Nach einer Umfrage der BBC im Sommer des Jahres 2015 ist Deutschland das beliebteste Land auf der ganzen Welt. Man kann es kaum glauben, und es ist trotzdem wahr. Eine andere Umfrage hat vor einigen Jahren ergeben, dass Israel das unbeliebteste Land in Europa ist, obwohl Israel gar nicht zu Europa gehört und sich immer weiter von Europa und europäischen Werten entfernt.
Was für ein Ergebnis, mit dem die Israelis natürlich nicht einverstanden waren und alle Europäer beschuldigt haben, Antisemiten zu sein. So einfach machen es sich nur die Israelis. Warum nachdenken über unangenehme Ergebnisse, wenn man die Schuld dafür schon in der Tasche hat.
In Deutschland denkt man aber nach über das positive Ergebnis. Man glaubt es kaum und ist erfreut, weil man weiß, dass man es verdient hat. Es war aber ein weiter Weg vom Nazi-Deutschland bis zur Bundesrepublik von heute. 1945 war Deutschland das schrecklichste Land der Welt und auch das unbeliebteste und meist verhasste. Zwölf Jahre Naziherrschaft haben nicht nur Deutschland zerstört, sondern auch noch ganz Europa, vom fernen Osten bis zum Ozean im Westen, vom hohen Norden bis tief in den Süden. Europa war ein Trümmerhaufen und Deutschland eine Ruinenlandschaft. Nur dank der großzügigen Hilfe der Amerikaner, dank dem Marschall-Plan, konnte Deutschland schnell wiederaufgebaut werden. Ein Wirtschaftswunder folgte dem anderen. Dennoch war Deutschland noch viele Jahrzehnte verhasst, und Generationen von Deutschen mussten sich schämen, Deutsche zu sein.
Das alles ist vergessen. Die Deutschen haben ihre Würde wiedergewonnen und sind heute beliebte Gäste überall auf der Welt und vor allem beliebte Gastgeber in ihrem eigenen, multinationalen, toleranten und freien Land. Man liebt und achtet sie trotz Pegida und AfD. Vom Schlusslicht haben sie sich nach vorn gekämpft durch kluge Politik, mehr oder weniger vernünftige Politiker und durch ein Grundgesetz, welches Vorbild für andere Völker sein könnte. Es ist kein Zufall, dass viele Israelis nach Deutschland kommen und schnell feststellen, dass sich hier besser leben lässt als in Israel und dass viele Amerikaner und Engländer nach Deutschland auswandern, weil sie hier freier leben können als in den USA oder England. Unter den jungen Leuten weltweit ist Berlin die coolste Stadt, in der sie am liebsten studieren, arbeiten und leben wollen.
Auch die Aufarbeitung der deutschen Vergangenheit, des großen deutschen Verbrechens am jüdischen Volk, an den Sinti und Roma und dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, am gewaltigsten Völkermord der Menschheitsgeschichte, ein Verbrechen von unvorstellbaren Ausmaß, ist, mehr als weniger, gelungen – auch wenn es noch viel zu tun gibt.
Damals, 1945, genossen die Juden die Empathie der gesamten Weltöffentlichkeit. Wenig später, als sie von der UN aus Mitleid ein Land geschenkt bekamen und darauf ihren jüdischen Staat Israel gründeten, wurden sie von der ganzen Welt bewundert und unterstützt, obwohl diese Staatsgründung mit einem großen Verbrechen gegen die Urbevölkerung begann, nämlich die Vertreibung von mehr als 800 000 Palästinenser aus ihren Häusern und aus ihrer Heimat. Doch die Bewunderung, das Mitleid, die Hilfsbereitschaft haben nicht abgenommen. In den fünfziger und sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts sind hunderttausende von deutschen, europäischen und amerikanischen Jugendlichen, nicht nur Juden, nach Israel gefahren, um beim Aufbau zu helfen. Sie arbeiteten in Kibbutzim und waren vom angeblichen jüdischen Sozialismus begeistert, der sich aber sehr bald als eine Seifenblase erwies.
Die Wende kam mit dem zweiten großen Krieg 1967, als Israel wieder arabisches Land eroberte und besetzte. Der israelische Kolonialismus umfasste ganz Palästina und die Palästinenser verloren, vorerst, ihre Heimat. Israel dachte nicht daran die Gebiete zu verlassen und zeigte fortan ein hässliches, grausames und koloniales Gesicht. Es fing an, ein Apartheidregime aufzubauen und zu etablieren just zu der Zeit, als in Südafrika die Apartheid besiegt wurde. Die Empathie und Sympathie für Israel nahm rapide ab, es wurde von Jahr zu Jahr weniger und verwandelte sich immer mehr in scharfe Kritik bis hin zum Boykott israelischer Waren, zumindest solchen, die aus den besetzten Gebieten kamen. Da Israel sich aber weigerte und immer noch weigert, die Herkunft landwirtschaftlicher Produkte zu kennzeichnen, bedeutet es oft Boykott israelischer Waren generell.
Es ist eine enttäuschte Liebesbeziehung, nach der sich die Liebenden umso mehr hassen und das ehemalige Liebesobjekt verachten. Es nervt viele Menschen, die einst Israel unterstützen, und es werden immer mehr, weil Israel seine menschenverachtende und menschenrechtswidrige Politik fortsetzt und nicht daran denkt, das Unrecht von 1948 und das neue Unrecht von 1967 einzugestehen und zu korrigieren. Es nervt viele Menschen, auch viele Juden, und man kann sagen, immer mehr Juden, dass dieser israelisch-arabische Konflikt nicht nur nicht gelöst wird, sondern wie ein Atompilz immer weiter anschwillt und größer wird. Die Menschen erkennen immer öfter, dass die Schuld bei den Israelis liegt, die inzwischen ihren Soldaten erlauben, auf vierzehn- und gar zwölfjährige Kinder zu schießen, wenn diese schwerbewaffnete Soldaten mit Steinen bewerfen. Dabei ist Steine werfen heute Bürgerpflicht in Palästina.