Vaterlandsgefühle für den Beamtenstaat?

Warum sagt jemand „Scheibe-Staat“? Irgendwie auch, weil er will,dass es besser werde. Wen der Scheibe-Staat nicht juckt, weil er hier die Kohle macht, um seine Tage in Madeira zu beenden, sagt nicht Scheibe-Staat. Er würde sich auch in Nord-Korea arrangieren, während der Dauer seines wirtschaftlichen Engagements.

Deswegen hat das Bundesverfassungsgericht immer aufs Neue, und jedes Mal stärker, zugunsten des Rechts auf freie Meinungsäußerung entschieden. „Kein Staat gedeihe ohne die Freiheit des Individuums“ sagte John Stuart Mill und kämpfte gegen sämtliche Denkverbote, Konformismus und soziale Tyrannei (NZZ v. 6.5.23). Aber die Gerichte und Staatsanwaltschaften, Institutionen von Tyrannei, Denkverboten und Konformismus gehen unbeirrbar gegen die Meinungsfreiheit vor. So hatte ein Arbeitnehmer in einem Arbeitsgerichtsprozess seinen bisherigen Arbeitgeber einen Betrüger genannt, was die Staatsanwaltschaft Waldshut zur Anklage wegen Beleidigung motivierte. Das dortige Amtsgericht, ein juristisches Kartell von furchtbar autoritären Juristen, verurteilte den Mann, der dann in Berufung ging. Das Landgericht bewog den Angeklagten, einer Einstellung zuzustimmen. Das tat er auch, denn der Instanzenzug hatte ihm die Knie weichgeklopft. Die Anwälte taugen in ländlichen Kreisen wenig, denn kein Anwalt kann es sich leisten, mit seinem Gericht in Feindschaft zu leben.
Korrekt hätte das Landgericht das amtsgerichtliche Urteil aufheben und freisprechen müssen. Zum Zeitpunkt der Entscheidung war in der juristischen Fachpresse längst bekannt gemacht, dass ein Arbeitnehmer innerhalb eines Verfahrens zu weit gehen und dabei seinen früheren Chef als Betrüger bezeichnen dürfe. Das irgendwo betrügerisch handelnde Landgericht schädigte den Verfolgten um erheblich Kosten, die die Staatskasse ihm hätte ersetzen müssen.
In Baden-Württemberg ist eine Meucheljustiz am Drücker. Im Norden Deutschlands ist es nicht besser:

Die Generalstaatsanwaltschaft Schleswig-Holstein verfolgt den Mikrobiologen Sucharit Bhagdi, der die Zwangsimpfung mit der Praxis der (innerdeutschen) Judenverfolgung zwischen 1933 und 1938 verglich, wegen „Verharmlosung des Holocausts“. Jedenfalls wurde von staatlicher Seite aus gewaltiger sozialer Druck auf Ungeimpfte ausgeübt, denen – ähnlich wie den Juden zwischen 33 und 38, der Besuch von Gaststätten untersagt war. Ganz abwegig waren diese Vergleicht nicht. Die Rechtstaktik mit der Verharmlosung ist bei den Behörden beliebt geworden. Sie verleiht der Behörde einen politischen Heiligenschein, ist aber glatte Rechtsbeugung. Man verharmlost nicht das Geschehen A, wenn man ein Geschehen B übertreibt. Wer einen kritikwürdigen Grundschullehrer mit dem Degerlocher Hauptschullehrer Ernst Wagner vergleicht, übertreibt wohl maßlos, billigt oder verharmlost aber nicht die Tat(en) von Ernst Wagner. Die deutsche Justiz hat sich angewöhnt, die Logik bei Bedarf auf den Kopf zu stellen. Das macht ihr von Grund auf verbrecherisches Wesen aus.

Objektiv ist es geschmacklos und Ausdruck flatterhaften Wissens, sich einen gelben Judenstern mit der Aufschrift „ungeimpft“ anzuheften. Aber subjektiv kratzt der Protestler nicht an der Holocaustüberlieferung. Die Impfgegner hätten es vielleicht mit mittelalterlichen Lepra-Rassel versuchen sollen, wenn sie protestierten. Aber eine „Verharmlosung des Holocausts“ stellt der Protest mit gelben Judensternen trotz alledem nicht dar. Und – Geschmacklosigkeit ist kein Straftatbestand.

