Nachrichten aus der politischen Klapsmühle

In der Jüdischen Allgemeinen (8.8.24) konnte man lesen:

„Schutz von Juden ins Grundgesetz? Bayerns Antisemitismusbeauftragter will den Schutz von Juden als Staatsziel…“

Man könnte fast meinen, es handle sich um einen Tippfehler, und dass „Schutz vor Juden“ gemeint gewesen sein könnte. „Schutz von Juden“ ist nämlich missverständlich. Juden sollen schützen und vielleicht bevorzugt Bundeswehr- und Polizeidienste leisten, weil die grünen Christen den Wehrdienst verweigern? Wen oder was sollen Juden schützen? Offenbar ist „Schutz für Juden“ gedacht gewesen. Versuchen wir den CSU-Mann zu verstehen; die „JA“:

„Die Initiative des bayerischen Antisemitismusbeauftragten Ludwig Spaenle (CSU), den Kampf gegen Antisemitismus und den Schutz jüdischen Lebens als Staatsziel im Grundgesetz und in den Landesverfassungen zu verankern, hat in der Politik für gemischte Reaktionen gesorgt. Dirk Wiese, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, betonte, dass der Schutz jüdischen Lebens eine gemeinsame Aufgabe sei, der mit Entschlossenheit begegnet werden müsse. Allerdings kritisierte er, dass Gespräche über Verfassungsänderungen bisher gescheitert seien, da die CDU/CSU eine solche Anpassung ablehne.“

Ayayai! Schutz jüdischen Lebens sei eine Gemeinschaftsaufgabe, der begegnet werden müsse? Ja können diese Leute allesamt kein Deutsch mehr? Gemeint ist doch eher, dass dieser latenten Aufgabe entsprochen werden soll. „Begegnen“ bedeutet das direkte Gegenteil. Und „Anpassung“ in diesem Zusammenhang? Ins Grundgesetz soll etwa hineingeschrieben werden, was ohnehin praktiziert wird. Warum also? Vielleicht weil man befürchtet, 2048 seien andere Tendenzen angesagt? Alarm! Lesen wir noch vorsichtiger weiter im Text:

„Die Fraktionsvorsitzenden der Grünen im Bundestag, Britta Haßelmann und Katharina Dröge, äußerten ihre Besorgnis über die anhaltende Bedrohung durch Antisemitismus. Sie signalisierten grundsätzliches Interesse an einer Verfassungsänderung, bedauerten jedoch die fehlende Unterstützung für die notwendige Zweidrittelmehrheit im Bundestag….“

Bedrohung durch Antisemitismus? Verfassungsänderung? Wer wird durch Antisemitismus bedroht? Was steht im Grundgesetz, das geändert werden müsse? Gemeint ist eher eine „Verfassungsergänzung“. Zum Thema steht ja nichts im Grundgesetz, was geändert werden uss.  Das Wort „bedrohen“ passt auch nicht. „Bedrohung“ unterstellt, dass das, was bedroht, nicht aktuell ist. Es soll jedoch schon Antisemitismus geben. Wenn diese Leute dann Gesetzestexte promulgieren, dann kann offensichtlich nur mehr Unsinn herauskommen. Eugen Bleuler (in: Lehrbuch der Psychiatrie) verstand solche sprachlichen Unzulänglichkeiten als Folge dereistischen Denkens.  Aber weiter:

„Friedrich Merz…. betonte, dass die bestehende Verfassung bereits ausreichenden Schutz biete und eine zusätzliche Klausel keine nennenswerten Verbesserungen mit sich bringen würde. Alexander Dobrindt….  unterstützte zwar den Kampf gegen Antisemitismus, stellte jedoch infrage, ob eine Verfassungsänderung [sic! Ist auch des Deutschen nur dereistisch mächtig]  in der Praxis tatsächlich zu mehr Schutz führen würde. Die Linke vertrat die Ansicht, dass das Grundgesetz ….  den Eindruck erwecken könne, dass andere Diskriminierungsformen weniger ernst genommen würden.

