Der talentierte Felix Ripley-Klein

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Aus dem Tagesspiegel kann man dessen jüngsten Erkenntnisse erfahren:

„Ich, Antisemitismusbeauftragter Felix Klein, finde es nachvollziehbar, dass Israel gegen Feinde vorgeht, die es vernichten wollen. Israel versucht, Terroristen zu töten. Einen Genozidvorwurf wegen des Gazakriegs halte ich für absur,  und getötete Zivilisten im Libanon [halte ich] für Opfer der Hisbollah….“

Aha. „Nachvollziehbar“. Die Logik der Israelis ist also plausibel und „in dubio pro reo“ zu akzeptieren. Das ist ein bisschen mager, wenn man Empathie erwartet hätte.

Kleins Statement ist aber auch in einer Weise dümmlich, so dass er objektiv die westliche bzw. israelische Position sabotiert. William Hirsch (in: Religion und Civilisation) hatte seinerzeit nachgewiesen, dass man durch Übertreibung einer Sache diese lächerlich machen könne. Dass Klein in dieser Art und Weise   – psychologisch erkennt man hier in ihm einen „passiven Unfaller“ –    jüdische Anliegen unterminiert, erkennt man auch an seiner sonstigen „Antisemitismusbekämpfung“. Es hatte schon einen offenen Brief jüdischer Kreise gegeben, diesen Psycho abzuberufen. Angela Merkel, Pinchas Goldschmidt und Josef Schuster halten ihm die Stange.

Hätte er so viel drauf, wie man es von einem deutschen Diplomaten erwarten müsste, dann würde er die Opfer israelischer Angriffe nicht als Opfer der vordergründig für deren Freiheit kämpfenden Hamas, Hizbullah oder der Huthis definieren. Israel steht nicht im Krieg gegen diese Gruppen, sondern im Krieg mit dem Iran. Die Gruppen sind nur dessen „verlorene Haufen“, wie man es in der frühen Nauzeit kannte. Der Iran nutzt die Schwäche der atavistischen Königreiche und die wackeligen Throne arabischer Diktatoren aus, die ihrerseits auf amerikanisches Wohlwollen angewiesen sind, und die sich daher Israel gegenüber in Zurückhaltung üben müssen. Der Iran hat die historische Gelegenheit,  sich zum Befreier Vorderasiens zu machen, und simultan der schiitischen Fraktion des Islam zum Sieg zu verhelfen. Die toten Zivilisten in Gaza und in Beiruth sind also Opfer des Iran, mit dem die Deutschen traditionell zusammenarbeiten.

Dass Israel mit den arabischen Palästinensern nicht auf eine zivilisiert e Weise zurechtkommt, braucht hier nicht zu diskutiert werden. Israel will ein jüdischer Staat sein, und hatte deswegen die Gazaner nicht als israelische Staatsbürger in seinen Staatsverband aufgenommen. Alles, was Israel Zangwill vor 100 Jahren vorausgesehen hatte, wird nun in der Realität virulent. Allerdings läuft es anders, als Zangwill um 1900 gedacht hatte. Nun glauben die Mullahs, dass sie die ideologischen Zwangslagen für sich nutzen können, verkennen aber, dass sie selbst ein atavistisches System verkörpern, das keine modernen Menschen überzeugt. Das wiederum bedeutet, dass sich die Kampfhandlungen ziellos und endlos erstrecken können.

Das erkennt ein Felix Klein nicht und belehrt die Öffentlichkeit ebenso anachronistisch. In Haaretz hätte er lesen können:

„Wohin steuert Israel, wenn der einzige Horizont, den seine Führer anbieten, Krieg ist?“

 Es steuert, wie gerade gesagt, nirgends hin. Mangels Ideen ist der Krieg zwar der Vater aller Dinge, aber es fehlt ein Weib, das er befruchten könnte. Haaretz führt weiter aus:

„Der Staat Israel befindet sich mitten in einem schwierigen Abschnitt seiner Geschichte, in der er von einem Mann geführt wird, dessen einziges Versprechen, das er seinem Volk gegeben hat und halten kann, darin bestand, dank seiner Waffen zu überleben. In einer Kabinettssitzung erwähnte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu die 101 Geiseln nur nebenbei, zumal er sie in den Tunneln der Hamas im Gazastreifen ihrem Schicksal überlässt. … Unter seiner Führung macht Israel Riesenschritte in Richtung eines Krieges in der gesamten Region, während sich die Welt immer wieder fragt: Was will Israel? Wohin geht seine Reise?…“ 

Kurze Kommentierung: Es gibt kein Ziel, „der Weg ist das Ziel“, wie es so dümmlich heißt. Es gibt auch keine Alternative zu Netanjahu. Haaretz:

„Ayman Safadi, der jordanische Außenminister, hat die gefühlte Ratlosigkeit in einer Rede eingefangen, die sich weltweit viral verbreitet hat, aber von Israel völlig ignoriert wurde. Auf einer Pressekonferenz im Anschluss auf eine gemeinsame Feier arabischer Vertreter sprach Safadi  Dinge an, die alle Israelis hätten hören müssen. Nun können sie diese lesen:
„Der israelische Ministerpräsident kam heute hierher und sagte, dass Israel von Staaten umgeben sei, die es zerstören wollen. Wir sind hier – Mitglieder des muslimisch-arabischen Komitees, das von 57 arabischen und muslimischen Ländern mandatiert wird – und ich kann Ihnen ganz unmissverständlich versichern, dass wir alle bereit sind, die Sicherheit Israels zu garantieren, wenn Israel…. (!)

