Die Frage erscheint selbst als rhetorische etwas paradox; sie wurde aber ähnlich gestellt in dem Sinn, ob Hitler wirklich Antisemit gewesen sei. Gegen Hitlers Antisemitismus sprach, dass sich das Regiment List zahlreich aus den jüdischen Wehrpflichtigen Ichenhausens rekrutierte, und folglich genau wusste, dass die „hebräischen Volksverderber“ (Mein Kampf) genauso ihren Job gemacht hatten wie die christlichen. Hitler hatte „seine Juden“, Hugo Gutmann und Eduard Bloch das Verlassen Deutschlands ermöglicht. Gutmann war der Offizier, dem er das EK I verdankte, Bloch der Arzt seiner Mutter, der 1941 mit seinem gesamten Vermögen in die USA emigrieren durfte.
In „Mein Kampf“ hatte der Führer zuvor geschrieben, dass
„alle großen Volksführer es verstanden hätten, die Feinde eines Volkes als nur einer Kategorie von Feind zugehörig darzustellen“ (S. 129).
Dass Hitlers Wahl auf die Juden als feindliche Kategorie fiel, dürfte der Tatsache geschuldet gewesen sein, dass die Deutschen mehrheitlich und das zumindest latent, Antisemiten waren. Nicht Hitler machte aus den Deutschen Antisemiten, sondern er passte seine Grundprinzipien den antisemitischen Vorstellungen der Deutschen an. Das ist allerdings viel schlimmer; Hitlers persönlicher Antisemitismus war also einer des politischen Kalküls, der einer eiskalten Berechnung. Dass diese Kalkulation zuletzt zum Holocaust führte, ist der Logik des Krieges geschuldet.
Ähnlich kann man sich in Bezug auf Hitlers Nazitum die Frage stellen. Nach dem Zusammenbruch von 1919 hatte sich Hitler der Bewegung von Ernst Niekisch angeschlossen. Über diesen schreibt WIKIPEDIA:
Ernst Niekisch (* 23. Mai 1889 in Trebnitz; † 23. Mai 1967 in Berlin (West)) war ein deutscher Politiker (USPD, SPD, ASP, SED, zuletzt parteilos) und politischer Schriftsteller. Er war einer der führenden Köpfe des Nationalbolschewismus, der den Strasser-Flügel der NSDAP beeinflusste. ……. Beeinflusst wurde Niekisch vom Vordenker der Jungkonservativen Arthur Moeller van den Bruck, der in seinem Werk Das Dritte Reich 1923 eine zukünftige Verbindung von Sozialismus und Nationalismus propagierte und ein autoritäres Deutsches Reich ohne Parteien anstrebte, das sich gegen die liberalen westlichen Staaten – insbesondere gegen die Vereinigten Staaten – zur Sowjetunion hinwenden sollte. Auch Niekisch entwickelte das Programm einer „nationalen Wiedergeburt Deutschlands“ und setzte sich für ein Europa unter deutscher Führung mit starker Verbindung nach Osten bis nach China ein. Seine Abgrenzung von der westlichen parlamentarischen Demokratie beschrieb er 1926 mit den Worten:
„Westlerisch sein heißt: mit der Phrase der Freiheit auf Betrug ausgehen, mit dem Bekenntnis zur Menschlichkeit Verbrechen in die Wege leiten, mit dem Aufruf zur Völkerversöhnung Völker zugrunde richten.“[5]
Niekisch wählte für seine Ostoption 1929 die Formulierung:
„Entweder asiatisch oder afrikanisch zu werden, sich an das vernegerte Frankreich oder an das tatarische Rußland zu schmiegen.“[6]
Auch antisemitische Argumentationsmuster sind in seinen Schriften zu finden. So schrieb er …. nach 1945 in Das Reich der niederen Dämonen:
„Indem sich das Dritte Reich mit dem Weltjudentum zu messen begann, hob es dieses erst wieder auf die Höhe einer Weltmacht empor […] Es tat dem Juden vielleicht die höchste Ehre an, die ihm je zuteil geworden war, indem es als der staatlich organisierte Widerspruch gegen ihn existierte.“[10]
Mit seiner nationalbolschewistischen, antidemokratischen und antiwestlichen Politik beeinflusste er seinerseits den linken Flügel der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) um Gregor Strasser.—-„
Das erinnert etwas an die heutige Einstellung von AfD und BSW zum Ukrainekrieg. Hitler dagegen polemisierte gegen das Sowjetreich, weil er um Zustimmung des bürgerlichen Lagers in Deutschland warb. Auch insoweit war er der große politische Werbefachmann, der seine politischen Seifen zu verkaufen wusste.
