Judenstämmlinge?

von René Lobenstein

Aktuell wird von Juden und auch von Krethi und Plethi das historische Thema der Zugehörigkeit zum heutigen Judentum zusammengekocht. Neuer Wein in alte Schläuche, wie Jesus sagte? Darauf kommt es nicht an. Dr. Joseph Schuster, Präsident des Zentralrats in Deutschland stellt sich auf einen wahrhaft halachischen Standpunkt. Danach ist Max Czollek (zum Beispiel) kein Jude. Was ist er? Arier? Bastard, Mamser, Un-Jude oder Vaterjude, um einen subtileren Begriff zu verwenden?

Beim christlichen Hochadel kannte man das Problem ähnlich: Die englische Hocharistokratie blutete im 100-jährigen Krieg (bis 1460) aus, so dass man danach von einer Bastard-Aristokratie sprach. In Deutschland hatten Monarchen Kinder mit einfachen Frauen: Aber sie galten wenigstens als niedere Adlige. Bei den niederen Adligen schaut man weniger genau hin. Bei den Juden aber doch:  Ist Frau Charlotte Knobloch Jüdin? Ihr Vater war Jude und ihre Mutter war wohl zum Judentum übergetreten, hat sich davon aber wieder distanziert und sich scheiden lassen. Ihre Kindheit verbrachte Charlotte Knobloch bei Verwandten einer christlichen Dienstmagd, was den Schluss erlaubt, dass sie auch keine jüdische Erziehung genossen haben kann. Sie wäre so etwas wie Papier-Jüdin, wie ein noch 1918 geadelter Recke noch zum „Briefadel“ gehört, aber nicht wirklich jemand vom alten Stamm ist. 

Wir haben also um das Judentum im Sinne der „Nürnberger Gesetze“, die Vierteljuden nicht mehr gänzlich aus der deutschen Volksgemeinschaft ausschlossen, eine Art jüdischen „Dunstkreis“ (Franz Josef Strauß) um das Judentums herum, wo man so oder so urteilen kann. Im Falle von Charlotte Knobloch hat die konservative Gemeinschaft durch deren Wahl zum Vorstand das Judentum von Frau Knobloch anerkannt, während über Max Czollek gleichsam der Herem gesprochen wird, „hem hem, secundum ordinem“.

Nach dem Buche Esra wurde auch damals rabiat vorgegangen; „fremde“ Frauen und die gemeinsamen Kinder mussten verstoßen und aus dem Land vertrieben werden; das galt aber nur für die Priesterschaft, also für die jüdische Aristokratie. Wenn man weiß, daß manche Rituale des Leviticus hethitischen oder persischen Ursprungs sind, macht es Sinn, wenn sich die jüdische Kultpflege von den anderen orientalischen Religionsbräuchen unterscheiden soll. Man lehnte zur Zeitenwende die samaritanische Mischreligion ab, die voll von jüdischen Traditionen war. Heute fordert man Samaria als jüdischen Land ein. So streng wie damals kann es also heute nicht mehr sein. Man müßte vielleicht bei Frau Knobloch weniger großzügig sein als bei einem einfachen Juden, der eigentlich nur beten und den Segen haben will. Man ist aber streng, was „man“ gar nicht versteht: rassische Motive kann diese Haltung nicht haben, denn nach Israel holt man auch nicht-halachische Vaterjuden und unbeschnittene Falaschen. Von einer Staatsreligion kann man auch nicht sprechen, weil die rituell höchst unterschiedlichen Gruppen sich gegenseitig die Zugehörigkeit zu Israel nicht in Frage stellen. In Berlin empörte sich das Publikum, dass einem israelischen Moslem die Kippa vom Kopf geschlagen wurde. Ein israelischer Moslem erscheint den Berlinern allein wegen eines Pileolus als Jude und Dr. Schusters Zeitung fiel in die Empörung ein. Theoretische Rechtsfrage ist: Hat der arabische Täter einen Juden schlagen wollen oder einen arabischen Verräter? Das blieb im Dunst des Nebels verborgen.

Auch verteidigen „die Juden“ die Schächtungsbräuche der Moslems, als seien auch ihre in Gefahr. Klare Linien sind mehrfach überschritten worden.

Stellen wir uns trotzdem auf einen halachischen Standpunkt. Wahre Juden kritisieren Dritte, die als so genannte „Judenstämmlinge“, ein Ausdruck, den sie von Oswald Spengler (in: „Der Untergang des Abendlandes“) übernommen haben, Juden unfreundlich behandeln. Sogar am Ausrottungsprogramm der „Nazis“ haben „Judenstämmlinge“ aktiv teilgenommen, als Wehrmachtssoldaten sowieso. Sogar Reinhard Heidrich, dessen Mutter erst nach dessen Geburt eine jüdische Alliance eingegangen war, wird zum „Judenstämmling“. Ist denn ein so genannter Judenstämmling angesichts seines Ausschlusses aufgrund eines Geburtsfehlers irgendwie verpflichtet, sich Juden verbunden zu fühlen? Eher nicht. Er krankt an einer Art Erbsünde, von der der halachische Jude frei ist. Nach Otto Weininger (in: „Geschlecht und Charakter“) wird behauptet, dass die blutsmäßige Verbindung zum Judentum überhaupt erst den Antisemitismus erzeugen kann. Der rein arische Mensch kann kein Antisemit werden.

Klingt logisch. Also darf man unterstellen a.) angesichts der vielen Beiträge aus dem breiten Publikum, das sich b.) für die Frage „Wer ist Jude“ interessiert, dass erschreckend viele Deutsche „jüdisch versippt und verseucht“ (O-Ton Kaiser Wilhelm II) sein müssen, also bis zum jüdischen Mischling 1. Grades als „Judenstämmlinge“ angesehen werden dürften.  Erhard Milch, Generalfeldmarschall der Luftwaffe war vielleicht kein Antisemit, aber je mehr ein Mensch Vaterjude oder Altvaterjude, Gevatterjude oder Oheimjude wird, umso eher geniert ihn der erratische jüdische Vorfahr, der ihm auch von Seiten der Juden Schimpf statt Ehre einbringt. Er muss also Antisemit werden, zwanghaft, nach Otto Weininger. Wenn er dann auch noch feindselig agiert, dann darf man vermuten, dass die diskriminierende Zurückweisung eines Maxim Biller, das paraphilosophische Gerede eines Raffael Seligman und die unversöhnlich harte Position eines Dr. Josef Schuster der beste Boden dafür ist, die Disteln sprießen zu lassen.

Ganz anders Rabbi Jeshu Nasri: er meinte: lasst die kommen, die reinen jüdischen Herzens sind, (nicht reinen Stammbaums oder Pedigree).

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