Frieden nicht um jeden Preis

Seit Tagen werden wir in Kundgebungen und im Fernsehen von „Putin Versteher“ belabert und belogen und sie kommen mir vor wie Hunde, die bellen, während die Karawane – der Vernünftigen und mit gesunden Menschenverstand Argumentierenden – vorbeizieht und sich nicht von diesem peinlichen Belaber beeindrucken lässt. Während Alice Schwarzer am Samstag auf der Kundgebung in Berlin auf der Bühne triumphiert, gelacht und eine bemerkenswert heitere Selbstherrlichkeit zeigte, was in Anbetracht der tragischen Umstände peinlich und unanständig war, saß am Montag Sahra Wagenknecht in der Sendung „Hart aber fair“ mit versteinertem und maskenhaftem Gesicht und forderte zynisch und unverschämt die Beendigung der Waffenlieferungen an die Ukraine und diskreditiert die ukrainische Führung samt dem jüdischen Präsidenten, als Nazis. Und am Dienstag saß der Universitätsprofessor Johannes Varwick irgendwie hilflos bei Markus Lanz mit ebenfalls versteinert-unbewegten Gesicht und forderte dieselben absurden und verwerflichen Wünsche, nach Beendigung der Waffenlieferungen und Start von Verhandlungen. Beide zeigten keine Empathie und man hatte den Eindruck, dass die Ukraine und die Ukrainer ihnen vollkommen gleichgültig sind, dass es ihnen einzig und allein darum geht, Recht zu behalten und möglich viele (linke) Bürger von sich zu überzeugen. Schließlich will Wagenknecht eine neue Partei gründen und da ist alles erlaubt. Dabei hat Putin erst diese Tage wieder gesagt, dass er zwar offen für Verhandlungen mit der Ukraine sei, aber die Aufgabe der annektierten Gebiete nicht in Frage kommt. Worüber sollte man dann verhandeln? Und es ist auch nicht so, dass man mit Putin nicht verhandelt hat. Seit Jahren werden mit Ihm am langen und von Treffen zu Treffen länger werdenden Tisch Gespräche geführt und man hat den Eindruck, dass er nur seine Gesprächspartner – Scholz, Macron, Johnson etc. – vorführt. Angela Merkel versuchte er einmal mit seinem Hund zu verunsichern, was ihm auch gelang.

Eigentlich ist schon zu diesem Theater alles gesagt und geschrieben worden. Die bürgerliche Presse hat Wagenknecht, Schwarzer, Varwick und wer immer noch dazu gehört, verrissen und in der Luft zerrissen, wozu Wagenknecht nur zu sagen hatte, dass es in der Gesellschaft eine Hetzjagd gegen sie gibt. Das ist es aber nicht. Es gibt keine Hetzjagd aber ein Erschrecken und Entsetzen darüber, dass halbwegs gebildete, intelligente, politisch und gesellschaftskritisch engagierte Frauen sich trauen und nicht schämen Putins Propaganda, Lügen, Fakenews und Hass so schonungslos zu verbreiten. Sie finden zwar in den Kreisen der Querdenker und bei der AfD Anhänger und Björn Höcke schlägt Wagenknecht sogar vor in seine Partei einzutreten statt eine eigene Partei zu gründen, aber es ist immer noch eine verschwindend kleine Minderheit, die einen solch radikalen Putin-Kurs folgt.

Frieden ist kein Wert für sich selbst. Frieden ist nur dann wertvoll, wenn er für beide Seiten fair und nachhaltig ist. Frieden ist nur ein Mittel zum Zweck, dass man ohne Angst leben kann und nicht um seine persönliche Freiheit und die seines Staates fürchten muss. Von vielen Seiten hört man diese Tage Willy Brands berühmte Aussage: „Frieden ist alles, aber ohne Frieden ist alles nichts.“ Der Satz, so schön er klingt, ist aber falsch. Diejenigen, die ihn verwenden wollen damit erreichen, dass man Kriege bedingungslos unterbricht, bevor es zu einer Entscheidung kommt. Das würde aber bedeuten, dass der Krieg bei nächster Gelegenheit wieder ausbricht.

Ein falscher, möglicherweise sogar erzwungener Diktatfrieden, ist nicht wert verhandelt zu werden. Kriege enden so bald eine der Kriegsparteien gesiegt oder verloren hat, oder wenn beide Seiten so erschöpft sind, dass sie ihn nicht fortsetzen können. Sie enden auf dem Schlachtfeld und nicht durch Verhandlungen. Solange Putin seine Ziele nicht erreicht hat, wird er keine Ruhe geben. Das ist so klar, wie das Amen in der Kirche. Darüber lohnt es nicht zu diskutieren, da es dafür schon genügend überzeugende Beweise gibt.

