Es vergeht zurzeit kein Tag, an dem nicht in irgendeiner Zeitung oder irgendeinem obskuren Schmierblatt zum Thema Antisemitismus geschwafelt wird. Mal ist es ein vollkommen unbekannter Stephan Handel, der als Gerichtsreporter zur Verhandlung über Antisemitismus kommt und als „Fachmann“ die Verhandlung kommentiert und das Urteil schon vorwegnimmt. Mal ist es ein bekannter nicht wieder für den Bundestag nominierter Politiker, Volker Beck, der sich wohl als Judenreferent profilieren will, nachdem er als Bundestagsabgeordneter gescheitert ist. Man staunt freilich, dass er zur Zeit Lehrbeauftragter am Centrum für religionswissenschaftliche Studien der Ruhruniversität Bochum ist. Andererseits kann ein Tiger seine Haut nicht wechseln, das können nur Schlangen, und Schuft bleibt Schuft, wie es in Israel über den kriminellen Minister Arje Derhi hieß.
Am 4. Januar war sich die FAZ nicht zu schade, einen Text von Beck zu veröffentlichen, bei dem er nur nachgewiesen hat, dass er sich nicht zu einem Lehrbeauftragten an einer Universität eignet, dagegen aber sehr wohl zu einem Antisemitismus-Beauftragten. Man staunt, dass es bei der FAZ keine Redakteure gibt, die den Text redigiert oder zumindest korrigiert hätten, und es so zuließen, dass wieder einmal Fake News in die angeblich seriöse Presse eingedrungen sind.
Ob FAZ oder taz, ob Süddeutsche Zeitung oder DIE WELT, ob die ZEIT oder die Bildzeitung, Verteidiger der israelischen Politik kommen immer zu Wort und dürfen die absurdesten Theorien und Behauptungen von sich geben. Autoren wie Ludwig Watzal, Rolf Verleger, Moshe Zuckermann und ich bekommen keine Chance unsere Kritik an der Politik Israels und an diesen uns unangenehmen Freunden zu veröffentlichen. Das Thema Nahost-Konflikt und Antisemitismus klebt wie eine Zecke an der deutsche Presse und kaum eine Zeitung kann sich dieser Hysterie entziehen und muss zeigen, dass sie nicht antisemitisch sei.
Volker Beck beginnt mit einer Schreckensnachricht, wie es schon früher einmal Karl Marx in seinem Werk benutzt hat. Zuerst die Leser erschrecken, ein Gespenst reitet durch Deutschland, um dann zu bekennen, dass es gar kein Gespenst, sondern nur seine Interpretation der herrschenden Verhältnisse ist. Bei Beck heißt es: „Auf Deutschlands Straßen werden Fahnen mit Davidstern verbrannt.“ Es war nur eine Fahne und selbst diese war keine echte Fahne, sondern eine naiv und primitiv auf Papier gezeichnete israelische Flagge. Aber es geht ja nicht um die Fahne, sondern um das Symbol. Er schreibt, „Tötet die Juden“ wird skandiert. Dass dies sehr umstritten und überhaupt nicht nachweisbar ist, erwähnt er nicht, weil er eine Stimmung erzeugen will, in der Hetze gegen Moslems gemacht werden darf.
Er behauptet, dass es in Deutschland 25 Prozent sekundären und 40 Prozent antiisraelischen Antisemitismus gibt. Da frage ich mich in welchem Land ich lebe. Ich dachte bis heute Morgen, dass ich in Deutschland lebe. Also in einem Land mit 65 Prozent Antisemiten? Ich mag dumm sein, aber so dumm, dass es mir nicht aufgefallen wäre, dass zweidrittel der Bevölkerung Antisemiten sind, kann doch keiner sein, selbst ich nicht. Von welchem Land spricht also dieser gescheiterte Politiker? Oder hat er es in seinen Haschträumen gesehen?
Er bedauert die linksradikale, Philosemitin Jutta von Ditfurth, weil sie zurecht gegen Elsässer verloren hat und beschimpft und beleidigt das Gericht und meint schließlich: „Damit stehen die Verhältnisse Kopf: Der Zivilisationsbruch der Shoa war nur denkbar und möglich durch die Virulenz des Gerüchtes über die Juden.“ Absurder und dümmer geht’s nimmer. Beck hat vielleicht seinen Adorno gelesen, aber nicht verstanden. Der Zivilisationsbruch war nicht möglich wegen des Gerüchts über die Juden, also wegen des Antisemitismus, sondern weil die Eltern von Volker Beck und ihre ganze Generation die Nazis gewählt und Adolf Hitler angebetet haben. Der massenhafte Judenmord war möglich, weil die Deutschen es so wollten oder zumindest nichts dagegen machten. Als Hitler an der Macht war, hat er nicht nur Juden umgebracht, sondern ganz Europa in Brand gesetzt. Am Ende hatten wir zwanzig Millionen Tote. Der Zivilisationsbruch betraf nicht nur die Juden, sondern die ganze Welt.
Und Volker Beck tut uns Juden keinen Gefallen, wenn er versucht, uns in den Mittelpunkt der Welt zu stellen. Es dreht sich nicht alles um uns Juden, und Antisemitismus ist nicht unser zentrales Problem. Klimaveränderung, Hunger, Wassernot und Kriege bedrohen unsere Gesellschaft mehr als der marginale Antisemitismus, den kaum ein Jude spürt. Was er aber spürt ist die Antisemitismushysterie, die von seinen Gemeindevorsitzenden und vom Zentralrat der Juden, und von solchen Freunden der Juden wie Volker Beck geschürt wird.
„Man wird ja wohl noch Antisemitismus als solchen kritisieren dürfen, ohne mit gerichtlichen Sprechverboten belegt zu werden.“ Da hat Beck vollkommen Recht, aber man wird ja wohl noch Israel kritisieren dürfen, ohne gleich von Beck, Becker, Broder und Knobloch und wie sie alle heißen, als Antisemit gebrandmarkt zu werden. Ich weiß aber nicht ob Volker Beck bereit sein wird, sich mit mir darüber zu einigen. Das Problem ist nicht die Kritik am Antisemitismus, sondern diese unendliche Schnüffelei, die in jeden Kritiker der israelischen Politik einen Antisemiten sieht.
Bei uns Juden sagt man: „Gott schütze mich vor falschen Freunden, vor Feinden werde ich mich selbst schützen.“