Chickenshit

by Uri Avnery

When a high-ranking official of one country calls the leader of another country „chickenshit“, it may be assumed that the relations between the two countries are not at their best. In fact, they may be considered somewhat less than cordial.

This week, It happened. An unnamed very high-ranking US official said this in an interview with the respected American journalist who bears the very Jewish name of Jeffrey Goldberg.  No high-ranking official would use such a term for publication without the express permission of the President of the United States of America. So here we are.

History has seen many strange relationships between nations. But I dare say none stranger than that existing between Israel and the US. On the face of it, no two states could be closer to each other. Just a minor example: the day the memorable Chickenshit remark made headlines, the General Assembly of the United Nations adopted a resolution calling upon the US to put an end to its 50-year old embargo on Cuba. 188 countries, including the whole spectrum of EU and NATO countries, voted in favor. Two states voted against: the US and Israel.

Two countries against the entire world? No, not entirely. Micronesia, Palau and the Marshal Islands abstained. (These three mighty island nations generally support Israel, too, though few Israelis could place them on the map.)   Weiterlesen

Das Recht der Palästinenser und ihre Pflicht, Widerstand zu leisten

von Gideon Levy

Man stelle sich vor, ein Palästinenser zu sein; vielleicht ein Bewohner Ost-Jerusalems. 47 schwierige Jahre liegen hinter einem; eine  große deprimierende Dunkelheit  liegt vor einem. Die israelische Tyrannei, die  dein Schicksal dem Untergang weiht,  erklärt arrogant, dass alles so auf immer bleibt. Deine Stadt wird unter Besatzung bleiben – auf immer und ewig. Der Verteidigungsminister, der zweite in der Regierung, die dich unterwirft, sagt, es wird  niemals ein palästinensischer Staat errichtet werden.

Man stelle sich vor, man sei Palästinenser und deine Kinder sind in Gefahr. Vor zwei Tagen töteten die Besatzungsmächte noch ein Kind, weil es „ eine Feuerbombe angezündet“ habe.  Die Wörter „Tod den Arabern!“  wurden  nahe deiner Wohnung an die Wand gesprüht.  Wohin man sich auch wendet, schreit dich ein Soldat oder die Grenzpolizei an. Jede Nacht könnte deine Wohnung  brutal  überfallen werden. Du wirst nie wie ein menschliches Wesen behandelt. Sie werden zerstören, demütigen,  einschüchtern, vielleicht dich auch verhaften – möglichst ohne Gerichtsverhandlung.  Weiterlesen

Schwedens Entschluss, einen Palästinenserstaat anzuerkennen, ist kein Schaden

von Abraham Burg

Mein guter Freund Jitzhak Herzog, Vorsitzender der israelischen Arbeitspartei und Oppositionschef, hatte Medienberichten zufolge kürzlich ein kritisches Gespräch mit dem schwedischen Premier Löfven wegen dessen Entschluss, einen palästinensischen Staat anerkennen zu wollen. Ich war viele Jahre Mitglied in Herzogs Partei, habe ihr als Abgeordneter in der Knesset und als Parlamentspräsident gedient. Zu meiner Bestürzung muss ich feststellen, dass Herzogs Positionen mir nicht länger erlauben, ihn zu unterstützen. Im Gegenteil, ich muss sie zurückweisen, da sie eine Art Freifahrtschein für die Besatzung sind. Herzog und andere behaupten im Brustton der Überzeugung, dass die Anerkennung eines palästinensischen Staates ein „unilateraler“ Schritt sei, der die Friedenschancen bedrohe. Ich glaube, dass ihre Ablehnung die eigentliche Bedrohung ist, weil sie dazu beiträgt, das ungerechte Besatzungssystem fortzusetzen.

Die Wahrheit muss gesagt werden. Es gibt unilaterale Elemente in den israelisch-palästinensischen Beziehungen, die meisten allerdings gehen auf das Konto Israels. Jede andere Beschreibung ist ein Zerrbild der Realität: Das palästinensische Volk lebt seit fast fünf Jahrzehnten unter israelischer Herrschaft, die ihm ohne jegliche „bilaterale“ Vereinbarung aufgedrückt wurde. Landenteignung, Siedlungsexpansion, Militärcheckpoints zerstückeln das palästinensische Gebiet und verhindern Reisefreiheit. Familien aus ihren Häusern zu vertreiben, zivile Proteste zu unterdrücken, Vorbeugehaft zu erlassen und nächtens mit Militärgewalt in Dörfer einzudringen, sind allesamt unilaterale Schritte, die der starke israelische Staat tagtäglich auf Kosten des ohnmächtigen palästinensischen Volkes unternimmt.  Weiterlesen

Reuven Rivlin – Israels neue Lichtgestalt?

