Putin hat geglaubt, dass er alles besser weiß. Er war sicher, dass er ein genialer Stratege und ein gottbegnadeter Taktiker sei. Er hat sich aber genial geirrt. Und man muss ihn nicht auf eine Psychiater-Couch legen, um zu erkennen, dass er in Not ist. Nach 18 Tagen Krieg in der Ukraine ist eines jedenfalls klar: Vladimir Putin hatte keinen Plan B, und er hat auch keine Pläne für einen Ausgang vorbereitet. Aber das wundert auch niemanden, denn vor Macht betrunkene Diktatoren sind überzeugt davon, dass sie immer recht haben, und sie sind nicht bereit und in der Lage andere Meinungen anzuhören oder gar zu akzeptieren. Wobei es natürlich solche Meinungen kaum gibt, denn die Fachleute in seiner Umgebung sagen nur das, was er hören will.
Putin hat folgende Fehler gemacht: Er hat ernsthaft geglaubt, dass die russische Armee moderner und professioneller geworden ist. Aber das war offensichtlich nicht der Fall. Russland hat sich nicht von der sowjetischen Doktrin befreit, in der die Berichte der Verantwortlichen vor Ort auf Lügen aufgebaut sind. Putin hat tatsächlich geglaubt, dass er Kiew innerhalb von 48 Stunden erobern wird und hat keinen Widerstand seitens der Armee oder der zivilen Bevölkerung erwartet. Vor allem hat er den Präsidenten der Ukraine, Vladimir Selensky total unterschätzt. Er hielt ihn für einen „Schauspieler – Komödiant und Clown“ und war sicher, dass er als erster aus der Stadt fliehen wird. Er rechnete nicht damit, dass Selensky denselben Widerstand leisten wird, wie einst Winston Churchill und seinem Volk dieselbe Rolle spielen wird, wie seinerzeit Churchill für die Briten.
Er hat auch die Qualität und Professionalität seiner Soldaten überschätzt bzw. die Qualität des ukrainischen Widerstands unterschätzt. Deshalb sucht er Unterstützung bei brutalen tschetschenischen und syrischen Verbänden, die rücksichtslos Grosny und Aleppo zerstört und tausende von Zivilisten auf dem Gewissen haben. Das ist natürlich übertrieben und falsch, denn diese Kämpfer haben kein Gewissen, und diejenigen, die sie schicken, erst recht nicht. Auch die Pläne des russischen Geheimdienstes Selensky zu liquidieren, sind nicht aufgegangen. Selensky lebt immer noch und weigert sich Kiew zu verlassen.
Putin hat geglaubt, dass nach den schwachen Sanktionen, die der Westen gegen Russland beschloss, nachdem er die Krim 2014 überrannt hatte, neue Sanktionen ihn nicht treffen werden, zumal er sich wirtschaftlich darauf vorbereitet hat. Aber auch da hat er sich geirrt. Es hat sich herausgestellt, dass die Einfrierung der hunderten von Milliarden, die der Kreml in westlichen Banken gehortet hat, tatsächlich stattgefunden hat. Damit hat Putin nicht gerechnet.
Putin hat auch die Möglichkeit geringgeschätzt, dass die Führer des Westens, sich so schnell einigen werden, um gegen den russischen Angriff zu agieren und dachte, sie würden alle wieder nachgeben. Zeichen dafür, dass Putin diese Fehler einsieht, aber nicht zugibt, liegen in den widersprüchlichen Informationen, die man von ihm hört. Er forderte zum Beispiel seinen Verteidigungsminister 16 000 Volontäre aus Syrien zu mobilisieren. Das war ein Hinweis, um in der Ukraine Angst und Schrecken zu verbreiten, aber auch ein Zeichen dafür, dass die russische Armee müde ist und Verstärkung braucht. Tschetschenische kampferprobte Soldaten sind bereits in der Ukraine.
Es ist auch kein Zufall, dass Putin sich an Syrien wendet. Der Krieg in Syrien war für die Russen ein gutes Beispiel dafür, was man alles mit Raketen und Flugzeugen machen kann. Ethische und moralische Bedenken hat Putin genauso wenig wie Assad. Die Taktik ist Gewalt und Macht gegenüber einer zivilen Bevölkerung zu zeigen. Die USA, England und die EU sind schon dabei Beweise für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu sammeln.
Putin ist sich auch nicht zu schade mit nuklearen Waffen zu drohen. Das zeigt wieder auf seine schwierige Lage, nicht nur in Bezug auf den Krieg, sondern auch in Bezug auf seine Person. Eine Palastrevolution ist im Rahmen des Möglichen. In den Medien wird auch über seine seelische und psychische Verfassung spekuliert. Putin ist aber kein Psychopath. Er ist immer noich einigermaßen rational, aber auch äußerst brutal und rücksichtslos.