die Besatzung beendet und

die Entstehung eines palästinensischen Staates zuließe.“

So weit Safadi. Haaretz meint dazu, dass sie, die Zeitung nicht in Abrede stelle wolle,  dass die Hamas nicht versucht habe, Israel auf die Knie zu zwingen, dass die Hisbollah kein erbitterter und grausamer Feind Israels wäre, oder, dass der Iran nicht das Schlimmste für Israel wolle, aber Safadi hat uns an eine unbestreitbare Wahrheit erinnert: Während seiner langen Jahre der Herrschaft von Netanjahu hat Israel keinen Finger gerührt, um zu einem Ausgleich mit den Palästinensern zu kommen. Das Gegenteil ist der Fall.
Haben sie eine andere Parole als ‚Ich werde weiterhin in den Krieg ziehen und werde diesen und jenen töten‘?“ Fragen Sie irgendeinen israelischen Beamten, was ihr Plan für einen künftigen Frieden sein könne, Sie werden keine Antwort bekommen, weil sie alle nur an den einzigen Schritt im Kopf haben:–„wir werden Gaza zerstören, das Westjordanland in Brand setzen, den Libanon aufmischen“. Für das Danach haben sie keine Ideen mehr.

Wir hätten einen Plan, wir haben nur keinen Partner für den Frieden in Israel.
Am Vorabend von Rosch Haschana 5785, in dem die einzige Perspektive, die Israels Führer anbieten, der Krieg bleibt, können wir nur hoffen, dass wir im kommenden Jahr mit einem tiefgreifenden Führungswechsel und einer neuen Vision für das Land gesegnet sein werden. Möge die Zeit und seine Schwierigkeiten bald vorbei sein.

Unser Problem in Deutschland ist natürlich nicht Netanjahu, sondern die deutsche Regierung, deren Israel- und Antisemitismusbeauftragte nichts verstanden haben. Wenn nämlich Israel im Krieg mit dem Iran steht, dann ist es töricht, dem Iran die Araber in die Arme zu treiben. Dass aber auch die deutschen Staatsanwaltschaften und Felix Klein als „Diplomat“ als nützliche Idioten des Irans, ist absolut unnötig. Warum sollen freigebige Clans nicht Bonbons verteilen dürfen, oder hübsche Palästinenserinnen nicht das Lied „from the river“ singen. Heute sind Israel und Palästina, bezogen auf den politischen Machtbereich, ziemlich identisch, und ein wenig Freiheit täte auch dem jüdischen Bevölkerungsanteil ganz gut.

Israel braucht dringend eine westliche Verfassung und eine Befreiung von seinen religiösen Zwangsvorstellungen.

von Lobenstein

Zur Relation des Antisemitismus

Henry Ford (in: Der internationale Jude) hatte seinerzeit gemeint, dass es sehr reiche wie auch bitterarme Juden gäbe, was ihm als Rätsel dieses Volkes erschien. Nun gibt es aber auch sehr reiche Amerikaner wie bitterarme. Üer Frankreichs Arme wurden Romane (z. B. les miserables) geschrieben, während der Stil von Frankreichs Reichen in ganz Europa nachgeahmt wurde. Auch zu Russlands Magnaten und Oligarchen, wo die Armut und das Elend der Massen zur Revolution führte, ersceint nichts ungewöhnlich. Warum soll es also nicht arme Juden neben reichen geben? Was kann daran rätselhaft sein?

Nahum Sokolow (in Geschichte des Zionismus) druckt einen offenen Brief der reichen Juden Claude Montefiori und David Alexander ab, die sich kritisch über die Bildung eines jüdischen Gemeinwesens in Palästina äußerten; Sokolow findet genug Antworten in der gesamten britischen Presse, die die Bedenken Montefioris und Alexanders verwerfen, wenn nicht gar zerreißen: die Autoren hätten es sich in England „behaglich“ eingerichtet, aber den Blick auf die russischen und rumänischen Rassegenossen verloren. So vernünftig das Schreiben Montefioris und Alexanders auch klingt, es stieß auf keinerlei Verständnis, je ist gilt als Dokument der Verständnislosigkeit für die Judenfrage.

Wenn man dieses liest, übersieht man leicht, dass es in sehr vielen Ländern viele Juden gibt, denen es „behaglich“ (Sokolow) geht. Schon nach der Vertreibung (1492) fanden die „reicheren“ Juden Spaniens in den Generalstaaten ihren Platz; die ärmeren kamen nur bis Marokko. Andere, offenbar mit Vermögen, etablierten sich schon in Bordeaux, obwohl Juden sich im vorrevolutionären Frankreich nicht hätten niederlassen dürfen (Ausnahme waren die „deutschen“ Provinzen). Auch Hamburg bemühte sich, dass Juden besserer (portugiesischer) Kreise sich in der Hansestadt niederließen. Als die Hamburger die Juden wieder vertreiben wollten, meinten die hanseatischen Handelsherren, dann könne man auch sie gleich mitvertreiben. Ohne die jüdischen Kollegen liefe kein Handel über Hamburg.

Friedrich II. von Preußen erließ 1750 eine Judenverordnung (vgl. Hans Moshe Graupe in: Die Entstehung des modernen Judentums), die die Juden in Klassen einteilte: Die Vermögeden waren den adligen Untertanen gleichgestellt, konnten Grund und Boden erwerben und sich frei niederlassen. So „behaglich“ wird es für die Juden in England auch gewesen sein. Hermann Messerschmidt (in: Das Reich im Nationalsozialistischen Weltbild, 1943) meint, in der englischen Gesellschaft werde „der Jude“ einfach als Mitglied der Schicht wahrgenommen, zu der sein Vermögen ihn addiere.