Der israelische Präsident Reuven Rivlin hatte Glück, dass er Präsident in Israel ist. Wäre er ein amerikanischer Politiker, hätte man ihn schon längst als Antisemiten registriert und er wäre genötigt worden, aus seinem Amt auszuscheiden. Der israelische Präsident hat bei einem öffentlichen Akt in der israelischen Akademie der Wissenschaften zugegeben, dass die Gesellschaft seines Landes „krank ist“ und die Epidemie der Gewalt „in alle Bereiche eingedrungen“ ist.

„Es ist Zeit ehrlich zuzugeben, dass die israelische Gesellschaft krank ist und es unsere Pflicht ist, diese Krankheit zu behandeln“, sagte Rivlin und bezog sich dabei auf den blutigen vergangenen Sommer und die Spannungen zwischen Juden und Arabern, die ein nie dagewesenes Ausmaß erreicht hätten. „Die Epidemie der Gewalt ist nicht auf die eine oder andere Gruppe beschränkt, sie ist in alle Bereiche eingedrungen“, heißt es im Kommuniqué seines Büros, das betont, dass es „Gewalt gebe in Fußballstadien, akademischen Zirkeln, in Krankenhäusern und Schulen“.  Weiterlesen

Judentum und Islam – die Schönheit des Anderen

Im Dialog: Iskander Ahmad Abdalla und Yuval Ben-Ami

Kritik lässt sich leicht formulieren und es ist kein Problem sich Ängsten hinzugeben. Doch was gibt es zu entdecken, wenn der Blick auf das Andere fällt? Iskandar Ahmad Abdalla aus Ägypten und Yuval Ben-Ami aus Israel haben das Andere kennengelernt. Sie sind eingetaucht in eine andere Welt und berichten von den Erfahrungen, die sie begeistern und ebenso überrascht haben.

Iskandar Ahmad Abdallas Einblicke in die geistige und religiöse Welt des Judentums haben dem jungen ägyptischen Übersetzer und Publizisten in mehrfacher Hinsicht die Augen geöffnet. Zum einen stieß er auf Dinge, mit denen er nicht gerechnet hätte. Zum anderen wurde ihm aber auch seine sprachliche und geistige Nähe zum Hebräischen klar, ebenso wie die Tatsache, dass der Islam, dem er angehört, auf denselben monotheistischen Ursprung zurückgeht wie das Judentum.

„Alle Welt hatte nur eine Sprache und dieselben Laute“ (Genesis 11,2)

So heißt es in der Thora über die Anfänge der Menschheit. Die Kommentatoren schlussfolgern daraus, dass Hebräisch die erste menschliche Sprache gewesen sein soll. Fest steht, dass das Hebräische für die Juden eine heilige Sprache ist, und zwar nicht nur, weil Hebräisch als Sprache der ersten Menschen, sondern hauptsächlich, weil es als Sprache der Schöpfung gilt. Auf Hebräisch hat Gott die Welt geschaffen. Auf Hebräisch sprach er: „Es werde Licht“, und er nannte das Licht Tag, die Finsternis aber Nacht (Genesis 1,5). Und nachdem Gott die Welt geschaffen hatte, sprach er auf Hebräisch zu Adam. Adam gab wiederum allem, was Gott geschaffen hatte, hebräische Namen.

Die unter dem Namen „Kabbala“ bekannte jüdische Mystik geht sogar noch einen Schritt weiter und misst den Buchstaben des hebräischen Alphabets eine verborgene symbolische Bedeutung zu. Die Anhänger gewisser kabbalistischer Strömungen gehen sogar von einer magischen Wirkung der einzelnen Buchstaben aus. Ihnen zufolge kann jemand, der die göttliche Gabe besitzt, die Geheimnisse der Buchstabenmystik zu durchschauen, durch entsprechende Buchstabenkombinationen sich selbst und die Seinen vor bestimmten Übeln bewahren.  Weiterlesen

Israel: eine „kranke Gesellschaft“

von Ludwig Watzal

Wenn das Staatsoberhaupt des Staates Israel, Reuven Rivlin, feststellt, dass die israelische Gesellschaft „krank“ sei, dann muss es wohl stimmen. Spätestens jetzt müssten die Alarmglocken deutscher Antisemiten-Jäger schrillen, nach deren „Maßstäben“ er wohl als „lupenreiner Antisemit“ zu bezeichnen wäre. Darüber hinaus müsste er auf Empfehlung eines obskuren Antisemitismus-Experten aus Berlin auf die berühmt-berüchtigte Liste der Top-Antisemiten des Simon-Wiesenthal-Zentrums in Los Angeles kommen.

