von Ludwig Watzal
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu greift nach jedem Strohhalm, um sein unterdrückerisches und rassistisches Besatzungsregime von jedem Makel reinzuwaschen, und die naive deutsche politische und mediale Nomenklatura, insbesondere im Berliner Regierungsviertel, scheinen sich damit zufrieden zu geben. Die Israeltreue Bundeskanzlerin sollte sich bei Netanyahu für diese Steilvorlage bedanken, braucht sie ihn doch jetzt nicht für seine brutale Unterdrückung der Palästinenser zu „kritisieren“ und sich gleichzeitig für die Hitler-Gräueltaten zu entschuldigen.
Nach Netanyahu trägt nämlich nicht Adolf Hitler die eigentliche Verantwortung für den Massenmord am europäischen Judentum, sondern der palästinensische Großmufti Amin al-Husseini. Gott sei Dank, kann man da nur sagen! Folglich braucht die deutsche politische Klasse keine Solidarität mehr mit den unterdrückten Palästinensern zu üben, sondern nur noch fest an der Seite der israelischen Unterdrücker und Besatzer zu stehen. Netanyahu hat die Deutschen endlich von einer ungemeinen schweren Bürde befreit! Sie können sich nun wieder ohne Gewissensbisse voll ins kriegerische Getümmel stürzen, zu dem ihnen die kriegswillige Rot/Grüne-Bundesregierung unter Gerhard Schröder und Joschka Fischer die Eintrittskarte bei den US-Imperialisten im Jugoslawien-Krieg besorgt hat, für die Fischer von Madeleine Albright fürstlich belohnt worden ist.
Netanyahu wäre nicht Netanyahu, wenn er diese absurden Äußerungen nicht vor seinem Besuch bei Bundeskanzlerin Merkel in Deutschland und dem Besuch von US-Außenministers John Kerry gemacht hätte. Beiden kann nur das Pamphlet von Barry Rubin und Wolfgang G. Schwanitz, Nazis, Islamists, and the Making of the Modern Middle East, empfohlen werden, in dem die beiden Wissenschaftler diese schräge These bereits vorgetragen haben. Netanyahus Hasbara-Schreiberlinge haben sie ihm jetzt nur noch in sein Manuskript schreiben müssen, um sie den Deutschen und US-Amerikanern vorzutragen. Merkel und auch das US-Außenministerium haben sich von Netanyahus behnbrechenden Geschichtsinterpretationen vorsichtig distanziert.
Dass Netanyahu diese Geschichtsklitterung vor den „Gläubigen“ des Internationalen Zionistenkongresses in Jerusalem vorgetragen hat, überrascht nicht, weil diese Spezies zu Hunderttausenden auch in Deutschland und den USA das Geschäft der zionistischen Hasbara (Propaganda) betreibt (Sayanim). Mit dieser schrägen Geschichtsauffassung wollte Netanyahu zeigen, „dass der Vater der palästinensischen Nation schon damals, ohne Staat und sogenannte ‚Besatzung‘, ohne Palästinensergebiete und ohne Siedlungen, mit systematischer Hetze zur Vernichtung der Juden aufrief“. Hitler wollte zu diesem Zeitpunkt die Juden nicht vernichten, sondern ausweisen, so der große Polit-Historiker Netanyahu. Auf die Frage von Hitler, was er denn tun solle, habe nach Netanyahu Al-Husseini geantwortet: „Verbrennt sie.“ Netanyahus Brüder im Geiste brüllen heute in Jerusalem: „Araber ins Gas“ und „Tod den Arabern“!
Nicht alle Israelis teilen Netanyahus „profunde“ Geschichtskenntnisse. Wesentlich differenzierter äußerte sich Israels Präsident Reuven Rivlin während eines Staatsbesuches in Tschechien: Hitler und Al-Husseini hätten sich getroffen, ob es jedoch einen kausalen Zusammenhang gebe, könne er nicht beurteilen. „Hitler ist derjenige, der unendliches Leid über unsere Nation gebracht hat“, sagte Rivlin.
Auch der renommierte Holocaust-Forscher Yehuda Bauer äußerte sich verwundert über Netanyahus Geschichtskenntnisse: Netanyahu habe „die Figur Hitler verkleinert“. Der deutsche Diktator habe sicherlich „keinen Araber aus dem Nahen Osten gebraucht, der ihm sagte, was er zu tun hat“. Al-Husseini habe zwar mit Hitler kollaboriert, „aber die Idee, dass Hitler von ihm die Inspiration erhielt, ist vollkommen lächerlich“. So lächerlich wie Netanyahu, hätte er ergänzend hinzufügen sollen.
Mit diesem Ministerpräsidenten ist jede verbrachte Minute reine Zeitverschwendung. Bundeskanzlerin Merkel sollte Netanyahu und seinen Ministern/innen den Rat geben, so schnell wie möglich nach Israel zurückzukehren und dafür zu sorgen, dass das Töten durch die israelische Armee und Polizei ein Ende haben müsse und sich Israel aus den Besetzten Palästinensischen Gebieten umgehend zurückzuziehen habe. Zwischen Demokraten und Besatzern sollte es keinen politischen Dialog geben.