Während Museen und Gedenkstätten noch die Erinnerung an den „Holocaust“ von vor 80 Jahren zelebrieren, und während aktuellere Medien über die brutalen Massaker von Hamas-Kämpfern vom 7.10.2023 breittreten, ist es den „israelischen Selbstverteidigungskräften“ in einem Feldzug nach Gaza hinein gelungen, 20.000 Menschen, meist Frauen und Kinder umzubringen. Die Zahl im Verhältnis zu den „1.400 ermordeten Israelis“ erinnern an Heinrich v. Kleists Novelle „Michael Kohlhas“, der, irgendwo im Recht, durch Übermaß zum Verbrecher wurde. Israels Rachefeldzug widerspricht unserer gesamten westlichen Kultur. Die Schande an diesen „Kulturverbrechen“, oder anders gesagt, an den „kollateralen Todesfällen“ trifft natürlich die Hamas, weil sie in dem dicht besiedelten Gebiet ihre Raketenstellungen und Tunnelsysteme ausgebaut hat. Wer alternativ zu v. Kleist seine Moral aus amerikanischen Wild-Westfilmen ableitet, der hat auch oft Szenen gesehen, dass der Sheriff Banditen hat ziehen lassen müssen, weil der Zugriff auf die Banditen den Tod Unbeteiligter bedingt hätte. Die Durchsetzung von Recht und Gesetz kennt also eine Grenze. Aber nicht in Israel. Dieses Land handelt über seine Grenzen hinweg übernational und erschießt etwa unschuldige Marokkaner in Norwegen. Die Opfer, inzwischen mehr Frauen und Kinder sind Araber wie die Hamas-Leute, warum sollte der israelische Geheimdienst und seine Killer eine unzulässige Diskriminierung zwischen Geschlecht und Alter machen? Israel bzw. Palästina liegt nicht im Wilden Westen und gehört nur historisch zur westlichen Welt. Israel weiß, wann Gesetze und Regeln gelten. Sie sind außer Vollzug, wenn es gegen Terroristen geht. Es liegt einfach in der Natur der Sache, dass es auch die Falschen erwischt. Jeder israelische Soldat, der „in action“ ums Leben kommt, ist in der genetischen Theorie auch ein „Falscher“.
Das sind natürlich keine westlichen Zustände; und doch wird Israel von Anfang an von den USA gefördert. Der darin liegende Widersinn kommt dann zutage, wenn man sich der Worte Abraham Lincolns erinnert:
„Wer anderen die Freiheit verweigert, hat kein Recht, sie selbst zu behalten.“
In dieser Logik erledigte sich auch das Gerede vom „Existenzrecht“ des Staates Israel, der den palästinensischen Arabern die Staatlichkeit abspricht, und letztlich fragt man sich, wie sich die üblichen Ansprüche Israels rechtfertigen sollen. Sie gründen auf Gewalt, was sie verschleiern wollen.. Die aktuell sehr aggressiven „Siedler“ sind Israelis und Juden wie unsere „Bühnenjuden (Deborah Feldmann) auch. Sie mischen sich ohne Unterbrechung ihrer Statements in das Zeitgespräch nicht nur ein, sondern versuchen es zu dominieren. Antworten auf deren Statements unterbleiben, weil das Geschehen in Palästina nicht wirklich interessiert. Sie sublimieren sich in einen latenten Antisemitismus, was ganz dem Interesse der Diaspora widerspricht. Die Geräusche der Kulisse von Wolffsohn und Schuster sind so dröhnend geworden, dass man einmal etwas dazwischenfunken sollte