Bei einer Veranstaltung der Israelischen Akademie der Wissenschaften zum Thema „Vom Hass des Fremden, zur Akzeptanz des Anderen“ (From Hatred of the Stranger to Acceptance of the Other) diagnostizierte Reuven Rivlin  für Israel eine Epidemie der Gewalt, die „in alle Bereiche vorgedrungen“ sei. „Es ist Zeit ehrlich zuzugeben, dass die israelische Gesellschaft krank ist und es unsere Pflicht ist, diese Krankheit zu behandeln“, sagt Rivlin in Bezug auf das von der israelischen Armee angerichtet Massaker im Gaza-Streifen. „Die Epidemie der Gewalt ist nicht auf die eine oder andere Gruppe beschränkt, sie ist in alle Bereiche eingedrungen.“ „I’m not asking if they’ve forgotten how to be Jews, but if they’ve forgotten how to be decent human beings. Have they forgotten how to converse?”

Jeder Kenner Israels, der nicht die rosarote Brille der Israelfans und der Philosemiten trägt, bezeichnet diese Gesellschaft und große Teile ihre politische Klasse als „paranoid“. Wie sagte doch der indische Philosoph Jiddu Krishnamurti: „Es gibt keine Anzeichen von seelischer Gesundheit, sich an eine zutiefst gestörte Gesellschaft anpassen zu können.“ Diese Paranoia habe nicht nur Schrammen am Image Israels hinterlassen, wie Rivlin feststellte, sondern dem Staat das Image eines „Paria-Staates“ innerhalb der Weltgemeinschaft verschafft. Der Rassismus der israelischen politischen und religiösen Klasse ist sprichwörtlich.

Ein Staat, der alle völkerrechtlichen Normen verletzt und die Menschenrechte des palästinensischen Volkes mit Füßen tritt, Massaker an der Zivilbevölkerung des Gaza-Streifens verübt (2008/09=1 400 Tote; 2014 = 2 100 Tote) Zerstörungen größten Ausmaßes anrichtet, hat sich den Ruf eines „Paria-Staates“ selbst erarbeitet. Nicht ohne Grund sind bereits über 30 000 Israelis nach Berlin ausgewandert, und es kommen mehr. Sie wollen nicht länger in einer jüdischen Demokratie leben, die von einer politischen und religiösen Klasse regiert wird, die das Land, nach Meinung zahlreicher israelischer Analysten, in den Abgrund und die totale Isolation führt. Wo aber Gefahr lauert, wächst das Rettende auch: die deutsche Staatsräson.

Mohammed, wo bist du?

von Uri Avnery

Es klingt wie ein Witz. Ist aber keiner. Vor etwa einem Monat, am Vorabend des jüdischen Neujahrsfestes veröffentlichte das statistische Büro der Regierung eine Reihe interessanter Einzelheiten über die Bevölkerung des Staates. Es war als Geschenk für die Bürger gedacht. Die Bevölkerung wächst, sie wird reicher und ist zufrieden.

Einer der Punkte listet die populärsten Namen auf, die im letzten Jahr neugeborenen Jungen und Mädchen gegeben wurden. Als die Statistiker die Ergebnisse sahen, waren sie entgeistert. Es kam heraus, dass der Name, der oben auf der Liste stand, Mohammed war.  Mohammed -der volkstümlichste Name im jüdischen Staat?

Dafür gibt es eine einfache Erklärung.  Die Araber stellen mehr als 20 Prozent der Bevölkerung dar. Arabische Eltern lieben es, ihren Söhnen den Namen des Propheten: Gott segne seine Seele zu geben.  Außerdem haben arabische Bürger viel mehr Kinder als jüdische Bürger. Wenn jeder zweite arabische Junge Mohammed genannt wird, kommt man auf 5 Prozent.

