Der Tod der israelischen Linken

von Gideon Levy

Die israelische Linke  – falls es sie je gegeben hat  – ist  tot. Das israelische Friedenslager,  im israelischen  Zusammenhang lieber als die Linke bezeichnet, hat vor 15 Jahren seinen letzten Atemzug getan und ist niemals mehr wieder auferstanden. Zwei Hauptfaktoren führten  zu ihrem Niedergang.

Zunächst war es das Misslingen der- von den US vermittelte –  Camp David-Gespräche zwischen Israel und den Palästinensern, die damit schlossen, dass „es keinen palästinensischen Partner gäbe“, eine Zeitungsente, die vom israelischen  Ministerpräsident Ehud Barak bekannt gemacht wurde.

Der andere Faktor war der Ausbruch der 2. Intifada mit den Selbstmord-Anschlägen auf Busse auf israelischen Straßen und damit das Einflößen einer neuen unerhörten Furcht. Mit dem ersten Faktor endete alle Hoffnung bei der israelischen Linken, und der zweite Faktor produzierte  Verzweiflung; und diese Mischung ließ weit verbreitete Apathie, Gleichgültigkeit und Ignoranz   entstehen. 

Israels Massenmedien wurden zur Mitarbeit bei der Kampagne zur Gehirnwäsche, Betäubung,  Unterdrückung und Verwirrung, ja,  zur freiwilligen Förderung der israelischen Propaganda  gewonnen, indem es ihrer Zuhörerschaft Trivialitäten und Unterhaltung anbot, bis die Besatzung ganz von der israelisch politischen Agenda verschwand. Der Frieden war kein Thema mehr. Israel  lebte mit der Verdrängung.

Die Tatsache, dass Israels Friedenslager so leicht zerschlagen werden konnte, lässt viele ernsthafte, Besorgnis erregende Fragen aufkommen, einschließlich wie real und wie standhaft es war, als ob die Reihenfolge schon genügte, um es fast vollständig klein zu machen.

Israels politische Landkarte verlagerte sich weit nach rechts und folgte tektonischen Ereignissen: der extreme Nationalismus und offenkundige Rassismus des rechten Flügels wurde legitim. Was bis vor kurzem als moderater rechter Flügel angesehen wurde, ist heute das Zentrum, und was das Zentrum war, verwandelte sich in die „Linke“ oder gar in die extreme Linke.

Am Rande der politischen Landschaft wirken noch ein paar authentische Linke und das Friedenslager; aber sie sind isoliert am Rande und es fehlt ihnen an Legitimität; mutige standhafte Gruppen wie B’tselem, Breaking the Silence,  Rabbiner für Menschenrechte, Ärzte für Menschenrechte, Machschom Watch,  Anarchisten gegen die Mauer, Ta’ayush und sogar Peace Now, (und Gush Shalom) haben keinen wirklichen Einfluss mehr auf das politische Geschehen in Israel.

Praktisch hört man auf öffentlichen Plätzen in Israels Städten keinen Protest mehr. Während 1982 400 000 Israelis aus Protest gegen das Massaker von Sabra und Shatila im Libanon marschierten, obwohl jene Brutalitäten nicht  einmal direkt von Israelis selbst durchgeführt wurden. Falls  ein anderes Massaker geschieht, Gott bewahre, wird eine Protest-Demo von nicht einmal 400 kaum wahrscheinlich sein und wenn sich Demonstranten zeigen würden, würden sie wahrscheinlich  mit Gewalt von der Polizei auseinandergetrieben.

In der auslaufenden Knesset ist kein einziges Mitglied (MK) und sicher kein jüdisches MK (mit Ausnahme von Meretz), das dem Kampf, die Besatzung zu beenden, Priorität gäbe.

Die arabischen Parteien in Israel sind völlig  aus dem politischen Diskurs ausgeschlossen und spielen keine wirkliche Rolle mehr. Keine mögliche Koalition der nächsten Regierung, selbst, wenn sie von Labor  oder dem zionistischen Lager( wie es sich jetzt selbst nennt) würde jetzt die Absicht haben, arabische Parteien einzuschließen. Labor ist eine Partei der Mitte und ist in jeder Weise historisch Israels Besatzungspartei. Seine Führer waren die Gründungsväter des Siedlungsprojektes, und die Partei ist verantwortlich für die heutige Situation. Die von Labor geführten Regierungen haben keine einzige Siedlung  in den besetzten Gebieten aufgelöst. Der einzige, der das tat, war Sharon.

In ein paar Wochen werden die Israelis wieder zur Wahl gehen und eine  neue Knesset wählen. Die Wahl wird eine von drei Ergebnisse haben: noch eine  rechte, religiöse, nationalistische Regierung von Benjamin Netanjahu;  eine Regierung  des zionistischen Lagers und eine Koalition mit der Labor-Partei oder eine  nationale Einheitsregierung, die beide einschließt. Die erstere ist die Wahrscheinlichere, aber in den nächsten verbleibenden  Wochen könnte sich ( ziemlich unwahrscheinlich ER)  noch etwas ändern: vom Standpunkt der Aussicht auf Frieden oder eines Abkommens oder die Anpassung von Israels Politik an das Völkerrecht oder einem Ende der Besatzung.  Keiner sollte eine Erwartung verbergen, dass solche Entwicklungen sich nach den bevorstehenden Wahlen ereignen können.

Falls die nächste Regierung vom Netanjahu angeführt wird, wird sie weitergehen, wie bis jetzt: ein Israel, das gleichgültig den breiten, globalen  Konsens von heute ignoriert, der Israels Besatzung  nicht  anerkennt und gegen ihre  Beibehaltung ist; obwohl es niemals in diesem Teil der Welt wirklich einen Status quo gab: Israel intensiviert ständig die Besatzung, und baut immer mehr Siedlungen und zerstört die bleibende Aussicht – falls es sie überhaupt gibt – auf eine Zweistaatenlösung.

Falls Isaak Herzog und Zipi Livni in die Lage kommen, eine neue Regierung zu bilden, wird sie in Israel als Linke bezeichnet, wird aber eine Mitte-Rechts-Regierung sein.

(es wird sich aber nichts verändern) …..

Es müsste ein  Wunder des israelischen linken Flügels geschehen, das wir in voraussehbarer Zukunft als Zeugen erleben – doch das ist höchst zweifelhaft.

Übersetzung ins Deutsche samt Kürzungen: Ellen Rohlfs

Zuerst erschienen in: http://www.middleeasteye.net/columns/death-israeli-left-1587085604

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