Zurück zu Henry Fords Frage: Wo liegt nun das Rätsel?

Die „reichen Juden“ erwarben ihren Reichtum nicht durch Ausbeutung (nach der Diktion von Karl Marx) der armen Juden, sondern der christlichen Mehrheitsbevölkerung. Bekannt ist das schon für damalige Verhältnisse das skandalöse System des Herzogs Karl Alexander von Württemberg, der einerseits seine Untertanen zwang, Salz über den Bedarf hinaus zu kaufen, der dieses Salz aber auch noch „streckte“ und ihm eine mindere Qualität gab (Vgl. Karl Biedermann in: Deutschland im 18. Jahrhundert). Sein Finanzminister, der berühmte „Jud Süß“  wurde nach dem unerwarteten Tod des Herzogs gehenkt, was den Kaiser zu der Bemerkung veranlasste, ausnahmsweise büße ein Jude für einen christlichen Schurken. In Bayern wurden die Hofjuden reich, weil Bayerns König im Rahmen seines Ländererwerbs die napoleonischen Kriegsrüstungen massiv unterstützen musste. Gleichzeitig wurden die armen Juden unterdrückt und ausgebeutet, aber nicht von Juden, sondern von einer christlichen Obrigkeit. Der berühmte Anselm Rothschild machte seine Geschäfte mit dem Herzog von Kur-Hessen, der sein Geld für die Vermietung seiner Untertanen als Soldaten für England verdient hatte. „Reich“ wurden Juden nicht auf Kosten ärmerer jüdischer Volksschichten. Zumindest ist solches weder Heinrich Graetz noch Simon Dubnov bekannt geworden.

Die ärmeren Juden erhielten für ihre Wohlfahrt Spenden ihrer vermögenderen Glaubensgenossen. Reiche Juden sind folglich den ärmeren nur als Wohltäter geläufig. Das führte dazu, dass innerhalb des jüdischen Volks kein Klassenkampf entstehen, ja nicht einmal der theoretische Klassengegensatz sich hatte entwickeln können. Der Klassenfeind war für die ärmeren der sie unterdrückende Nicht-Jude, der reiche Jude war das Hassobjekt der unterdrückten nicht-jüdischen Massen. Adolf Hitler dürfte des Rätsels Lösung erkannt haben und den Klassenhass der deutschen Arbeitermassen zum Zweck der Herstellung der nationalen Einheit speziell auf die reichen Juden gelenkt haben. Von armen Juden findet sich im NS-Liederschatz keine Spur.

Das bedeutet, dass man in der Diaspora bzw. in der nicht-jüdischen Gesellschaft äußerst vorsichtig mit dem Begriff „Antisemitismus“ umgehen sollte: der Antisemitismus der deutschen Arbeiter trägt Elemente der Klassengegensätze Arbeitnehmer-Arbeitgeber in sich: es geht nicht um Neid speziell gegen Juden, sondern um das generelle Gefühl, dass jemand mehr Geld habe als ihm sozial zustehe; speziell dem Juden stünde des zwei Mal nicht zu. Die Hälfte des Neides ist also Klassen-Neid. Unterdrückte Juden müssten sich analog fragen, ob sie wirklich mehr unterdrückt werden als die Bauern und Arbeiter des Landes, in dem sie wirtschaften. Die speziellen Unterdrückungsmethoden gegen sie können Analogien der allgemeinen Unterdrückungsmaßnahmen sein. Eine kritische Geschichtsbetrachtung müsste dies erkennen; die Historiker verschließen hierzu offenbar die Augen.

Wenn man weiß, wie schwer es für einen christlichen Gesellen war, in vornapoleonischer Zeit in eine Zunft als Meister aufgenommen zu werden, so relativiert sich die generelle Nichtaufnahme von Juden. Dass es ihnen trotzdem nicht wirklich elend erging, belegen schon Martin Luthers Schriften. Den Juden verblieben ganz offensichtliche Freiräume, um ihr soziales Leben zu entwickeln. An den Rabbinern, die in allen Gemeinden des deutschen Reichs und im Osten deren Führer werden konnten, lässt sich die Freiheit abschätzen, die zu nutzen gelehrten Juden möglich war.

Was bedeutet also das Fehlen eines innerjüdischen Klassenkampfes?

Entscheiden für das Verständnis von Juden und für den Blick auf die israelische Politik ist, dass in der jüdischen Volksgemeinschaft kein Klassenkampf stattfand. Der Feind, sei er objektiv nach Marxscher Lehre ein Klassenfeind oder, nach klassischer Betrachtung, ein nationaler: er ist immer der außergesellschaftliche Fremde; dieser ist, auch als Araber, ein Antisemit. Der Begriff stellt als Bindeglied die Kampfgemeinschaft von Israel und Diaspora her.

Dagegen predigt jede Opposition tauben Ohren. Sie müsste erst herauskristallisieren, was „Antisemitismus“ wirklich ist. Der eigentliche Antisemitismus ist ein zahnloser Tiger, dem der Nazis wuchsen erst durch Verbindung mit dem Rassismus Zähne. Der arabische Nationalismus wird erst Unrecht, wenn man ihn mit Antisemitismus kreuzen kann.

von Lobenstein

 

Zum Antisemitismus

In meinen verschiedenen Analysen des Antisemitismus oder vielmehr dessen, was ich antijüdische Rachsucht nenne, habe ich gezeigt, dass die Menschen um das jüdische Volk an von Anfang an es verübelt haben, dass es „etwas“ hat, das wir heute mysteriös finden, das es zum Funktionieren bringt, dass es uns gelingt, dass es immer Hoffnung gibt, egal wie verzweifelt wir sind; Kurz gesagt, etwas zu haben, das man wieder einfach einen Segen nannte.