Zum Projekt „Judenstaat“ israelischer Prägung kam es 1917. Theodor Herzl (+ 1904) hatte sich bei Osmanen und Deutschen vergeblich Gehör zu verschaffen bemüht. Vergeblich, weil Osmanen und Deutsche aus angeborener Arroganz die Brisanz der Angelegenheit verkannten. Die starke jüdische Lobby in den USA nötigte den Briten eine Zustimmung zu einem jüdischen Projekt ab. Wie schwer diese Zustimmung den Briten gefallen sein muss, erkennt man an der Unbestimmtheit und der Verschlungenheit der Zustimmung. Der damals nicht amtierende britische Minister Balfour formulierte ein diffuses, aber privates Schreiben an Baron Rothschild, das die Amerikaner als ausreichend substanzhaltig hinnahmen: Die Zusicherung, ein jüdisches Gebiet im damals auch erst projektierten britischen Mandatsgebiet zu schaffen, war eine Voraussetzung für den Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg auf Seiten der Briten. Trotz diplomatischer Unbestimmtheit der Balfourerklärung spricht das Papier von „nationaler Heimstatt für die Juden“. Sollte das eine Republik von rassisch reinen Juden werden? In einem Land, wo die meisten Leute Araber waren, war damals eine „Heimstatt für 20.000 Juden abschätzbar. Können 20.000 Menschen überhaupt einen eigenen Staat gründen? Liechtenstein hatte ähnlich viele Einwohner; ein nahöstliches Liechtenstein hätte auch kaum einen Beduinen gestört. Andorra hat heute 80.000 Einwohner, und die wenigsten wissen, wo es genau liegt. Warum nicht auch ein kleiner Judenstaat unter Drusen, Jesiden und christlichen Klöstern aller Facetten?
Aber der „Judenstaat“ nach der Idee von Theodor Herzl hat sich anders entwickelt. Wie eine Metastase des europäischen Krebsgeschwürs des rassischen Antisemitismus begann er zu wuchern und wuchert immer noch in Nah-Ost. Pech für die Araber. Wladimir Jabotinsky konnte aber sagen, dass die Araber an sich in Vorderasien genug Land hätten, um auf eine Fläche von der Größe Luxemburgs zu verzichten. In gewisser Hinsicht könnten die Araber mit den „Geschwulst“ leben, das nur ein kleiner verkapselter Pickel wäre, medizinisch verglichen. Problem wurde allerdings, dass „die Araber“ sich staatlich zersplitterten. Schon in den 20er Jahren brachen Gegensätze auf, die die zionistischen Spezialisten veranlassten, den Chared Jakob Israel de Haan zu ermorden. Diesem missfielen die aggressiven Maßnahmen der Zionisten. Tuvia Tenenbom (in: Gott spricht Jiddisch) beschreibt, dass die frommen Charedim und erst recht die Chassidim durchaus in Palästina eine Heimstätte bereits hatten. Sie brauchten keine amerikanische Intervention.
Die wird erst benötigt, seitdem man den Begriff „Jude“ rassisch versteht. Der Zionist, der nicht an Gott glaubt, kann nur an seine biologische Identität glauben. Sonst wäre er Amerikaner, wie sich Karl Kraus (in: Eine Krone für Zion) für die Assimilation in den westlichen Gesellschaften ausspricht. Folglich scheint Israel eine rassistisch geprägte Republik abseits der Prinzipien der westlichen Demokratien sein zu müssen. Diesen Verdacht versuchen nur die Scharlatane zu verschleiern, die mit ihren Mittelchen auch bei uns die Demokratie vergiften. Ein Konstantin Sakkas schreibt im Berliner Tagesspiegel seine politischen Erkenntnisse in politischer Medizin:
„Israel kolonisiere arabisches Land, heißt es oft. Das Gegenteil ist richtig: 1948 holten sich Juden aus Europa (sic!) das Land zurück, aus dem sie einst vertrieben worden waren, nach 2000 Jahren Kolonialherrschaft (von wem? Kann es in einem verlassenem Land überhaupt Kolonialherrschaft geben?): Wie es zur Gründung des Staates Israel kam? Begonnen hatte die Kolonialherrschaft mit der Eroberung durch Pompeius im Jahr 63. v. Chr., der die letzte souverän herrschende jüdische Dynastie der Hasmonäer unter römische Herrschaft zwang. Auf Rom und Ostrom („Byzanz“) folgten ab 636 n. Chr. das Kalifat unter wechselnden Dynastien, dann Kreuzfahrer, Ayyubiden, Mamelucken…….“
