Nicht mein Judentum

von Richard C. Schneider

Lassen Sie uns von der wahren Bedrohung Israels reden. Nein, das sind nicht die Hamas oder der Islamische Jihad, nicht die Hizbollah oder al-Qaida, ja nicht einmal ISIS ist die wahre Bedrohung Israels. Es ist die israelische Linke. Denn sie wird, sollte sie an die Macht kommen, all den Islamisten, die ich oben erwähnt habe, Tür und Tor öffnen, ihnen den Weg nach Jerusalem weisen. So zumindest behauptet dies ein Wahlspot des Likud. Und eine extremistische Siedlergruppe hat diesem Spot gleich noch eins draufgesetzt: in einem Zeichentrickfilm erfüllt ein geldgieriger Jude mit krummer Nase alle Wünsche der Europäer für bare Euros. Die Wünsche? Schlechte Schlagzeilen über Israel. Und er liefert sie. Am Schluss, wenn er nicht mehr gebraucht wird, hängt er sich auf. Und dann heisst es: Ihr glaubt, die Europäer hätten sich geändert, aber das stimmt nicht. Und für die Europäer seid ihr immer noch das, was ihr schon immer wart: miese Juden.

Lassen Sie uns nicht über die Geschmacklosigkeit dieser Wahlspots reden. Lassen Sie uns lieber darüber reden, was dahinter steht. Der Rechten in Israel ist es in den vergangenen Jahren zunehmend gelungen, die «Linke» (was auch immer man darunter wirklich verstehen mag) als «anti-zionistisch» zu diskreditieren. Ich bin für eine Zweistaatenlösung, dann bin ich ein Antizionist. Ich bin für zivile Hilfe für die Menschen in Gaza, dann bin ich ein Antizionist. Ich glaube an Mahmoud Abbas, also bin ich ein Antizionist. Und so geht es endlos weiter. Diese zunehmend erfolgreiche Methode der Delegitimisierung demokratischer, sozialer, liberaler Positionen innerhalb des politischen Diskurses in Israel ist in meinen Augen eine noch weit grössere Gefahr für das Land – und für das Judentum – als all die Islamisten zusammen. Wenn man nicht mehr das Leid des anderen wahrnehmen kann, ist das dann noch mit jüdischen Werten zu vereinbaren? Wenn man die eigenen Ungerechtigkeiten nicht mehr sehen kann, wenn man das Leid, das man anderen zufügt, nicht mehr sehen will, ist das dann noch jüdisch? Sind Hass, Rassismus, Landraub jüdisch? Genau das versucht die Rechte uns aber zu verkaufen, ein «wahres» Judentum, das aber wahrlich nicht das meine ist, und sicher auch nicht das meiner Familie, die in Auschwitz vergast wurde. Wenn das wirklich Judentum sein soll – dann verzichte ich gern darauf. Und ich bin nicht so blind zu glauben, dass die «anderen», also die Fanatiker und Extremisten muslimischer Couleur, nette Engel sind, gegen die man sich nicht verteidigen soll. Aber wenn die Bedrohung von aussen zum Alibi für mein eigenes Unrecht wird, dann kann ich das nicht gutheissen, dann kann ich das nicht als «jüdischen» Weg akzeptieren. Und jeder Jude, der in der Schweiz, in Europa jetzt angesichts der Attentate von Paris und Kopenhagen plötzlich ähnlich zu denken beginnt wie die israelische Rechte, sollte sich fragen, ob er den Islamisten so viel Macht geben will, dass sie sein ethisches Wertesystem bestimmen – und nicht mehr er selbst, er, der Jude, der einen bestimmten ethischen Auftrag am Sinai bekommen hat. Können Sie sich noch daran erinnern?

Richard C. Schneider, geboren 1957 als Kind ungarischer Holocaust-Überlebender, ist seit 2006 Studioleiter und Chefkorrespondent der ARD in Tel Aviv, verantwortlich für Israel, die palästinensischen Autonomiegebiete und Zypern.