Und da es vollständig in der Tora steht, achtet heute niemand mehr darauf, außer natürlich den aufmerksamen Geistern. Wenn der König der Philister in der Genesis im Wesentlichen zu Isaak sagt: Geh weg, du bist erfolgreicher als wir, dann geht es darum.

Danach wird es kompliziert, aber es bleibt verständlich: Wenn die Evangelien fast jedes Wort so berechnen, dass es eine Anspielung aus der hebräischen Bibel aufnimmt, so dass die neue Botschaft, die Frohe Botschaft, den Segen Abrahams mit sich zieht, sie den Juden zu entreißen und sie den Anhängern des entstehenden Christentums zu geben, dann tun die Evangelien nichts anderes, als zu versuchen, den geheimnisvollen und segensreichen Gegenstand zu nehmen, von dem sie nicht ohne Grund annehmen, daß die Juden es besitzen, von dem sie aber irrtümlich glauben, daß die Juden es als ein Gut besitzen, während es eine gewisse Disposition in der Beziehung zum Sein, d. h. zum Göttlichen ist.

Wenn der Quran sehr lange Passagen der Bibel und fast alle wichtigen Geschichten, die es gibt, aufgreift und sie dem Islam zuschreibt, wenn er die großen alten Hebräer islamisiert, wenn er sagt, dass die biblische Version der Botschaft verfälscht ist (sehr deutlich, weil er nicht Ismael, sondern Isaak vorbringt), wenn er das „Opfer“ Isaaks inszeniert, indem er ihn durch Ismael ersetzt, tut er nichts anderes, als zu versuchen, das kostbare Objekt, den Segen, an sich zu reißen und zu zeigen, dass die Juden Usurpatoren sind, indem sie behaupten, ihn zu haben. Immer ist es dieser Versuch, das Objekt der Begierde, das angeblich der andere besitzt, den Juden zu erpressen.

Aber hier stößt der Antisemitismus an seine Grenze, wenn man mit der Stirn gegen eine Wand schlägt: Weil er selbst nicht glaubt, dass diese Erpressung möglich ist; Er selbst bezweifelt, trotz all seiner Anstrengungen, dass es ihm gelungen ist, und der Beweis dafür ist gerade der Rest des Hasses, den er in sich trägt, diese Rachsucht, die ihn ausmacht; Auch wenn er in seiner Sphäre ist, zeigt er Triumph. Insofern der Antisemitismus die Usurpation des Objekts anprangert und die „Gerechtigkeit“ wiederherstellt, indem er das Objekt sich selbst zuschreibt, den Virus in sich trägt, der ihn verursacht, ist er selbst der radikale Zweifel an seiner Herangehensweise.

Und eines Tages musste ein antisemitischer Staat versuchen, der Sache auf den Grund zu gehen und den Juden den Gegenstand zu entreißen, indem er ihnen das Leben nahm, einen nach dem anderen, in der Hoffnung, sie alle zu haben. Aber er scheiterte nicht nur, sondern bewies durch seinen unerschöpflichen Haß, daß er an seiner eigenen Sache zweifelte: Hätte Hitler wirklich an die arische Überlegenheit und Unterlegenheit der Juden geglaubt, so hätte er sie nicht auszurotten gebraucht. Und durch eine gerechte Rückgabe der Dinge diente sein Unternehmen der Vernichtung als Katalysator für die tausend Jahre alte jüdische Idee einer Rückkehr zum Land der Vorfahren; Der Nationalsozialismus hat den Zionismus gestärkt, ohne die Ursache dafür zu sein, da die Rückkehr nach Zion in der Bibel auf einmal ausgebreitet wird.

Spielbergs Film „Jäger des verlorenen Schatzes“ zeigt die Besessenheit der Nazis, an den Gegenstand zu gelangen, den die Juden in der Hand halten, an ihr Geheimnis, das angeblich in der verlorenen Bundeslade des Moses aufbewahrt wird: Als sie die Bundeslade finden, ist das Objekt nicht da, sondern es ist ein brennender Atem, der herauskommt und sie verzehrt.

Heute haben wir auch ein Programm der Auslöschung der Juden, das aus dem Koran stammt und vom Iran und seinen Stellvertretern gefördert wird; ein Programm, das sogar in den Statuten der Hamas vollständig geschrieben ist, die die Zwischenphase festlegen: die Juden von ihrem Land (vom Fluss bis zum Meer…) zu vertreiben, bevor das Endziel erreicht wird, nämlich ihre Vernichtung; Denn wenn die Nazis wollten, dass die Juden nicht mehr existieren, dann will der Korantext, dass sie nicht existiert haben, was eine Herausforderung an die Zeit ist, eine Herausforderung, die ich den „Zweit-Ersten Komplex“ genannt habe (eingeführt 1992 in meinen Drei Monotheismen), ein Komplex, in den alle Antisemiten verstrickt sind, nämlich: Anstatt den Beitrag des jüdischen Volkes zu nehmen und etwas daraus zu machen, sich darüber zu entrüsten, dass dieses Volk den Gegenstand monopolisiert hat; und immer, um diese Monopolisierung anzuprangern. Eine Monopolisierung, die zu bestimmten Perioden zu obszönen Maßnahmen Anlass gab: Als die Vichy-Regierung die Juden ihres Eigentums beraubte oder als die verschiedenen kleinen Herrscher in der arabisch-muslimischen Welt ihr Vermögen konfiszierten, dann taten sie nur „Gerechtigkeit“, sie reparierten die von den Juden begangenen Plünderungen und kamen nur der endgültigen Konfiszierung näher. von der endgültigen Wiedergutmachung, die den Juden ihren „göttlichen“ Zweck und damit ihr Leben entreißen würde.

