hamas ist eine barbarische Terrororganisation und Israel ist als einzige Demokratie im Nahen Osten ein Vorposten der westlichen Freiheit.“
Man kann es aber auch anders sehen, nämlich so: Die Hamas ist eine Befreiungsorganisation, die für die Befreiung und Freiheit der Palästinenser kämpft. Sie hat weder Panzer noch Kampfflugzeuge. Sie kämpft deshalb mit den Mitteln, die Befreiungsorganisationen, die gegen staatlichen Terror kämpfen, zur Verfügung haben. Vor der Gründung des Staates Israel hat die jüdische Organisation Irgun, unter dem späteren Ministerpräsidenten Menachem Begin, auch mit Mitteln des Terrors gekämpft. Als diese Untergrundorganisation das King David Hotel in Jerusalem sprengte, gab es genauso Tote und Verwundete, nicht nur unter den britischen Besatzern sondern auch unter Zivilisten.
Untergrundorganisationen können noch so brutal und rücksichtslos sein. Sobald sie aber die Macht übernommen haben, werden sie rehabilitiert. Ihre Anhänger werden mit allen Ehren überall auf der Welt empfangen.

Und Schuster fährt fort: „Deutschland muss fest an Israels Seite stehen. Das Land gleicht dem unseren in Herrschaftssystem und Gesellschaftsform so wie kein anderes in der Region.“
Auch das ist eine lächerliche und absurde Behauptung. Natürlich gibt es in der Region kein Land, das unserem gleicht. Es sind ja alle, Syrien, Ägypten, Jordanien, Saudi-Arabien autoritäre Staaten, Diktaturen, die man mit einer Demokratie nicht vergleichen kann. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass Deutschland dem rechtsradikalen, rassistischen und kolonialistischen Regime in Israel gleicht. Unser „Herrschaftssystem“ ist eine pluralistische Demokratie und unsere Gesellschaftsform ist der israelischen nicht im Geringsten gleich. Israel ist angeblich die einzige Demokratie im Nahen Osten, weil alle Nachbarstaaten keine Demokratien sind.
Aber auch das ist ein „Narrativ“. Israel war von Anfang an keine echte Demokratie. Die nichtjüdischen Bürger haben nicht die gleichen Rechte wie die Juden. Die arabischen Bürger sind von Anfang an Bürger zweiter oder gar dritter Klasse gewesen. Sie genießen von Beginn weg nicht die gleichen Rechte wie die jüdischen Bürger. Das sollte man nicht vergessen.
Und Schuster beendet seine inhaltslosen und peinliche Ausführungen mit den unaufrichtigen Worten: „Wir glauben gemeinsam an die Freiheit des Einzelnen, die Liberalität der Gesellschaft und, dass die Würde des Menschen über allem steht.“
Das glauben wir für wahr in Deutschland. Aber er sagt es, weil er Deutschland mit Israel gleichstellt und damit behaupten will, dass Israel und Deutschland gleiche Werte hätten. Mitnichten! Israel glaubt an die Freiheit des Einzelnen, sofern er Jude ist. Nichtjuden genießen in Israel keine Freiheit. Und die Gesellschaft in Israel ist weit davon entfernt liberal zu sein. Die Würde des Menschen steht in Deutschland über allem, nämlich in Artikel 1 des Grundgesetzes. In Israel wird die Würde des nicht-jüdischen Menschen mit braunen Militärstiefel getreten. Für mehr als die Hälfte der Israelis können die Palästinenser gar keine Würde haben. Israels Verteidigungsminister Gallant nannte sie „Tiere“.
Und das ist auch der Kern des Problems. Israelis hassen die Palästinenser nicht so sehr, als wie sie sie verachten. Und die Juden in Deutschland, oder zumindest deren Repräsentanten, machen es ihnen nach. Sie haben ohnehin schon wenig Respekt vor Nichtjuden, und so verachten sie erst recht arabischstämmige Einwanderer und Bürger.
Mit ungewöhnlicher Bosheit und Chuzpe verkündete Schuster auf diesem jüdischen Gemeindetag in seiner Eröffnungsrede, die ich schon gründlich kritisiert habe, dass „wer Juden hasse, herzlich eingeladen sei, unser Land zu verlassen.“ Was hat in diesem Zuzsammenhang das Wort „herzlich“ zu suchen? Dieser Wunsch kommt doch nicht vom Herzen, sondern aus der bitteren Galle. Dieser Wunsch kann doch nicht herzlich, sondern nur gallig, also hassbeseelt und verächtlich sein. Wo gibt es in diesem Land ein Gesetz, das den Bürgern vorschreibt Juden zu lieben? Wollen denn die Juden, die sich als Fremde im eigenen Land fühlen, eingeborenen Deutschen, die vielleicht auch Juden nicht lieben oder gar hassen, auffordern das Land zu verlassen? Unser Grundgesetz verlangt die Würde des Menschen zu achten, es verlangt aber nicht, jeden und jede zu lieben oder nicht zu hassen. Und wie ist es mit den Juden, die Araber hassen? Sollen diese auch „unser“ Land verlassen?
Ich wundere mich über die Dummheit eines Präsidenten der Juden in Deutschland, der als Jude in Deutschland, andere Bürger „einlädt“ (eigentlich „auslädt“), selbst wenn sie Deutsche sind, das Land zu verlassen. Vielleicht will er sie sogar aus dem Land zu verjagen, nur weil sie Juden nicht mögen. Wie viele der Juden in Deutschland mögen keine Palästinenser, Sinti und Roma, Schwarze Menschen oder gar gebürtige Deutsche? Sollte man sie auch „herzlich“ einladen „unser“ Land zu verlassen?
Nicht nur die Gedanken sind frei, auch die Gefühle und Neigungen. Solange die Menschen nicht gewalttätig werden und Juden töten, nur weil sie Juden sind, hat jeder das Recht in diesem Land zu leben, der sich an die Gesetze hält und seine Steuern bezahlt. Schuster sollte lieber schweigen, denn Reden ist zwar allgemein Silber, bei Schuster allerdings nur Blech, weswegen sein Schweigen Gold wäre. Deshalb meine ehrliche und freundliche Empfehlung: „Schuster bleib bei deinen Leisten“.

