von Felicia Langer
„5. Juni 1968. Das arabische Jerusalem ist in Aufruhr. Es ist ein Jahr seit Beginn der israelischen Okkupation. Der Schmerz ist noch immer quälend frisch. Tausende fangen an, eine Trauerdemonstration zu organisieren: Trauer um die Opfer des Krieges und Protest gegen die Besatzung.“ So habe ich es in meinem ersten Buch (auf deutsch „Mit eigenen Augen“) festgehalten.
Meine Anwaltskanzlei befand sich seit Ende 1967 bis zur Schließung 1990 in Jerusalem, und zwar bewusst in West-Jerusalem, weil ich die Okkupation und Annektierung von Ost-Jerusalem nie anerkannt habe.
Wenn ich jetzt, im Jahre 2014, über die tragischen Geschichten aus dem okkupierten Ost-Jerusalem lese, über Enteignungen und Häuserzerstörungen, die in letzter Zeit noch intensiviert wurden, über die stetig fortschreitende Judaisierung der palästinensischen Stadtviertel, über das willkürliche Töten von Palästinensern und die gefährlichen Provokationen um Al Aksa, kehrt die Vergangenheit zu mir zurück:
Mein erster, fast zu Tode gefolterter palästinensischer Mandant stammte aus Jerusalem, Is’hak Ali al Ma’raji, mein erster Mandant in Administrativhaft war Naim al Ashab, und danach kamen viele andere, deren Häuser Israel zerstört hat oder die deportiert wurden. Und auch die Zeit der Steine in Jerusalem während der ersten Intifada holt mich wieder ein.
Das okkupierte Ost-Jerusalem war für mich immer ein Synonym für Unterdrückung und Leid, und so ist es leider geblieben. Jerusalem ist für mich ein Symbol der totalen Ablehnung der israelischen Besatzung durch die Palästinenser. Keine Mauer, keine Enteignung und Kolonisierung werden dies ändern. Die israelische Politik in Jerusalem ist ein Verbrechen gegen das Völkerrecht. Die israelische Regierung ist eine kriegsbetreibende Regierung und stellt eine Gefahr für die ganze Region dar.
Ich frage mich, wo sind die Weltmächte, die genau wissen, dass die Okkupation und Annektierung von Ost-Jerusalem völkerrechtswidrig sind? Wo ist der Weltsicherheitsrat? Israels verbrecherische Politik genießt offenbar Immunität und wird bis dato nahezu stillschweigend geduldet; gelegentliche verbale Protestnoten bleiben leere Floskeln, solange ihnen keine Taten folgen, und sind nur dem Protokoll geschuldet. Die Weltgemeinschaft ist gefragt: „Wie lange noch?“
Vor einer Woche bin ich aus Israel-Palästina zurück gekommen.Vom Österreichischen Hospiz aus sahen wir am Abend dicke Rauchwolken über Silwan. Für eine deutsche Touristenfamilie war das spannender als ein Film! Der ca. 16-jährige junge Mann war kaum zurück zu halten und wollte mitmachen, wenn die Jugendbanden aufeinander losgehen! Eine englische Wandergruppe machte Ausflüge zu touristischen highlights: als eine Dame hörte, dass wegen des Canadian Parc einige palästinensische Dörfer zerstört worden waren, antwortete sie mit „How interesting!“ Einem Mann bin ich begegnet, der an sportlichen events um den See Genezareth teilgenommen hat. Wie können politisch gleichgültige Touristen angesprochen werden? Die Reiseunternehmen müssen öfter Post von Israel-Kritikern bekommen!
Viele Grüße!
Gertrud Nehls