Solchen unglaublichen Unsinn glauben wahrscheinlich alle unsere Politiker, die von Existenzrecht Israels predigen. „Unsinn“ sind die Ausführungen schon deswegen, weil „die Juden“ als Judäer schon unter assyrische Herrschaft gerieten (597 „vor“). Von Kolonialherrschaft kann schon deswegen keine Rede sein, weil die Assyrer die 10 verlorenen Stämme Israels zur Kolonisierung in Asien wegschleppten. Das Land war offensichtlich übervölkert. Nach einem „babylonischen“ Exil kehrten „die Juden“ unter Ezra nach Judäa zurück (539 vor) und lebten zufrieden unter persischer Herrschaft. Nach der Schlacht von Issos (333 vor) gerieten sie unter makedonische Herrschaft: unter römische Herrschaft kamen sie, nachdem sie unter den Makkabäern Blutbäder unter der nicht-jüdischen Bevölkerung Palästinas angerichtet hatten. Sakkas „begonnen mit Pompeius“ ist objektiv reiner Quatsch. Die ganze Theorie der Berechtigung der zionistischen Landnahme ist Legende, denn die Zionisten Israel Zangwill und Theodor Herzl selbst suchten nach Alternativen zu einer Landnahme in Palästina.
„Die Juden“ lebten trotz anderer Völker Oberherrschaft seit 597 „vor“ in Palästina. Zahlreiche Juden siedelten schon vor Christus nach Alexandria über. 79 „naxh“ (Zerstörung des Tempels) mögen viele Juden in die Sklaverei verkauft worden sein, aber es ist gesichert, dass schon zuvor mehr Juden sonst wo im Mittelmeerraum lebten als ausgerechnet in Judäa. Friedrich und Georg Rosen legen überzeugend dar ,dass die Phönizier der Antike sich nach dem Untergang ihrer Staatenwelt (146 „vor“) dem Judentum angeschlossen hätten. Die Schrift der Karthager entspricht der hebräischen. Rosens These würde erklären, woher die sephardischen Juden herkommen, die in Spanien, einer karthagischen Kolonie, etabliert waren. Eine Erklärung für die Herkunft der Aschkenasim fehlt. Arthur Ruppin (in: Soziologe der Juden) sieht in ihnen ein vorderasiatisch-slawisches Mischvolk. Shlomo Sand meint, das jüdische Volk sei überhaupt eine Erfindung. Er meint, in den ortsansässigen Arabern die wahren Nachkommen der Judäer zu sehen. Wahrscheinlich hat sich das „jüdische Volk“ erst in den Weiten Russlands gebildet. Ihr „schauerlich verdorbenes Deutsch“ (Heinrich Heine) deutet eher darauf hin, dass sie nicht „ihre deutsche Sprache mitgenommen hätten“ (Nahum Goldman), sondern nach Magdeburger Stadtrecht siedeln konnten, und daher auf „Jiddisch“ kamen wie man anderswo von Pidgin-Englisch spricht. In die Weiten Russlands kamen sie, aus England, Frankreich und vielen deutschen Reichsstädten vertrieben. Wieviel Verrücktheit gehört insgesamt dazu, eine Rechtstheorie in die Welt zu setzen, dass eine hypothetische Abstammung von Judäern durch Adaption von Schriftgut aus der Zeit Christi selbsternannte Nachfahren berechtigen könnte, die Araber zu vertreiben, die zumindest seit 636 „nach“, also seit 1.400 Jahren in Palästina ansässig sind. Gelten auf der Welt sonst wo noch die Grenzen aus der Zeit von Christi Geburt? Ist der Limes quer durch Baden-Württemberg eine geeignete deutsch-französische Grenze? Die „Schweizer“ sind doch auch keine Nachfahren der Helvetier! Soll man die Ungarn aus Europa vertreiben, die um Christi Zeit noch nicht in der Theiß-Ebene lebten? Gab es damals in Palästina nicht auch viele Judenchristen? Also mache man besser einen christlichen Staat aus Palästina?