Jüdische Bürger haben eine größere Auswahl. Es gibt hunderte Namen für Jungen, und die Liste wächst ständig, weil junge Eltern gerne  neue hebräische Namen erfinden. Selbst wenn ein Zehntel der jüdischen Eltern den Namen Josef bevorzugen, so ist es der populärste hebräische Name nach der Liste und erreicht nur 4 Prozent. Was tun? Sehr einfach: man streicht die arabischen Namen weg. Keinen Mohammed. Als dies bekannt wurde, lachten viele Israelis. Wie albern kann man werden.  Weiterlesen

Gedanken zum jüdischen Neuen Jahr

von Reuven Moskovitz

Liebe Freundinnen und Freunde,

ich habe sehr mit mir gerungen, ob ich noch einen Brief zum jüdischen Neuen Jahr schreibe. Mehr und mehr bestätigt sich der Spruch des Propheten Amos  5,5.13 „Darum muss der Kluge zu dieser Zeit schweigen; denn es ist eine böse Zeit.“ Oft denke ich daran, was überhaupt noch zu sagen wäre und ob in meinen zahlreichen Briefen an Euch noch etwas fehlt. In diesem Abwägen treibt mich bei aller Empörung über die existierende Realität mein Wunsch, dass es doch noch gelingen könnte, die schreckliche Blindheit vieler Menschen in Deutschland zu heilen – wahrscheinlich eine unbescheidene und unrealisierbare Illusion – noch einmal zu schreiben.

Nach einer erschütternden militärischen Niederlage, die – geblendet durch einen vorübergehenden Erfolg – die schlimmsten Befürchtungen übertraf, setzte sich auch bei Großmächten in der Geschichte oftmals  die Wahrheit und die Vernunft durch. Diese Lektion konnte Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg lernen. Es schien sogar so, dass Deutschland auch tatsächlich daraus gelernt hat. Nun geschah das unwahrscheinliche Wunder der Wiedervereinigung und der Übergang von der Bonner zur Berliner Republik – und momentan scheint Deutschland wieder viel zu vergessen.  Weiterlesen

Antisemiten sind ihm nicht egal

Antwort auf Maxim Billers Beitrag in der ZEIT

Henryk M. Broder, „nicht mehr ganz junger Edelpolemiker mit klarer politischer Mission“, schreibt über den Beitrag des „brillanten eitlen Juden“ Maxim Biller in der ZEIT, „wer immer es war, der unter dem Namen Maxim Biller geschrieben hat, er hat ein Meisterstück verfasst“ und bedauert sicherlich zutiefst, dass nicht er es war. Oder vielleicht doch? Hat er Maxim Billers Namen nur geliehen? Ein solches Lob aus Broders giftiger Feder ist verdächtigt. Und in der Tat, „in einem Deutsch, das nur ein Prager Jude schreiben kann“, lesen wir ein zionistisches Pamphlet, dass wir sonst nur von einem polnischen Juden kannten. Ein schauerliches Gesellenstück, hasserfüllt, naiv und voller historischer, logischer und gedanklicher Fehler.

„Nichts ist so langweilig wie Antisemitismus, jedenfalls für Juden“. Mit diesem denkwürdigen Satz beginnt Maxim Biller seine Polemik. Aber offensichtlich ist es nicht so, denn sonst würde er sich nicht über Seiten hinweg damit beschäftigen. Er startet gleich mit den absurdesten Vorurteilen gegen Juden, und man hat fast den Eindruck, dass er selber daran glaubt. Nichtjuden glauben, dass die Welt von Juden regiert wird, und das schon seit zweitausend Jahren. Aber schon diese erste Behauptung ist falsch, denn wenn überhaupt, dann seit zweihundert Jahren, denn der Antisemitismus davor war rein religiös, und da hat man den Juden höchstens vorgeworfen, dass sie Jesus gekreuzigt haben, nicht aber, dass sie die Welt regieren. Die Menschen im Altertum wussten sehr genau, wer die Welt beherrscht. Von den „Protokollen der Weisen von Zion“ haben sie nichts gewusst.

Biller meint in seiner Naivität und seinem Nichtwissen, dass Nichtjuden den Juden vorgeworfen hätten, dass ihre Religion nervt, weil die Juden sie mit niemanden teilen wollen. Dabei gibt er später zu, dass die Juden den Nichtjuden das Christentum „geschenkt“ haben und immerhin hat es fast die ganze Welt angenommen. Damit haben doch die Juden ihre Religion mit der ganzen Welt geteilt, denn sowohl Christentum als auch Islam wären doch ohne Judentum nicht denkbar.  Weiterlesen