So ganz abwegig ist der Vergleich der autoritären Corona-Politik in Deutschland mit der anfänglichen Judendiskriminierung der Reichsregierung aber trotzdem nicht gewesen. Gemeinsam ist beiden, dass Hinz und Kunz dahinterstanden und denunzierten. Das wollen Hinz und Kunz als Träger der heutigen Demokratie nicht hören. Jude zu sein hieß aber vor dem Krieg nicht „Auschwitz“. Vor der Reichskristallnacht glaubten viele Juden, sich im Rahmen des Regimes halten zu können (Wolfgang Benz in: die Juden in Deutschland). Noch im Oktober 1938 lebten ca 50.000 Juden mit polnischen Pässen in Deutschland und erhielten sogar Arbeitslosenunterstützung. Heute vergleicht man alles mit den Maßnahmen während der Zeit des totalen Krieges. Hier liegt das Manko bei der Verständigung. Aber woher soll dies ein Sucharit Bhagdi wissen? Um die Entwicklung der Judenverfolgung zu begreifen, bedarf es eines ausgeprägten Interesses, das in erster Linie den Nachkommen der Überlebenden eigen ist. Der im Ausland erzogenene Mensch hat von alledem nur ein summatisches Wissen.
Lea Fleischmann, geboren in einem Lager für „displaced persons“, das zuvor noch als KZ-Außenlager verwendet worden war, und deren Eltern in Deutschland blieben, war Berufsschullehrerin in Hessen geworden, als ihr durch ihre Beobachtung des Schulbetriebs klar wurde, dass dieser nicht und auch sonst nichts in Deutschland anders funktioniere und organisiert sei als der Betrieb eines Konzentrations- oder Vernichtungslagers. Eingespannt in den Betriebsablauf des Schulbetriebs, unterworfen höherer Weisungen und Vorschriften, beobachtete sie, dass, wo etwa eine individuelle Entscheidung zugunsten einer schlechteren Schülerin möglich gewesen wäre, sich immer eine verfahrenshörige Fraktion im Kollegium bildete, die „grundsätzlich“ und ohne Kenntnis der Schülerin deren Nichtversetzung durchsetzte. Sie wirkte bei dieserart Entscheidungen faktisch mit, weil sie einfach in den Betrieb eingespannt war, nolens volens.
Natürlich nicht genauso, aber prinzipiell gleichartig funktionierten nach Fleischmanns Überlegungen die Lager.
Man kann auch andere Beispiele hernehmen. Guckt man auf das Militär, funktionieren die Divisionen der unterschiedlichen Länder alle ähnlich. Auch Gefängnisse funktionieren gleich; der Unterschied besteht dann in der Qualität der Waffen, der moderneren Menschenführung oder der besseren Gefängnisausstattung.
Was macht daher das „Deutsche“ an Divisionen, Gefängnissen und Schulen aus? Das menschlich-individuelle Element wird neutralisiert. Der deutsche Gefängniswärter glaubt, dass sein Gefängnis optimal organisiert ist. Er muss das glauben, denn er will sozial konform und nicht gesetzwidrig wirken. Der Deutsche ist auch vom Grunde seiner Seele her schadenfreudig und bösartig. So wurden im KZ die Selektionen zwar nach im Voraus festgelegten Vorgaben durchgezogen, aber ein vom System abweichender Wink des selektierenden Arztes aus Mitleid oder Erbarmen wäre jedem Wachmann aufgefallen. Er hätte Meldung gemacht, wiederum aus Angst, dass man ihn melden könnte. Der deutsche Mensch lebt zwanghaft, einmal in seiner Ordnung und persönlich in der Angst, aufzufallen, dass er den Anforderungen nicht genüge. Seweryna Smaglewska berichtet über einen Krematorium-Wachmann, der sich zu betrinken begann und zuletzt selbst als KZ-Häftling endete. Die deutschen Verfahren – egal zu welchem Zweck – sind auf Automatismus programmiert, was das richtige Funktionieren auch der Unbegabtesten innerhalb des Systems sicherstellt. Darin liegt Deutschlands Stärke: denn auch das intellektuelle Mittelmaß bringt mittelmäßig brauchbare Leistungen, während in der Durchschnittlichkeit eines Gremiums bessere Leistungen regelmäßig untergehen. Also braucht man in deutschen Institutionen weniger intelligente und selbstdenkende Menschen, aber diese funktionieren besser als etwa französische. Die französische Methode der „écremage“ sortiert zu viele Begabtere aus, die dazu neigen, auf Positionen unterhalb ihrer Begabung eigenständig zu denken, wo der Mensch nur funktionieren sollte.