Russland betreibt auch einen zynischen und lächerlichen Krieg in den Medien. Lawrows Pressekonferenz in Atalya war keine Konferenz, sondern eine Presse-Show. Angeblich soll er ohne Mandat gekommen sein. Dabei hatte er ein Mandat, nämlich Lügen zu verbreiten. Von Putin sind wir es gewohnt, denn es ist immerhin Teil seiner Ausbildung bei der KGB.
Russlands Behauptung, dass die USA und die Ukraine angeblich chemische Waffen produzieren, ist an Unverschämtheit und Zynismus kaum zu überbieten. Ich würde mich nicht wundern, wenn Russland selbst einen Grund aufbauen will, für den späteren Gebrauch solcher Waffen. In Syrien haben sie es auch schon gemacht. Die Behauptung Lawrows Russland führe keinen Krieg in der Ukraine ist nicht einmal belächelt worden.
Dennoch sollten wir zur Kenntnis nehmen, dass Putin signalisiert, dass er eine Leiter sucht, um vom Baum abzusteigen, auf dem er in seinem Größenwahn geklettert ist. Immerhin sagte er gestern seinem Waffen-Bruder und brutalen Weißrussischen Diktator Lukaschenko, dass es in den Verhandlungen „positive Entwicklungen“ gibt. Es ist klar, dass er den Krieg beenden will mit der allerdings absurden Bedingung, dass seine Forderungen erfüllt werden. Aber es ist genauso klar, dass die Ukraine mit diesen Bedingungen nie einverstanden sein wird. Putin kämpft nicht gegen eine Armee, die kapitulieren kann oder auch nicht. Er kämpft gegen ein ganzes Volk und gegen eine alte Menschheitsidee: Freiheit und Demokratie.
Ich wundere mich immer wieder über Menschen im Westen, die diese Freiheit genießen und trotzdem von den Ukrainern erwarten, dass sie Putin nachgeben.
„Wir sollen Selenskij dazu bringen, Putins Bedingungen zu erfüllen, die sind erfüllbar – oder wie viel Zerstörung und Millionen Flüchtlinge will er noch hinnehmen für seinen aussichtslosen Kampf? Mit jedem Tag, den er wartet mit seiner Kapitulation, wird die Zerstörung seines Landes doch nur schlimmer. Und mit unseren Waffenlieferungen verlängern und intensivieren wir das Leid. Und wenn Russland in den finanziellen Ruin getrieben wird, also die Zivilbevölkerung betroffen ist, ist auch das wie eine kriegerische Handlung unsererseits.“ Man kann Pazifismus auch übertreiben oder ad absurdum argumentieren. Weil wir der Ukraine helfen, machen wir uns schuldig, meint eine Bekannte von mir. Meine Lehre aus dem 2. Weltkrieg ist aber genau umgekehrt. Wenn wir nicht helfen, machen wir uns schuldig. Oder haben sich die Amerikaner schuldig gemacht, weil sie Europa vor den Nazis gerettet haben? Gerade die Russen sollten doch wissen, dass die Ukrainer nicht nachgeben werden, weil sie nicht nachgeben können. Sie haben doch in Stalingrad und in Moskau auch nicht nachgegeben.
Mir, als Aktivist im Nahost-Konflikt, fällt eines auf: Die Welt macht einen Unterschied zwischen den Freiheitsbestrebungen der Ukrainer und denen der Palästinenser. Während die Besetzung der Krim und Teile der Ukraine von aller Welt, bis auf den Schurken in Damaskus und Minsk, verurteilt wird, schweigen dieselben Politiker zur Besetzung Palästinas. Es fällt auch auf, dass die Begründung in Moskau fast wörtlich angelehnt ist an der Begründung in Jerusalem, wo die Rede ist von der geschichtlichen Heimat der Juden. So wie die Israelis die Identität der Palästinenser ignorieren und Golda Meir, Israels tapfere, aber auch irregeleitete Ministerpräsidentin gesagt hatte: „Ich kenne kein palästinensisches Volk“, und die Israelis die Identität der Palästinenser ignorieren und dementieren, so ignoriert auch Putin die Identität und Unabhängigkeit der Ukrainer. So wie die Israelis argumentieren, dass „Judäa und Samaria“, die völkerrechtlich Palästina sind, „heiliger jüdischer Boden“ sei, so behauptet auch Putin, dass die Krim und jetzt auch die ganze Ukraine „heilige russische Erde“ sei. Darin sind sich Putin und Bennet, Netanjahu, bis Golda Meir und David Ben-Gurion einig. Deshalb irrt sich Selensky wenn er glaubt, dass Israel ein neutraler Vermittler sein könnte.