Zuerst erschienen hier.

Die Krise des Zionismus und die Ein-Staat-Lösung

von Ludwig Watzal

wild_einstaatDie Geschichte der Lösungsversuche der Palästina-Frage läuft auf die Minimierung der Rechte der Palästinenser hinaus. An der Frage des Rechtes auf Rückkehr und des Rechtes auf Selbstbestimmung wird dies besonders deutlich. Seit den Verträgen von Oslo, die den so genannten Friedensprozess in Gang gesetzt haben, sind auch diese Rechte perdu. Die von der internationalen Staatengemeinschaft favorisierte Zwei-Staaten-Lösung an der Seite Israels ist ein Wunschtraum geblieben. „Alles deutet darauf hin, dass es überhaupt keine Lösung der Palästina-Frage geben wird, solange der Zionismus weiter besteht“, schreibt Petra Wild. In der Tat bildet diese Ideologie das zentrale Hindernis für eine Lösung des Nahostkonflikts zusammen mit der noch bedingungslosen Unterstützung des kolonialen zionistischen Siedlungsprojektes durch die USA und einige Staaten der Europäischen Union. Der Expansionismus bilde einen wesentlichen Teil der „Staatsräson“ des Zionismus.

Das Buch besteht aus zwei Teilen. Im ersten werden Themen wie der Oslo-Prozess, der zionistische Siedlerkolonialismus, die Risse im zionistischen Konsens infolge der zweiten Intifada, der Libanonkrieg und die Gaza-Massaker, die zum Verlust des Mythos der Unbesiegbarkeit beigetragen haben, die demographische Krise und der Verlust einer israelisch-jüdischen Mehrheit auf dem Gebiet des historischen Palästina sowie die allmähliche Abkehr der US-amerikanischen und der europäischen Judenheit von Israel behandelt.

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Obama spielt mit harten Bandagen gegen Israel

von Marc H. Gaffney

Nach vielen Jahren offizieller Heuchelei erscheint ein US-Präsident und spiet mit Israel. Neulich gab die US-Regierung einen Bericht von 1987 frei, der Israels geheimes Nuklearwaffenprogramm dokumentiert.

Ich bin ein Kritiker  von Präsident Obama, aber man muss ihn bewundern, wie er  den richtigen Zeitpunkt  für die Veröffentlichung wählte. Ich habe den Verdacht, dass das Weiße Haus dahinter steckt. Im nächsten Monat hat der israelische Ministerpräsident geplant, vor dem Kongress zu sprechen, und zwar auf Geheiß des Sprechers Boehmer. Netanjahus  Thema  soll Irans angebliches Atomwaffenprogramm sein. Die Tatsache, dass weder der Sprecher  noch die israelische Regierung  die Rede mit dem Weißen Haus abgesprochen hat, ist zu einer Kontroverse geworden und aus gutem Grund. Mehrere prominente Mitglieder des Kongresses, unter ihnen der Senator Leahy, haben schon darauf aufmerksam gemacht, dass sie die Rede, die ein transparenter Versuch ist, vor der Wahl ….  boykottieren werden.  Weiterlesen

Anti … Was?

von Uri Avnery

Der Antisemitismus eskaliert. In ganz Europa erhebt er seinen hässlichen Kopf. Die Juden befinden sich überall in Gefahr, sie müssen sich beeilen und nach Hause kommen, nach Israel, bevor es zu spät ist. Stimmt es oder nicht? Blödsinn.

Fast alle beängstigenden Ereignisse, die in letzter Zeit in Europa stattgefunden haben – besonders in Paris und Kopenhagen –, und bei denen Juden angegriffen wurden, hatten aber nichts zu tun mit Antisemitismus.

