Zunächst einmal bin ich allen Lesern eine Erklärung schuldig, warum ich mich als „antizionistischer Jude“ bezeichne, zumal „Antizionismus“ inzwischen in bestimmten Kreisen zu einem Codewort für „Antisemitismus“ geworden ist. Jedoch um genau das zu widerlegen, habe ich mich entschlossen, mich zum Antizionismus zu bekennen. Ich will damit zeigen, dass man nicht Antisemit sein muss, um den Zionismus abzulehnen. Zionismus ist eine rechte, imperialistische politische Ideologie, die wie jede andere Ideologie befürwortet oder abgelehnt werden kann.
Mein Vater, der als Sozialist mit dem Kommunismus sympathisierte, verlor diese Neigung, als es am 23. August 1939 zum Hitler-Stalin-Pakt gekommen ist. Vollends verlor er seinen Glauben an den Kommunismus, als er im November 1939, während eines Besuches in Warschau, vor den Deutschen in den Osten fliehen musste und bald von den Russen geschnappt wurde, die ihrerseits in den Westen Polens marschierten. Er wurde für 10 Jahre nach Sibirien verschickt, wo er in einem Gulag Holz fällen musste. Dort habe er gelernt, den Kommunismus zu hassen und vor allem zu verachten. Nicht gehasst und nicht verachtet hat er Russland. Er liebte weiterhin russische Musik und russische Literatur.
So geht es auch mir. Ich verachte den Zionismus als eine menschenverachtende Ideologie, was aber mit meiner Achtung des Judentums und vor allem jüdischer Menschen als Menschen, nichts zu tun hat.
Der Nahost-Konflikt ist ein Produkt der europäischen Politik, der absurden und naiven Aufteilung des Nahen Ostens, der Heuchelei und des Betrugs an den dort lebenden Menschen.
Begonnen hat der Konflikt 100 Jahre vor der Gründung des Staates Israel, als jüdische Flüchtlinge nach Palästina eingewandert sind, nachdem sie das zaristische, antisemitische Russland Mitte des 19. Jahrhunderts verlassen haben. Es waren meist arme Juden, Städter, Talmudschüler, Händler, Schneider und andere Kleinbürger, die vor den Pogromen in Russland geflohen sind.
Sie siedelten in den wenigen Städten in Palästina, hauptsächlich in Jaffa und Jerusalem. Da keiner von ihnen in der Landwirtschaft Erfahrung hatte, mieden sie es lange Zeit, landwirtschaftliche Siedlungen zu gründen. Schließlich wurde die erste Siedlung gegründet, 1878, die Petach Tiqua hieß – Die Öffnung der Hoffnung. Bald gründeten sie weitere Siedlungen, kauften Land bei den Großgrundbesitzern, die in Beirut und Konstantinopel wohnten, und lernten die Bearbeitung des Landes bei den palästinensischen Bauern und bei den deutschen Templer, einer Sekte aus Baden-Württemberg, die in Palästina einige Siedlungen gründete und mit deutschem Fleiß und deutscher Technik zum Blühen brachte.
Es verging fast ein halbes Jahrhundert, und die jüdische Besiedlung hat nichts Wesentliches zur Vergrößerung der Population beigetragen, und die bestehenden Siedlungen konnten nur dank Spenden aus dem Ausland überleben. Einer der großen und berühmten Mäzene war der französische Baron Edmond de Rotschild, der einige Siedlungen am Leben hielt.
Gegen Ende des Jahrhunderts geschah aber etwas sehr wichtiges in Europa. Es sollte das Leben der Juden 50 Jahre später grundlegend verändern. In Frankreich fand der Dreyfus Prozess statt, bei dem einer der Zuschauer ein gewisser Theodor Herzl war, der die Schmach, die man dem jüdischen Hauptmann zugefügt hat, nur weil er Jude war, nicht ertragen konnte. Er schrieb in weniger als drei Wochen sein epochemachendes Buch – DER JUDENSTAAT – und gründete kurz danach die zionistische Bewegung.
1894 war der Höhepunkt der Dreyfus Affäre, als Hauptmann Alfred Dreifus öffentlich degradiert wurde. Das war für Herzl die Initialzündung. Drei Jahre später, am 9. Mai 1897 fand der erste Zionistenkongress in Basel statt. Es sollte in München stattfinden, aber die Juden von München haben die Zionisten nicht haben wollen.
Herzl war zwar Jude, hatte aber vom Judentum keine Ahnung. Er war aber ein Politiker und Staatsmann durch und durch. Er war davon überzeugt, dass nur ein eigener Staat für die Juden das Problem des Antisemitismus lösen könnte. Er war sogar bereit, einen jüdischen Staat in Uganda zu gründen, was ihm die Briten vorgeschlagen haben. Ihm war es egal wo, Hauptsache ein eigener Staat. Die russischen Juden auf dem ersten Kongress haben ihn aber überzeugt, dass ein jüdischer Staat nur in Palästina, im Land der Bibel, errichtet werden kann. Von da an ging es aufwärts in Richtung eines eigenen Staates, wenn auch ziemlich langsam.
Den zweiten Schub bekam die Idee eines jüdischen Staates durch die Engländer, genau durch die Balfour Deklaration. Die Regierung Englands, vertreten durch den Außenminister Lord Balfour, erklärte, dass sie bereit sei, eine Errichtung einer jüdischen Heimstätte in Palästina zu unterstützen. Das war das erste Mal, dass eine europäische Regierung sich mit einem jüdischen Staat in Palästina einverstanden erklärt hat. Dass das Land von einer überwiegend arabisch-moslemischen Bevölkerung bewohnt war, spielte für die Engländer keine Rolle.
