Von Theorie und Praxis der deutschen Staatsraison

Alan Posener posaunt in der „WELT“: „US-Präsident Biden bezeichnet den Haftbefehl gegen den israelischen Regierungschef Netanjahu als empörend. „Selbst von linksgerichteten Oppositionsparteien in Israel käme Unterstützung für Netanjahu“, habe Simon Wolfgang Fuchs, Professor für Nahoststudien gesagt….“

… meint Posener. Das muss nicht so stimmen. In der Tribüne Jüive konnte man lesen, dass der israelische

Präsident Isaac Herzog zutreffend eine düstere Rede gehalten habe:

…… Die physische und verbale Gewalt gegen den Generalstaatsanwalt der Regierung, gegen den Chef des Shin Bet, gegen den Stabschef, gegen den Premierminister ist einfach erschreckend“, sagte er auf der Hochschulkonferenz. „Anklagen wegen Landesverrats, Androhung von Vertreibung, Anstiftung zum Mord. Es ist der pure Wahnsinn. Das ist ein Wahnsinn, der gestoppt werden muss: Ihr zerstört das Land“.

Posener setzt via „WELT“ seine offenbar falsche Propaganda fort:

Mit dem Haftbefehl gegen Israels Premier Netanjahu gibt der Internationale Strafgerichtshof dem Drängen korrupter Führer des „Globalen Südens“ nach, die am liebsten den ganzen Westen auf die Anklagebank setzen würden. Darauf kann es aus Deutschland nur eine Antwort geben. Die Haftbefehle des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC) gegen Benjamin Netanjahu und Joav Galant sind rechtlich unhaltbar und politisch dumm. Sie sollen die Legitimität des israelischen Verteidigungskriegs gegen die Agenten des Iran infrage stellen; tatsächlich stellen sie die Legitimität des Gerichts infrage.“

Deutschland soll sich so verhalten wie der sonst so geschmähte Viktor Orban? Was für ein kleiner mieser Politkrimineller ist doch dieser Posener: er treibt im Grunde Volksverhetzung, indem er die „Führer des globalen Südens“ pauschal korrupt nennt. Gegen die Denkgesetze schreibt er sowieso: denn wie soll eine Entscheidung gegen Israel die Legitimität des entscheidenden Gerichts in Frage stellen? Stehen die deutschen Gerichte, die laufend Fehlentscheidungen treffen, inzwischen blank jeder Legitimität da? Isaac Herzog, etwas näher am Geschehen, sieht durch den Haftbefehl die Legitimität Israels beschädigt.

WELT-Autor Alan Posener Quelle: Claudius Pflug

Posener argumentiert gegen die Denkgesetze weiter; er schreibt letztlich für politisch dämliche Deutsche, die Angst haben, sich als Pseudo-Antisemiten zu outen:

„Bereits 2021 entschied der ICC falsch, als er seine Jurisdiktion auf das Gebiet des nicht existenten Staates Palästina erstreckte, also auf die von der Fatah kontrollierte Westbank, auf den damals von der Hamas kontrollierten Gaza-Streifen und auf den Ostteil der israelischen Hauptstadt. Es gibt dort keinen „Staat Palästina“. Hätte aber das Gericht ein Interesse gehabt, die Situation in Gaza zu untersuchen, hätte es Haftbefehle gegen die gesamte Hamas-Führung erlassen müssen. Das hätte vielleicht das Massaker des 7. Oktober 2023 verhindern können. Aber es unterblieb. Ehrlicherweise müsste sich das Gericht selbst wegen Beihilfe zum versuchten Genozid anklagen. Die Menschen in Gaza lehnen die Hamas mittlerweile grundsätzlich ab“