Von Kischinew nach Gaza

JAKOW M. RABKIN12/13/2023

Pogrom. Dieser russische Begriff bezeichnet einen gewalttätigen Aufruhr, der mit dem Ziel angezettelt wird, Juden zu massakrieren und ihr Eigentum zu zerstören. Eines der tödlichsten Pogrome (50 Juden wurden getötet und fast 600 verwundet) ereignete sich vor Hundertzwanzig Jahren, im April 1903, in Kischinew. Aber das Trauma der russischen Zionisten, die vor über einem Jahrhundert mit der Unterdrückung im zaristischen Russland konfrontiert waren, prägt weiterhin die politische Kultur Israels.

Das russische Wort wurde von Israelis häufig verwendet, um den Angriff der Hamas auf Südisrael im Oktober 2023 zu charakterisieren. Es war auch schon vorher verwendet worden. Zum Beispiel setzte ein israelischer General es einige Wochen zuvor ein, als bewaffnete zionistische Siedler das palästinensische Dorf Huwara im besetzten Westjordanland angriffen. Diese Angriffe haben sich seitdem verschärft. Der Begriff scheint passend, da bewaffnete israelische Bürgerwehren unbewaffnete Zivilisten angriffen.

Die Verwendung dieses Begriffs für den Hamas-Angriff hat jedoch eine Debatte ausgelöst. Einige argumentieren, dass die Hamas die Operation als Akt des Widerstands gegen einen der am besten bewaffneten Staaten der Welt durchgeführt hat. Sie würden den Anschlag nicht als Pogrom bezeichnen, weil er sich letztlich gegen einen mächtigen Staat richtete, der ein System durchsetzte, das von seinen Opfern als unterdrückerisch und illegitim angesehen wurde. Andere betonen die rein zivilen Ziele des Angriffs wie das Musikfestival, was die Verwendung des russischen Wortes rechtfertigen könnte. Sie führen den Angriff der Hamas eher auf Antisemitismus, d.h. unmotivierten Hass, zurück, als dass sie darin eine Reaktion auf Jahrzehnte des Leidens und Elends sehen, die der zionistische Staat angerichtet hat.

Innerhalb des Staates Israel hat sich der Begriff jedoch trotz seiner gewaltigen militärischen Macht, einschließlich Atomwaffen, durchgesetzt. Es wurde behauptet, dass die Zahl der Juden, die an einem Tag bei dem Hamas-Angriff getötet wurden, die höchste seit dem Völkermord der Nazis war. Damit wurde eine direkte Linie zum nationalsozialistischen Völkermord gezogen und der Eindruck erweckt, dass die Juden dem „reinen, unverfälschten Bösen“, wie es der US-Präsident formulierte, wieder machtlos gegenüberstanden.