Aber wie wir gesehen haben, ist diese Entwurzelung unmöglich, und deshalb wird es immer Antisemitismus geben. Denn es handelt sich nicht um ein Haben, sondern um eine gewisse Beziehung zum Sein, das so ist, wie ich es lange Zeit als die Unendlichkeit des Möglichendefiniert habe, dank derer: Was auch immer das Unmögliche sein mag, in dem du steckst, es gibt immer einen möglichen Ausweg, weil das Unendliche nie sein letztes Wort über dich gesprochen hat.

Die Frage nach dem Warum bleibt: Warum braucht es sie, so viele unterschiedliche Menschen, die sich auf dieses kleine Volk konzentrieren, um ihnen ihr Objekt zu entreißen?

Die Antwort ist sehr einfach: Jeder braucht das Objekt der Begierde; Wenn wir uns einreden können, dass diese oder jene Gruppe es besitzt, da uns der Neid bewegt, und dass es uns nicht beim Denken hilft, fixieren wir uns auf diesen Besitz, ohne die Natur dieses Gegenstandes in Frage zu stellen; Und wir gehen um diese Gruppe herum, diese kleinen Leute, empört darüber, dass sie es konfisziert haben, und werfen Steine, Beleidigungen oder Raketen, mit dieser guten kleinen Logik der Eifersucht, nach der wir, wenn wir den Gegenstand nicht haben, während sie ihn haben, es offensichtlich deshalb ist, weil sie ihn uns weggenommen haben.

Eine Konsequenz dieser Analyse ist, dass der Jude für den Antisemiten in der Schuld steht, da er das ganze Stück genommen hat; Er ist passiv, da er alle Vermögenswerte (göttliche oder symbolische) an sich genommen hat. Und da er das, was er schuldet, nicht zurückgeben kann, ebensowenig wie es ihm entrissen werden kann, kann er ausgeplündert werden, ohne dass er protestieren muss, er kann angegriffen werden, ohne dass er antworten muss. Direkte Anwendung dieses Standpunkts: Hamas und Hisbollah können Raketen und Raketen auf ihn schicken, er darf nicht zurückschlagen; Darüber hinaus ergreifen wir alle notwendigen Maßnahmen, damit er im Falle eines Vergeltungsschlags als Krimineller bezeichnet wird. Wenn er Vergeltung übt, tötet er viele unschuldige Menschen, und wir haben uns mit genügend Zivilisten umgeben (oder besser gesagt, wir sind gegangen, um Raketen und Flugkörper in ihren Räumlichkeiten zu platzieren), so dass der jüdische Staat, wenn er zurückschlägt, ein Verbrecher sein wird, ein Täter von Massakern oder sogar Völkermord. Die jüdische Sichtweise ist natürlich das Gegenteil, das heißt: Ihr habt uns seit Jahrhunderten, Jahrtausenden angegriffen, ohne dass wir in der Lage waren, Vergeltung zu üben, heute, wo wir es können, ist es unmöglich für uns, nicht zurückzuschlagen, egal welche Inszenierung man schafft, indem man sich mit Zivilisten umgibt.

Natürlich könnten tugendhafte Dritte kommen, eingreifen und dem jüdischen Staat sagen: Wir verstehen euch, euer Volk hat genug Schläge einstecken müssen, ohne Vergeltung zu üben, aber bemüht euch, weicht von diesem Prinzip ab, nur einmal, ausnahmsweise, um eine drohende Katastrophe zu verhindern. Und der jüdische Staat kann nur antworten: Es ist unmöglich, denn wenn wir die Anstrengung unternehmen würden, die Sie verlangen, wenn wir wegen der als Geiseln genommenen Zivilisten nicht reagieren, würden die Aggressoren weiter vorstoßen und einfach in uns einfallen. Die Hisbollah würde ihren eigenen 7. Oktober machen, und das war es, was sie vorbereitete; Seine Drohnen- und Raketenangriffe wären eine einfache Vorbereitung vor der Invasion, vor unserem Verschwinden gewesen.

© Daniel Sibony

Zur Relation des Antisemitismus

Henry Ford (in: Der internationale Jude) hatte seinerzeit gemeint, dass es sehr reiche wie auch bitterarme Juden gäbe, was ihm als Rätsel dieses Volkes erschien. Nun gibt es aber auch sehr reiche Amerikaner wie bitterarme. Üer Frankreichs Arme wurden Romane (z. B. les miserables) geschrieben, während der Stil von Frankreichs Reichen in ganz Europa nachgeahmt wurde. Auch zu Russlands Magnaten und Oligarchen, wo die Armut und das Elend der Massen zur Revolution führte, ersceint nichts ungewöhnlich. Warum soll es also nicht arme Juden neben reichen geben? Was kann daran rätselhaft sein?

Nahum Sokolow (in Geschichte des Zionismus) druckt einen offenen Brief der reichen Juden Claude Montefiori und David Alexander ab, die sich kritisch über die Bildung eines jüdischen Gemeinwesens in Palästina äußerten; Sokolow findet genug Antworten in der gesamten britischen Presse, die die Bedenken Montefioris und Alexanders verwerfen, wenn nicht gar zerreißen: die Autoren hätten es sich in England „behaglich“ eingerichtet, aber den Blick auf die russischen und rumänischen Rassegenossen verloren. So vernünftig das Schreiben Montefioris und Alexanders auch klingt, es stieß auf keinerlei Verständnis, je ist gilt als Dokument der Verständnislosigkeit für die Judenfrage.

