Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
ich bin entsetzt und empört darüber, daß es in einer Demokratie möglich ist, daß durch Denunziation und Verunglimpfung alle israelkritischen Stimmen in der Öffentlichkeit zum Schweigen gebracht werden können. Ich bin noch viel mehr darüber entsetzt, daß jene, die sich dieser denunziatorischen Praktiken bedienen, nicht einen einzigen Beleg für Ihre schwerwiegenden Behauptungen vorweisen können, weder Herr Küppers, weder Frau Knobloch, weder Frau Meros, noch Herr Quaas. Ich empfehle Ihnen dringend, alle diese Schreiben unter diesem Blickwinkel noch einmal zu lesen. Die hemmungslose Denunziation, mit der systematisch Emotionen geschürt werden, soll dieses erbärmliche Vakuum gezielt kompensieren.
Diese Praktiken funktionieren normalerweise nur in totalitären System, wo bereits das Aussprechen des Vorwurfs, wie z.B. „Volksverräter“ oder „Konterrevolutionär“ zum Ausschalten des Denunzierten führt. Das funktionale Aquivalent dazu ist das denunziatorische Zauberwort„Antisemitismus“ , das in aller Regel unverzüglich zur Vernebelung eines rationalen Blicks führt. Dieses Wort ist zu einem Fetisch degeneriert, welches augenblicklich das limbische System in Alarmbereitschaft versetzt. Sobald die israelische Politik kritisiert wird, erschallt der Vorwurf wie ein Pawlowscher Reflex. So schreibt der SZ- Journalist Hilmar Klute: „ Der Antisemitismus-Vorwurf funktioniert wie ein Bewegungsmelder. Jemand muss nur ein paar Reizwörter kombinieren, schon bekommt er ihn frei Haus geliefert. Geht es eigentlich überhaupt noch um Israel? Oder geht es vielmehr darum, das böse alte Lieblingstier der Deut-schen an der Kette durch den Argumentationspark zu führen: eben jenen Antisemitismus, von dem ein Großteil der Publizisten, die derzeit das Vorgehen Israels verteidigen, mit der gewohnten Küchenpsychologie annimmt, dass er in jedem Deutschen schlummert und nur Anlässe wie den gegenwärtigen braucht, um sich loszureißen und auffällig zu werden“ ( 13.8. 2014, S. 10).
Erst vor einigen Tagen habe ich einem sog. Israelfreund geschrieben: „Das spezifische dieses denunziantentums besteht hier darin, daß die rechtmäßigkeit des antisemitismusvorwurfs sich keineswegs aus seiner richtigkeit speist, sondern vielmehr aus seiner bloßen schwere. Aus diesem grund hat übrigens adorno, den die antideutschen mißbrauchen, an einen äußerst sparsamen gebrauch des vorwurfs gemahnt. Qua ausruf legitimiert er sich selbst“. Vor dem Hintergrund unserer Geschichte löst er solche enorm starke emotionale Reaktionen aus, die es quasi überflüssig machen, ihn überhaupt auf seine Richtigkeit hin zu überprüfen. Die hemmungslose Inflation von Antisemitsmusvorwürfen trägt aus diesem Grund mittlerweile totalitäre Züge.
Ich engagiere mich seit sechs Jahren für das Recht auf Leben und Würde von Palästinensern, seitdem ich zum ersten Mal mit dem schreienden Unrecht konfrontiert wurde, das Palästinenser tagtäglich erleiden müssen. Daß ich davon 54 Jahre lang nichts erfahren habe, hat mich so erbost, daß ich mich für den Rest meines Lebens für diese Menschen einsetzen werde. Ich habe einen Vortrag von einem im Westjordanland tätigen Rechtsanwalt gehört, der palästinensische Kinder und Jugendliche vertritt und betreut, die in israelischen Gefängnissen systematisch mißhandelt und sogar gefoltert werden. Dazu gibt es auch einen Bericht der Organisation „Defence for Children International“, der von der EU gefördert wurde.