Als der UN-Generalsekretär zwei Wochen nach Beginn der israelischen Bombardierung des Gazastreifens die Welt daran erinnerte, dass der Angriff der Hamas nicht im luftleeren Raum stattgefunden hatte, forderte Tel Aviv empört seinen Rücktritt. Es gibt wenig Toleranz für jede Erwähnung der israelischen Blockade des Gazastreifens seit 2007 und, allgemeiner, der israelischen Verantwortung für die Enteignung, Deportation und Ermordung von Palästinensern seit 1947. Diese scheinen die offensichtliche Ursache des palästinensischen Widerstands zu sein. Die meisten Israelis ziehen es auch vor, die Tatsache zu ignorieren, dass die Millionen von Palästinensern, die in Gaza gefangen sind, größtenteils Nachkommen derjenigen sind, die die zionistischen Milizen und das israelische Militär aus ihren Häusern im heutigen Staat Israel vertrieben haben. Israelische Beamte und ihre Fans anderswo setzen normalerweise Arroganz und Selbstgerechtigkeit ein, um eine rationale Debatte über den Hamas-Angriff abzulehnen.

Abgesehen von den offensichtlichen politischen Absichten dieser PR-Strategie kann man eine echte Akzeptanz des Begriffs „Pogrom“ in der israelischen Gesellschaft insgesamt feststellen. Ideologisch engagierte Zionisten pflegten Pogromopfer von vor über einem Jahrhundert und Überlebende des nationalsozialistischen Genozids mit Scham und Verachtung zu behandeln. Ihnen wurde vorgeworfen, dass ihnen der Mut zum Kampf fehle, dass sie „wie Schafe zur Schlachtbank gehen“.

Haim Nahman Bialik, der später in Israel zu einer kulturellen Ikone wurde, geißelte in einem Gedicht, das nach dem Pogrom von Kischinew geschrieben wurde, die Überlebenden und häufte Schande über ihre Köpfe. Bialik schlug auf die Männer ein, die sich in stinkenden Löchern versteckten, „kauernde Ehemänner, Bräutigame, Brüder, die aus den Ritzen spähten“, während ihre nichtjüdischen Nachbarn ihre Frauen und Töchter vergewaltigten. Dieses Gedicht in der russischen Übersetzung von Vladimir Jabotinsky ist nach wie vor eine der stärksten literarischen Darstellungen des Pogroms.

Brenner, ein weiterer Dichter und wie Bialik Sohn einer frommen russisch-jüdischen Familie, wandelte den bekanntesten Vers des jüdischen Gebetbuches „Höre, Israel, Gott ist dein Herr, Gott ist einer!“ radikal um, einen der ersten Verse, die Kindern beigebracht wurden, und den letzten, der von einem Juden vor seinem Tod gesprochen wurde. Brenners revidierter Vers verkündete: „Höre, Israel! Nicht Auge um Auge. Zwei Augen für ein Auge, alle Zähne für jede Demütigung!“ Auf diese Weise schürten diese und viele andere zionistische Schriftsteller das Feuer der Rache und Gewalt. So wie der Jude in der Diaspora ein Feigling war, so muss der zionistische Jude – der neue Hebräer, der israelische Jude – ein Krieger sein.

Später wurde der Staat Israel als kollektiver Vermächtnisnehmer der Opfer des Nationalsozialismus anerkannt und erhielt wichtige finanzielle Mittel aus Westdeutschland und anderen Ländern. Gleichzeitig vollzog sich ein Wandel: Während er militärisch stärker wurde, erhob der Staat Israel den Anspruch, nicht nur als Vermächtnisnehmer vergangener Opfer anerkannt zu werden, sondern als tatsächliches kollektives und gerechtes Opfer aus eigenem Recht.

Der Eichmann-Prozess von 1961 markierte in dieser Hinsicht einen Wendepunkt. Seitdem hat der Staat Israel seine Kontinuität gegenüber den Opfern betont und die Holocaust-Forschung in die öffentliche Bildung eingeführt. Israelische Beamte argumentieren, dass ihr Land zu Unrecht als harmloser kollektiver Jude behandelt wird. Angesichts der Schande für die Massenbombardierung des Gazastreifens im Jahr 2023 begannen die israelischen Delegierten bei den Vereinten Nationen, gelbe sechszackige Sterne zu tragen, wie sie den Juden im von den Nazis besetzten Europa auferlegt wurden.

Die Behauptung, ein unschuldiges Opfer zu sein, rechtfertigt das israelische Vertrauen in militärische Gewalt. „Ein brera!“, „Wir haben keine Wahl“ ist eine gängige israelische Erklärung für Gewalt.

