Eine bekannte jüdische Krankheit ist die Tatsache, dass viele Israelis und Juden alles, was sie und andere Juden tun, als den Mittelpunkt der Welt betrachten und jeden, der sie lobt, als einen „Gerechten unter den Völkern“ klassifizieren und jeden, der sie und besonders Israels Politik kritisiert, als Antisemiten brandmarken. An dieser Krankheit leiden auch viele Juden in Deutschland, von Charlotte Knobloch über Henryk M. Broder bis zum Leiter der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt, Meron Mendel, der in einem Interview mit der Frankfurter Rundschau (FR) gesagt hat: „Israel und Juden bieten (…) der Mehrheitsgesellschaft auch für viele Muslime eine Projektionsfläche, und diese Weltanschauung erklärt ihnen beispielsweise, warum sie als Minderheit in Deutschland Integrationsprobleme haben, oder warum es arabischen Ländern in der aktuellen Krisenzeit schlecht geht.“
Ich bezweifle, ob Millionen von Muslime in Deutschland für ihre gesellschaftliche Benachteiligung ausgerechnet Juden in die Verantwortung nehmen. Zionistische Propaganda und Juden, die solche Propaganda nachplappern, wollen es so sehen. Und für die Benachteiligung arabischer Länder machen sie auch nicht die Juden, sondern den gesamten Westen verantwortlich, womit sie auch Recht haben. Es ist ja eine historische Tatsache, dass der Westen, Europa und nicht zuletzt auch der Zionismus, also europäische Juden, den Nahen Osten kolonisiert und Jahrzehnte lang unterdrückt und ausgebeutet haben. In Palästina sind hunderttausende von Araber vertrieben und ihr Land von Juden besetzt und konfisziert worden. Da braucht man sich nicht zu wundern, wenn es unter Palästinensern Ressentiments und Aggressionen gegen Israelis, nicht Juden wohlgemerkt, gibt, die sie aus ihrer Heimat vertrieben haben.
Weniger aber, als dass Israel und die Juden der Mehrheitsgesellschaft eine Projektionsfläche bieten, bietet der eingebildete Antisemitismus den Israelis und vielen Juden für ihre Ängste und Aggressionen, für ihre Vorurteile und ihren Nationalismus, eine Projektionsfläche. Wobei ich damit nicht sagen will, dass es keinen Antisemitismus mehr gibt, aber seltsamerweise kommen Israel und manche Juden mit den tatsächlichen Antisemiten ganz gut zurecht und verleumden nur die angeblichen Antisemiten, deren Schuld darin besteht, dass sie Israel kritisieren.
„In Berlin bricht sich Judenhass Bahn“, schreibt die FR. Dabei sind nur selbst gebastelte Flaggen mit Davidstern von vermummten Demonstranten verbrannt worden. Aus dem Zorn und dem Frust dieser Menschen ist in den Medien, bei Politikern und natürlich beim Zentralrat der Juden in Deutschland, sofort eine Welle des „offenen Antisemitismus“ geworden und eine von allen Muslimen geteilte Ablehnung von Juden. Die FR schreibt: „Je stärker sich Jugendliche mit den Palästinensern identifizieren, desto deutlicher fällt auch die Ablehnung von Juden aus“. Und wo bleibt hier Israel?
Wirklich bemerkenswert ist allerdings das Statement von Ulrich Becker von der Südwest-Presse: „Es kann und darf keinen Platz für Antisemitismus in Deutschland geben. Deshalb berichten wir darüber, wenn Symbole des israelischen Staates, wie vor wenigen Monaten geschehen die Ulmer Synagoge, mehrfach von einem Unbekannten beschädigt wird. Solche Aktionen sind nicht hinnehmbar.“ Davidsterne an einer Synagoge sind also Symbole des israelischen Staates? Interessant, dass die journalistische Allgemeinbildung selbst in höheren Redaktionsetagen offenbar nicht mehr dazu ausreicht, den Unterschied zwischen einem jüdischen Gotteshaus und einer israelischen Vertretung zu erkennen. Oder ist das nur der Ausdruck einer sehr weit gefassten Interpretation des Begriffs „Israelkritik“? Dabei richten sich doch der ganze Frust und der gesamte Zorn gegen Israel und nicht gegen die Juden. Das wollen aber zionistische Funktionäre wie Mendel und Knobloch, aber auch ihre deutschen Helfershelfer nicht wahrhaben. Vielleicht verleugnen sie es auch bewusst, um damit Israel zu schützen.
Von der blinden Identifikation jüdischer Jugendlichen in Deutschland mit dem Staat Israel, wird nicht gesprochen und davon, dass jüdische Funktionäre immer wieder beteuern, dass sie ohne „Wenn und Aber“ hinter Israel stehen, wird geschwiegen. Warum ist denn noch keiner darauf gekommen, dass die Aggressionen gegen Juden und jüdische Gemeinden auch damit zu tun haben könnten, dass viele Juden und Jüdische Gemeinden blind Israel und seine aggressive und rassistische Politik unterstützen und in der Öffentlichkeit rechtfertigen?
