von Gideon Levy
Die Feierlichkeiten für Peres zeigten, dass die westliche Welt nichts lieber täte, als Israel wieder im Schoß der Gemeinschaft willkommen zu heißen. Ein Ende der brutalen Besatzung würde den Paria-Status im Nu beenden.
Am 30. September starb der Antisemitismus, oder zumindest die Möglichkeit Israels, ihn als Ausrede zu benutzen. Am Vorabend des jüdischen Neujahrsfests hat die Welt bewiesen, dass der Antisemitismus zwar noch in gewissen begrenzten Kreisen vorhanden ist, aber nicht mehr die meisten Regierungen der Welt zu bestimmen vermag. Auch ist der Hass auf Israel nicht das, was er angeblich sein soll, oder was Israel als solchen ausgibt.
Am Freitag, den 30. September, hat die Welt klar und entschieden zum Ausdruck gebracht: wir lieben Israel und hassen die Besatzung. Wir lieben Israel und hassen seine Politik.Wir lieben es, Israel zu lieben, sehnen uns danach, es zu umarmen und zu bewundern – gebt uns doch bloß ein Zeichen, einen Hinweis, ein Signal. Zeigt uns, dass Ihr den Frieden anstrebt, dass Ihr zumindest irgendetwas tut, was Euch dem Ende der Besatzung näher bringt – eine Rede, Verhandlungen, eine Konferenz, ein Lippenbekenntnis, irgendetwas – und wir werden Euch überschütten mit unserer ganzen Liebe, sogar mehr als Ihr verdient habt. Ihr werdet keine Aussätzigen mehr sein.
Ihr seid gegenwärtig Aussätzige, nicht weil ihr Juden seid und auch nicht, weil ihr Israelis seid – glaubt nicht Euern demagogischen Führern, die Euch das erzählen, um sich selbst und Euch von schwerer Verantwortung und Schuld freizusprechen. Ihr seid Aussätzige, weil ihr brutale Besatzer seid. Ihr seid Aussätzige, weil ihr auf die ganze Welt und ihre Institutionen pfeift, so wie fast kein anderer Staat der Welt es zu tun wagt.
Die ganze Welt ist gegen uns? Unsinn. Israel ist gegen den Rest der Welt. Es ist nicht wichtig, was Israel tut? Das ist das Einzige, was wichtig ist. Das Ende der Besatzung wird auch Israels Paria-Status beenden.
Anders lassen sich die unglaublichen Bilder von Shimon Peres‘ Beisetzung nicht deuten. Viele Politiker, die kamen, sind ihm nie begegnet, andere sind scharfe Kritiker Israels. Die meisten wissen, dass sein tatsächlicher Beitrag zu Frieden und Gerechtigkeit viel bescheidener war, als es in den poetischen Lobeshymnen zum Ausdruck kam – und dass er ganz sicher kein israelischer Nelson Mandela war.
Und dennoch sind sie gekommen so wie 2013 zu Mandelas Beisetzung. Sie kamen, um dem Toten die letzte Ehre zu erweisen, aber auch, um seinem Volk und seinen Erben etwas mitzuteilen. Barak Obama gab das Signal, und der Rest der Welt folgte ihm: Selbst das wenige, was Peres zustande gebracht hat – begrenzte Bewegungen und der Anschein von Schritten – reichte aus, um ihn und Euch zu ehren. Es reichte, um sein Begräbnis zu einem globalen Ereignis zu machen, um Könige und Fürsten in das aussätzige Land kommen zu lassen.
Es gibt kein anderes aussätziges Land, dem die Welt so viel Ehre erweist. Die Welt erscheint zur Bestattung des Führers eines Staates, wie es keinen sonst gibt. Peres war kein Dissident, der gegen das Regime kämpfte und dafür einen Preis zahlte. Er war das Regime. Und dennoch bewunderte ihn die Welt, weil die Welt sich so sehr danach sehnt, Israel zu bewundern – wegen der Schuld hinsichtlich der Vergangenheit, und weil die Welt Israel als Teil ihrer selbst ansieht – westlich, entwickelt, aufgeklärt und weiß.
Und so erweist sich die Welt als höchst extrem und unstet in ihrem Verhältnis zu Israel: es bewundert und verachtet es abwechselnd, manchmal mehr als es das verdient. Aber am 29. September 2016 hat die Welt gezeigt, was sie wirklich will – Israel umarmen. Oslo, der Rückzug [aus Teilen der besetzten Gebiete – A.d.Ü.] und Peres waren ausreichend, um sich vor Israel zu verneigen. Kein Antisemitismus, kein Hass – eine Sehnsucht, es zu lieben. Aber Israel, das immer wieder die Hand beißt, die man ihm reicht, legt es darauf an, dass die Welt es verabscheut, jedesmal wenn es Gaza angreift oder eine neue Siedlung baut.
Ein vernünftiger Staat würde der Welt zuhören. So geht es zuweilen in der Völkergemeinschaft zu – ganz sicher dann, wenn man keine Weltmacht ist. Es stimmt, Israel ist bereits einer der verwöhntesten Staaten der Welt. Die Welt läßt ihm mehr Geld und Nachsicht zukommen als jedem anderen Staat und lässt ihn so verrückt agieren, wie es will. Aber Israel zieht es vor, der Welt ins Gesicht zu spuken und dann zu jammern, dass man es hasst.
Auf dem Herzlberg zeigte die Welt wieder einmal, wie leicht es wäre, zu einem Zustand zurückzukehren, in dem jeder Israeli stolz sein könnte, ein Israeli zu sein und es nicht verbergen müßte vor Angst und vor Scham. Inwieweit das Schicksal Israels in seinen eigenen Händen liegt, hängt von seinem Verhalten ab. Wenn es will, wird es bewundert werden. Wenn es will, bleibt es aussätzig.
Shimon Peres reichte der Welt aus, um sich vor Israel zu verneigen – jene antisemitische und Israel hassende Welt, die wir selbst erfunden haben.
(Übersetzung aus dem Englischen: Jürgen Jung.
Israel sollte dieser Empfehlung folgen! Totaler Rückzug aus den „besetzten“ Gebieten und schon bald nach der Entfernung des „Zionistischen Geschwürs“ wird die Welt Israel lieben – tote Juden wurden schon immer von der Welt geliebt.