Sie, Fleischmann, konnte nicht wegen „Verharmlosung des Holocausts“ verfolgt werden, denn sie verließ Deutschland, das „nicht ihr Land“ sein konnte. Besonders widerte sie ein Telekomingenieur an, der in und um Auschwitz Telefonleitungen verlegte. Dabei war es ihm durchaus unangenehm gewesen, überall Leichen herum- und aufgestapelt liegend sehen zu müssen. Aber seine Telefonleitungen verlegte er weiter. Das war seine Verwendung. Das war damals natürlich keine „Beihilfe zum Mord“.

Wenn man dies rein technisch betrachtet und Ideologien ignoriert, sind die Institutionen in Israel auch sehr perfektioniert. Israel ist allein durch seine geografische Lage genötigt, sich optimal zu strukturieren (Alex Bein). Es ist von daher fast selbstverständlich, dass seine Institutionen auf deutsche Art funktionieren, so dass Sucharit Bhagdi eigentlich nur trivial gesagt haben kann, dass die Juden, die ohnehin das Lernen für eine Tugend ihrer Rasse halten (Heinrich Graetz), das bösartige Besatzungsregime von den Deutschen kopiert hätten. Man muss dies dem Amtsrichter in Plön hoch anrechnen, dass er Bhagdi freisprach. Abstoßend wirkt dagegen das Gegeifere des Dr. med. J. Schuster in dessen Jüdischer Allgemeinen, der diesen Freispruch skandalisiert. Worin liegt der Skandal? Er liegt in der Person dieses Vorsitzenden und Frühstücksdirektors der Jüdischen Diaspora. Hinter ihm steht vielleicht das Diaspora-Ministerium der israelischen Regierung, und das deutsche Außenministerium. Es ist Schusters Leistung, dass sich auch die regionalen Führer der deutschen Dispora mit der israelischen Regierung identifizieren, aber auch, dass die Zeitgenossen die Mitglieder der Diaspora mit den Zionisten in einen Topf werfen. Die Reaktion auf das Ergebnis der amtsjüdischen Politikt wird Bhagdi als „Antisemitismus“ ankreidet. Im Sinne von J. S. Mill strotzt das jüdische Leben in Deutschland von Denkverboten und sozialer Tyrannei, so dass es kindisch ist, von einem „jüdischen Leben“ in Deutschland zu sprechen.

Diese Tendenz ist nicht erst seit der Ägide Schuster ein Problem. Die 4 Bände des Beck-Verlags zur deutsch-jüdischen Geschichte der Neuzeit sind inhaltlich eine anödende Literatur zwischen Hagiographie und Martyrologie. Felix Theilhaber und Arthur Ruppin erscheinen mit ihren Werken im Vergleich dazu beinahe schon als Antisemiten.

Schwierig ist es derzeit für den amtlichen Verband der deutschen Diaspora, die Berichte zu Israel aufzuarbeiten, wo inzwischen eine stramm, ja sogar aggressive rechte Politik gemacht wird (Ajelet Shani sprach sogar von Neonazi-Ministern). Die Bundesregierung versucht die Ereignisse zu ignorieren. Weil in Deutschland der Zentralrat alles deutsche „Rechte“ traditionell giftig begeifert und eine exzessive Martyrologie aus der jüngeren jüdischen Geschichte gemacht hat, tut er sich schwer, das Rechte in Israel und die Besatzungspolitik zu belobigen. Sind die Araber wirklich die Märtyrer? Alex Bein versteht nicht, dass der israelisch-ägyptische Friedensschluss so wenig zur Befriedigung der Verhältnisse beitragen konnte. Aber die Welten von Juden und Arabern sind zu verschieden. Zu den nationalen Differenzen kommt noch so etwas wie ein sozialer Klassenkampf. Das wird aber nicht diskutiert. Schuster „warnt“ (was immer das heißen soll) davor, alles im krassen Licht der Tatsachen zu betrachten. Auch das schadet dem Trend nicht, denn die jüdische Inszenierung in Deutschland hatte nie einen realen Bezug. Nur was ist das irreale Moment, das jede Diskussion bei und im Land vergiftet?

