Antisemiten sind ihm nicht egal

Antwort auf Maxim Billers Beitrag in der ZEIT

Henryk M. Broder, „nicht mehr ganz junger Edelpolemiker mit klarer politischer Mission“, schreibt über den Beitrag des „brillanten eitlen Juden“ Maxim Biller in der ZEIT, „wer immer es war, der unter dem Namen Maxim Biller geschrieben hat, er hat ein Meisterstück verfasst“ und bedauert sicherlich zutiefst, dass nicht er es war. Oder vielleicht doch? Hat er Maxim Billers Namen nur geliehen? Ein solches Lob aus Broders giftiger Feder ist verdächtigt. Und in der Tat, „in einem Deutsch, das nur ein Prager Jude schreiben kann“, lesen wir ein zionistisches Pamphlet, dass wir sonst nur von einem polnischen Juden kannten. Ein schauerliches Gesellenstück, hasserfüllt, naiv und voller historischer, logischer und gedanklicher Fehler.

„Nichts ist so langweilig wie Antisemitismus, jedenfalls für Juden“. Mit diesem denkwürdigen Satz beginnt Maxim Biller seine Polemik. Aber offensichtlich ist es nicht so, denn sonst würde er sich nicht über Seiten hinweg damit beschäftigen. Er startet gleich mit den absurdesten Vorurteilen gegen Juden, und man hat fast den Eindruck, dass er selber daran glaubt. Nichtjuden glauben, dass die Welt von Juden regiert wird, und das schon seit zweitausend Jahren. Aber schon diese erste Behauptung ist falsch, denn wenn überhaupt, dann seit zweihundert Jahren, denn der Antisemitismus davor war rein religiös, und da hat man den Juden höchstens vorgeworfen, dass sie Jesus gekreuzigt haben, nicht aber, dass sie die Welt regieren. Die Menschen im Altertum wussten sehr genau, wer die Welt beherrscht. Von den „Protokollen der Weisen von Zion“ haben sie nichts gewusst.

Biller meint in seiner Naivität und seinem Nichtwissen, dass Nichtjuden den Juden vorgeworfen hätten, dass ihre Religion nervt, weil die Juden sie mit niemanden teilen wollen. Dabei gibt er später zu, dass die Juden den Nichtjuden das Christentum „geschenkt“ haben und immerhin hat es fast die ganze Welt angenommen. Damit haben doch die Juden ihre Religion mit der ganzen Welt geteilt, denn sowohl Christentum als auch Islam wären doch ohne Judentum nicht denkbar. 

Biller behauptet weiter, dass Nichtjuden den Juden den Vorwurf machen, Juden zu sein, obwohl die meisten von ihnen gar nicht religiös sind. Auch hier zeigt Biller seine völlige Ignoranz, auch und vielleicht besonders, in jüdischer Geschichte und jüdischer Identität. Bis vor zweihundert Jahren hat die Religion auch die Identität bestimmt und wer als Jude geboren wurde, in Deutschland oder sonst wo, war kein Deutscher, sondern Jude. Generationen von Juden haben darunter gelitten. Heinrich Heine, Karl Marx und auch noch Walter Rathenau. Viele Juden glauben nicht mehr an die jüdische Religion, aber sie können  sich nicht von ihrer jüdischen Identität trennen. Sei es drum. Es ist heute kein Makel und stört auch nicht mehr.

Biller, und hier ist er ein siamesischer Zwilling von Broder, wirft den Nichtjuden vor, sie würden ewig dasselbe Lied pfeifen. Er behauptet sogar leichtfertig, dass „die Juden“ das denken. Welche Juden? Wohl solche wie er und Broder, die immer noch im Ghetto leben. Er behauptet, dass die Nichtjuden „zitternd durch den dunklen Wald des Mittelalters, der Neuzeit und Aufklärung…gehen und so eure Angst vor jeder technischen, moralischen und politischen Veränderung vertreiben wollt?“ Wer soll das noch ernst nehmen? Wer, wenn nicht die Europäer, hauptsächlich die nichtjüdischen Europäer, hatten weniger Angst vor Veränderungen jeglicher Art gezeigt? Etwa die Juden, die seit tausenden von Jahren starr in ihrer Religion verharren und Angst haben vor jeder Änderung, selbst die kleinste Korrektur. Da ist das Judentum noch konservativer und ängstlicher als der Katholizismus.

Biller fährt fort mit seinen Vorurteilen und absurden Behauptungen. Er schreibt „Nichtjuden können nicht genug kriegen von ihrer monomanen und sehr monotonen Abneigung gegen Juden.“ Das kann doch nur die Sichtweise eines Autisten sein, der nicht sehen und nicht hören will. Dass „immer die Juden für den Abbau ihrer Urängste herhalten müssen“, ist doch schon lange nicht mehr der Fall. Heute sind die Moslems in Deutschland die Juden und kann es sein, dass Maxim Biller davon nichts weiß? Nein, er will nicht wissen. Er hält „monoton“ an seinem Vorurteil fest. Und er nennt wieder Namen wie Jakob Augstein mit seinen „Gaza-Kolumnen“ oder Erdogan mit seinem „exhibitionistischen Judenekel“. Gut, dass er nicht alle Namen genannt hat, die Zionisten wie Henryk Broder in den letzten Jahren durch die Dörfer getrieben haben. Schade, dass ihm ein Name wie Prof. Hillel Weiss, von der berühmt berüchtigten Bar Ilan Universität, nicht einfällt, der Folgendes über facebook gepostet hat: „Hör zu, Abu Mazzen, ihr seid kein Volk und deshalb kann es auch kein Genozid sein (wenn wir euch töten). Ein Volk zu vernichten, welches nur Pöbel ist, ist eine Pflicht, und sie wird am Ende erfüllt werden, obwohl die israelische Regierung immer noch nicht ihre Verantwortung für die Anfeuerung eures verlogenen nationalen Bewusstseins anerkennen will, von Begin bis Gilon, und allem was sie gespendet hat, um alle Welt irre zu führen und zuzusehen, wie diese Ungeheuer, die infolge ihrer Schwäche entstanden sind, blühen und gedeihen. Je schneller ihr zugeben werdet, dass ihr kein Volk seid und ihr nicht hierher gehört, desto besser wird es euch gehen, auch wenn ihr das Land freiwillig verlasst. Deuteronomium 32,21 …durch ein Volk, dass kein Volk ist, durch ein dummes Volk reize ich so zum Zorn“. Oder ein anderer „Über-Mensch“ wie Mordechai Kedar, der vorgeschlagen hat, palästinensische Frauen zu vergewaltigen, als Abschreckung gegen Terrorismus. Für mehr Beispiele reichen hier der Platz und auch die Zeit der Leser nicht.