Soso: Der ICC soll sich in innere Angelegenheiten einmischen? Das kann er nach der Satzung nicht. Aber nach Posener sollen in staatsfreien Gebieten alle Verbrechen einer Besatzungsmacht ungesühnt bleiben. Und wenn die Menschen in Gaza inzwischen die Hamas ablehnen, wieso versorgt Israel diese Leute nicht korrekt? Irgendetwas stimmt doch nicht mit dem Israel-Chauvinismus. Weiter im Text von Posener:

„…..Der ICC soll dort tätig werden, wo Gerichte unwillig oder unfähig sind, Kriminelle zur Rechenschaft zu ziehen. Israels Gerichte jedoch haben ihre Unabhängigkeit bewiesen. Sollte es im Rahmen des „Verteidigungskriegs gegen den Terror der Hamas und der Hisbollah“ (übliche Gebetsformel) zu Verletzungen des Kriegsrechts gekommen sein, werden die Verantwortlichen vor israelischen Gerichten zur Rechenschaft gezogen…..“

Das scheint aber entsprechend den Ausführungen von Isaac Herzog ganz anders zu sein. Posener weiter:

„…..  Jedem ist klar, dass die „Zweistaatenlösung“ seit dem 7. Oktober 2023 hinfällig ist. Gaza war der Probelauf für eine Zweistaatenlösung. Die Hamas hat ihren Quasi-Staat mithilfe von internationalen Organisationen, allen voran dem UN-Hilfswerk UNRWA, in eine Plattform für die Fortsetzung des Holocausts verwandelt. Niemand hätte etwas gegen einen demokratischen Rechtsstaat Palästina. Aber er existiert nicht. Nicht, weil Israel ihn verunmöglicht, sondern weil die Palästinenser in Gaza die Hamas gewählt haben, und weil die Fatah in der Westbank eine korrupte Oligarchie aufgebaut hat. …Dass „Palästina“ kein Rechtsstaat ist, gilt dem Gericht als willkommene Begründung, sich einzumischen und israelische Politiker anzuklagen. …..Dieser Haftbefehl untergräbt das Existenzrecht Israels….….. Die deutsche Antwort darauf kann nur die Nichtbeachtung dieses Urteils sein. Wenn die Staatsräson jetzt nicht gilt, gilt sie nie.“

Wie kann eine Staatsraison überhaupt gelten? „Staatsraison“ ist doch etwas anderes als normale Raison. Die aktuelle Staatsraison kann ein bestimmtes Handeln erfordern, das der normalen Logik widerspricht. Die normale Logik ist fest, die Staatsraison beweglich.

Gehen wir zugunsten des Angeklagten davon aus, dass “Israel“ vor einem Jahr völlig zurecht gegen die Hamas in Gaza vorgegangen sei. Inzwischen fuhrwerkt die IDF nach wie vor und unverändert in Gaza herum. Offenbar hat sie „die Raison“ ihrer Gewaltpolitik nicht realisieren können. Die IDF sucht immer noch nach 100 noch lebenden Geiseln, wobei sie auf dieser Suche bisher fast 50.000 Araber abgeschlachtet hat, Diese Suchmethode ist ab einem Zeitpunkt X nicht mehr vertretbar gewesen. Der Zeitpunkt dürfte dort zu setzen sein, wo vielleicht der zweitausendste Araber kollateral getötet worden ist, vielleicht auch erst dann, wo das zweitausendste Kind umgebracht wurde. Dass eine Armee nach 13 Monaten immer noch Mord, Totschlag und Chaos verbreitet, ist sicherlich kriminell. Wenn Posener meint, das Gericht müsse das hinnehmen, weil die Tatorte zu keinem anerkannten Staat gehören würden, zeiht er sich einer Denkungsweise aus dem tiefen 19. Jahrhundert.

Diese politische Primitivität kennzeichnet auch die deutsche Israelpolitik; für eine Kanzlerin wie Angela Merkel war das „Staatsraison“. Es ist höchste Zeit, den „globalen Süden“ in die Staatsraison einzubeziehen und auch den südlichen Menschen raisonal Menschenrechte zuzubilligen..

von Lobenstein

 

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