Israel ist das herzl‘ sche Altneuland geblieben, das mit der europäischen Entwicklung Schritt hielt. Ein wesentliches Element des Judentums ist die Ideologie der Freiheit (Martin Buber), die zweifelsfrei das spanische Judentum geprägt hat, das aber nicht unbedingt die aschkenasischen Massen leitet. Israel ist sowohl eine Massengesellschaft als auch im Bunde mit der Diaspora eine Demokratie der Optimaten. Die heute so genannte „einzige Demokratie in Nah-Ost“ hat noch nicht einmal eine geschriebene Verfassung, was sie als Republik der Optimaten nicht braucht, als Volksdemokratie aber nötig hätte. Außerdem: was ist für die Leute a.) Nah-Ost? Gehören die Türkei und Zypern nicht zum Nahen Osten? Und b.), bedarf eine Demokratie keiner strikten Gewaltenteilung im Sinne von Montesquieu?
Man muss es anders lesen: Israel ist die einzige jüdische Demokratie, und dies sogar weltweit. Sie lässt sich mit Thierschs „christlichem Staat“ von 1880 vergleichen, den „die Juden“ damals als unzeitgemäß abgelehnt hatten. 1870 war sogar der Kirchenstaat aufgehoben worden und Utah, der Mormonenstaat musste seine Verfassung revidieren, um in die USA als Unionsstaat aufgenommen zu werden.

Soll es erst einmal bei einer „jüdischen Demokratie“ bleiben. Auch „die Juden“ haben das Recht, nach Zeiten der Zerstreuung und Atomisierung (Martin Buber) wieder zu einer Nation zusammenzufinden. Problem ist das kein primäres, Problem ist nur die Demontage der Freiheit bei uns, die Dres. Schuster und Co betreiben. Unsere Justiz, die sich als eigenständige „Dritte Gewalt“ darstellt, kann sich trotz Art 20 II GG auf keine Urwahl beziehen. Sie entspricht in etwa der Autokratie der israelischen Justiz, wie sie von Kaiser Hadrian 135 „nach“ abgeschafft worden war (Markus Brann). In beiden Institutionen bestimmen die etablierten Richter, wer ihnen als Richter nachfolgen soll. In gewisser Hinsicht entspricht dies der monarchischen Idee, wo der Kronprinz nach Erbregeln feststeht. Das passt alles nicht ganz zusammen. In Israel wehrt sich die Regierung dagegen, dass die Justiz nach Art der Patriarchen einzelne Minister absetzen kann, wie etwa Arje Deri. Ministeranklage? Nicht erforderlich.
Richter ohne demokratische Legitimation lassen sich von Lobbies unter Druck setzen. Im obigen Fall “ Waldshut“ ist die Justiz Gehilfin der Polizei. Noch betrifft die deutsche Polizeigehilfenschaft Einzelfälle, schafft Justizopfer wie Mollath, Rupp und angebliche Vergewaltiger wie Kachelmann, aber schafft auch Gruppen von Opfern: Palästinenser, die ihrem Unmut gegen die Politik des israelischen Besatzungsregimes Luft machen wollen, werden auch bei uns pauschal unterdrückt und diskriminiert. Wer keine Musik mag, geniert es auch nicht, dass ein Roger Waters Probleme hat, seine Konzerte stattfinden zu lassen. Wer nicht weiß, wer Pacelli war, ignoriert auch, dass die Berliner Straße Golda-Meir-Allee heißen soll. Wer liest schon Annie Ernaux, eine von vielen Nobellpreisträgerinnen, deren Ansichten einem Dr. Schuster missfallen?

Ach wie angenehm ist doch der Stumpfsinn, in dem diese Gesellschaft klimaneutral, vegan und biologisch vegetieren kann.
Lobenstein

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