Das vor einigen Jahren erschienene Buch: Breaking the Silence: Israelische Soldaten berichten von ihrem Einsatz in den besetzten Gebieten“ gibt einen grauenhaften Einblick in den seit Jahrzehnten betriebenen systematischen Terror gegen die palästinensische Bevölkerung. Abraham Melzer, der in der israelischen Armee gedient hat, berichtete mir, daß auch er als Soldat diese Maßnahmen durchführen mußte. Auf die Frage an seinen Vorgesetzten, warum er das tun solle, antwortete dieser: „ damit sie endlich verschwinden“. Schauen Sie sich bitte das folgende Video an, das für dieses Grauen stellvertretend steht: https://www.youtube.com/watch?v=G7xlov098U4&feature=youtu.be , damit Sie wissen, daß der Vorwurf der„antiisraelischen Hetze“ selbst eine aus Fanatismus geborene Denunziation und Verschleierung israelischer Realitäten darstellt.
Ich habe mit vielen Palästinensern gesprochen. Sie haben mich und meine Freunde angefleht, das unaufhörliche Unrecht, das sie erleiden müssen, „ in die Welt hinauszuschreien, weil die Welt uns vergessen hat“. Diesem Auftrag fühle ich mich verpflichtet. Vor dem Hintergrund, daß die Meinungsfreiheit zu den elementarsten Rechten eines jeden Bürgers gehört, vor dem Hintergrund der Tatsache, daß die fragwürdigen Freunde Israels nicht einen einzigen Beleg für Ihre Vowürfe vorlegen können und vor dem Hintergund des unbeschreiblichen Leids der palästinensischen Bevölkerung bitte ich Sie inständig darum, diesem fortgesetzten denunziatorischen und inquisitorischen Treiben endlich ein Ende zu bereiten.
Ich beende mein Schreiben mit einem Zitat der jüdischen Menschenrechtsaktivistin und Gründerin der Menschenrechtsorganisation Machsom Watch, Frau Dr. Roni Hammermann: „Als Juedin habe ich ein historisches Gedaechtnis. Die Lehren aus dem Holocaust sind nicht nur eine Verpflichtung den Opfern des Nazismus gegenueber, es ist eine Verpflichtung zu einer Reihe von universalen ethischen Werten, in deren Namen wir den Antisemitismus ablehnen. Und einer dieser Werte ist die Verpflichtung nicht zu schweigen, wenn wir in unserem Umfeld Unrecht sichten. Angesichts von Unterdrueckung und Entrechtung darf ein moralischer Mensch nicht die Augen schliessen und schweigen. Und da ich 20 Minuten entfernt von dem Ort lebe, an dem taeglich und stuendlich Verletzungen von Menschenrechten stattfinden, darf ich nicht schweigen“. ( Auszug aus einem Vortrag, den sie mir zuschickte).
Mit freundlichen Grüßen
Franz Piwonka
Ich kann mir nicht helfen: das klingt doch sehr ermutigend! Naürlich istes schwer gegen den Zionismus aufzutreten – ich weiß, wovon ich rede, aber ich habe den Eindruck, dass es immer mehr weden. Im Jahre 1967 war ich begeistert, ja: begeistert, über den Sieg der israelischen Armee über die arabische Koalition, und heute stimme ich Abraham Melzer zu und würde ihn unterstützen, wenn das möglich wäre, aber es geht nicht mehr. Und warum verändern nicht mehr Deutsche ihre Meinung so wie ich? Nehmen wir einen Politiker oder auch nur einen Bischof: wenn der sich für die Araber in Palästina einsetzen würde, könnte er sich in Amerika nicht mehr blicken lassen und müsste infolgedessen seinen Posten in Deutschland aufgeben. Erst mus er einen Kotau vor den Zionisten machen und dann folgt die Karriere – anders geht es nicht. Warten wir also darauf, dass sich in den USA der Wind dreht. dd
Danke
Ich gebe die Hoffnung nicht auf.
Wir werden immer mehr.