Apropos Niekisch: er überlebte das Dritte Reich und den Krieg im Zuchthaus.
Nach dem Scheitern der bayerischen Räterepublik fand Adolf Hitler die von Anton Drexler gegründete Kleinpartei, die er als zivile Ergänzung für die bayerische Armee seinen militärischen Vorgesetzten anbieten konnte. Diese nationale, aber antibolschewistische Partei als Grundlage des politischen Willens würde es einem Generalstab erlauben, jeden Krieg zu Ende zu führen. Nach „Mein Kampf“ sollte dieser Krieg nur im Osten geführt werden. Überlegt man, dass die NSDAP zuletzt 10 Millionen Deutsche namentlich gelistet hatte, dass es nach 1933 neben der NSDAP noch zahlreiche berufsständische Organisationen gab, die zuletzt jeden Volksgenossen für das Regime erfassten, dann ist es ziemlich unwahrscheinlich, dass die Deutschen allesamt ihr eigenes Seelenleben vergewaltigt hätten. Im Prinzip müssen die Vorstellungen von National und von Sozialistisch in ihrer gegenseitigen Bedingtheit dem deutschen Wesen elementar entsprochen haben. Hildegard Hamm-Brücher wusste als Zeitzeugin, dass 92% der Deutschen bis zuletzt dem Regime gegenüber loyal waren.
Das sagt allerdings wenig zur politischen Einstellung Hitlers aus. Für seine Loyalität zur Partei spricht, dass er sie, anders als Mussolini, nicht den staatlichen Regierungspräsidenten (in Italien: Präfekten) unterstellte, sondern die Regierungspräsidenten den Gauleitern. Gegen seine Loyalität zur Partei spricht, dass er deren Zentrale in München beließ und dieser die Gauleiter nicht unterordnete. PETER HÜTTENBERGER (in: Die Gau leiter.Band19 der Schriftenreihe der Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte) sah die Wirklichkeit des Dritten Reiches in den zwölf Jahren in permanenter, Veränderung, die im Widerspruch zur „Einheitlichkeit“ und zur zentralistischen Machtkonzentration stand. „Zu dieser Wirklichkeit gehörten die Gauleiter, die das „Herzstück“ der NSDAP bildeten und erstaunlich unabhängig von der Parteileitung in München waren.“ Die „NS- Machtkonzentration“ war also in Wirklichkeit staatlich autoritär. So kann man abschätzen, dass die Gauleiter das Element des Föderalen des Deutschen Reichs fortsetzten, wogegen „der Führer“ das Zentralstaatliche Element darstellte. Allerdings kann das föderale Element nur in einem Zentralstaat existieren, andernfalls würde es separatistisch werden müssen.
Beim Blick vom Ausland aus auf das nationalsozialistische Deutschland verschwimmen diese beiden Elemente. Man versteht den deutschen Föderalismus nur als territoriale Gliederung eines Zentralstaats. Der Föderalismus ist aber mehr. Der Insider deutschen Wesens kann Deutschlands Doppelstaatlichkeit wahrnehmen. Und er erkennt, dass die Partei zwar von Hitler durch unendlich viel Engagement und Reden zu ihren Wahlerfolgen kam, aber die eigentliche Parteiarbeit von Leuten wie Gregor Strasser und anderen bis hinab zu Horst Wessel gemacht wurde. Selbst Dr. Josef Goebbels war anfänglich ein zur Münchner Zentrale oppositioneller Nazi, bevor er sich von Hitler hat einnehmen lassen.