Die Lage ist ernst und gefährlich. Die Gefahr eines Dritten Weltkriegs schwebt wie ein Damoklesschwert über uns. Haben denn unsere Politiker tatsächlich wieder nichts aus der Geschichte gelernt. Zweifelsohne haben die Amerikaner und der schreckliche Generalsekretär der NATO, Stoltenberg, Fehler gemacht. Und es konnte auch jeder sehen, wie die naiven Europäer sich einlullen ließen und zugelassen haben, dass fremde Soldaten auf ihrem Grund und Boden sich angeblich zu ihrem Schutz an Russlands Grenzen aufstellten. In Wirklichkeit aber um Russland zu kontrollieren, zu demütigen und einzuschüchtern. Das hat aber nicht funktioniert und der Westen ist oft genug und lange genug gewarnt worden. Man hat aber diese Warnungen nicht ernst genommen und fühlte sich den Russen gegenüber überlegen. Obamas Bemerkung, dass Russland nur eine Regionalmacht sei, hat Putin im Herzen getroffen, der den Zerfall des sowjetischen Imperiums erlebt und erlitten hat.
Es ist deshalb kein Wunder, wenn Putin die Nerven verloren hat. Putins Träume von einem Großrussland sind schon lange bekannt. Man hätte ihn schon in Georgien, in Tschetschenien oder spätestens als er die Krim eingenommen hatte, bremsen müssen. Aber man hat es nicht getan, wie man seinerzeit auch Hitler nicht gebremst hat, bis er in Polen einfiel und wir den 2. Weltkrieg hatten. Wir sollten allerdings bei dieser Gelegenheit auch nicht vergessen, dass gleichzeitig auch Russland Polen vom Osten angegriffen hat. Das war allerdings zwischen Hitler und Stalin auch so vereinbart.
Dabei will ich Putin nicht mit Hitler gleichsetzen. Aber vergleichen sollte man schon, wenn man die Lage verstehen will. Beide stammen aus ärmlichen Verhältnissen und ihr Weg nach oben war und ist mit Laichen gepflastert. Wenn es auch in ihrer Politik Unterschiede gab, so gab und gibt es auch viele Parallelen. Beide waren und sind brutale Menschenverächter, Zyniker, Lügner und größenwahnsinnig. Und Putin erwartet jetzt ein ähnliches Ende wie Hitler. Putin wird nie mehr in die Völkergemeinschaft zurückkehren können. Die gesamte westliche Welt lehnt ihn ab und auch im Osten verliert er täglich an Sympathien und Zustimmung. Er ist zum Paria geworden und hat kaum noch eine Chance sich davon zu erholen.
Mit Putin war aber nichts vereinbar, schon gar nicht sein Überfall auf die Ukraine. Der Fehler des Westens lag darin, dass man bei Putin den Eindruck erweckt hat, dass man wieder nichts tun wird. Die Reaktion des Westens hat Putin kalt erwischt. Besonders die Reaktion der Menschen auf der Straße.
Jetzt weiß er nicht wie er sich aus der Affäre zurückziehen soll, ohne sein Gesicht zu verlieren. Allerdings hat er sein Gesicht schon längst verloren. Noch hat er eine Chance den Krieg zu beenden. Wenn er sie nicht ergreift und den Krieg noch Wochen und Monate führt und Kiew und die Ukraine vollkommen zerstört werden, dann Gnade ihm Gott und uns auch. Die „Eine-Million-Dollar-Frage“ lautet: Wie schaffen wir es den Krieg zu beenden, ohne dass Putin sein Gesicht verliert. Denn während in der Ukraine das Volk kämpft, mit aber auch ohne Selensky, kämpft in Russland zwar eine gewaltige Armee mit tausenden von Fahrzeugen, aber die Entscheidung über Krieg oder Frieden liegt nur bei einem einzigen Menschen: Putin.
Wenn er aber tatsächlich Kiew ausradieren sollte, dem Erdboden gleichmachen, den Tod des Präsidenten Selensky in Kauf nehmend und möglicherweise auch noch den Tod des Bürgermeisters Klitschko und seines Bruders, dann wird es keine Möglichkeit mehr geben mit ihm zu verhandeln, wie man auch am Ende nicht mit Hitler verhandeln wollte und konnte. Wenn Putin es so weit kommen lassen wird, dann wird das das Zeichen sein, dass er seinen Verstand vollkommen verloren hat und dann ist alles möglich. Auch ein Atomkrieg. Wir können nur noch hoffen, dass die Russen bald erkennen, dass sie „Krieg“ führen und dass am Ende sie die leidtragendsten sein werden. Wenn Kiew fällt, dann fällt auch Moskau. Es sei denn Putin wird liquidiert.
Ich persönlich fände das als die zweitbeste Lösung. Die beste Lösung wäre Putin und seinen engsten Hof vor dem Internationalen Kriegsverbrecher Gericht in Den Haag zu bringen.