Was für ein Schicksal! 1933 floh der jüdische Verleger Joseph Melzer vor den Nazis, überlebte zwei Jahre sibirische Gulag-Haft und wanderte nach Israel aus. 1958 kehrte er nach Deutschland zurück. Die Liebe zur deutschen Literatur sei letztlich stärker gewesen, sagte sein Sohn Abraham Melzer im Dlf.
„Ich habe neun Leben gelebt“: So heißt die jetzt erschienene Autobiografie des am 4. Januar 1984 verstorbenen Verlegers Joseph Melzer. Sie vermittelt in der Tat Einblicke in ein überaus bewegtes, aber auch ein sehr leidvolles Leben. Mehrmals sprang er sozusagen dem Tod in letzter Sekunde von der Schippe. Melzers Sohn Abraham Abraham ist ebenfalls Verleger, zudem Buchautor und Blogger.
Gisa Funck: Herr Melzer, Wussten Sie eigentlich auch schon vor diesen Lebenserinnerungen Ihres Vaters, was für ein windungsreiches, brutales Leben ihr Vater hatte?
Melzer: Nein, so genau nicht. In groben Zügen wusste ich schon, dass er aus Berlin fliehen musste. Dass er in Sibirien war. Aber ich kannte nicht die Einzelheiten. Er hat wenig darüber gesprochen. So wie im Prinzip die ganze Generation der Nazi-Verfolgten wenig über ihr Schicksal gesprochen hat. >>>
Joseph Melzers Buch ist es wert, mehrmals gelesen zu werden; denn kaum jemand versteht einen Menschen, der im „Jahrhundert der Wölfe“ (Nadeschda Mandelstam) durch die Wildnis Eurasiens gehetzt wurde, auf Anhieb. Melzer hat ja auch etwas erlebt, d.h. so hart dessen Schicksal war, so interessant war es auch. So konnte er es auch annehmen und überstehen. Und dessen profundes Erleben muss man erlesen und dann langsam im eigenen Gehirn zergehen lassen. Man kann danach z.B. über Deutschland nachdenken. Deutschland ist wie eine gut aussehende Frau, gepflegt, stets ordentlich gedresst, die sich im Straßenverkehr vorschriftsmäßig bewegt. Man begleitet sie und macht Small Talks. Aber sie heiraten? Dieses paranoid psychotische Weib? Das haben eine Menge Juden getan und sind unglücklich geworden. Schon ein Konkubinat nervt auf Dauer. Magnus Hirschberg hat sich gefragt, „warum die Deutschen so unbeliebt sind“. Nach der Lektüre von Joseph Melzers Erlebnisse kommt man der Antwort auf diese Frage etwas näher