von Ludwig Watzal
Die Ermordung der Redaktionsmitglieder der Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“, der Polizisten und der Geiseln im jüdischen Supermarkt in Paris war ein grauenvolles Verbrechen. Die Massendemonstration gegen diese Terroranschläge in Paris war dagegen Ausdruck einer Betroffenheitskultur und hatte nur am Rande mit Pressefreiheit zu tun, denn dafür stand die Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ nicht.
In diesem Trauermarsch, der von den Verursachern dieser Malaise angeführt worden ist, haben nur noch George W. Bush und Tony Blair gefehlt. Nikolas Sarkozy, der auf Geheiß eines kriegslüsternen französischen Philosophie-Professors, den Überfall auf Libyen angeordnet hatte, drängte sich doch tatsächlich von der dritten in die erste Reihe. Wollte er seinem israelischen Bruder im Geiste näher sein, der laut israelischen Medienberichten gar nicht eingeladen worden war? Er kam in Begleitung seiner rechtsextremen Kabinettsmitglieder Lieberman und Bennett. Netanyahu hörte auch gar nicht auf, seinen Fans zuzuwinken. Es schien, als befände er sich auf Wahlkampftour. Folglich musste auch der Repräsentant der Palästinenser, Präsident Abbas, in der ersten Reihe mit marschieren. Die Frage, warum Obama nicht mit marschiert ist, ist müßig. Waren nicht alle relevanten Akteure gegen den Islam präsent?
„Charlie Hebdo“ trägt als Untertitel „Journal Irresponsable“, und dies zu Recht. Ebenso unverantwortlich hat sich auch der Chefredakteur gegenüber seiner Umwelt verhalten, als er schrieb: „Ich habe keine Angst vor Repressalien. Ich habe keine Kinder, keine Frau, kein Auto, keine Schulden. Das klingt jetzt sicherlich ein bisschen schwülstig, aber ich sterbe lieber aufrecht, als auf Knien zu leben.“ Nein, diese intellektuelle Verworrenheit ist nicht „schwülstig“, sie ist schlicht verantwortungslos. Als politische Monade kann man solch einen politischen Unfug äußern, aber nicht wenn man Verantwortung gegenüber seinen Mitarbeitern und der Öffentlichkeit trägt. Auch mit der internen Meinungsfreiheit scheint es nicht soweit her gewesen zu sein. Ein Mitarbeiter, der einen Israel-kritischen Artikel veröffentlicht hatte, wurde gefeuert.
Jetzt ist nicht nur Stéphane Charbonnier „aufrecht“ gestorben, sondern auch seine Kollegen, sein Leibwächter, ein Polizist (Ahmed Merabet) und ein unbeteiligter Passant. Hatten sie möglicherweise Kinder, Frauen, Autos oder Schulden, wie sein Leibwächter, der 48-jährige Franck Briinsolaro, der gerade die Chefredakteurin einer Lokalzeitung geheiratet hatte? Das Paar hat eine einjährige Tochter. Der bereits angeschossene Polizist Merabet wurde von seinen „Glaubensbrüdern“ regelrecht hingerichtet.
Die Zeichner von Charlie Hebdo, die jahrelang islamophobe Hetze als offensichtliche Provokation betrieben haben, werden jetzt als Märtyrer für die “freie Meinungsäußerung” gefeiert. Sollen vielleicht weiter Menschen für blasphemische Karikaturen sterben, weil einige meinen, damit die Pressefreiheit zu verteidigen? „Charlie Hebdo“ hat mit seiner Pressepolitik Rassismus, Xenophobie, Islamophobie und ausschließlich die so genannten westlichen Werte verteidigt, die die Menschen aus der „Dritten Welt“ scheinbar nicht „wertschätzen“ und anscheinend immer noch nicht verstanden haben. Mit dieser Art „Meinungsfreiheit“ hat die Satirezeitschrift die Probleme des Westens gegenüber der islamischen Welt noch verschärft, anstatt sie zu bekämpfen, wie sie vorgegeben hat. Das Magazin ist Teil des Kulturkampfes des Westens gegen den Islam. Es zeichnete sich durch eine erbärmliche Missachtung und Respektlosigkeit gegenüber dem Islam aus.
Wer die Sender CNN, BBC oder France 24 eine längere Zeit über sich hat ergehen lassen, hatte das Gefühl, einer Gehirnwäsche ausgesetzt zu sein. Alle Facetten des Terroranschlages wurden bis ins kleinste Detail ausgeleuchtet, aber die Frage aller Fragen wurde nicht gestellt: Welches sind die wahren Ursachen des „islamischen Terrors“ gegen den Westen und wem nützen diese Terroranschläge? Niemand erwähnte die Terrorpolitik des US-Imperiums und seiner westlichen Vasallen gegenüber Afghanistan, Irak, Libyen, Syrien, Jemen, Mali und anderen Staaten Afrikas.