Jabotinsky formulierte das zionistische Konzept der Eisernen Mauer, die Araber zur Unterwerfung zu terrorisieren, und veröffentlichte es 1923 auf Russisch. Sein Konzept wird ein Jahrhundert später erneut bestätigt. Darüber hinaus erscheinen politische Kompromisse mit den Palästinensern suspekt und gefährlich. Der israelische Ministerpräsident Itzhak Rabin, der versuchte, einen solchen Kompromiss zu erreichen, wurde ermordet, was der Idee eines palästinensischen Staates neben Israel faktisch ein Ende setzte.

Die europäisch-jüdische Erinnerung an die Opferrolle wurde aufrechterhalten, gepflegt und an zukünftige Generationen von Israelis weitergegeben. Die kollektive Erinnerung an die Pogrome im Siedlungsgebiet und die Vernichtungslager in Polen wurde in israelischen Schulen eingeimpft. Alle Studenten, ob ihre Vorfahren nun unter den Nazis gelitten haben oder nicht, kommen zu dem gleichen Schluss: Araber greifen uns an, nur weil wir Juden sind. Kein Wunder, dass viele Israelis den Angriff der Hamas so sehen, was es ihnen ermöglicht, die massive Gewalt gegen die Palästinenser zu unterstützen.

Seit Oktober 2023 haben Vergleiche des palästinensischen Widerstands mit den Nazis ein neues Leben bekommen. Einer der bekanntesten Präzedenzfälle gehört Menachem Begin, der während der ersten israelischen Invasion im Libanon Arafat mit Hitler verglich. Damit sollte die massive Bombardierung Beiruts 1982 als moralisch einwandfrei erscheinen. Solche Vergleiche werden jetzt benutzt, um eine viel tödlichere Bombardierung des Gazastreifens zu rechtfertigen.

Der Staat Israel neigt auch dazu, die Palästinenser zu entmenschlichen, um das zu rechtfertigen, was viele Experten als Völkermord bezeichnen. Ein israelischer Geschichtslehrer wurde in Einzelhaft gesteckt, weil er Facebook-Posts veröffentlicht hatte, die die Namen und Gesichter einiger der 18.000 Palästinenser zeigten, die während des israelischen Angriffs auf Gaza getötet wurden. Der zionistische Staat betrachtet die Vermenschlichung der Palästinenser offenbar als existenzielle Bedrohung.

Das Paradigma des Pogroms von Kischinew wird heraufbeschworen, um einen moralischen Freibrief für die israelische Zerstörung des Gazastreifens zu geben.

Über den Autor

Yakov M. Rabkin ist emeritierter Professor für Geschichte an der Université of Montréal. Zu seinen Veröffentlichungen gehören über 300 Artikel und einige Bücher: Wissenschaft zwischen Supermächten, Eine Bedrohung von innen: Ein Jahrhundert jüdischer Opposition gegen den Zionismus, Was ist das moderne Israel?, Demodernisierung: Eine Zukunft in der Vergangenheit und Judaïsme, islam et modernité. Er war als Berater u.a. für die OECD, NATO, UNESCO und die Weltbank tätig. E-Mail: yakov.rabkin@umontreal.ca. Webseite: www.yakovrabkin.ca