Wenn ein Dr. Meron Mendel der FR sagt: „Man müsse die Diskriminierung anerkennen, aber dürfe sie nicht als Legitimation für Antisemitismus anerkennen“, dann ist das nicht nur schlechtes Deutsch, sondern auch Zynismus pur und eigentlich eine dumme Unverschämtheit und Ignoranz gegenüber der bestehenden Realität. Das dürfen wir nicht anerkennen und schon gar nicht akzeptieren, sondern immer und immer wieder dagegen kämpfen.
Und warum sollen Palästinenser die Diskriminierung anerkennen. Sie haben allen moralischen Rechts der Welt sich dagegen aufzulehnen und ihr Widerstand ist alles andere als Antisemitismus. Natürlich weiß ich, dass Netanjahu und die üblichen zionistischen Gläubigen das anders sehen, und in jedem palästinensischen Widerstandskämpfer einen Terroristen sehen, aber Netanjahus Vater war ja auch ein Terrorist und Netanjahus Vorbilder, Begin und Shamir, waren auch von den Briten per Steckbrief gesuchte Terroristen. Sie selbst nannten sich, wie viele Palästinenser heute, Freiheitskämpfer. Ist denn die Freiheit und Würde der Palästinenser weniger wert, als die der Israelis?
Der Protest muslimischer Bürger, die sich mit dem Kampf der Palästinenser identifizieren, ist für Meron Mendel „eine Art Pogromstimmung“. Verbrannte Flaggen mit Davidstern, hat für Juden eine besondere Symbolkraft. Für mich sind es nur verbrannte selbst gebastelte Flaggen, verbrannter Stoff, niemanden tut dies weh. Die Symbolkraft der Anerkennung Jerusalems als alleinige Hauptstadt Israels hat aber mehr Dynamit in sich. Die Anerkennung durch Trump war wie Öl in einen Flächenbrand gießen und behaupten, dass man damit das Feuer löschen kann. Diese Tat hat für Palästinenser nicht nur „Symbolkraft“, sondern sie schürt auch berechtigte Ängste. Immerhin ist die Situation der Palästinenser in Jerusalem nicht gerade rosig. Täglich werden arabische Häuser von gewalttätigen Israelis besetzt und ihre Bewohner vertrieben. Die arabischen Bewohner Jerusalems haben zurecht Angst. kollektiv vertrieben zu werden, was auch viele Israelis inzwischen fordern.
Wenn also Palästinenser, die in Deutschland leben und viele Muslime und deutsche Bürger, auf die Straßen gehen und dagegen demonstrieren, dann gewiss nicht aus antisemitischen Beweggründen, sondern aus purer Angst um die Sicherheit ihrer Familien und aus verletzter Würde. Und da ist die Forderung des Zentralrats und Meron Mendels nach härteren Strafen, neuen Gesetzen und mehr Gegenstimmen aus der Bevölkerung, für die Juden in Deutschland eine Schande und sicherlich kontraproduktiv. Man wird die Juden wieder als Fremdkörper klassifizieren, als Israelis mit deutschem Pass, die hier nur die Interessen Israels vertreten. Und wenn die Bevölkerung Sympathien und Verständnis für die Palästinenser hat, dann ist das kein Zeichen dafür, dass sie antisemitisch ist.
Josef Schuster, Chef des Zentralrates der Juden in Deutschland, hat wieder sein Mantra wiederholt: „Für Antisemitismus, egal in welchem Gewand, darf es keine Duldung geben.“ Selbstverständlich darf es für Antisemitismus keine Duldung geben, darüber bin ich mit ihm und allen anderen, die das fordern, einig. Aber Schuster und seine Gesellen sorgen dafür, dass man den wahren und echten Antisemitismus ignoriert und duldet und gleichzeitig einem vermeintlichen und falschen Antisemitismus hinterherläuft, der nichts anderes ist, als Kritik an der Politik des Staates Israel, die für sie Antizionismus ist, und Antizionismus deuten sie kritiklos als Antisemitismus, wobei keiner genau weiß, was genau damit gemeint ist.
Natürlich hört man dann von allen Seiten, von Merkel und anderen Politikern aus allen Parteien, dieselben albernen Parolen: „Wir wenden uns gegen alle Formen von Antisemitismus und Fremdenhass!“ Wenn aber Antisemitismus verkürzt bedeutet: Juden hassen, nur weil sie Juden sind, dann frage ich mich, welche „andere Formen“ gemeint sind? Die Antwort darauf ist jedoch leicht. Als ein israelischer Diplomat seinen Dienst in Washington beendet hat und nach Israel zurückkehrte, wurde er von der Presse gefragt, was sein größter Erfolg in Washington war. „Es ist mir gelungen die amerikanische Administration davon zu überzeugen, dass Anti-Zionismus gleich Antisemitismus ist.“
Hier liegt der Hund begraben und solange wir da nicht einen Unterschied machen zwischen Antisemitismus und Antizionismus, wird sich nichts ändern. und Politiker, Medien, Gewerkschaften und Kirchenleute werden ihre leeren, üblen und absurden Parolen weiter brüllen. Ist dies vielleicht sogar gewollt?
Das wohlfeile Geschwätz philosemitischer Redakteure und Politiker ist noch unerträglicher als das jener Zionisten, die bei Kritik an dem Verhalten ihrer Gesinnungsfreunde „Antisemitismus“ schreien.
Pikanterweise entsteht gerade eine Allianz aus Philosemiten und solchen „Rechten“, die Muslime als die neuen Träger des altunehrwürdigen christlichen Antisemitismus sehen.