Wenn man dieses liest, übersieht man leicht, dass es in sehr vielen Ländern viele Juden gibt, denen es „behaglich“ (Sokolow) geht. Schon nach der Vertreibung (1492) fanden die „reicheren“ Juden Spaniens in den Generalstaaten ihren Platz; die ärmeren kamen nur bis Marokko. Andere, offenbar mit Vermögen, etablierten sich schon in Bordeaux, obwohl Juden sich im vorrevolutionären Frankreich nicht hätten niederlassen dürfen (Ausnahme waren die „deutschen“ Provinzen). Auch Hamburg bemühte sich, dass Juden besserer (portugiesischer) Kreise sich in der Hansestadt niederließen. Als die Hamburger die Juden wieder vertreiben wollten, meinten die hanseatischen Handelsherren, dann könne man auch sie gleich mitvertreiben. Ohne die jüdischen Kollegen liefe kein Handel über Hamburg.

Friedrich II. von Preußen erließ 1750 eine Judenverordnung (vgl. Hans Moshe Graupe in: Die Entstehung des modernen Judentums), die die Juden in Klassen einteilte: Die Vermögeden waren den adligen Untertanen gleichgestellt, konnten Grund und Boden erwerben und sich frei niederlassen. So „behaglich“ wird es für die Juden in England auch gewesen sein. Hermann Messerschmidt (in: Das Reich im Nationalsozialistischen Weltbild, 1943) meint, in der englischen Gesellschaft werde „der Jude“ einfach als Mitglied der Schicht wahrgenommen, zu der sein Vermögen ihn addiere.

Zurück zu Henry Fords Frage: Wo liegt nun das Rätsel?

Die „reichen Juden“ erwarben ihren Reichtum nicht durch Ausbeutung (nach der Diktion von Karl Marx) der armen Juden, sondern der christlichen Mehrheitsbevölkerung. Bekannt ist das schon für damalige Verhältnisse das skandalöse System des Herzogs Karl Alexander von Württemberg, der einerseits seine Untertanen zwang, Salz über den Bedarf hinaus zu kaufen, der dieses Salz aber auch noch „streckte“ und ihm eine mindere Qualität gab (Vgl. Karl Biedermann in: Deutschland im 18. Jahrhundert). Sein Finanzminister, der berühmte „Jud Süß“  wurde nach dem unerwarteten Tod des Herzogs gehenkt, was den Kaiser zu der Bemerkung veranlasste, ausnahmsweise büße ein Jude für einen christlichen Schurken. In Bayern wurden die Hofjuden reich, weil Bayerns König im Rahmen seines Ländererwerbs die napoleonischen Kriegsrüstungen massiv unterstützen musste. Gleichzeitig wurden die armen Juden unterdrückt und ausgebeutet, aber nicht von Juden, sondern von einer christlichen Obrigkeit. Der berühmte Anselm Rothschild machte seine Geschäfte mit dem Herzog von Kur-Hessen, der sein Geld für die Vermietung seiner Untertanen als Soldaten für England verdient hatte. „Reich“ wurden Juden nicht auf Kosten ärmerer jüdischer Volksschichten. Zumindest ist solches weder Heinrich Graetz noch Simon Dubnov bekannt geworden.

Die ärmeren Juden erhielten für ihre Wohlfahrt Spenden ihrer vermögenderen Glaubensgenossen. Reiche Juden sind folglich den ärmeren nur als Wohltäter geläufig. Das führte dazu, dass innerhalb des jüdischen Volks kein Klassenkampf entstehen, ja nicht einmal der theoretische Klassengegensatz sich hatte entwickeln können. Der Klassenfeind war für die ärmeren der sie unterdrückende Nicht-Jude, der reiche Jude war das Hassobjekt der unterdrückten nicht-jüdischen Massen. Adolf Hitler dürfte des Rätsels Lösung erkannt haben und den Klassenhass der deutschen Arbeitermassen zum Zweck der Herstellung der nationalen Einheit speziell auf die reichen Juden gelenkt haben. Von armen Juden findet sich im NS-Liederschatz keine Spur.

Das bedeutet, dass man in der Diaspora bzw. in der nicht-jüdischen Gesellschaft äußerst vorsichtig mit dem Begriff „Antisemitismus“ umgehen sollte: der Antisemitismus der deutschen Arbeiter trägt Elemente der Klassengegensätze Arbeitnehmer-Arbeitgeber in sich: es geht nicht um Neid speziell gegen Juden, sondern um das generelle Gefühl, dass jemand mehr Geld habe als ihm sozial zustehe; speziell dem Juden stünde des zwei Mal nicht zu. Die Hälfte des Neides ist also Klassen-Neid. Unterdrückte Juden müssten sich analog fragen, ob sie wirklich mehr unterdrückt werden als die Bauern und Arbeiter des Landes, in dem sie wirtschaften. Die speziellen Unterdrückungsmethoden gegen sie können Analogien der allgemeinen Unterdrückungsmaßnahmen sein. Eine kritische Geschichtsbetrachtung müsste dies erkennen; die Historiker verschließen hierzu offenbar die Augen.

Wenn man weiß, wie schwer es für einen christlichen Gesellen war, in vor napoleonischer Zeit in eine Zunft als Meister aufgenommen zu werden, so relativiert sich die generelle Nichtaufnahme von Juden. Dass es ihnen trotzdem nicht wirklich elend erging, belegen schon Martin Luthers Schriften. Den Juden verblieben ganz offensichtliche Freiräume, um ihr soziales Leben zu entwickeln. An den Rabbinern, die in allen Gemeinden des deutschen Reichs und im Osten deren Führer werden konnten, lässt sich die Freiheit abschätzen, die zu nutzen gelehrten Juden möglich war.

