von Ludwig Watzal
Israels Wirtschaftsminister Naftali Bennett, Vorsitzender der rechten Partei „The Jewish Home“, veröffentlichte in der New York Times einen Artikel, in dem er den Plan einer „Zwei-Staaten-Lösung“ als Ausweg aus dem israelisch-palästinensischen Konflikt begraben hat. Bennett gehört zu keiner radikalen zionistischen Randgruppe. Obwohl er ein Vertreter extremistischer kolonialer zionistischer Ideen ist, wird er als Nachfolger des Premierministers Netanyahu angesehen. In seiner Kolumne führt er die Politik der letzten 20 Jahre ad absurdum, die an die Oslo-Abkommen und eine Zwei-Staaten-Lösung geknüpft war. Seine Worte werden zur Zeit keine Früchte tragen, vielleicht jedoch in der Zukunft.
Das Bedrohungsszenario, das Bennett für Israel voraussagt, scheint die Konsequenz von Israels Verhalten als Besatzungsmacht zu sein: die Strangulierung des palästinensischen Volkes in den letzten 47 Jahren, die 18-jährige Besatzung des Südlibanons, seine Bombardierungen der Nachbarländer und das Töten von Tausenden der Palästinenser. Wenn Israel sich aus der besetzten Westbank zurückziehen würde, wären nicht nur der Tel Aviver Flughafen Ben Gurion und seine Börse Angriffen ausgesetzt, sondern auch die Altstadt von Jerusalem, schreibt Bennett.
Um seine Meinung zu begründen, fügt er drei Beispiele hinzu: Das Oslo-Abkommen und den Rückzug aus einigen Städten der Westbank unter Yitzhak Rabin, den Hals-über-Kopf-Abzug aus dem Südlibanon im Jahr 2000 durch die Barak-Regierung und den Rückzug aus dem Gazastreifen im Jahre 2005 unter Ariel Sharon. Laut Bennett endeten alle Rückzüge in mehr Terror gegen Israel.
Als Gunst den Palästinensern gegenüber schlägt er die Aneignung von über 61 Prozent der Westbank vor (Gebiet C, in dem nur 6 Prozent der Palästinenser leben) und als „Tüpfelchen auf dem i“ schlägt er vor, diesen die Bürgerrechte in Israel zu gewähren. Jedoch bedeutet dieses „Geschenk“ so gut wie nichts, wie die israelischen Palästinenser wissen. Nach 66 Jahren werden sie immer noch als Bürger zweiter Klasse in Israel behandelt. Zu sehen, wie die zionistische Mehrheit Azmi Bishara (ein ehemaligesKnessetmitglied) behandelt hat und Hanin Zoabi, ein jetziges Mitglied der israelischen Knesset, behandelt, das sollte ein Warnsignal für die vorgeschlagenen „neuen“ palästinensischen „Bürger“ in Israel sein.
In den letzten paar Jahren riefen palästinensische und anti-zionistische israelische und jüdische Aktivisten in der ganzen Welt zu einer „Ein-Staaten-Lösung“ auf, um den israelisch-palästinensischen Konflikt zu beenden. Sie nahmen alte bi-nationale Ideen (wieder) auf, die zur Zeit des britischen Mandates diskutiert wurden, das bis 1948 aufrecht erhalten wurde. Auf dem 12. Zionisten-Kongress von 1921 schlug der deutsche Philosoph, Martin Buber, Vertreter einer „spirituellen“ Version des Zionismus, eine Resolution vor, die die Juden dazu drängte, „Methoden der nationalistischen Herrschaft, unter denen sie selbst lange Jahre gelitten hatten“ abzuweisen sowie jeglichen Wunsch, „ein anderes Volk zu unterdrücken oder es zu dominieren“, da in Palästina „genügend Platz für beide vorhanden ist, sowohl für uns, als auch für seine gegenwärtigen Einwohner“. Die Resolution forderte „eine gerechte Allianz mit den arabischen Völkern“, um die zukünftige „Bleibe in eine Gemeinschaft umzuwandeln, die wirtschaftlich und kulturell blühen wird und deren Fortschritt jedem dieser Völker unabhängige, unbehinderte Entwicklung bringen wird.“
Der Unterschied zwischen Bubers vorgeschlagenen Lösung und der letztlich vom Zionisten-Kongress angenommenen schien auf den ersten Blick minimal zu sein, aber Buber machte ein Abkommen mit den Arabern nicht von ihrer Zustimmung zur Balfour-Erklärung abhängig. Diese offizielle zionistische Position war ein „Blindgänger“. Kein arabischer Verantwortlicher hätte die Erklärung anerkennen können, da sie die jüdische Minderheit in Palästina gegenüber der arabischen Mehrheit privilegierte. Mit der Errichtung des Staates Israel verstummten diese vernünftigen Stimmen. Am Ende hatte der politische Zionismus die Oberhand und wurde zu Israels vorherrschenden Ideologie.
Überwiegend beherrschen radikale Zionisten die öffentliche Meinung nicht nur in Israel, sondern auch in den USA und zunehmend auch in Deutschland. Der Einfluss der Macht hinter Bennett und der Netanyahu-Regierung wird durch den Casino-Mogul, Sheldon Adelson, und den Medien-Mogul, Haim Saban, demonstriert. Beide gehören dem sogenannten „zionistischen Mainstream“ an. Ihre politischen Ideen sind abschreckend. Wenn die „Zwei-Staaten-Lösung“ versagt, würde Israel zu einem „Apartheidstaat“ verkommen. Für Adelson wäre dies kein Problem: „Dann wäre Israel kein demokratischer Staat mehr, na und?“ Zumindest will aber Haim Saban „die Zukunft eines demokratischen Israels“ sichern. Für Adelson würden diese Vorstellungen bedeuten „einen demographischen Selbstmord zu begehen“. Saban bot eine charmante Alternative zu den Verhandlungsbemühungen von Präsident Obama, ein faires Abkommen mit dem Iran zu erreichen, an. Er würde „diesen Hurensöhne die Seele aus dem Leib prügeln“. Und Netanyahu würde eventuell als „screwed“ zurückbleiben.
Für die palästinensische Führung scheint die Zeit abzulaufen. Präsident Mahmoud Abbas muss alle diplomatischen Register ziehen, um die Anerkennung Palästinas innerhalb der EU durchzusetzen. Er muss letztlich einen Antrag bei den Vereinten Nationen für die Anerkennung des Staates Palästina als Vollmitglied stellen, trotz der Warnung der USA, dass dies den Friedensprozess verletzen könnte, der in den letzten 20 Jahre zum Scheitern verurteilt war. Das politische Schachern diente nur dazu, den Westen einzulullen und die Öffentlichkeit bezüglich Israels Expansionsziele zu täuschen. Bennetts Artikel und die verachtenswerten Ansichten führender zionistischen Milliardäre in den USA, nicht zu vergessen, Netanyahus politische Obsession mit dem Iran, sollte ein Weckruf für westliche Politiker und Diplomaten sein. Um ihre Zwei-Staaten-Lösung zu sichern, müssen sie den Staat Palästina genau jetzt anerkennen. Wenn sie darin wieder versagen, wie sie es in den letzten 20 Jahren getan haben, wird die Ein-Staaten-Lösung die einzige Alternative sein. Die sich anbahnende Ein-Staaten-Lösung hat nichts mit einem bi-nationalem Staat oder einem Staat für alle Bürger zu tun.
Dies wäre eine Ein-Staaten-Lösung, die auf Diskriminierung basiert, eine israelische Version der Apartheid.
Übersetzung aus dem Englischen: Inga Gelsdorf.
Original erschienen hier.