Unmittelbar nach den Anschlägen präsentierten die Medien alle „Beweise“. So sollen die Attentäter „Allahu Akbar“ gerufen haben, was einer Visitenkarte für islamistische Terroristen gleichkommt. Einer der Täter hat seinen Personalausweis im Auto vergessen. Auch von einem der 9/11-Attentäter wurde neben den pulverisierten Twin-Towers der Pass gefunden. In Paris soll einer der Täter gesagt haben, sie kämen von Al-Kaida im Jemen. Spekuliert wurde sogar darüber, ob der von den USA im Jemen im September 2011 durch eine Drohne getötete US-Staatsbürger Anwar Al-Awlaki noch persönlich den Auftrag für den Anschlag in Paris erteilt habe.
In einem funktionierenden Rechtsstaat findet üblicherweise eine gründliche Ermittlung des Tathergangs statt, bevor man Ergebnisse präsentiert. In diesem Fall spielten Untersuchungsergebnisse keine Rolle wie weiland bei den 9/11-Anschlägen. Auch hier wurden nach 15 Minuten die Endergebnisse via Massenmedien unumstößlich präsentiert. Für kritische Journalisten würden aber jetzt erst die Fragen und die Recherche beginnen. Oder haben alle kritischen Geister „Gladio“ und die Verwicklung westlicher Geheimdienste in Terroroperationen in Europa vergessen? Heutzutage ist kein Terroranschlag ohne der Frage nach der Rolle der Geheimdienste mehr möglich. Warum wird plötzlich der Terroranschlag auf dem Münchner-Oktoberfest nach 35 Jahren erneut aufgerollt, wo doch alles geklärt schien? Welche Rolle spielten die deutschen Geheimdienste beim NSU-Terror gegen muslimische Mitbürger? Honni soit qui mal y pense! (Ein Schuft, wer Böses dabei denkt.)
An die politische Klasse in Europa ist die Frage zu richten: Wo waren die Protestmärsche der „Millionen“, als US-amerikanische Hellfire-Raketen ganze Hochzeitsgesellschaften in Afghanistan und Pakistan pulverisiert haben? Wo war der Massenprotest, als WikiLeaks die kaltblütige Ermordung von irakischen Zivilisten aus einem Apache-Kampfhubschrauber veröffentlicht hat? Das einzige, was der Obama-Administration dazu einfiel, war die Strafverfolgung von Julien Assange, in dem man ihm eine „Sexaffäre“ durch die schwedische Justiz anhängen ließ, um seine Auslieferung aus Großbritannien nach Schweden zu erzwingen. Wo waren die Protestmärsche gegen die israelischen Massaker an der Zivilbevölkerung des Gaza-Streifens 2008/09 (1 400 Tote) und 2014 (2 100 Tote)? Wo bleiben die Proteste gegen den Drohnen-Terror des US-Imperiums gegen unschuldige Zivilisten in Afghanistan, Pakistan und Jemen? Es scheint, dass der Wert des Lebens eines nicht-Weißen weniger wert ist als der eines weißen Europäers oder eines White Anglo-Saxon Protestant (WASP).
Seit der Verhängung der Sanktionen gegen den Irak im Jahr 1991, durch die alleine 500 000 Kinder gestorben sind, hat das westliche Militärbündnis Millionen von Muslimen in diesen Ländern getötet und deren Länder total verwüstet, und dies alles wegen einer Schnapsidee: der Verteidigung der Freiheit am Hindukusch. Warum ist man verwundert, dass die Menschen in der „Dritten Welt“ sich gegen ihre Eliminierung und die Verhöhnung ihrer Religion zur Wehr setzen? Wahllos ließ das US-Imperium Unschuldige in Guantanamo und anderen „Black Holes“ einkerkern und foltern. Andere wurden gekidnappte und in muslimische oder ehemalige Ostblockdiktaturen verbracht, wo sie von lokalen Auftraggebern gegen Bezahlung gefoltert worden sind.
Die Konsequenz von „Je suis Charlie“ wird die Umwandlung des EU-Europas in einen Polizei- und Überwachungsstaat à la USA sein. Die „Meinungsfreiheit“, die „Charlie Hebdo“ angeblich verteidigt hat, wird das erste Opfer sein, weil nach wie vor nicht über die wirklichen Ursachen des vom Westen verbreiteten Terrors in der islamischen Welt diskutiert wird. „Je suis Ahmed“ hätte ein Signal an die Muslime in aller Welt sein können. Dieses Zeichen war aber nirgends zu sehen. So dürfte sich „Je suis Charlie“ als Zeichen der Verachtung für den Islam ins Bewusstsein der Muslime weltweit einprägen.PS. Und die Polit-Heuchler trugen sogar für Minuten Trauer!
Zuerst erschienen hier.