Was bedeutet also das Fehlen eines innerjüdischen Klassenkampfes?

Entscheiden für das Verständnis von Juden und für den Blick auf die israelische Politik ist, dass in der jüdischen Volksgemeinschaft kein Klassenkampf stattfand. Der Feind, sei er objektiv nach Marxscher Lehre ein Klassenfeind oder, nach klassischer Betrachtung, ein nationaler: er ist immer der außergesellschaftliche Fremde; dieser ist, auch als Araber, ein Antisemit. Der Begriff stellt als Bindeglied die Kampfgemeinschaft von Israel und Diaspora her.

Dagegen predigt jede Opposition tauben Ohren. Sie müsste erst herauskristallisieren, was „Antisemitismus“ wirklich ist. Der eigentliche Antisemitismus ist ein zahnloser Tiger, dem der Nazis wuchsen erst durch Verbindung mit dem Rassismus Zähne. Der arabische Nationalismus wird erst Unrecht, wenn man ihn mit Antisemitismus kreuzen kann.

von Lobenstein

 

Der Gedenkabend für den 7. Oktober, organisiert von Wizo France und „Mütter der Hoffnung“

Seit November 2023 organisiert WIZO France, Schöpfer von „Mothers of Hope“ in Zusammenarbeit mit CRIF, jeden Freitag ohne Unterbrechung eine Kundgebung für die Freilassung von Geiseln. Journalisten, gewählte Vertreter, Prominente und viele Sympathisanten haben sich zusammengetan, um lautstark die Freilassung der Geiseln zu fordern, die seit dem 7. Oktober in den Gefängnissen von Gaza inhaftiert sind.

Die Präsidentin von Wizo, Nathalie Riu-Guez, wurde am Mittwoch, dem 25. September, in den Salons des Rathauses des 16. Arrondissements vom Bürgermeister Jeremy Redler und seiner Stellvertreterin Isabelle Nizard empfangen und inszenierte meisterhaft einen Gedenkabend im Vorfeld des 7. Oktobers, dem Tag, an dem Israel ein wahres Pogrom erlebte, ein Massaker von beispielloser Gewalt.

101 Menschen jeden Alters und Glaubens werden immer noch in den Tunneln und Gefängnissen der Hamas und ihrer Kumpane festgehalten.

Im Laufe des Abends erinnerte und zeigte Wizo France, was wirklich passiert war, damit der Revisionismus nicht unwidersprochen bleibt.

Céline Bardet, eine auf Kriegsverbrechen spezialisierte internationale Anwältin und Gründerin von „We Are Not Weapons of War“, hat am 7. Oktober die ersten Schlussfolgerungen der exklusiven Untersuchung der begangenen Verbrechen vorgelegt.

Monique Canto-Sperber, Philosophin, ehemalige Direktorin des ENS, entwickelte ihre Analyse.

Shaparak Saleh, Rechtsanwalt und Mitbegründer des Vereins „Azedi Frauen“, erinnerte an die Situation der iranischen Frauen.

Ariel Goldman, Präsident des FSJU und der Jewish Foundation, gab seine Analyse und die Auswirkungen des 7. Oktober auf die jüdische Gemeinschaft ab.

Der Abend endete mit einer Rede von Assaf Moran, Bevollmächtigter Minister der israelischen Botschaft.
Den ganzen Abend über wurden Ausschnitte aus Sheryl Sandbergs Film „Screams before Silence“ gezeigt.

© Sylvie Bensaid

Zu den Juden in Deutschland

Viele Juden in Deutschland sind traumatisiert, verunsichert und ängstlich. Gottseidank nicht alle. Traumatisiert und verunsichert sind in erster Linie die Mitglieder der Jüdischen Gemeinden, die vom Zentralrat der Juden gelenkt und geleitet werden. Sie sind folglich selbst für ihrer Selbstverängstigung verantwortlich; ihre Führung, die nicht müde wird zu verkünden, dass alle Juden geschlossen hinter Israel stünden, und dass alle Juden über die 1200 ermordeten Israelis und etwa 140 noch lebenden Geiseln zu trauerten, irritiert es nicht, dass sie vollkommen gleichgültig wirken gegenüber dem Tod von mehr als 40 000 palästinensischen Kindern, Frauen und Männern, alles Zivilisten. Für die gelenkten Juden sind alle Palästinenser in Gaza „Hamas-Terroristen“, auch die arabischen Schulkinder. Dabei sind diejenigen, die sie „Terroristen“ nennen, in den Augen der anderen Seite nichts minderes als Freiheitskämpfer. Die deutsche Wehrmacht definierte die russischen Partisanen und die Mitglieder der französischen Resistance  als Terroristen. Auch die jüdischen Widerstandgruppen „Etzel“,  die „Lechi“ und die „Stern-Gruppe“, die in Palästina gegen die englische Verwaltung Anschläge vornahm, galten den Briten als Terroristen.  Den Israelis dagegen gelten diese Leute heute als Freiheitskämpfer. Ob Terrorist oder Freiheitskämpfer ist also eine Frage des Standpunkt oder der Zeit.

Die Führung der Juden in der Diaspora argumentiert im Gaza-Konflikt so, als sei Israel aus heiterem Himmel mit dem Überfall der Hamas vom 7. Oktober 2023 konfrontiert worden. Natürlich war dieser Überfall auf eine überflüssige Weise grausam und brutal, aber die israelische Besatzung der arabischen Teile Palästinas darf ebenso als grausam und brutal verstanden werden. Das Abwerfen von 1000-kg-Bomben auf ein feindliches Wohngebiet lässt sich kaum als eine humanitäre Tat darstellen.