Biller ist wohl stolz darauf, dass die Juden als erste und einzige „die Idee der Moral in die Welt gebracht haben“. Leider haben sie diese Idee längst vergessen. Sie haben sie schon zu biblischen Zeiten verlassen, wie man durch die Propheten zur Genüge kennt. Schon in seinem ersten Kapitel klagt Jesaja in seiner Vision, die er über Juda und Jerusalem hatte: „Hört, ihr Himmel und Erde, horcht auf. Denn der Herr spricht: Ich habe Söhne großgezogen und emporgebracht, doch sie sind von mir abgefallen. Ach sie ist zur Dirne geworden, die teure Stadt. Einst war dort das Recht in voller Geltung, die Gerechtigkeit war dort zuhause, jetzt aber herrschen die Mörder“. (Jesaja 1, 2 + 21) Angeblich sollen die Juden die Nichtjuden damit nerven, dass sie allein den Gegensatz zwischen Gut und Böse, menschlich und unmenschlich kennen. Wie gesagt, mag sein, dass sie es einmal wussten, aber heute kann davon keine Rede mehr sein. Nur, dass Biller immer zwischen Juden und Israelis nicht zu unterscheiden weiß. „Die Juden“ gibt es nicht, genauso wie es auch nicht „die Deutschen“ gibt. Es mag sein, dass es auch nicht „die Israelis“ gibt, aber die traurige Realität in Israel lehrt uns, dass „die Israelis“ doch immer wieder ihre nationalistischen, chauvinistischen und im militärischen Denken verhafteten Führer wählen und es da fast überhaupt keinen Unterschied zwischen den äußerst linken und den rechten Parteien gibt.

Und dann kommt Biller auch noch mit einer netten, aparten Theorie, dass nämlich die Christen, die Anhänger von Jesus, der im Jahr 33 gegen die jüdische Nomenklatura rebellierte, den Juden immer noch nicht verziehen haben, dass sie, die Juden sie ignoriert haben, „denn welches Kind will schon von den Eltern, die es kritisiert, für immer ignoriert werden“.  Nett, aber welches Kind will schon mit heruntergekommenen Eltern, Alkoholiker oder Drogenabhängigen, zusammenleben und welches Kind kann auf solche Eltern stolz sein? Viele Juden distanzieren sich mehr und mehr von Israel, weil sie die dort herrschende Ungerechtigkeit nicht ertragen können. Der Ruf „Nicht in unserem Namen“ ist inzwischen sehr populär geworden in jüdischen Kreisen und der weltweit agierende Verein „Jüdische Stimme für gerechten Frieden im Nahen Osten“ bekommt nach jedem israelischen Angriff auf Gaza mehr Mitglieder und Spenden.

Peinlich ist auch, wie Biller seine völlige Ignoranz auf diesem Gebiet immer wieder offenbart. Über die Muslime schreibt er, dass sie ihre Idee von Gott „erst eineinhalbtausend Jahre später als die Juden“ hatten. Wenn man das Judentum aber mit dem Gründer Abraham zu zählen beginnt, der ca. 2000 Jahre vor der Zeitrechnung gelebt hat, dann sind es zweieinhalbtausend Jahre, und beim Christentum immerhin auch noch zweitausend Jahre. Aber warum ist das so wichtig? Ist das die Arroganz und Überheblichkeit eines Ghettojuden, der damit sagen will: Mein Judentum ist die allerbeste Religion?

Danach macht Biller einen gewaltigen Sprung in die Jetztzeit und landet bei den 68er, die er für den neuen Antisemitismus verantwortlich macht. Da ist Biller wohl ein gehorsamer Schüler seines Guru Henryk M. Broder, der das schon seit mehr als zwei Jahrzehnten immer wieder behauptet und der es nicht versäumt hat sein Pamphlet gegen die deutschen Linken aus dem Jahre 1981 gleich wieder online zu stellen. Ich habe immer geglaubt, dass Maxim Biller klüger und sensibler ist als der journalistische Rowdy und ewige Polterer Henryk Broder. Aber offensichtlich habe ich mich geirrt, denn wenn nicht Billers Name über dem Artikel gestanden hätte, wäre ich bestimmt geneigt zu glauben, dass es ein Schmähartikel  aus Broders „Edelfeder“ gewesen wäre.

Biller greift die 68er an und diffamiert sie als „Halb- oder Ganz-Nazis“. Ich wundere mich nicht darüber. Ich wundere mich eher darüber, dass deutsche Zeitungen heute noch bereit sind solchen Unsinn zu drucken. Ich wundere mich darüber, weil in vielen Redaktionen noch 68er und ihre Kinder sitzen und ich frage mich, was diese 68er veranlasst, sich selbst zu geißeln, wie Sufis sich den Rücken blutig schlagen, sich wie Masochisten benehmen und all die Beleidigungen und Diffamierungen auf sich nehmen, die von irregeleiteten Zionisten über ihnen ausgeschüttet werden. Es wird doch nicht ein schlechtes Gewissen sein? Dann hätte doch Broder Recht. Wann klopft mal ein nichtjüdischer, deutscher Autor, Philosoph, Journalist oder sogar Politiker auf den Tisch und sagt: Es reicht. Nein, man muss Broder und seine Gemeinde nicht gleich vertreiben, aber  man muss ihnen auch nicht immer wieder bei der ZEIT, bei der WELT, bei BILD und sonst noch wo, eine Bühne geben für ihre Dreckschleuder. Immerhin gehört der SPIEGEL nicht mehr zu diesen politisch-korrekten Printprodukten, und dabei ist es vollkommen egal, ob der SPIEGEL sich von Broder getrennt hat oder Broder sich vom SPIEGEL.