Am 30.1.1933 war es dann so weit: Hitler wurde Reichskanzler, der von seinen „bürgerlichen“ Ministern erst einmal „eingerahmt“ wurde. Die Einrahmung unterlief Hitler mit Hilfe der durch die SA verstärkten Polizei, deren Chef in Preußen General Hermann Göring als Innenminister und in Bayern Heinrich Himmler wurde. Bayern und Preußen zusammen stellen gut 80% von Deutschland dar. Hier übersieht man leicht, dass in Deutschland keine Reichspolizei gab, sondern die Polizei das „schlagende Element (Argument)“ der Länder war und ist. In den wichtigsten Städten wurden SA-Führer Polizeipräsidenten, und Ernst Röhm als Stabschef der SA bereitete eine Militärdiktatur durch ein SA-Volksheer vor, das 1934 auf 4 Millionen Mann angewachsen war. Hitler als Träger der Staatsgewalt war in Gefahr, von der nationalsozialistischen Revolution „gefressen“ zu werden.
Das vermied er, indem er für seine Person sich in die staatlichen Schlüsselämter flüchtete und die Staatsmacht verstärkte; als Reichskanzler ergriff er mit der Gleichschaltung der Länder die Reichsstatthalterschaft in Preußen. Den Röhmputsch unternahm er mit der bayerischen SS als Polizeitruppe. Nach dem Röhmputsch, durch den er die SA bedeutungslos machte, vereinigte er das Amt des Reichskanzlers mit dem des Reichspräsidenten. Der Röhmputsch sicherte ihm die Ergebenheit der Reichswehrführung, von deren Chef v. Blomberg er sich erst 1938 befreite. Eine Luftwaffe hatte es in der Weimarer Republik nicht gegeben, sie war eine Schöpfung seines Paladins Hermann Göring und von Haus aus nationalsozialistisch orientiert. Man erkennt aber, dass der Ehrgeiz Hitlers auf eine Staatskarriere durch Ausbau der Staatsmacht des Reichs ausgerichtet war. Die Partei konnte er den Gauleitern und seinem Stellvertreter Rudolf Heß überlassen, nach 1941 sogar dem Sekretär Martin Bormann.
Gerd Ueberschär und Winfried Vogel (in: Dienen und verdienen) haben Hitlers Geschenke an „seine Eliten“ umfangreich aufgeschrieben. Die Geschenke gingen allerdings nicht an Hitlers Parteigenossen, sondern an Hoheitsträger des deutschen Staatsapparats. Nicht einmal SPD-Führer wurden übergangen, soweit sie sich um den Zentralstaat verdient gemacht hatten. Die Feldmarschälle wurden trotz des schlechten Kriegsverlaufs fürstlich ausgestattet, was sie veranlasst haben dürfte, trotz drohender Niederlage weiter für ihre Besitzungen kämpfen zu lassen. Ueberschär und Vogel zitieren das vernichtende Urteil Ulrich von Hassels, dass die führende Elite duch Korruption unfähig war, gegen Hitler zu opponieren. Generalfeldmarschall Erwin Rommel beging aus lauter Loyalität sogar Selbstmord. Deutschland ist durch und durch korrupt und verdorben, was in unseren Tagen der Fall Andrea Nahles zeigt, die man 2019 mit dem Posten einer Präsidentin der Bundesanstalt für Arbeit ruhiggestellt hat. Es sind heute die Parteien, die solche Dotationen vergeben.
Man könnte es also so sehen, dass das Dritte Reich nicht wirklich eine „NS-Gewaltherrschaft“ war, sondern eine ordinäre Diktatur des Staatsapparats, dessen um die SS und ihr RSHA erweiterte Polizei zusammen mit der Justiz auf Grund endlos verschärfter Gesetze (z.B. Volksschädlingsverordnung) die Gewalt gegen das Volk ausübten. Niemand, der hoch im Apparat angesiedelt war, konnte nach Empfang von Dotationen seinen Gönner und Führer stürzen wollen. Die Herrschaften Stauffenberg, Witzleben, Olbricht und Quirnheim waren für einen Staatsstreich viel zu niedrig positioniert.