Wie lange muss man solchen Quatsch widerspruchslos hinnehmen, um nicht als Antisemit beschimpft zu werden? In der Logik dieses Sakkas müsste man sogar die Juden aus Europa vertreiben und sie verpflichten, in Palästina zu siedeln. Vor einigen Salon-Zionisten wünschte man klammheimlich, dass sie abreisten.
Davon abgesehen konnten religiöse Juden in den islamischen Jahrhunderten sich immer in und um Jerusalem ansiedeln. Um 1870 errichtete man das „Judenviertel“ Mea Shearim in Jerusalem, eine ganze Generation vor der ersten zionistischen Einwanderung. Wenn es je einer Balfour-Erklärung bedurfte, um die Amerikaner zufrieden zu stellen, wird man wohl eine säkulare Kolonie von Juden in Kauf genommen haben, nicht um eine Sicherung religiöser Chassidim zu schaffen. Offenbar meinte man mit „national“ in erster Linie tatsächlich zionistische Juden, die nicht mehr an „den Namen“ (Tuvia Tenenbom) glaubten, aber als nationale Minderheiten in der europäischen Staatenwelt unerwünscht erschienen. Also muss Balfour einen weltlichen Staat vor Augen gehabt haben, eine jüdische Republik vielleicht, auch wenn sie 1917 noch zu theoretisch erschien.
Wenn man vom Wort „national“ und vom Gegensatz des Zionismus zu chassidischen Juden ausgeht (vgl. Yakov Rabkin in: Im Namen der Thora) und weiterdenkt, dann hätte diese Heimstatt zu einem westlichen Nationalstaat entwickelt werden müssen. Jeder „jüdisch verseuchte und versippte“ Mensch (O-Ton Kaiser Wilhelm) hätte dort Aufnahme finden dürfen. In der Tat erlaubt das israelische Rückkehrergesetz auf dem Papier jedem Vierteljuden die „Rückkehr“. Aber kamen solche Leute? Selbst in „Nazi“-Deutschland wurden die „Mischlinge 2. Grades“ (Vierteljuden) nicht verfolgt, sondern der arischen Volksgemeinschaft zugerechnet. Sie durften nur Arier heiraten. Das Problem der jüdischen Mischung sollte sich ausmendeln. Mischlinge ersten Grades dagegen durften sich nach den Nürnberger Gesetzen nur mit ebensolchen paaren.
Wie ist es in Israel? Dort gilt Wehe dem vierteljüdischen Idealisten, der nach Israel kam: Selbst ein Halbjude mit jüdischem Vater gilt dort nicht als Jude, sondern als ein Metöke, der offiziell keine echte Jüdin heiraten darf. Der nationale Staat Israel hat sich den ältesten Religionsgesetzen der Welt unterstellt. Warum? Weil Israel als Nationalstaat eine europäische Kolonie mit westlicher Demokratie hätte werden müssen, in der sich Juden mit Arabern verbinden und als „jüdischer Staat“ biologisch verwaschen hätten. Als jüdischer Staat mit Religionselementen aus der Zeit Ezras (597 „vor“) vermischt erscheint er als altplatziert und lockt jüdische Abenteurer aus der ganzen Welt an. Ungläubige Orthodoxe aus den USA sind radikale Nationalisten, die die Religion der Chassidim ausnutzen, um ihre Gewalttätigkeiten zu rechtfertigen. Das ist zum völkischen Problem in Palästina geworden; nicht die Chassidim, die ihre Zeit mit Kaparot, einer umständlichen Küche und betend verbringen, sind gefährlich, sondern ein landhungriges jüdisches Proletariat.
Das müsste bei uns langsam differenziert gesehen und verstanden werden
von Lobenstein