Da haben die Linken durchaus recht. Warum soll man schiitisches Leben, das von Mormonen und auch von Hinduisten nicht ausdrücklich schützen? Immer nur die Juden! Man könnte glauben, der Staat sei auf sie angewiesen. Und nun kommt noch der Senf der Hinterbänkler und Politikversager:

Ilse Aigner bezeichnete Antisemitismus als eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Sie begrüßte die Idee einer Ergänzung [endlich richtig!] des Grundgesetzes und sicherte zu, den Vorschlag in die weitere politische Diskussion einzubringen. Ludwig Spaenle …..  verwies auf positive Erfahrungen in Bundesländern wie Brandenburg, Bremen, Hamburg und Sachsen-Anhalt, die bereits entsprechende Verfassungsänderungen vorgenommen haben. Spaenle regte an, dass Bayern und andere Bundesländer diesem Beispiel folgen sollten.

Vorab: „Antisemitismus als größte Herausforderung unserer Zeit. Ja, Wahnsinn. Wie konnte es in unserer Zeit so kommen? Hunger in der Welt, Klima, Seuchen, alles tritt hinter dem Phänomen des Antisemitismus zurück. Lassen wir es dabei.

Nehmen wir lieber Spaenles Spur auf: Es sind dezidiert SPD-regierte Länder, die den Sonderschutz für Juden gesetzlich verankert haben; man könnte auch sagen, es seien Länder, in denen gar keine „antisemitischen Rechten“ das jüdische Leben stören. Allerdings soll Sahra Wagenknecht als historisch Linke den Israel-Hass „befeuern“ (Josef Schuster), trotz rechtlicher Untersagung durch Brandenburg und Sachsen-Anhalt. Nir NZZ nimmt den Ball Dr. Schusters auf:

Die Haltung zum Gaza-Krieg von Sahra Wagenknecht und dem BSW stößt beim Zentralrat der Juden auf Kritik. Der Zentralrat der Juden kritisiert die Äußerungen von Sahra Wagenknecht und dem (sic!) Bündnis BSW zu Israel und dem (müsste heißen: „zum“) Gaza-Krieg scharf. Wagenknecht sieht beispielsweise in Israels Kriegsführung Züge eines «Vernichtungsfeldzugs». In einem Interview der «Welt» vom Sonntag (18. 8.) sagte Zentralratspräsident Josef Schuster: «Das BSW befeuert mit seiner eher populistischen Positionierung den Israel-Hass in Deutschland.»

Der verankerte Landesstaatszweck erweist sich schon im Ansatz als eine politische Leerformel. Was viele nicht wissen, ist, dass Landesverfassungen im Rang nicht nur unter den allgemeinen Bundesgesetzen, sondern auch dem Rang nach unter einer vom Bundesrat erlassenen Verordnung stehen. In Landesverfassungen kann man viel hineinschreiben, ohne dass es rechtlich zum Tragen käme.

Was steht in einigen Verfassungen? Hier:

Art. 37a LSAVerf: Nichtverbreitung nationalsozialistischen, rassistischen und antisemitischen Gedankenguts

Die Wiederbelebung oder Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts, die Verherrlichung des nationalsozialistischen Herrschaftssystems sowie rassistische und antisemitische Aktivitäten nicht zuzulassen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt und Verantwortung jedes Einzelnen.

Art. 7a BbgVerf: Schutz des friedlichen Zusammenlebens

(1) Das Land schützt das friedliche Zusammenleben der Menschen und tritt Antisemitismus, Antiziganismus sowie der Verbreitung rassistischen und fremdenfeindlichen Gedankenguts entgegen.

(2) Das Land fördert das jüdische Leben und die jüdische Kultur.

Art. 65 Ia BremVerf

Demokratiefeindlichen Bestrebungen, insbesondere der Wiederbelebung, Verherrlichung oder Rechtfertigung der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft, sowie rassistischen, antisemitischen und sonstigen menschenverachtenden Aktivitäten entschieden entgegenzutreten, ist Verpflichtung aller staatlichen Organisation und Verantwortung jeder und jedes Einzelnen. Die Freie Hansestadt Bremen fördert die Entwicklung einer offenen, vielfältigen und toleranten Gesellschaft sowie eines respektvollen und friedlichen Miteinanders.