Genauso wie es nicht „die Juden“ gibt, genauso wenig gibt es auch „die 68er“. Und schon gar nicht gemäß Billers Erklärung, dass „viele, sehr viele von ihnen hatten als junge Wehrmachtssoldaten, Waffen-SS-Novizen und Hitlerjungen…die schönsten, schrecklichsten, prägnantesten Jahre ihres Lebens gehabt. Wie sollten sie auf einmal keine Halb- oder Ganz-Nazis mehr sein“? Selbst die jüngsten Wehmachtsoldaten und Waffen-SS-Novizen waren gegen Ende des Krieges bestimmt 20 Jahre alt und älter. Wenn man die 28 Jahre bis  1968 hinzuzählt, dann waren sie alle um die 50 Jahre alt und vielleicht nur noch die allerletzten Hitlerjungen waren jünger. Keiner aus dieser Generation war unter den 68er, es war die Generation der Eltern, gegen die die 68er revoltiert haben. Was folgt ist barer Unfug und Blödsinn, banale Dummheit und zynische Beleidigungen, die von einem Broder stammen könnten.

Mag sein, dass es unter den 68er viele Naivlinge gab, viele Weltverbesserer, Träumer und auch Vorurteile, Idealismus und die Ideen von love not war. Aus alldem aber Antisemitismus zu machen, bzw. Hassgefühle gegen Juden, ist nicht nur lächerlich, sondern auch bösartig und dumm. Ich habe damals bei den Demonstrationen und den Sitins mitgemacht und kann mich nicht erinnern, dass es da antisemitisch zuging. Ja, es stimmt, Broder predigt das schon seit Jahren, aber deshalb muss es nicht wahr sein. Israel wurde ja bis zum Sechstagekrieg von den Deutschen und auch ganz besonders von der Jugend, verherrlicht, angehimmelt, und das Problem der Palästinenser wurde vollkommen verdrängt. Ich bin 1966 mit einer Gruppe junger Deutscher aus Köln und auf Kosten der Stadt nach Israel geschickt worden. Alle waren begeistert vom Aufenthalt im Kibbutz, und an Palästina dachte damals keiner. Und selbst der Krieg 1967 wurde doch von allen Deutschen, auch von den Studenten, begeistert zur Kenntnis genommen. Keiner hat den Israelis irgendetwas vorgeworfen, höchstens, dass sie „unsere Wüstenfüchse“ waren. Der israelische „Blitzkrieg“ hat niemanden schockiert. Im Gegenteil, er wurde in der Presse groß gefeiert. Es tut mir leid, lieber Maxim und lieber Henryk, so war es nun mal. Ich habe es selber erlebt. Ich war dabei. Und keiner hat damals behauptet, dass „alle Israelis ebenfalls Militaristen, Imperialisten und totalitäre Herrenmenschen waren“.  Aber sie sind es geworden. Jeder halbwegs ernstzunehmende Historiker wird bestätigen, dass der Sechstagekrieg für die israelische Identität eine Zäsur darstellt. Israel hat sich danach verändert. Es wurde eben doch militaristisch, imperialistisch und durchtränkt vom religiösen Erlösungsgedanken. Das Land wurde heilig, der Boden wurde heilig und es war eine heilige Pflicht ganz Eretz Israel zu besiedeln, unabhängig davon, dass in den eroberten Gebieten Millionen von Palästinenser lebten.

Biller, der vom Konflikt mit den Palästinensern leider nicht viel weiß, es sei denn das, was er von der zionistischen Propaganda gehört und gelernt hat, meint: „Es gab palästinensische Araber, denen es in den Augen der neuesten deutschen Weltretter wegen Israel mindestens so schlecht ging, wie den Vietnamesen und Lateinamerikaner wegen der Yankees, die Papa in der Normandie den Arsch versohlt hatten.“ Die Häme ist überflüssig, denn sie ist falsch und dumm. Der ganze Satz ist eine einzige Katastrophe. Warum „palästinensische Araber“, warum nicht gleich Palästinenser? Warum in den „Augen der neuesten deutschen Weltretter“ und nicht auch in den Augen solcher Juden wie Biller und Broder?  Und waren es nicht alle Palästinenser, denen es schlecht ging? Und ist der Vergleich nicht eine Heuchelei und vollkommen falsch? Immerhin geht es den Vietnamesen und den Lateinamerikaner seit Jahrzehnten besser und heute fast schon gut, während die Palästinenser immer noch zu leiden haben unter der brutalen Besatzung der „moralischsten“ Armee der Welt.

Biller meint, dass die 68er nun endlich „ihren Juden“ gefunden haben. Unabhängig davon, dass auch das wiederum ein Märchen ist, sollte es heißen „ihren Israeli“, denn es kann doch nicht sein, dass „der Jude“ für die Sünden und Verbrechen der Israelis gerade stehen soll, so wie die Westdeutschen auch nicht geradestehen wollen für die Verbrechen des SED-Regime. Und nicht so neu ist Billers These, dass sich die 68er Bewegung zum Antisemitismus-Surrogat transformierte und das dann „Israelkritik“ nannte. Broder sagt uns das schon seit Jahren.

Und schon wieder zeigt uns Biller, wie wenig er vom und über den Konflikt weiß. Er behauptet, dass vor dreißig Jahren bis heute „nur von Linken  behauptet wurde – dass Israel ein aggressiver, übermächtiger, quasifaschistischer Staat mit einer Blut-und-Boden-Ideologie sei“. Hat er noch nicht von Israelis und Juden wie Martin Buber, Uri Avnery, Jeshajahu Leibowitz, Noam Chomsky und Hajo Meyer gehört? Wahrscheinlich doch, aber das sind für ihn „selbsthassende Juden“, die nicht in sein zionistisches Schema passen. Und schon wieder wird die Süddeutsche Zeitung als Paradebeispiel für Antisemitismus vorgeführt, wobei Biller sie nur als „Zentralorgan des narzisstischen deutschen Linksreaktionärs“ benennt, anders als Broder, der sie als „Nachfolger vom Stürmer und Völkischen Beobachter“ bezeichnete. „Seit Jahren druckt (die SZ) antisemitische Karikaturen von Israel …und Mark Zuckerberg als allmächtiger Krake“. Was hat Mark Zuckerberg mit Israel und dem Nahost-Konflikt zu tun? Weil er Jude ist? So kann doch nur ein lupenreiner Antisemit denken. Und wenn er kein Jude wäre, wäre er dann keine „allmächtige Krake“?

