Die israelische Staatsdoktrin

Man kann es noch so ablehnen, aber die israelische Staatsdoktrin ist rassistisch. Israel bezeichnet sich als jüdischer Staat. Jude kann aber nur derjenige sein, dessen Mutter Jüdin ist. Die Zugehörigkeit zum Staat und die Akzeptanz durch den Staat sind demnach vom Blut abhängig. Das ist ein wesentliches Merkmal des Rassismus. Das war auch die Staatsdoktrin in Deutschland im Dritten Reich und das war die Staatsdoktrin in Südafrika während des Apartheid-Regimes. In Staaten wie Frankreich, England oder Deutschland ist es heute anders, die Zugehörigkeit zum Volk und zur Nation ist weder von der Religion noch von der ethnischen Abstammung abhängig. In Israel von heute wird auf die „Reinheit“ des Blutes geachtet.

Was genau ist damit gemeint, dass Israel ein jüdischer Staat ist? Man redet vom „jüdischen Charakter des Staates“, was aber ein sehr schwammiger Begriff ist. Für manche ist es die Forderung und Vorbereitung auf einen Staat, der seine Gesetze nach der Halacha richtet, nach den Vorschriften der jüdischen Religion wie sie in der Bibel aufgezeichnet sind. Für andere ist es allein die Tatsache, dass die jüdischen Feiertage in Israel als gesetzliche Feiertage gelten, so wie in Deutschland die christlichen Feiertage. Dabei bezeichnet sich Deutschland nicht als ein christliches Land, auch wenn betont wird, dass hier die jüdisch-christliche Tradition ausschlaggebend ist. Für andere wiederum bedeutet es, dass man sich nicht vor Antisemitismus fürchten braucht. Schließlich bedeutet es für die Welt die Tatsache, dass die Juden in Israel demografisch die Mehrheit darstellen. 

Der Begriff „Jüdische Nation“ ist aus historischer Sicht ein neuer Begriff. Obwohl aber in Israel mehr als hundert Nationalitäten anerkannt sind, und die Nationalität bis vor kurzem im Personalausweis ausgewiesen wurde, weigert sich Israel eine „israelische Nationalität“ anzuerkennen. Die Weigerung ist rein ideologisch, da Israel sich genötigt sieht nach dem Prinzip des „Jus sanguinis“ zu handeln, dem „Recht des Blutes“, vor dem die Juden im Dritten Reich und während der Shoah so sehr gelitten haben. Israel sieht sich verpflichtet, der Staat der jüdischen Nation zu bleiben und nicht der Staat seiner Bürger ohne Unterschied von Abstammung (Blut) und Religion.

Der Präsident des Obersten Gerichts Shimon Agrant stellte 1972 fest, dass die Anerkennung einer israelischen Nationalität „die Grundlage zerstören würde, auf der Israel gegründet wurde. Es gibt keine israelische Nationalität getrennt vom jüdischen Volk. Das jüdische Volk besteht nicht nur aus denen, die in Israel leben, sondern auch aus denen, die in der Diaspora leben.“

Dennoch ist das sture israelische Bestehen auf der Anerkennung Israels als „Jüdischer Staat“ als Bedingung für Friedensverhandlungen mit den Palästinensern politisch eine Sackgasse. Die geistigen Gegner des Zionismus lehnen es ab, das Judentum als Nation anzuerkennen, eine Auffassung, die dem Zionismus und dem rassistischen Antisemitismus gemein ist.

Das Einhalten der Thora-Gebete allein macht aus den Juden das „auserwählte Volk“ und in diesem Begriff steckt keinerlei nationale „Überheblichkeit“ oder „Überhebung“. Die Tatsache, dass das Judentum Konvertierung zulässt, ist noch ein Beweis dafür, dass es kein Club von „Blutsbrüdern“ ist.

Das Judentum ist eine geistige, religiöse Bewegung – der Zionismus ist eine politische Bewegung. Der Horizont des Judentums umspannt die ganze Welt, der des Zionismus nur einen schmalen Streifen Land am äußersten westlichen Rand von Asien. Nicht von ungefähr wurde das jüdische Volk „Am Olam“ (Welt Volk) genannt, da die ganze Welt seine Heimat ist.

Einer der berühmtesten Gegner des Zionismus, Rabbi Israel Domb, meinte, wie viele andere, dass die Juden nicht eine rassische oder ethnische Besonderheit sind. Der Bund mit Gott, der am Berge Sinai geschlossen wurde, der allein macht die Juden zu etwas Besonderem. Allein dieser Bund, und um genau zu sein, die Treue der Juden zu ihm, entscheidet über das Schicksal der Juden und nicht ihre politischen oder militärischen Erfolge.

In den letzten zweitausend Jahren war das Besondere an den Juden, dass sie sich nicht damit beschäftigt haben, Kriege zu führen oder Staaten zu verwalten, sondern sich darauf konzentriert haben die Gebote und Verbote der Thora zu beachten. Die zionistische Forderung „ein freies Volk“ zu werden, wurde sowohl von den orthodoxen wie auch von den reformierten Rabbinern uni sono abgelehnt, die darin nicht „frei von Unterdrückung“ sahen, sondern frei zu sein „von den Pflichten der Thora“. Sie sagten die Begriffe „Jude“ und „frei“ widersprechen sich, denn „der Jude ist nicht frei und wer frei ist, ist kein Jude.“ Nur die Einhaltung der Gesetze macht aus einem Juden einen echten Juden.

Mit „nicht frei“ meinten die Rabbiner den Bund vom Berge Sinai, wo die Juden Gott Treue geschworen haben mit den nachhaltigen Worten: Wir werden es tun und zuhören. Das heißt, dass sie bereit waren blind zu gehorchen. Dafür haben sie ihre Freiheit geopfert und die Thora bekommen.

 

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