Nichts wird mehr so sein wie vorher

Abraham Melzer, 14.12.2023

Am 7. Oktober 2023 hat die Hamas Siedlungen im Umkreis von Gaza angegriffen und mehr als 1200 Israelis getötet und 240 Geiseln entführt. Nichts wird mehr so sein wie vorher. Aber ganz schlimm wäre es, wenn alles so weitergehen wird, wie bisher.
Natürlich war die Tat der Hamas bestialisch, unmenschlich und nicht akzeptabel. Aber es gibt ein „aber“. Man muss endlich auch das Leid der Palästinenser sehen. Auch sie erwarten Solidarität und Mitgefühl. Bei aller Verpflichtung zur Solidarität mit Israel schaffen es unsere Politiker nicht mal, einen Satz der Empathie für die Menschen in Gaza aufzubringen. Sie schweigen zur Abschlachtung von palästinensischen Zivilisten, Frauen und Kinder durch technische Distanzwaffen. Viele Menschen in Deutschland schockierte die Tat der Hamas, weil man die Leichen zählen kann. Die Leichen nach einem Raketenangriff der Israelis sind in ein Nichts verschwunden.
Es ist leider doch so, wie es Guterres gesagt hat: Die bestialische Tat der Hamas geschah nicht in einem luftleeren Raum. Sie hat eine lange Vorgeschichte, für deren frühere Folgen sich die Weltgemeinschaft nie gekümmert hat.
Viele Palästinenser schweigen. Sie haben Angst, dass ihre Worte verdreht und als antisemitisch interpretiert werden. Sie verzweifeln an der innerdeutschen Debatte, die sich an abstrakten Begriffen aufhält, während in Gaza Menschen verhungern und verdursten.
Ein Engagement für Menschenleben in Gaza ist nicht, kann nicht und darf nicht als antisemitisch diskreditiert werden. Es wäre eine zynische und perfide psychologische Manipulation mit dem Zweck, uns hier in Deutschland unseren moralischen Kompass verlieren zu lassen.
Man will uns komplett aus dem Diskurs heraushaben. Dazu benutzt man die Angst in Deutschland, als Antisemit diffamiert und diskreditiert werden zu können.
Seit 3 Generationen vegetieren die Menschen in Gaza in einem „Freiluftgefängnis“. Wobei es grundsätzlich nicht um Gaza geht, sondern um Palästina. Die Besatzung, über die nicht gesprochen wird, in keiner der Talkshows, ist der „Elefant im Raum“. Die Besatzung ist das Problem und sonst nichts. Man kann nicht ein Volk länger als 55 Jahren in Gefangenschaft halten, unterdrücken, demütigen, berauben, vergewaltigen und sich sein Land Stück für Stück aneignen und glauben, dass es für ewig so weitergehen kann.
Das geht so nicht mehr weiter. Die Tat vom 7.10. ist eine Zäsur und vor allem eine Warnung. Wenn die Israelis und die sogenannte demokratische Welt diesen Aufschrei nicht verstehen will, dann wird es noch schlimmer kommen.
Man solle sich in die Lage eines Palästinensers in meinem Alter versetzen. Ich bin 78 Jahre alt. Mein gleichaltriger Palästinenser war noch nie in seinem Leben frei. Er hat noch nie etwas anderes erlebt und gesehen als israelische Soldaten, nie etwas anderes erlebt als Unterdrückung, Demütigung, Checkpoints und Straßen nur für Juden. Und wenn er das ertragen konnte, so wollen seine Kinder und Kindeskinder es nicht mehr erdulden. Und sie haben recht.
Die Hamas muss vernichtet werden, weil die Hamas nicht nur der Feind Israels, sondern vor allem auch der Feind der Palästinenser in Gaza und in der Westbank ist. Die Frage ist nur wie man die Hamas vernichtet, ohne tausende Zivilisten zu töten und die Infrastruktur vollkommen zu zerstören. Gaza ist heute schon mehr zerstört als deutsche Städte nach dem Zweiten Weltkrieg.
Israel hat die Hamas mit-gegründet und ist heute nicht in der Lage, die Hamas zu besiegen. Aber die Bewohner von Gaza könnten das. Die internationale Gemeinschaft müsse Israel jetzt dazu drängen, die Besatzung zu beenden. Ansonsten wird der Konflikt sich nur verschärfen. Die Menschen in Gaza würden noch radikaler werden und nach ein, zwei Jahren werde es die nächste Runde geben. Es wird nie aufhören, solange die Besatzung nicht endet.
Es ist zynisch zu behaupten, dass der Krieg Israels ein Verteidigungskrieg ist. Es ist ein Vernichtungskrieg gegen die Hamas und gegen die Zivilbevölkerung. Israels Ziel ist es Gaza zu zerstören und für immer oder zumindest für lange Zeit unbewohnbar zu machen. Was vor den Augen der ganzen Welt stattfindet ist ein Rachefeldzug bzw. ein Vergeltungskrieg, wie es die Israelis nennen, und nicht das, was uns permanent eingetrichtert wird, ein „Selbstverteidigungskrieg“.