Dabei hat doch Sahra Wagenknecht höchst persönlich und in aller Öffentlichkeit am 20. Februar 2022, also zwei Tage vor Beginn des russischen Überfalls, in der Talk Show „Anne Will“ gesagt: „Russland habe faktisch kein Interesse an einem Einmarsch in die Ukraine. Wir können heilfroh sein, dass Putin nicht so ist, wie er dargestellt wird, nämlich ein durchgeknallter russischer Nationalist, der sich daran berauscht, Grenzen zu verschieben. Denn wäre es tatsächlich so, dann wäre wahrscheinlich Diplomatie hoffnungslos verloren.“

Nun hat sich aber herausgestellt, dass Putin tatsächlich so ist, wie er dargestellt wird, nämlich ein „durchgeknallter russischer Nationalist“. Deshalb haben wir keinen Grund „heilfroh“ zu sein, sondern im Gegenteil, wir müssen vorsichtig sein und ihn genau beobachten. Und wir dürfen auch nicht vergessen, auch wenn es in den Diskussionen und Auftritten der beiden durchgeknallten Damen nie erwähnt wird, dass Putin nicht erst seit Februar 2022 Krieg führt und Regierungen stürzt oder einsetzt, und eigentlich schon seit Jahren seine Ideologie offen propagiert, wonach er die Größe des sowjetischen Reiches wieder herstellen will. Er betrachtet die Ukraine als „heilige russische Erde“, als legitimer Teil Russlands, er trachtet nach der Eliminierung der ukrainischen Kultur, Sprache, Literatur, Musik, Souveränität und vor allem Identität. Daraus ergibt sich doch klar und deutlich, dass es ihm überhaupt nicht um die NATO geht und um die Gefahr westlicher Truppen an Russlands Grenzen, sondern um seinen privaten imperialistischen Träumen, Russland wieder groß zu machen. Seine Vorbilder Peter der Große, Katharina die Große und Stalin haben genau das gemacht, Russland fremde Gebiete einverleibt und das Imperium groß gemacht. Das sind Putins feuchte Träume und dazu bedarf es keine Interpretation seiner Reden, denn er sagt es klar, deutlich und unmissverständlich. Und vor allem geht daraus hervor, dass er Angst hat vor der Verbreitung des Demokratie-Virus in Russland. „Demokratie ist nicht alles“, sagte Winston Churchill, „aber es gibt nicht besseres“. Das war und ist Putins Angst, denn er propagiert atemlos und pausenlos, dass sein russisches System, was inzwischen eine reine Diktatur mit Personenkult ist, das einzig wahre Staatsmodel sei und besser als alle anderen Modelle.

Man fragt sich also warum Sahra Wagenknecht und ihre Getreuen die ganze Hoffnung auf sofortige Verhandlungen setzen, wo doch Diplomatie für sie hoffnungslos verloren gilt, zumindest seitdem Putin doch seinen Krieg begonnen hat. Haben denn diese Friedensapostel nicht ihre Lektionen aus der Geschichte gelernt? Wo und wann gibt es auch nur ein einziges Beispiel, dass man Frieden am Verhandlungstisch erreicht hat? Kriege werden auf dem Schlachtfeld entschieden. Als man im Dreißigjährigen Krieg Verhandlungen aufgenommen hatte, dauerte der Krieg immer noch weitere vier Jahre und kam zum Stillstand, als alle Kriegsparteien vollkommen erschöpft waren oder ihnen das Geld ausging.

So war es schon immer und so war es im Zweiten Weltkrieg, der erst zu Ende ging, nachdem Deutschland auf dem Schlachtfeld kapituliert hat. Es war damals eine bedingungslose Kapitulation. Eine solche Kapitulation wird heute von Russland gar nicht verlangt. Es geht den Ukrainer nicht darum Russland zu erobern, oder Russland so zu zerstören wie Russland die Ukraine, denn sie wissen sehr gut was mit den Armeen passiert ist, die das schon einmal versucht haben. Die Armee Napoleons wurde geschlagen und aus Russland verjagt und genauso die Armee Adolf Hitlers. Selenskji will nichts anderes und nichts mehr, als was auch Stalin gewollt hat, als er seiner Armee den Befehl erteilte Stalingrad, um jeden Preis zu halten und die deutschen Invasoren aus dem Land zu vertreiben.

Warum soll man das Selenkji übelnehmen? Warum fordert Johannes Varwick, dass die Ukraine Bachmut aufgeben soll? Dort sterben genauso ukrainische Soldaten wie 1942 in Stalingrad russische Soldaten gestorben sind und russische Soldaten sterben so wie deutsche Wehrmachts-Soldaten. Wenn Staligrad gefallen wäre hätte Hitler möglicherweise auch Moskau plattgemacht und die Welt sähe heute anders aus. Und deshalb dürfen wir nicht zulassen, dass Bachmut fällt. Aber es muss allen Beteiligten an dieser Debatte klar sein, dass wir nicht für die Ukraine entscheiden können und dürfen. Es ist allein die Entscheidung der Ukrainer.