Und Günter Grass und seine „ungereimte Wandschmierereien“. Hat er noch mehr Gedichte geschrieben, die Israel kritisieren?  Richtig ist allerdings die Feststellung, dass es sich um eine „Wand“ handelte, denn damit will Biller sagen, das Grass´ Gedicht ein Menetekel war, eine Warnung, so wie einst beim Gastmahl des persischen Königs. Und vom „doppelzüngigen Waffen-SS-Veteran“ zu schreiben, also von jemanden, der 1945 gerade mal 18 Jahre alt war, ist schlimmer als „doppelzüngig“. Es ist dumm, bösartig, zynisch und verachtend. Immerhin hat sich Günter Grass in den fast siebzig Jahren danach ein Denkmal errichtet, auf das er stolz sein kann, vom Literatur-Nobelpreis ganz zu schweigen. Schon mit seinem ersten Roman, die Blechtrommel, hat sich Grass von diesem ganzen Nazi-Ballast befreit. Es ist an der Zeit, dass auch ein Maxim Biller das zur Kenntnis nimmt.

Und ich wundere mich auch, wieso Kollegen, Schriftsteller, Philosophen und meinetwegen auch Politiker, sich nicht empören über die Diffamierung einer Zeitung wie der0″ Süddeutschen“, die zu den besten der Welt gehört, auch wenn Broder und Biller sie nicht mögen. Es ist absurd und inakzeptabel, eine solche Zeitung unter Antisemitismus-Verdacht zu stellen, nur weil sie ab und zu Kommentare und Karikaturen bringt, die manchen Blut-und-Boden-Zionisten nicht gefallen. Wir leben in einer Demokratie mit einem Grundgesetz, in dem § 5.1 uns allen, auch Henryk M. Broder und Maxim Biller erlaubt, das zu schreiben, was sie wollen. Jeder darf sich in unserem Land so gut blamieren, wie er kann. Er darf auch vom Großmufti Mohammed Amin al-Husseini schreiben, dass er ein fanatischer Hitler Verehrer war und „mehr Spuren in der Kollektiv-DNA der Deutschen hinterlassen hat, als sie selbst vielleicht wissen“. Ich glaube aber, dass er mehr Spuren bei Zionisten wie Broder und Biller hinterlassen hat, als diese ahnen. Und übrigens, Vladimir Jabotinski, der Gründer und Führer der Jüdischen Revisionisten, aus denen Begins Partei hervortrat, hat auch Hitler und Mussolini verehrt.

Biller behauptet, dass ihm der Antisemitismus egal sei – aber nicht die Juden. Wie ist denn das möglich? Wie kann einem der Antisemitismus egal sein, wenn einem die Juden nicht egal sind? Mir ist der Antisemitismus egal und ich habe es schon oft genug geschrieben. Mir sind aber auch „die Juden“ egal. Nicht alle, aber die meisten. Ich liebe keine Völker, sondern Menschen und als Broder mir einmal vorgeworfen hat, ich würde die Palästinenser lieben, habe ich geantwortet: „Nein, ich liebe sie nicht, aber im Gegenteil zu dir hasse ich sie auch nicht“.

Oder muss jedem Deutschen alle Deutsche nicht egal sein? Was ist das für eine krude und blöde These? Biller behauptet dass die nichtjüdischen Staaten an der Ghettoisierung Israels schuldig sind, inklusiv einer verräterischen Kauft-nicht-bei-Zionisten-Politik. Nein, daran sind die Israelis allein schuld. Sie wollen doch ein „Jüdischer Staat“ sein, der allen Juden auf der ganzen Welt gehört, und nicht der Staat aller seiner Bürger. Israel soll ein „Jüdischer Staat“ sein, auch wenn dadurch keine Demokratie möglich ist. Viele Israelis meinen, Gott hat von einem „Jüdischen Staat“ gesprochen und nicht von einer Demokratie.

Palästinenser gehören nicht nach Israel und sollen Israel verlassen. Und das ist Biller noch nicht genug, er besteht noch darauf, dass nur Israel das „Zuhause“ der Juden ist und kann Juden nicht verstehen, die in Deutschland, Amerika, England, Frankreich oder Russland ihre Heimat sehen. Hier kommt Billers und Broders Schizophrenie ganz zum Vorschein. Beide leben in Berlin und wollen Israelis sein. Und sie fühlen sich in Berlin sicher nicht etwa, weil es dort eine Polizei gibt, sondern weil Israel „eine eigene Armee hat, die bis heute umsichtiger ist als jede andere Armee der Welt, die ich kenne…und weil auch auf mich aufpassen, während ich gerade in Berlin-Mitte sitze und diesen Text schreibe“. Da mag er vielleicht sogar Recht haben, denn inzwischen gibt es in Berlin-Mitte so viele Israelis, dass die israelische Armee dort eine komplette Division zu den Waffen rufen könnte. Das Problem, wie man Waffen nach Berlin schaffen soll, ist für die Israelis bestimmt kein Problem. Und Biller erklärt uns das so: „Wer dann auch noch als Jude meint, er müsse Israel wie einen armen, schwachen Verwandten beschützen, hat entweder etwas nicht verstanden – oder er hofft, dass die begriffsstutzigen Gojim auf diesen Trick hereinfallen, was ich noch am besten finden würde. Denn in Wahrheit ist es genau andersherum: Israel beschützt die Juden, alle Juden, und vor allem und gerade die, die nicht in Israel leben.“ Dabei habe ich Biller nicht gebeten auch in meinem Namen zu reden und ich kenne noch viele Juden, die das nicht wünschen. Und vielleicht finden wir hier auch einen Grund für manchen Goj, Juden oder sogar die Juden zu hassen, wenn ein Maxim Biller schreibt, dass die Gojim, wohl alle, begriffsstutzig sind. Leider ist Biller nicht der einzige Jude, der so denkt.