Und deshalb graust mich die Aussage von Bundeskanzler Olaf Scholz, dass „Israel ein demokratischer Staat mit sehr humanitären Prinzipien sei und die israelische Armee sich an die Regeln des Völkerrechts halten werde.“
Ich spreche zu Ihnen nicht als jemand, der sein Wissen aus der Presse oder Talkshows hat, in denen so viele inkompetente Experten dummes Zeug reden. Ich spreche zu Ihnen als jemand, der in Israel aufgewachsen ist und in der israelischen Armee gedient hat und mit eigenen Augen viel Unrecht gesehen hat.
Wenn Israel so weiter macht, werden neue palästinensische Terroristen wachsen und aus Erfahrung wissen wir, dass jede neue junge Generation Palästinenser radikaler und rücksichtsloser war. Und auch wenn man nicht damit einverstanden ist, so muss man es zur Kenntnis nehmen, dass junge Palästinenser, die ohne Hoffnung auf ein freies und unabhängiges Leben aufwachsen, bereit sind ihr Leben zu opfern, weil sie nichts zu verlieren haben außer ein Leben, dass für sie kaum lebenswert ist.
Aber es gibt ein „aber“. War die Tat nur deswegen bestialisch, unmenschlich und inakzeptable, weil sie quasi von Hand vollbracht wurde, während man von Israel aus mit hochtechnischen Waffen viel mehr Menschen tötet? Oder weil sie an jüdischen Menschen begangen wurde, während die Palästinenser von den Israelis und ihren Freunden als „Tiere“ angesehen werden.
Alle reden von einer bestialischen Tat, keiner kommt auf die Idee, dass es vielleicht eine verzweifelte Tat war, die weniger dazu dienen sollte Israel zu besiegen, als die Welt aufzuwecken und daran zu erinnern, dass es sie, die Palästinenser noch gibt. Die Welt und vor allem die Israelis schienen die Palästinenser zu vergessen und sich auf das große Geschäft mit den Golfstaaten und vor allem Saudi-Arabien zu konzentrieren. Das hat ihnen die Hamas jetzt verdorben.
Man kann nicht jahrelang behaupten, dass man in der Lage ist den Konflikt zu verwalten, ohne den Palästinensern nur einen Millimeter entgegenzukommen.
Ich will nicht Tote Israelis gegen tote Palästinenser aufrechnen, aber ich will darauf aufmerksam machen, dass es in diesem Konflikt, wie in jedem anderen Konflikt, zwei Seiten gibt. Und dass es in diesem Krieg keine Sieger, sondern nur Verlierer geben wird. Schaut deshalb auf beide Seiten und nicht nur auf Israel.
Völker der Welt, Menschen in Deutschland, schaut auf diese zerstörte und gequälte Stadt, lasst nicht zu, dass sie stirbt.
Netanjahu und sein Kriegskabinett wollen, dass die Menschen von Gaza von selbst fliehen, sozusagen freiwillig. Aber das haben sie schon über den Krieg von 1948/49 verbreitet. Und es war eine Lüge. Kein Mensch verlässt freiwillig seine Heimat, sein Zuhause, sein Grundstück, sein Land. Was hier geschieht ist eine erneute Ethnische Säuberung.
Yoav Gallant, Israels Verteidigungsminister: „Ich habe eine vollständige Belagerung des Gazastreifens angeordnet. Es wird keinen Strom geben, keine Lebensmittel, keinen Treibstoff, alles ist geschlossen. Wir kämpfen gegen menschliche Tiere, und wir handeln entsprechend.“
Danny Ayalon, israelischer Diplomat, ehemaliges Mitglied der Knesset und ehemaliger stellvertretender Außenminister, gab zu, dass Israel die Zivilbevölkerung in Gaza aus Rache aushungert.
Yisrael Katz, der israelische Energie- und Wasserminister kündigte am 7. Oktober an, dass Israel die Stromlieferungen in den Gazastreifen einstellen wird: ”Sie werden nicht einen Tropfen Wasser oder eine einzige Batterie erhalten, bis sie die Welt verlassen.”
Tsachi Hanegbi, Vorsitzender des Rates für nationale Sicherheit: „Mit einem Feind, den wir auslöschen wollen, wird es keine Verhandlungen geben.“
Es geht also um aushungern, liquidieren und vernichten – unwidersprochen von Ministerpräsident Netanyahu, mithin weist alles darauf hin, dass Völkermord offizielle Politik der israelischen Regierung ist – bestätigt von Netanyahu selber: „Ich sage den Bewohnern des Gazastreifens: Verschwindet jetzt von dort, denn wir werden überall und mit aller Kraft handeln.“
Um das Maß voll zu machen: Auf der größten Autobahn in Tel Aviv hängen Schilder, auf denen steht: „Der Sieg sieht aus wie 0 Menschen in Gaza“ und „Gaza zerstören“.
Kriegsverbrecher gibt es in jeder Armee, auch in der israelischen Armee, der angeblich „humansten Armee der Welt“. Die Kriegsverbrechen in den diversen Gaza-Operationen bzw. Kriege sind durch die UNO gut dokumentiert. Die Israelis ignorieren es aber und behaupten es sei Antisemitismus. So wird Richard Goldstone, der den Bericht über den Gazakrieg von 2008 zu verantworten hat, von der israelischen Regierung als Antisemit diffamiert, obwohl er Jude ist.
