von Jürgen Jung
Der Artikel von Stephan Handel krankt daran, dass dem Leser wesentliche, zum Verständnis unerlässliche Informationen vorenthalten werden, v. a. die Tatsache, dass der Verleger Abraham Melzer selbst ein Jude ist, der immer noch einen israelischen Pass hat und sogar den Wehrdienst in Israel absolviert hat. Er weiß also sehr genau, wovon er spricht, wenn er die israelische Politik kritisiert, ganz im Gegensatz zu Frau Knobloch, die sich nicht geniert, einen Mann, in dessen Verlag auch eine Vielzahl von Judaika erschienen ist, einen Antisemiten zu nennen.
Und da sind wir beim Kern des Problems, dass jeder, der es sich – gerade aufgrund unserer grauenhaften deutschen Vergangenheit – erlaubt, entschiedene Kritik an Israels Menschen- und völkerrechtswidriger Politik zu äußern, sofort als Antisemit diffamiert wird. Wobei die Verleumder in projektiver Weise genau das tun, was sie den Kritikern unterstellen, nämlich Israel mit dem Judentum gleichzusetzen. Dass Antizionisten, die sich gegen eine nationalistische, im Falle Israels klar chauvinistische Ideologie und Politik wenden, mitnichten anfällig sind für antisemitische, sprich rassistische Anwandlungen, ist auch das Ergebnis der bislang gründlichsten empirischen Studie zum Thema, die von Prof. Wilhelm Kempf an der Universität Konstanz geleitet wurde („Israelkritik zwischen Antisemitismus und Menschenrechtsidee. Eine Spurensuche“, 2015).
Aber solche Differenzierungen sind Herrn Handel offensichtlich fremd, der nicht einmal in der Lage (oder willens?) ist, den Verlauf der allerdings durchaus komplexen Verhandlung korrekt wiederzugeben. So behauptet er etwa, dass Herr Melzer „fast zwei Stunden lang seine… Respektlosigkeit und seine Intoleranz dargelegt“ habe, obwohl der ganze Prozess überhaupt nur etwa ein dreiviertel Stunden gedauert hat, und Herr Melzer insgesamt vielleicht eine halbe Stunde lang geredet hat.
Was auch fehlt, ist der wichtige Hinweis darauf, dass Frau Knobloch den vorausgehenden Prozess (wegen „einstweiliger Verfügung“) klar verloren hat. Sie darf unter Androhung von 6 Monaten Haft resp. 250 000.- Euro Geldstrafe eben nicht mehr behaupten, Abraham Melzer sei „wegen seiner antisemitischen Äußerungen regelrecht berüchtigt“.
Eine weitere grobe Fehlleistung besteht darin, dass Melzer Verständnis gezeigt habe für antiisraelische Demonstrationen, auf denen „Parolen wie „Tod den Juden“ und „Juden ins Gas“ skandiert worden“ seien. Es hätte dem Autor zum Zeitpunkt der Abfassung des Artikels durchaus schon bekannt sein können, dass es höchst fraglich ist, ob derartige Parolen überhaupt – wie man unseren Leitmedien entnehmen durfte – massenhaft skandiert wurden. Es handelte sich offensichtlich nur um Randerscheinungen, die keineswegs typisch waren etwa für die Stoßrichtung der jüngsten Demonstrationen gegen die Jerusalem-Entscheidung der amerikanischen Regierung (siehe https://uebermedien.de/23715/massenhafte-tod-den-juden-rufe-am-brandenburger-tor/). Die in der Verhandlung v. a. thematisierten Demonstrationen 2014 richteten sich ja gegen das Massaker der israelischen Armee im Gazastreifen, das über 2000 Tote auf palästinischer Seite zur Folge hatte, darunter etwa 500 Kinder! Von daher waren die Rufe: „Kindermörder Israel“ ja wohl „verständlich“ und richteten sich eben nicht gegen „die Juden“.
Dass Herr Handel den Blogger Sascha Lobo (wer ist schon Sascha Lobo?) zum Kronzeugen für seine kruden Antisemitismus-Vorwürfe aufruft, spricht auch nicht gerade für die Seriosität seiner Darlegungen.
Der vielleicht entscheidende Mangel des „Berichts“ besteht darin, dass in keiner Weise klar wird, dass Herrn Melzer ziemlich egal ist, wie er von Frau Knobloch bezeichnet wird, dass er sich aber sehr wohl entschieden gegen die daraus resultierende Folge des Entzugs von städtischen Räumlichkeiten für israelkritische Veranstaltungen (dem auch etliche private Vermieter eingeschüchtert folgen) wendet, denn dies hindert ihn nicht nur an der Ausübung seines Berufs (wozu auch Vorträge gehören), sondern stellt einen schwerwiegenden Eingriff in unsere Grundrechte auf Meinungs-, Informations- und Versammlungsfreiheit dar.
Kurzum: mit redlichem, sauber zwischen Bericht und Kommentar differenzierendem Journalismus hat dieser üble, Herrn Melzer anmaßend vorverurteilende Artikel nichts zu tun und ist eines Weltblatts wie der SZ mit ihrem hohen Anspruch auf Glaubwürdigkeit und Seriosität schlicht unwürdig.
Leserbrief zum Artikel „Alles andere als friedlich“ von Stephan Handel, in: Süddeutsche Zeitung vom 21. 12. 2017, S. 40.
„Kurzum: mit redlichem, sauber zwischen Bericht und Kommentar differenzierendem Journalismus hat dieser üble, Herrn Melzer anmaßend vorverurteilende Artikel nichts zu tun und ist eines Weltblatts wie der SZ mit ihrem hohen Anspruch auf Glaubwürdigkeit und Seriosität schlicht unwürdig.“
Das finde ich auch! Alle Mainstreammedien haben unter vernunftmäßigem Aspekt „eine Schraube locker“. Auch zu anderen Themen!
Pingback: Süddeutsche Zeitung – eine „Qualitätszeitung“? Was für ein Witz! | Der Semit