Biller behauptet, „ohne Israel würde ich als Autor nie so risikobereit sein“. Wieso eigentlich? Er betrachtet die Welt zuerst immer als Jude. Immer aus der Perspektive des Ghettos, in dem er vielleicht nicht mehr lebt, aber das Ghetto lebt offensichtlich immer noch in ihm. Das kann man ihm aber nicht vorwerfen. Es ist uns doch egal, ob er die Welt als Jude oder als Hottentotte, der er nicht ist, betrachtet. So oder so kann es doch lustig und spannend sein, wenn man so talentiert schreiben kann wie Maxim Biller. Andere jüdische Autoren tun es auch und sind keine blinden und autistischen Zionisten. Und natürlich darf es ihn nicht bekümmern, dass seine „autobiografische Besessenheit so viele Deutsche nervt“. Warum auch? Auch die „autografische Besessenheit“ von Günter Grass oder Martin Walser nervt „so viele Deutsche“. Da kann man doch froh und erleichtert sein, dass Biller sich nicht verstellen muss, „weil israelische Soldaten wochenlang Hamas-Tunnel zuschütten…weil sie beim Beschuss von Gaza Zivilisten töten“. Warum soll er sich auch verstellen. Schließlich werden nicht Juden getötet sondern Palästinenser, oder wie Biller sagen wird: Palästinensische Araber.

Die meisten anderen jüdischen Autoren wie Rudolf Borchert oder zeitweise Heinrich Heine oder Kurt Tucholsky, Joseph Roth, Erich Fried und die meisten jüdisch-amerikanischen Schriftsteller finden bei Biller keine Gnade. Sie schrieben zwar viel und gern und offen über Juden, „aber in falschen, hohen, süßlichen, pathetischen Tönen“. Nur Maxim Biller tut es nicht. Er schreibt über Juden, die selbstbewusst, arrogant, selbstgerecht und trotzdem unsicher sind. Das will und kann ich ihm nicht zum Vorwurf machen. Da bin ich, obwohl kein so begnadeter Literaturkritiker wie Marcel Reich-Ranicki, vollkommen seiner Meinung, dass es nur darauf ankommt, dass ein Roman gut geschrieben und spannend ist. Langweilig ist für einen Roman ein Todesurteil, ganz egal worüber man schreibt.

Biller sagt, dass er nur „wegen Israel genau der sein kann“, der er ist und er ist ein „Zionist mit menschlichem Antlitz“. Solche Tiere gibt es nicht. Weder im Zoo noch in der freien Wildbahn. Etwa ein Zionist wie Benjamin Netanjahu, Rabbi Kahane, Rabbi Levinger und noch andere solche rassistischen Rabbis, oder Prof. Weiss, von dem schon die Rede war. Und Biller ist auch nicht beleidigt, wenn man ihn fragt, warum „mein Premierminister so ein Idiot ist, und Benjamin Netanjahu gemeint ist“. Eine solche Frage kann seiner Meinung nach nur ein Antisemit stellen. Da irrt sich der Autor. Eine solche Frage kann jeder brave, anständige deutsche Bürger stellen und auch ein (Ober)Bürgermeister. Vor Jahren ist es der Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth so ergangen, als sie über Ignaz Bubis herzliche Grüße an „seinen Staatspräsidenten“ zu übermitteln bat, anlässlich jüdischer Feiertage. Bubis war empört, ging damit zur Presse und behauptete, dass der israelische Staatspräsident nicht sein Staatspräsident sei. Wenn man aber in das Gebäude der Jüdischen Gemeinde in Frankfurt, und wahrscheinlich auch überall in Deutschland, eintrat, dann stach sofort ein riesen Porträt des israelischen Staatspräsidenten samt blau-weißer Fahne ins Auge.

Biller begeht wieder einen klassischen Fehler von Antisemiten, wenn er rhetorisch fragt, ob man überhaupt vernünftig über den „Arabisch-jüdischen-Konflikt“ sprechen kann. Araber und Juden haben aber keinen Konflikt miteinander, nicht einmal Juden und Moslems.  Er stellt fest, dass man sogar als Jude und Israeli bei dem Thema versagen  kann und meint damit all die Juden, die sich dagegen wehren, das Israel in ihrem Namen spricht, all die Juden und Israelis, die zu BDS-Maßnahmen aufrufen und all die linken Israelis, die gegen die gewalttätige israelische Besatzung kämpfen. Biller nennt es ein „typisches Kapitulations- und Stress-Syndrom“.  Er stellt sich mit seinem Zionismus gegen solche Juden, die im Leben in ihren Geburtsländer eine „glaubwürdigere Alternative sehen, als irgendwo einzumarschieren und anderen Leuten ihr Land wegzunehmen“.

Danach kommt Biller zum Thema und redet Tacheles. Die Juden haben Palästina nicht erobert, sie haben dort „seit dem Ende des 19. Jahrhunderts Land gekauft und annektiert. Er weiß vielleicht nicht, dass zum Zeitpunkt der Gründung Israel nur aus 5% gekauftem Land bestand und zu 95% aus geraubtem Land bestand, dass er freundlich mit „annektiert“ umschreibt.  Und was ist denn schon dabei, schließlich haben die Juden „Banken gegründet und eine eigene Armee, die bis heute umsichtiger ist als jede andere Armee, die ich kenne, ist“. Biller kennt keine anderen Armeen, woher auch, aus der Zeitung vielleicht. Wozu aber israelische Soldaten fähig sind, kann er bei Sara Roy lesen, bei ihrer sehr bewegenden und rührenden Antwort auf Elli Wiesel, auch so ein Zionist, der Broder und Biller die Hände reichen kann. Sie, die Israelis, haben „Dörfer und Städte gebaut, wo früher keine waren.“ Da bleibt ja einem der Atem weg. „Wo früher keine waren“! Wo sind sie denn geblieben die 450 Städte und Dörfer? Hat sie etwas der jüdische Magier Houdini verschwinden lassen? Biller soll doch dort schauen, wo die Israelis ihre Dörfer und Städte gebaut haben, dann wird er vielleicht noch Reste palästinensischer Infrastruktur finden. Oder glaubt er immer noch, dass Palästina ein Land ohne Volk war, prädestiniert für ein Volk ohne Land?