Das Schutzinteresse ist offensichtlich in den Ländern unterschiedlich; Bremen behauptet, Antisemitismus sei menschenverachtender Rassismus. Das Land Hamburg meint (in: Das jüdische Hamburg):

Erst in jüngster Zeit wird die Funktion des Antisemitismus für die Konstruktion der »Nation« hervorgehoben. Mangels eindeutiger empirischer Definitionskriterien besaß der Glaube an eine Abstammungsgemeinschaft große Bedeutung. »Volk« und »Abstammung« ethnisierten die Nationsvorstellung, längst bevor Rassentheorien populär wurden. Aus der [deutschen] Abstammungsgemeinschaft blieben Juden prinzipiell ausgeschlossen, so dass sich das bis heute geläufige, sozial- und verfassungsgeschichtlich unsinnige Gegensatzpaar »Deutsche und Juden« etablieren konnte.

Problem dabei ist, dass „die Juden“ ihrerseits auf eine separate Abstammungsgemeinschaft pochen, in der sogar  Proselyten stets in der Kritik standen. Der Zionismus berief sich auf „rassistische Vorstellungen jeglicher Art“ (Salcia Landmann). Was sagt Salcia Landmann (in: Die Juden als Rasse) weiter zu diesem Thema?

„Wir sehen, dass sich eine Rasseschilderung des jüdischen Volkes nicht auf Selbstschilderung der Juden aufbauen lässt. Wir müssen immer wieder den umgekehrten Weg einschlagen (S. 191)“

Ohne ein gutes Stück Rassismus kann es also kein jüdisches Leben geben. Die Verfassungsbestimmunen, die sich in Deutschland verallgemeinern sollen, sind also für Juden kontraproduktiv. Ganz abgesehen davon scheinen die Bremer auch nicht in der Lage zu sein, ihre diffusen Ansichten sprachlich umzusetzen: Soll nur „menschenverachtender Rassismus“ abzgelehnt werden oder halten sie Rassismus, also auch den jüdischen, generell für menschenverachten?

Es fragt es sich letztlich sogar, warum man nicht menschenverachtend (Misanthrop) sein soll dürfen. Außerdem kann Antisemitismus nach dem breiten Verständnis von Leuten wie Dr. Schuster auch eine Abwehrhaltung gegen Aberglauben, Speisezettelverbote und Tierquälerei sein. Jedes Bekenntnis zu einem Atheismus schließt in der Logik Antisemitismus ein;  Sachsen-Anhalt will offenbar nur Proteste gegen Schächtung von Tieren und Beschneidungen von Kindern  nicht zulassen, aber das Land Brandenburg will jüdisches Leben und Kultur direkt fördern. Wie könnte dies gehen, wenn dieses jüdische Leben in Deutschland seit der Aufklärung dem Untergang entgegengeht (Felix Theilhaber in: Der Untergang der deutschen Juden) und es (nach Salcia Landmann) eigentlich gar nicht mehr existiert, vielleicht nöch in einer inszenierten Neugestaltung (Barbara Steiner)? Wollen Brandenburg und dann auch Bayern Geldprämien für Eheschließungen halachisch einwandfreier Partner geldlich honorieren, um Leute, die noch „3 und mehr volljüdische Großeltenteile“ (Nürnberger Gesetze)  haben, von rasseunbewussten Mischehen abzuhalten; soll jede Geburt über das zweite Kind hinaus bei Juden prämiert werden, wenn der kleine Jude beschnitten wird? So bliebe die „Förderung jüdischen Lebens“ kein bloßes Lippenbekenntnis und ein stabiler Stamm echter Juden würde herangezüchtet,  wo sich selbst Israelis ein Stück abschneiden könnten.

Leider verbietet das Grundgesetz solche Sonderförderungen. Das soll sich nun laut Ludwig Spaenle und Ilse Aigner verfassungsrechtlich ändern. Man sieht, bei der bloßen „Ergänzung“ der Verfassung um weitere Satzhülsen wird es nicht bleiben können.

von Lobenstein

 

 

 

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