All diese Attentate wurden ausgeführt von jungen Moslems, die meisten arabischer Abstammung. Die Attentate sind Teil des andauernden Krieges zwischen Israelis und Araber, die keine Verbindung mit Antisemitismus haben. Diese Attentate haben nichts dem Pogrom in Kishinev und nichts mit den „Protokollen der Weisen von Zion“ zu tun.  Weiterlesen

Der Tod der israelischen Linken

von Gideon Levy

Die israelische Linke  – falls es sie je gegeben hat  – ist  tot. Das israelische Friedenslager,  im israelischen  Zusammenhang lieber als die Linke bezeichnet, hat vor 15 Jahren seinen letzten Atemzug getan und ist niemals mehr wieder auferstanden. Zwei Hauptfaktoren führten  zu ihrem Niedergang.

Zunächst war es das Misslingen der- von den US vermittelte –  Camp David-Gespräche zwischen Israel und den Palästinensern, die damit schlossen, dass „es keinen palästinensischen Partner gäbe“, eine Zeitungsente, die vom israelischen  Ministerpräsident Ehud Barak bekannt gemacht wurde.

Der andere Faktor war der Ausbruch der 2. Intifada mit den Selbstmord-Anschlägen auf Busse auf israelischen Straßen und damit das Einflößen einer neuen unerhörten Furcht. Mit dem ersten Faktor endete alle Hoffnung bei der israelischen Linken, und der zweite Faktor produzierte  Verzweiflung; und diese Mischung ließ weit verbreitete Apathie, Gleichgültigkeit und Ignoranz   entstehen.  Weiterlesen

Die Casino-Republik

von Uri Avnery

Wer herrscht in Israel?

 Natürlich der Ministerpräsident Benjamin Netanjahu.

Falsch.

Der wirkliche Herrscher Israels ist ein Sheldon Adelson, 81, amerikanischer Jude, König der Casinos, der als einer der zehn reichsten Personen klassifiziert wurde, der 37,2 Milliarden Dollar bei der letzten Zählung wert war. Doch wer zählt?

Außerdem besitzt er außer seinen Spielcasinos in Las Vegas, Pennsylvania, Macao und Singapur die US-Republikanische Partei und seit kurzem auch beide Häuser des US-Kongresses.

Ihm gehört auch Benjamin Netanjahu

 Adelsons Verbindung mit Israel ist persönlich. In eine zufällig getroffene israelische Frau verliebte er sich.

Miriam Farbstein wurde in Haifa geboren, besuchte ein angesehenes Gymnasium, leistete ihren Armeedienst im israelischen Institut, das sich mit bakteriologischer Kriegsführung befasst und ist eine vielseitige Wissenschaftlerin. Nachdem einer ihrer Söhne (aus erster Ehe) an einer Überdosis gestorben war, widmete sie ihr Leben dem Kampf gegen Drogen, besonders gegen Cannabis.  Weiterlesen

Hezbollah: The Global Footprint of Terror or a pretext for war against Iran?

by Ludwig Watzal

In February 2008, a high-ranking Hezbollah leader, Imad Mughniyah, was assassinated in Damascus. Everybody assumed that it was done by the infamous Israeli Mossad. After seven years, it was reported that the CIA did the killing and Mossad delivered only the parameters. This spin doesn’t surprise anyone. Aren’t both organization involved in criminal acts all around the world? The question that immediately arises is; why now?

Israel’s Prime Minister Binyamin Netanyahu is doing everything possible to bring the negotiations between the US and Iran to fail. After his amateurishly threaded speech before the US Congress on March 3, in cooperation with Obama’s intimate enemy John Boehner, the Speaker of the House, Netanyahu thought he scored a coup against President Obama but it turned out to be a flop. It has been the greatest affront to a US President in a series of countless humiliations of US top officials. It shows who really calls the shots on Capitol Hill what US Middle Eastern policy is concerned.

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Feigheit vor der Zivilcourage – Brief an den Bürgermeister von Neuss

von Rupert Neudeck

Zu Ihrer Entscheidung, die Veranstaltung über unser Palästina Projekt auf dem Berg Daher mit dem Motto „We refuse to be ennemies“ auf Einrede und Druck von Seiten der jüdischen Gemeinde abzusagen.

