von Ludwig Watzal
Die von den USA und ihren westlichen Verbündeten entfachten Kriege bzw. Staatsstreiche im Nahen und Mittleren Osten sowie am Hindukusch haben zu einem Bumerang in Form von Anschlägen in den westlichen Metropolen sowie zu einer Flüchtlingswelle ungekannten Ausmaßes geführt. Der Terror ist nun auch in Europa angekommen, was der Titel auch suggeriert. Mit dem Inhalt des Buches hat er jedoch nur indirekt zu tun.
Wilfried Buchta ist Islamwissenschaftler und der beste Kenner Irans und des Schiismus in Deutschland. Seine Analysen über Iran haben sogar in den USA Aufsehen erregt, wenn auch nur unter Akademikern. Auch die arabische Welt ist ihm bestens vertraut. Von 2005 bis 2011 arbeitete er in Bagdad als politischer Analyst. Das von den USA verursachte Chaos und das Aufkommen des „Islamischen Staates“ hat er hautnah erlebt und sehr kenntnisreich beschrieben. Der entfachte Terror ist quasi der „Kollateralschaden“ des von den USA angerichteten Chaos in Irak und andernorts.
Der Autor ist nicht auf Effekthascherei aus. In neun Kapiteln wird die Geschichte des Irak von seiner Gründung bis zu seinem Zerfall und dem Entstehen des „Islamischen Staats“ oder des Kalifats beschrieben. Nach einem Einstiegskapitel, das die wesentlichen Fakten bis zur Entstehung des „Islamischen Staats“ schildert, wird in den folgenden Kapitel die Geschichte des Iraks in fundierter Weise dargestellt. Schon auf den ersten Seiten beindruckt das fundierte wissenschaftliche und historische Wissen. Insbesondere seine religiösen Exkurse in die Ideengeschichte zeigen, dass es seit der Entstehung des Islam einen Konflikt zwischen Schiiten und Sunniten gibt, der bis heute schwelt und in Stellvertreterkriegen in Syrien durch Terrorgruppen geführt wird, die von Saudi-Arabien und anderen Golfstaaten mit wohlwollender Förderung durch die USA und der Türkei, um nur zwei prominente Protagonisten zu nennen, unterstützt werden.
Die überaus komplizierte Lage des Irak wird auch für den Laien verständlich und nachvollziehbar dargestellt. Buchta zeigt die Tragödie des Landes auf, die insbesondere seit der Vertreibung Saddam Husseins aus Kuwait begonnen hat. Die USA haben dort mit einer „Koalition der Willigen“ von 60 Staaten und mit 500 000 Soldaten die irakische Armee zerschlagen, ohne jedoch bis Bagdad durchzumarschieren. Der ältere Bush und seine Berater erwiesen sich als klüger als sein draufgängerischer Sohn Georg W. Sein auf Lügen aufgebauter Überfall des Landes hat die Büchse der Pandora geöffnet und der Welt und Europa den aktuellen Terror beschert. Das von den USA nach 1991 verhängte Sanktionsregime hat nicht nur 500 000 Kindern das Leben gekostet, sondern auch die Mittelschicht zerstört und das Land auf das Niveau eines Dritt-Welt-Landes herunter „entwickelt“.
Buchta macht eine Liste der US-Opfer und der Kosten auf: Seit 2003 kamen 1,5 Millionen Soldaten zum Einsatz, davon sind 4 448 getötet worden, 30 000 seien zum Teil schwer verletzt und verkrüppelt, weitere 30 000 litten an posttraumatischen Erkrankungen, und die Selbstmordrate ist sehr hoch. Die Kosten dieses Krieges sind astronomisch, und die Folgekosten gigantisch. Sie sollen sich bis 2050 auf 1 500 Milliarden Dollar belaufen.
Bei aller berechtigten Kritik am Vorgehen der USA und seiner westlichen Alliierten scheint von Zeit zu Zeit eine gewisses Verständnis auf, was sich im Umgang mit dem Begriff der „nationalen Sicherheit“ zeigt. Zu schnell werden die Staaten des Nahen und Mittleren Ostens als „Diktaturen“ bezeichnet, die die nationale Sicherheit der USA angeblich bedrohen. Dagegen wird die angebliche Bedrohung der nationalen Sicherheit der USA für jeden Krieg als Rechtfertigung genannt, obwohl es oftmals nur ein Vorwand ist, die wirklichen Ziele und Motive zu verschleiern.
Das Buch überzeugt durch große Sachkenntnis und präzise Analyse. Es zeigt mit welcher Ahnungslosigkeit und Dilettantismus die USA sich in dieses Abenteuer gestürzt und dadurch die Welt an den Rand eines globalen Kulturkampfes, wenn nicht sogar eines neuen Krieges geführt haben.
Ein überragendes Buch, das nur wärmstens empfohlen werden kann.
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