Um die gewaltsame Kolonialisierung Palästinas durch Juden zu rechtfertigen und zu entschuldigen,  behauptet Biller, dass kein Volk in  Europa oder in Nordamerika heute auf dem Gebiet lebt, das immer schon seins war. Er betont noch einmal: „Ich weiß keins“. Für Nord- und Südamerika mag es stimmen. Die Urvölker dort, die Indianer, wurden vertrieben, so wie die Palästinenser. Da ist freilich noch kein Freibrief für das, was die Israelis getan haben und immer noch tun. In Europa verhält es sich aber anders. Deutsche, Franzosen, Holländer, Schweden, Finnen, Italiener, Österreicher, Ungarn u.a. leben immer noch dort, wo auch ihre Vorväter gelebt haben. Die Geschichte Europas ist die Geschichte von Kriegen und Völkerwanderungen, aber weniger die Geschichte von Vertreibungen und gewaltsame Kolonialisierungen. Die Römer, die halb Europa einmal besetzt hielten, haben sich auch schon längst zurückgezogen und die Länder ihren Urbewohner überlassen.

Biller behauptet, dass “alle, aber wirklich alle Staaten auf den Knochen von Menschen errichtet wurden, die vorher da waren“, und so gesehen findet er, „haben sich die jüdischen Eroberer in Palästina mindestens so anständig verhalten wie die Sachsen in England, die Amerikaner in Kalifornien (!), die Deutschen östlich der Elbe“. Und wer sagt, dass Sachsen, Amerikaner und Deutsche sich „anständig  verhalten“ haben? Will Biller hier vergleichen, was nicht vergleichbar ist? Und Biller meint noch, dass die Israelis seit dem Unabhängigkeitskrieg 1948 „militärisch fast nie etwas falsch gemacht haben“. Da soll er mal Jeshajahu Leibowitz lesen, der geschrieben hat, dass Israels Sünde, Fehler oder Verbrechen „am siebten Tag nach dem Sechstagekrieg“ gemacht wurde, indem Israel die eroberten Gebiete behalten hat. Das ist kein Fehler, das ist eine Katastrophe für Israel und bestimmt seitdem sein Schicksal.

Auch Biller sieht es so und meint, dass jetzt endlich „genug mit dem Töten-um-nicht-zu-sterben-Strategie der frühen Zionisten“ sei. Dabei geht es schon seit 1956, seit dem Sinai-Krieg, nicht mehr um „Töten-um-nicht-zu sterben“, sondern einzig und allein um Expansion, Expansion, Expansion. Aus den von Biller bewunderten „Armee-Wunderkinder“ sind brutale Militärs geworden, ohne Moral und ohne Ethik. Uri Avnery schrieb: „Ein General denkt in realen Begriffen: wie viele Soldaten werden für die Erledigung einer Aufgabe benötigt, wie viele Kanonen? Wie die Zahl seiner Opfer zu minimieren? Was wird benötigt, um den Widerstand des Feindes zu brechen?“ Ein General, auch wenn er ein Wunderkind ist, hat nichts Menschliches.  Oder bewundert Biller auch die Wehrmacht wegen ihrer Blitzkriege und wunderbaren Generalen? Und wie wunderbar müssen israelische Generale doch sein, wenn sie sich „immer wieder gegen eine schier unüberschaubare, hundermillionenfache arabische Übermacht durchgesetzt haben“. Der israelische Militärhistoriker Dr. Motti Golani hat in seinem Buch „Erzwungene Kriege?“ längst bewiesen, dass kein Krieg unvermeidbar war. Alle waren sie von Israels Führung gewollt, sogar der Krieg von 1948, und niemals gab es eine „arabische Übermacht“, sogar 1948 nicht. Alles andere gehört zu den Märchen und Mythen, die mit der Geburt Israels verbunden sind und von Zionisten den Gojim immer wieder erzählt werden und diese Einfaltspinsel es auch noch glauben.

Biller möchte auch, dass es aufhört, aber nicht weil die Palästinenser endlich ihr Recht bekommen müssen, sondern weil er sich Sorgen um die israelische Gesellschaft macht, die durch die vielen Kriege korrumpiert werden könnte, und, Gott behüte, „lässt allmählich jeden Israeli zu einem typischen Diasporajuden ohne Diaspora werden“. Da kann ich ihn beruhigen. Israel ist schon längst ein großes, jüdisches Ghetto geworden, ohne ein Ghetto zu sein. Aber wie aufhören? Auf die Idee, dass die israelische koloniale Siedlergemeinschaft von ihrer Herrenmenschenmentalität runterkommt und bereit ist, mit den Arabern auf Augenhöhe, als Gleiche unter Gleichen zu verkehren, kommt er leider nicht.

 Etwa mit den Dschihadisten verhandeln? Am besten die Palästinenser nicht einmal ignorieren. Alle Araber abschieben? „Entschuldigung, wir sind hier nicht in der Tschechoslowakei von 1946, als über zwei Millionen Deutsche gehen mussten, damit sie nie wieder Ärger machen.“ Nein, lieber Maxim, wir sprechen von Israel und dort gibt es eine Partei, Moledet (Heimat) und diese würde das liebend gerne machen. Zwar nicht abschieben, denn wenn schon dann schon, sondern gleich richtig „transferieren“. Dass das „Vertreiben“ bedeutet, interessiert keinen in Israel.

Und zum Schluss seines Artikels zeigt uns Maxim Biller, dass er keine Ahnung hat, worüber er schreibt. Er behauptet: „Leider ist bis jetzt noch kein einziger israelischer Politiker, General, Schriftsteller oder Philosoph aufgetaucht, der gewusst hätte, wie man diese Wirklichkeit gewordene politische Phantasmagorie nun vor dem gar nicht so unmöglichen Verschwinden wieder bewahrt.“ Da muss ich wieder an Martin Buber, Jeshajahu Leibowitz, Prof. J.L. Magnes, dem Gründer der Universität in Jerusalem, Uri Avnery, Moshe Sharet, u.v.a. erinnern, auf die die Generäle nicht hören wollten. Moshe Sharet, Israels zweiter Ministerpräsident wurde von Moshe Dayan und Shimon Peres gezwungen zurückzutreten, weil sie mit seiner Politik der Diplomatie und nicht des Krieges nicht einverstanden waren.