Wenn wir an die Ukraine keine Waffen mehr liefern würden, dann wird die Ukraine den Krieg verlieren und Kiew würde von Russland besetzt sein. Will Sahra Wagenknecht das? Wenn man sie fragt, dann verneint sie es, aber sie bleibt verlogen und unbeugsam, stampft mit ihren Füßchen auf dem Boden wie ein kleines Kind und sagt: „Ich will aber das Frieden herrscht.“ Als ob sie im Kindergarten sei und wir alle keinen Frieden wollen. Es geht ihr nicht um Frieden, sondern darum, dass man der Ukraine keine Waffen liefert, also darum, dass die Ukraine sich nicht mehr verteidigen kann. Wie soll dann Frieden herrschen? Es würde nicht einmal eine Friedhofsruhe herrschen, denn die Ukrainer werden sich weiter verteidigen, wenn es nicht anders geht, mit einem Partisanenkrieg. Denn noch mehr als Putin die Krim behalten will, wollen die Ukrainer die Einheit und Unabhängigkeit ihres Landes bewahren. Es wird sich bald herausstellen wer den längeren Atem hat.

Es wird davon gesprochen, dass Russland unendliche Ressourcen und Reserven hat. Aber das stimmt nicht und wir können es schon jetzt sehen. Putin hat Schwierigkeiten die Verluste zu ersetzen, sowohl die Verluste an Menschen wie die Verluste an Material. Die Ukraine wird von der Nato, von der EU und von den USA unterstützt und deren Ressourcen sind unendlich. Schon im Zweiten Weltkrieg war nicht die Zahl der Soldaten entscheidend, sondern die Stärke der industriellen Produktion. Die USA, schon damals die größte Ökonomie der Welt, hat spielend nicht nur eigene Verluste an Panzer und Munition ersetzt, sondern auch die Verluste der UdSSR permanent ausgeglichen. Deutschland war dazu nicht in der Lage und auch Russland wird je länger der Krieg dauert nicht in der Lage sein tausende von zerstörten Panzer zu ersetzen. Schon jetzt schickt Putin seine modernen T-72 Panzer nicht in die Schlacht, weil er Angst hat sie zu verlieren.

Heute geht es auch darum eine völkerrechtswidrige Invasion zu stoppen und zurückzudrängen, denn wenn das nicht gelingen würde, wird die Ukraine untergehen und mit ihr auch andere grenzende Staaten, wie Moldavien, die baltischen Staaten und Polen. Es geht deshalb nicht darum, das Unmögliche zu fordern, wie es Heribert Prantl von der SZ verlangt hat mit seinem Wortspiel „Verhandlungsbereitschaft herbeiverhandeln“. Offiziell heißt es im Westen stets, nur Russland habe es in der Hand den Krieg mit einem sofortigen Rückzug seiner Truppen ohne Verhandlungen zu beenden. Gemeint ist natürlich, dass nur Putin es kann. Schließlich ist Russland heute eine totale Ein-Mann-Diktatur. Aber ob er das noch in der Hand hat, ist bei vielen Beobachtern und Fachleuten inzwischen sehr fraglich. Putin geht es nicht mehr um Frieden, sondern um sein eigenes Leben. Er weiß, dass wenn er sich auf die Grenzen von 1991 zurückzieht und dabei zugibt, dass alles umsonst war: die inzwischen mehr als 200 000 tote Russen, die zerstörte Armee und die Schäden in Höhe von Billionen Dollar, sowohl in der Ukraine wie auch in Russland selbst, er dafür zur Rechenschaft gezogen wird und das bedeutet sein Tod. Selenskji wird Putin nicht töten können, aber vielleicht jemand aus Putins Umgebung. Zuletzt bleibt also nur die Hoffnung.

Von Abraham Melzer, 01.03.2022

Ein Gedanke zu „Frieden nicht um jeden Preis

  1. Der primitive Text von Abi Melzer ist Kriegspropaganda billigster Art.
    Russland hat versucht jahrelang (!!!) mit der Ukraine bzw. dem Westen zu verhandeln (MinskII). Der Westen und die Ukraine haben das Friedensabkommen Minsk II sabotiert, Merkel, Selensky und Poroschenko geben das offen zu.
    Zur Sendung „Hart aber (un)fair“: Das Wagenknecht dort korrekte Zitate bezüglich der Kriegsverbrechen genannt hat aber der Moderator gelogen hat weiß Abi Melzer?

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