Apropos:
Der Stauffenbergputsch (20.7.44) war so oder so gesehen ein böser Verrat: Nach heutiger Sicht hatte Graf Stauffenberg, obwohl er bei seiner Landung in Rangsdorf erfuhr, dass sein Attentat gescheitert war, den „Walküre-Alarm“ auslösen lassen, und hat damit der Gestapo die gesamte potentielle Nachkriegselite in die Hände gespielt.
Unsere alberne Bundesregierung dreht sich die Dinge zurecht (Rede von 2024):
„….Um Claus Schenk Graf von Stauffenberg hatte sich eine Widerstandsgruppe von Militärs und hochrangigen Beamten gebildet, um die nationalsozialistische Gewaltherrschaft und den Zweiten Weltkrieg zu beenden. …“
Erster Unsinn: Stauffenberg stieß zu den bestehenden Widerstandsgruppe, und nötigte ihnen einen närrischen Aktivismus auf.
„Das Attentat auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944 scheiterte – und damit auch der Umsturz. Noch in der Nacht wurden Stauffenberg und weitere Angehörige der Gruppe ermordet (sic! Plumpe Lüge). In den Tagen und Monaten darauf ließen die Nationalsozialisten tausende weitere Widerstandskämpfer verhaften. Viele von ihnen wurden ebenfalls hingerichtet. ….“
Zweiter Unsinn: Lächerlich! „Kämpfer“. Wer hatte da je gekämpft? Man lügt und verfälscht durch fehlerhafte Wortwahl. Wikipedia fasst es wie folgt zusammen:
„…. Nach dem Bombenattentat auf Hitler durch Stauffenberg erhielt Generaloberst Friedrich Fromm durch Generalfeldmarschall Keitel die Meldung, Hitler habe die Explosion leicht verletzt überlebt. Daraufhin weigerte er sich vehement, den Putsch Stauffenbergs, den er für gescheitert hielt, zu unterstützen und den „Walküre-Befehl“ zu unterschreiben, wozu nur er berechtigt gewesen wäre. Stauffenberg befahl er, sich zu erschießen….“
Besser wäre es gewesen, Stauffenberg hätte sich schon in Rangsdorf erschossen; jetzt im Bendlerblock war es noch eine letzte Chance für ein Nachkriegsdeutschland. Aber der „ehrgeizige, gewissenlose und dumme Offizier“ (Hitler im Rundfunk) befolgte Fromms Befehl nicht, sondern…..
„…. Die Verschwörer nahmen den Generaloberst fest und sperrten ihn in sein Dienstzimmer ein. In den Abendstunden wurde Fromm bei der Erstürmung des Gebäudes durch regimetreue Truppen befreit und setzte sich selbst an die Spitze derer, die den Aufstand beendeten. Auf seine persönliche Anordnung hin wurden Stauffenberg sowie dessen drei enge Mitverschwörer General Olbricht, dessen Chef des Stabes Oberst Mertz von Quirnheim und Stauffenbergs Adjutant Oberleutnant von Haeften durch ein kurzfristig einberufenes Standgericht zum Tode verurteilt und im Innenhof des Bendlerblocks erschossen. ….“
Nix von „ermordet“. Die BRD baut ihren Mythos auf Selbstbelügen, Schwindel und Betrug auf. Das bedeutet für uns heute, dass jeder Staatsapparat als solcher das Potential hat, eine Diktatur zu etablieren, mit und ohne Staatspartei. Wir sind aktuell auf dem Weg in eine neue Diktatur. Man testet derzeit die Verbotsmöglichkeiten gegen rechte Vereinigungen aus wie man anno 1933 gegen linke mit Verbotsverfügungen vorging; man lügt, dass sich die Parlamentsbalken biegen, das Recht beugt sich frewillig, und das korruptible Parteien- und Klientelsystem führt, was von Deutschland übrig ist, in die nächste Katastrophe….
Die Gefahr geht nicht von Gruppen des rechten Spektrums aus, sondern vom Staatsapparat als solchen; dieser strebt immer nach Autorität und dient dem Machterhalt seiner aktuellen Bonzen.
von Lobenstein