Es wird behauptet, dass die Hamas auch die eigene Bevölkerung terrorisiert. Dennoch ist sie für viele Palästinenser wichtig, weil sie ihr Selbstbewusstsein stärkt. Allerdings bin ich überzeugt: Sobald die palästinensische Bevölkerung nicht mehr auf die Hamas angewiesen sein wird, wird sie die Hamas auch nicht mehr unterstützen. Die Menschen sind nicht blind und nicht blöd. Sie sehen, welchen Schaden die Hamas anrichtet. Man kann aber die Hamas nicht mit Bomben besiegen. Hamas ist eine Ideologie. Ideologie lässt sich nur besiegen, wenn sie irrelevant geworden ist, wenn Gaza nicht mehr besetzt ist, wenn die Bewohner dort frei leben können ohne Angst zu haben in der nächsten Minute getötet zu werden, wenn der internationale Flughafen wieder eröffnet wird und sie überall dorthin fliegen können, wohin auch Israelis hinfliegen – wenn man in Gaza also wieder halbwegs normal leben kann. Dann werden sich viele Palästinenser von der Hamas abwenden, von der Ideologie der Hamas. Und das ist viel nachhaltiger, als wenn die Hamas militärisch besiegt würde.
Netanjahu ist es, der die Hamas regelrecht hochgezüchtet und die Autonomiebehörde um Abbas geschwächt hat, um dann ein ums andere Mal sagen zu können: Wir haben keinen Partner für den Frieden. Netanjahu trägt auch die volle Verantwortung dafür, dass sich die Israelis wieder existenziell gefährdet fühlen, obwohl sie es nicht sind. „Die Schoa hat uns nie verlassen“, sagen heute viele Israelis. Und viele Palästinenser sagen: „Die Nakbah hat uns nie verlassen.“
Viel spricht dafür, dass die Netanjahu-Regierung diesen Krieg politisch nicht überleben wird. Deshalb muss auch unsere Regierung jetzt aufhören mit den heuchlerischen, leeren und peinlichen Behauptungen „Israels Sicherheit sei Staatsräson“ oder „Wir stehen hinter Israel.“ Hinter welchem Israel denn? Hinter Netanjahu, Ben-Gvir und Smortisch? Alle drei vorbestrafte oder vor Gericht stehende Kriminelle.
Wir müssen aufpassen, dass es in Israel keinen totalen Rechtsruck gibt, aber auch bei uns in Deutschland besteht die Gefahr. Das ganze Gerede von und über Antisemitismus ist verlogen, heuchlerisch und beunruhigend. Juden brauchen keine Angst zu haben in Deutschland und sie sollen sich das nicht einreden lassen, weder von dummen Antisemitismusbeauftragten noch von ihren eigenen Repräsentanten.
Deutschland hat die falsche Lektion aus der Geschichte gelernt. Bei den Treffen der EU-Außenminister waren es die Deutschen, die die kleine Minderheit anführte, um eine Forderung nach einem Waffenstillstand zu blockieren. Deutschland hat in Gaza versagt. Es schweigt zum Recht der Palästinenser auf Leben, oder es stellt sich tatsächlich nur auf die Seite der Juden.
Wenn ich höre „Nie wieder“, dann möchte ich glauben, dass Deutschland nie wieder an einem Völkermord mitschuldig sein darf. Aber durch sein Schweigen macht sich Deutschland mitschuldig und merkt es nicht oder will es nicht merken.
Israelis und Palästinenser versinken gerade im Schmerz, sie sind außerstande das Leid der anderen nachzuempfinden oder anzuerkennen. Aber von Außenstehenden wie etwa Deutschland erwarte ich: Seid nicht ängstlich. Seid nicht denkfaul. Seid auch emotional, aber schaut nicht nur auf eine Seite dieser schrecklichen Realität. Deutschland muss endlich erwachen und das machen, was man Realpolitik nennt. In der Politik handelt man immer nur nach Interessen, nicht nach Moral. Es ist aber wünschenswert, wenn Moral und Interessen parallel laufen. Unser Interesse muss es sein Frieden im Nahen Osten zu stiften, koste es was es wolle, und dabei ehrlich und fair gegenüber beiden Seiten zu sein.
Und der Ausweg für Israel bleibt von Anfang an derselbe: ein Regimewechsel in Israel, der gleiche Rechte für alle Bürger bringt, Juden, Moslems oder Christen. Andernfalls wird der Kreis des Blutvergießens nicht enden.
Die Verbotskultur im Bereich Juden, Antisemitismus und Israel muss aufhören. Es geht nicht, dass Bürokraten, Funktionäre, die von der Sache keine Ahnung haben, bestimmen, wer Antisemit ist und wer nicht und noch weniger geht es, dass diese Personen uns Juden sagen, dass wir antisemitische Juden seien.
Unser Grundgesetz sagt in Artikel 5: Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten. Eine Zensur findet nicht statt.