Im Konflikt Israels mit den Arabern werden seit mehr als 100 Jahren unzählige Massaker von beiden Seiten verübt . Die Zahl der Opfer auf palästinensischer Seite ist um ein Vielfaches höher als die Verlustzahlen auf der israelischen. Nicht Palästinenser, sondern jüdische Terroristen waren es, die als erste Bomben auf Marktplätzen in Haifa und in Jerusalem zur Explosion brachten und zahllose Opfer „billigend in Kauf nahmen“. Über diese weinen palästinensische Mütter genauso wie jüdische um ihre getöteten Söhne und ihre ermordeten Kinder. Der Autor dieser Zeilen hatte in der Schule in Israel gelernt, dass palästinensische Mütter nicht um ihre Kinder weinten, weil ihre Tränen im Widerspruch zu den Umständen stehen, dass sie zuließen, dass die Kinder von der Hamas zum Krieg rekrutiert werden. Die pädagogischen Theoretiker überlegten niemals, dass die gleiche Argumentation auch den jüdischen Müttern vorgehalten werden könnte, die ihre Söhne und Töchter stolz in die Armee schickten.

„Nie wieder“ ist nicht erst „heute“. Nie wieder galt auch schon gestern und gilt eigentlich immer. Aber die Juden beziehen diesen Slogan allein auf sich. Nie wieder Auschwitz. Nie wieder Antisemitismus. Nie wieder Hass auf Juden. „Nie wieder“ meint aber ein „Nie wieder Hass, Antipathie und Vernichtungswünsche“ zugunsten aller Menschen. „Nie wieder Krieg“ rufen gewisse Leute und wir sehen, dass die Juden im Nahen Osten wieder Krieg führen und in Europa den Gemetzeln zugestimmt wird. Deutsche Politiker fordern wieder blind und gewissenlos eine kritiklose Unterstützung Israels, obwohl alle Welt gesehen hat und weiß, dass Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu diesen Krieg gewollt und herbeigeführt hat.

Natürlich behaupten gewisse Juden, dass sie „keine andere Wahl“ hätten. Aber die Behauptung von fehlender Wahlfreiheit und bedrückender Alternativlosigkeit ist Unsinn. Der denkende Mensch findet immer eine alternative Möglichkeit. Das Zwanghafte des Prinzips „Aug´um Auge“ lässt die Welt erblinden, sagte Mahatma Ghandi. Wenn beide Seiten behaupten, dass sie alternativlos gestellt seien, dann leiden sie beide am politischen Grünen Star.

Ich denke da an die Geschichte des Juden Jakubowski und dem polnischen Oberst, für den es immer nur eine Möglichkeit gab und die heute von Netanjahu besetzt ist. Für den Juden Jakubowski gab es immer zwei Möglichkeiten, die er von seiner Mutter lernte, wie er immer wieder sagte. Damit wollte er sagen, dass es jüdische Lehre und Tradition war und ist, über eine Alternative im Köcher zu haben. Dass die Israelis seit Jahrzehnten keine Alternative sehen zeigt, dass sie sich vom traditionellen Judentum ziemlich weit entfernt haben.

Im konkreten Konflikt geht es nicht um Ideologie; der Konflikt ist nicht rassistisch und auch nicht religiös geprägt, sondern er ist ein ganz banaler Streit um Quadratmeter. Die Juden beanspruchen Land, weil ihre Bücher erzählen, dass ihre Vorfahren dort vor 2000 Jahren gelebt hätten, und die Palästinenser beanspruchen das Land, weil dort seit 2000 Jahren alle ihre Vorfahren bis zu ihnen hinab lebten.

Juden in Deutschland stehen „wrong or right“ hinter Israel, und sind empört, wenn an Wänden von Synagogen oder Gemeindehäuser gesprüht wird „Fuck Israel“ oder „Free Palestine“. Sie haben dafür keine andere Erklärung als: Antisemitismus. Damit verfremden sie diesen Begriff von seiner ursprünglichen Bedeutung, nämlich Judenhass aus den Reihen der Mitbürger. Sie verballhornen den Antisemitismusbegriff zu einem politischen Kampfmittel im Konflikt um Israel und in der Auseinandersetzung mit den Palästinensern. Wenn die Palästinenser in dieser klassischen Auseinandersetzung agieren oder reagieren, dann gelten sie den Juden als Antisemiten. Dabei steht auf den diversen Wänden nicht „Fuck die Juden“. Und wenn die Juden sich so sehr mit Israel identifizieren, dass sie „Fuck Israel“ als Judenhass interpretieren, dann sind sie taub und blind für die Realität in Israel/Palästina und in Deutschland. Nach allem was die Israelis den Palästinensern angetan haben, haben letztere das Recht „Fuck Israel „ zu sprühen.

So einfach kann  man es sich machen. Aber damit kann man keine Probleme lösen und erst recht nicht den Konflikt zwischen Israelis und Palästinenser, der offensichtlich unlösbar bleiben wird. Wenn man Menschen unterdrückt und die Freiheit raubt, sie quält, ausraubt, enteignet und brutal behandelt, dann darf sich nicht wundern, wenn diese Menschen sich irgendwann dagegen wehren, auch wenn ihre Reaktion unmenschlich und grausam ist. In diesem Konflikt wird ständig Grausamkeit mit  Grausamkeit verrechnet.

Ich habe längst den Glauben verloren, dass ich noch in meiner Lebzeit eine Lösung erlebe.

von Abraham Melzer