Und schließlich zeigt Biller schon wieder, dass er keine Ahnung hat, wenn er schreibt, dass er einmal gedacht hat, dass Schimon Peres so eine Lichtfigur sein könnte. Ausgerechnet der Opportunist und Kriegstreiber  Peres. Und mehr noch. Biller wartet auf einen neuen Ben Gurion oder eine neue Golda Meir. Ausgerechnet! Anfang der 1930er Jahre führte David Ben-Gurion Verhandlungen mit arabischen Notabeln über die Teilung Palästinas zwischen Juden und Palästinenser. Er schrieb damals: „Ich erklärte, dass wir nicht wollen, dass die Araber Palästina „opfern“. Die Araber Palästinas werden kein „Opfer“ sein für die Verwirklichung des Zionismus. Nach unserer zionistischen Auffassung wollen und können wir unser Leben hier nicht auf Kosten der Araber aufbauen. Die Araber Palästinas werden an ihren Orten bleiben.“ Genau das Gegenteil ist passiert.  Und Golda Meir hat gesagt, dass sie keine Palästinenser kenne. Was sollen uns also ein „neuer“ Ben-Gurion und eine „neue“ Golda Meir bringen?

Als ich die Überschrift des Beitrags von Maxim Biller las, war ich froh, dass ein prominenter jüdischer Schriftsteller endlich die Position in dieser Debatte eingenommen hat, die auch ich vertrete. Leider stellte ich aber sehr schnell fest, dass es eine rhetorische Behauptung war. „Antisemiten sind mir egal“, behauptet Biller und dabei geht aus seinem Artikel deutlich hervor, dass Antisemiten ihm nicht egal sind, sondern auf die Nerven gehen, und mehr noch, sie treffen vielleicht noch den Rest an Moral und Humanität in ihm, und das nimmt er ihnen übel. Er schreibt und schreibt und vergisst die Antisemiten und wendet sich an die Antizionisten, die durch ihre „Israelkritik“ den Staat Israel liquidieren oder zumindest delegitimieren wollen.  Aber auch Antizionisten sind Antisemiten, zumindest im Weltbild von Maxim Biller. Und so ist jeder, der es wagt, Israels Politik auch nur ein wenig zu kritisieren, ein Antisemit, der Biller ganz und gar nicht egal ist. Ein Antisemit ist heute nicht mehr jemand, der die Juden hasst, sondern jemand, denn manche Juden hassen. Darunter offensichtlich auch Maxim Biller.

Biller täuscht sich und uns und bildet sich ein, oder besser gesagt, redet sich ein, dass es einen „Zionismus mit menschlichem Antlitz“ gibt. Das ist eine Widerspruch in sich: Zionismus ist eine imperialistische, kolonialistische Ideologie aus dem Ende des 19. Jahrhunderts. Kurz darauf entstand auch die Nazi-Ideologie, die ähnliches verkündete. Hjalmar Schacht als wichtiger Wegbereiter des Nationalsozialismus stellte in einer Rede in München am 7. Dezember 1930 die einfache Forderung auf: „Gebt dem deutschen Volk wieder Lebensraum in der Welt.“  Da war die zionistische Forderung „ein Land ohne Volk für ein Volk ohne Land“, schon längst geboren. Es nützte nicht, dass einige Abgeordnete auf dem Zionistenkongress gesagt haben: „Die Braut ist schon vergeben“ und meinten damit natürlich das Land. Der Zionismus hat keine menschliches Antlitz, sondern eine hässliche Fratze, wie jeder hässliche Kolonialist, der die Rechte der Urbevölkerung mit seinen Stiefeln zertritt.

Hier muss ich persönlich und privat werden, um meinen Standpunkt zu erklären. Während Maxim Biller in einem assimilierten Elternhaus aufgewachsen ist und zeitlebens in Europa, später Westeuropa aufgewachsen ist, und seine Kenntnisse über Judentum, Zionismus und Israel aus der Literatur und der israelischen Hasbara – Propaganda  erworben hat, habe ich meine Kenntnisse sozusagen mit der Muttermilch eingetrichtert bekommen. Mein Vater, der noch im osteuropäischen Städtl geboren und aufgewachsen ist, dort den Cheder – die Bezeichnung für die traditionellen, religiös geprägten Schulen, wie sie im osteuropäischen Judentum bis zum Holocaust üblich waren – besucht und seine ersten Kenntnisse jüdischer Moral, Mystik und Geschichte erworben hatte und noch genügend Zeit hatte die Atmosphäre des osteuropäischen Judentums einzuatmen und in sich aufzunehmen, war kein religiöser Jude, aber er hatte enzyklopädische Kenntnisse über das Judentum und seine Geschichte. Von diesen Kenntnissen habe ich sehr viel profitiert und sie haben meine Identität als Jude stark beeinflusst. Später, als wir nach Deutschland kamen und ich hier Schule und Berufsausbildung genoss, hatte das natürlich auch meine Identität geformt und so bin ich ein deutscher Jude oder ein jüdischer Deutscher geworden. Meine israelische Identität, die in während unserer Jahre in Israel und während meiner Jahre in der israelischen Armee hatte, ist mir im Laufe der letzten Jahrzehnte und nicht zuletzt wegen der unerträglichen israelischen Politik verloren gegangen und ersetzt worden durch die  emanzipierte liberale, humanistische und ethische Einstellung des deutschen Judentums seit dem Eintritt der Juden in die deutsche Geschichte durch Moses Mendelsohn. Vieles was ich natürlich erworben habe, musste Biller erlernen. Seine Einstellung zum Zionismus ist naiv und unnatürlich. Er scheint noch in einem Ghetto zu leben, das von der israelischen Armee belagert wird. Es lässt keine Feinde rein, aber es lässt auch keinen raus. Das ist heute auch die Situation der Juden in Israel. Sie werden nicht mehr von der arabischen  Welt belagert, die schon mehrmals die Hand zum Frieden ausgestreckt hat, sondern durch ihre eigene Armee, man kann auch sagen durch die zionistische Ideologie, die Kontakte zur Umwelt nicht zulässt, ähnlich wie früher im Ghetto. Man kann es übrigens bei Heinrich Heine – Der Rabbi von Bacharach –  sehr schön nachlesen.