Das ist ja nun die Höhe. Die Grünhelme sollen Verständnis haben für die Absetzung einer Veranstaltung, zu der auch ich zugesagt, die ich aber nicht hätte wahrnehmen können. „Weil Schaden für die Stadt Neuss entstehen könnte“.

Wunderbar. Welchen Schaden der Kollege Till Gröner oder ich der Stadt Neuss einbringen kann, ist mir völlig schleierhaft. Aber dass wir in Deutschland eine entsetzlich lange und wirkkräftige Tradition von Feigheit haben, das wird mir ganz besonders deutlich.

Weshalb sollen die Menschen der nächsten Generation noch Zivilcourage lernen, wenn Sie hören, dass der Bürgermeister einer deutschen Gemeinde unter der besten Verfassung, die deutsche jemals gehabt haben, den Schwanz einzieht und die Meinungsfreiheit abrupt beschneidet. Da demonstrieren die Staatschefs der Eurpäischen Union mit 3 Millionen
europäischer Bürger für die Meinungsfreiheit. Und in Neuss wird das Gegenteil exekutiert.

Wir waren schon einmal in der Existenz und Geschichte der Grünhelme von der rheinischen Stadt Neuss betroffen: Der Verein Helfen-in-Not, vom Amtsgericht in Neuss registeriert als „eingetragener Verein“, sorgt in Syrien mit dafür, dass drei unserer Mitglieder am 15. Mai 2013 entführt wurden und nur durch die Selbstbefreiung der Grünhelme dieser Alptraum ein Ende hatte.

Wie hat der jüdisch-deutsche Maler Liebermann damals bei der Machtübernahme 1933 so gut gesagt: „Ich kann gar nicht so viel essen, wie ich kotzen möchte!“

Ich habe für solche Entscheidungen in meinem ganzen Leben und überall auf der Welt, am wenigsten aber in meinem Deutschland Verständnis. Es ist Zeit, den Bürgermeister abzuwählen.

Der Zynismus von Macht und Gewalt

von Arn Strohmeyer

Yotam Feldmans Film „The Lab“ hat viele Deutsche zutiefst betroffen gemacht. 

Der israelische Filmemacher Yotam Feldman hat seinen Film „The Lab“ („Das Labor“) in Deutschland gezeigt. Diejenigen, die ihn gesehen haben, können es bestätigen: Die Zuschauer waren fast ausnahmslos zutiefst betroffen, teilweise sogar sprachlos. Kein Wunder, dass es von Seiten der Interessenvertreter Israels Versuche gab, die Aufführung des Films zu verhindern – so geschehen in Bremen. Aber so ganz einfach war das ja nicht, denn der Film kommt aus Israel, ein renommierter israelischer Journalist hat ihn gemacht, er ist im israelischen Fernsehen gezeigt worden und hat beim Dokumentarfilmfestival in Tel Aviv einen Preis bekommen. „The Lab“ also ein antisemitischer Film, der deutschen Zuschauern vorenthalten werden sollte? Völlig absurd!

Was der Streifen über die israelische Rüstungsindustrie aussagt, war weitgehend bekannt. Nach offiziellen Angaben des israelischen Verteidigungsministeriums sind die Waffenexporte dieses Staates von 2,5 Milliarden Dollar im Jahr 2000 auf 7,4 Milliarden Dollar im Jahr 2009 angestiegen. 2010 gingen sie leicht auf 7,2 Milliarden Dollar zurück, stiegen 2012 aber wieder auf 7,4 Milliarden Dollar. Dem Ministerium zufolge ist Israel damit der drittgrößte Waffenexporteur der Welt. Nach anderen Angaben rangiert das Land bei der Ausfuhr von militärischen Gütern auf Rang sechs. Wie auch immer: Israelische Tötungsmaschinen werden auf allen Kriegsschauplätzen der Welt äußerst „erfolgreich“ eingesetzt.  Weiterlesen