Wir müssen aber feststellen, dass der Staat durch seine Gerichte uns vorschreiben will, was wir auf Demos und Kundgebungen sagen dürfen und was wir nicht sagen dürfen. Findet etwa eine Zensur doch statt? Das Oberverwaltungsgericht in Hessen hat jüngst bestimmt, dass man zum Beispiel sagen darf: KINDERMÖRDER ISRAEL. Man darf aber nicht sagen: FROM THE RIVER TO THE SEA PALÄSTINA WILL BE FREE. Was ist das für eine Meinungsfreiheit?
KINDERMÖRDER ISRAEL ist meiner Meinung nach pure Hetze. Und das wird erlaubt. Der harmlose Satz „from the River to the Sea“, der ja auch von pro-israelischen Demonstranten benutzt wird, um die Existenz Palästinas zu negierern, wird aber verboten. Aber es wird nur pro-palästinensischen Demonstranten verboten, nicht den pro-israelischen.
Bei den Gerichten und in den Ministerien sitzen naive und in dieser Debatte überforderte Beamte, die vielleicht Recht wollen, aber Unrecht schaffen.

Das muss kritisiert und verurteilt werden und wer kann und soll das besser machen als ich. Mir kann keiner vorwerfen ich sei ein Antisemit. Und wenn Charlotte Knobloch das macht, dann fällt es auf sie zurück.
Deutschland muss sich mit dem Israel von 1967 solidarisieren und diese Grenzen und damit gleichzeitig einen palästinensischen Staat endlich anerkennen. Eine Solidarität mit einer rechtsextremen Regierung, wie sie von Steinmeier, Habeck und Baerbock bekundet wurde, kann und darf es nicht geben.
„Wir sind alle Israelis“, sagte Annalena Baerbock.
Nein, sind wir nicht.
Auch ich nicht mehr.
Und deshalb verstehe ich nicht und billige auch nicht, was ein Israeli, der in Deutschland lebt, sagt: „Viele junge Deutsche sprechen von „nie wieder“, aber wissen offenbar nicht, was das bedeutet. Jetzt ist der Zeitpunkt, um mit uns Juden solidarisch zu sein. Und das tun sie nicht. In der jetzigen Situation neutral zu bleiben heiße, sich auf die falsche Seite zu stellen.“
Da irrt er sich. Sich in der jetzigen Situation für Waffenstillstand und Frieden zu sein, heißt sich auf die richtige Seite zu stellen.
Denn die Möglichkeit eines zweiten israelischen Kriegsziels wird übersehen, neben der Zerstörung der Hamas, eine weitere Nakba, also die Vertreibung der Palästinenser aus dem Gaza-Streifen.
Haben unsere Politiker mit Blick auf die doch ununterbrochen attackierte Ukraine nicht immer wieder gefordert, dass sie in ihren Verteidigungsmaßnahmen verhältnismäßig bleiben muss und sie nicht gegen die russische Zivilbevölkerung richtet? Gilt das Gebot für Israel nicht? Was ist eigentlich das strategische Ziel der israelischen Notstandsregierung? Wenn sie den Terror der Hamas mit Gegenterror bekämpft, erzeugt sie dann nicht für jeden getöteten Hamas-Terroristen ein Dutzend Nachfolger?
Seit Oktober 2023 haben Vergleiche des palästinensischen Widerstands mit den Nazis ein neues Leben bekommen. Einer der bekanntesten Präzedenzfälle gehört Menachem Begin, der während der ersten israelischen Invasion im Libanon Arafat mit Hitler verglich. Damit sollte die massive Bombardierung Beiruts 1982 als moralisch einwandfrei erscheinen. Solche Vergleiche werden jetzt benutzt, um eine viel tödlichere Bombardierung des Gazastreifens zu rechtfertigen.
Der Staat Israel neigt auch dazu, die Palästinenser zu entmenschlichen, um das zu rechtfertigen, was viele Experten als Völkermord bezeichnen. Ein israelischer Geschichtslehrer wurde in Einzelhaft gesteckt, weil er Facebook-Posts veröffentlicht hatte, die die Namen und Gesichter einiger der 18.000 Palästinenser zeigten, die während des israelischen Angriffs auf Gaza getötet wurden. Der zionistische Staat betrachtet die Vermenschlichung der Palästinenser offenbar als existenzielle Bedrohung.
Wo bleibt das biblische Prinzip „Auge um Auge, Zahn um Zahn“, das doch einmal die Eskalation bei Auseinandersetzungen verhindern sollte?
Mitten im Schmerz um die ausgelöschten Leben, um die noch immer festgehaltenen Geiseln und um die vielen durch den Krieg Entwurzelten zeigt sich immer deutlicher, dass es für keine Seite eine lebenswerte und sichere Zukunft geben kann, außer einer gemeinsamen.