Mir ist es schon sehr früh gelungen, diesen Teufelskreis zu durchbrechen und als freier Bürger in einem freien Land zu leben, ohne von der zionistischen Ideologie beeinflusst und beeindruckt zu sein. Ich habe früh die Vorteile einer freien Gesellschaft in Anspruch genommen und beschloss nach meiner Facon glücklich zu werden. Ich lasse mich nicht von korrupten israelischen Politikern vereinnahmen und lasse nicht zu, dass sie für mich sprechen.

Schade, dass Maxim Biller noch nicht so weit ist. Ich schätze sein Talent sehr und bin sogar ein wenig neidisch. Aber was nützt das beste Talent und was nützen Broder seine Kenntnisse der deutschen Interpunktion, wenn das, was er zwischen Punkt und Komma schreibt, fürchterlich zu ertragen ist.

Es war jetzt das erste Mal, dass Maxim Biller sich in dieser hämischen und unerträglichen Art zum Nahostkonflikt geäußert hat. Es kam zum Widerspruch zwischen seinem Anspruch und seiner Aussage. Ich hoffe, er unterlässt es in Zukunft und bleibt bei dem, was er kann: Romane schreiben.

Ich habe Maxim Biller zum ersten Mal 1988 getroffen, als er noch fast unbekannt war. Ich startete damals mit meiner Zeitschrift SEMIT – unabhängige jüdische Zeitschrift und Biller wurde bekannt durch seine „100 Zeilen Hass“, die ihn zur Marke machten, und zum Außenseiter. Er wollte es damals Heine und Tucholsky gleichmachen und träumte davon genauso berühmt zu werden. Das gelang ihm sogar in Grenzen. Er besuchte mich und schlug mir vor für SEMIT eine Kolumne zu schreiben unter der Überschrift: „100 Zeilen jüdischer Hass“, in der er sich über jüdisches Leben in Deutschland auslassen und all das schreiben wollte, was er in anderen Zeitungen nicht schreiben konnte. Seine Bedingung war, dass keiner seine Texte zensieren darf. Ich sollte also seine Texte blind annehmen und drucken. Ich habe abgelehnt und wer weiß wie viele Klagen und wie viel Ärger ich mir dadurch erspart habe. Denn Billers Taktik war damals provozieren um der Provokation willen. So trennten sich unsere Wege und als ich ihn Jahre später im Einstein in Berlin Unter den Linden zusammen mit seinem Verleger sitzen sah und beide grüßte, schaute mich Biller arrogant und blasiert an und schwieg. Sein Verleger grüßte zurück.

Während er früher Juden wie Henryk M. Broder oder Marcel Reich-Ranicki oder Nichtjuden wie Thomas Mann in seiner Kolumne verrissen und vernichtet hat, richtet sich heute sein Hass gegenüber den Palästinensern, die ihm, dem neuen Juden, der erst mit 16 beschnitten worden ist, nichts getan haben. Warum? Ich fürchte selbst Biller wird darauf keine Antwort geben.

Ich habe Maxim Biller zum ersten Mal 1988 getroffen, als er noch fast unbekannt war. Ich startete damals mit meiner Zeitschrift SEMIT – unabhängige jüdische Zeitschrift und Biller wurde bekannt durch seine „100 Zeilen Hass“, die ihn zur Marke machten, und zum Außenseiter. Er wollte es damals Heine und Tucholsky gleichmachen und träumte davon genauso berühmt zu werden. Das gelang ihm sogar in Grenzen. Er besuchte mich und schlug mir vor für SEMIT eine Kolumne zu schreiben unter der Überschrift: „100 Zeilen jüdischer Hass“, in der er sich über jüdisches Leben in Deutschland auslassen und all das schreiben wollte, was er in anderen Zeitungen nicht schreiben konnte. Seine Bedingung war, dass keiner seine Texte zensieren darf. Ich sollte also seine Texte blind annehmen und drucken. Ich habe abgelehnt und wer weiß wie viele Klagen und wie viel Ärger ich mir dadurch erspart habe. Denn Billers Taktik war damals provozieren um der Provokation willen. So trennten sich unsere Wege und als ich ihn Jahre später im Einstein in Berlin Unter den Linden zusammen mit seinem Verleger sitzen sah und beide grüßte, schaute mich Biller arrogant und blasiert an und schwieg. Sein Verleger grüßte zurück.

Während er früher Juden wie Henryk M. Broder oder Marcel Reich-Ranicki oder Nichtjuden wie Thomas Mann in seiner Kolumne verrissen und vernichtet hat, richtet sich heute sein Hass gegenüber den Palästinensern, die ihm, dem neuen Juden, der erst mit 16 beschnitten worden ist, nichts getan haben. Warum? Ich fürchte selbst Biller wird darauf keine Antwort geben.

Billers Zeit-Beitrag: http://www.zeit.de/2014/41/juden-deutschland-antisemitismus

3 Gedanken zu „Antisemiten sind ihm nicht egal

  1. Mein lieber Abi,
    Es bereitet mir jedes Mal große Freude, Deine Artikel zu lesen. Pai hat mich gestern von der Kueche aus beim Lesen beobachtet und gefragt , was denn so lustig ist. Ich habe offensichtlich dauernd geschmunzelt … Du hat wirklich einen guten Stil.
    Ich würde mich riesig freuen, euch mal bei uns willkommen zu heißen, es würde Dir sicherlich gefallen.
    Grüße von Pai und Isabel
    Pit

  2. Sowas,
    da bin ich halt unterwegs, und wen treff´ ich, ? ‚Abi, echt, nett.
    Den Biller, ja, ja, den lese ich.
    Ja, der hat halt Knaller in der Hand, aber wie das ausgeht, weiß man ja.
    Der ist halt Klamauk atuned,
    Ohne so einen fix – am besten im Plüsch vom Adlon – kriegt der doch –
    lassen wir´s , reg´ dich nicht auf,
    Biller hin oder her, sehr interessant an Deiner Darstellung von Geschichte.
    Nicht polemisch gemeint, sondern leihe dir große, offene Ohren.
    Tiens, wie man so in meiner Ecke von Frankreich sagt,
    tata

    Christine

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