Aber selbst das hat noch nichts Wesentliches zur Gründung eines jüdischen Staates beigetragen. Es blieb bei der geringen jüdischen Bevölkerung und bei der geringen Einwanderung von Juden ins Land.
Den eigentlich wesentlichen und großen Schub besorgten die Deutschen mit ihrer radikal antisemitischen Politik. Als 1933 die Nazis an die Macht kamen, änderte sich alles. Deutsche Juden verließen Deutschland und brachten ihre Vermögen nach Palästina, was durch ein Abkommen mit den Nazis möglich wurde. Geld floss ins Land, Betriebe wurde gegründet und das zog wiederum andere Juden aus Osteuropa, die schon das Kommende ahnten, an. In den Jahren 1933 bis 1939 wuchs die jüdische Bevölkerung rapide und erreichte 300 000 Seelen. Ohne diese Einwanderung, ohne den Holocaust, der nach 1945 nochmals 300 000 Flüchtlinge brachte und nach der Gründung 1948 weitere Hunderttausende, wäre Israel nicht gegründet worden.
Es waren drei Fakten, die Israel gegründet haben:
- Die Möglichkeit für die deutschen Juden ihr Vermögen mitzunehmen.
- Der Holocaust selbst.
- Die Wiedergutmachung nach dem Holocaust.
Diese drei Faktoren sind es, die den Staat halfen zu entstehen, zu bestehen und zu wachsen.
Natürlich darf man nicht die UN-Resolution von November 1947 vergessen, die das Land zwischen Juden und Araber teilte, wobei die vereinten Nationen sehr großzügig waren auf Kosten und auf dem Rücken der Palästinenser. Sie schenkten den Juden Land, das ihnen nicht gehörte, mehr als die Hälfte des Mandatsgebietes und den Palästinensern, deren Bevölkerung doppelt so groß war, blieb etwas weniger als die Hälfte. (56:44) Nach den kriegerischen Auseinandersetzungen von 1948/49 blieben den Palästinensern nur noch 22% des Landes.
Ich war damals als 3jähriger schon Zeitzeuge der Vertreibung der Palästinenser. Ich kann mich heute erinnern, nachdem es viele Jahre in mir versteckt geschlummert hat, wie wir von den israelischen Streitkräften in einem gepanzerten Wagen nach Haifa, in das Viertel Halissa gebracht wurden, dass vorher von Arabern bewohnt war, und man uns eine Wohnung zugewiesen hatte, aus der kurz davor die Bewohner geflohen sein mussten. In der Küche stand das kalte Essen noch auf dem Tisch. Nun, wir waren damals auch Flüchtlinge und besaßen nichts. Es war uns Recht, dass wir ein Dach über dem Kopf hatten, und meine Eltern haben nicht lange überlegt.
Aber diese unsägliche und unglückliche und Unglück bringende Resolution hätte, wie gesagt, nicht zum Erfolg führen können, wenn der Boden für die Israelis nicht so gut vorbereitet gewesen wäre. Und dass der Boden gut vorbereitet war, daran sind nicht nur die USA und die UdSSR schuld, sondern auch Deutschland.
Deshalb hat auch Deutschland Pflichten und Verantwortung gegenüber den Palästinensern und nicht nur eine Pflicht gegenüber den Juden. Die Pflicht gegenüber den Juden hat Deutschland erfüllt und erfüllt sie immer noch. Die Pflicht gegenüber den Palästinensern ist nirgends vorhanden, außer in verlogenen Reden und leeren Versprechungen.
Ich fordere deshalb die Bundesregierung auf, sich endlich um das Schicksal der Palästinenser zu kümmern und der erste Schritt könnte sein: Die Anerkennung Palästinas als souveränen Staat. Besonders wichtig ist es aber jetzt und heute, die Lage der Menschen in Gaza zu humanisieren. Gazas Desaster ist haarsträubend und es gibt keine Erwähnung darüber in den deutschen Medien und im deutschen Diskurs. Babys sind im Schutt ihrer Häuser erfroren, Jugendliche riskieren ihr Leben und überqueren den Grenzzaun, nur um eine Portion Nahrung in einem israelischen Gefängnis zu bekommen. Kümmert das jemanden hierzulande? Versteht denn jemand wohin das führt? Zum nächsten Krieg, sagt Gideon Levy. Und da braucht man nicht ein Prophet zu sein.
150.000 heimatlose Menschen leben in Gaza und 10.000 Flüchtlinge in UN-Unterkünfte. Das Budget der Organisation ist erschöpft, nachdem die Welt ihre Verpflichtung vollkommen vergessen hat, einige wenige Milliarden Dollar für den Wiederaufbau Gazas zu leisten, und vor allem die Verpflichtung für die Aufhebung der Blockade zu sorgen.
In diesem Zusammenhang muss ich auch einige Worte zu den Demonstrationen gegen den Gaza-Krieg vom Mai 2014 sagen. Die Demonstranten wurden leichtfertig, vorschnell und unüberlegt als Antisemiten gebrandmarkt, auch und sogar erst recht, wenn sie nur eine Plakat mit sich trugen, auf dem Palästina abgebildet war, ohne die Grenzen Israels. Das war natürlich eine der absurdesten Beschuldigungen, denn es ist gerade Israel, das Karten von Israel verbreitet, auf denen Palästina nicht mehr exisitiert.
Als ich zuletzt in Israel gelandet bin und noch am Flughafen einen Wagen mieten wollte, machte mich der Vermieter darauf aufmerksam, dass die Versicherung in den „besetzten Gebieten“ nicht gilt. Ich schlug die Karte auf und fragte: „Und wo sind die „besetzten Gebiete“? Auf der vom israelischen Verkehrsministerium herausgegeben Karte waren keine Grenzen eingezeichnet.
Zugleich muss man auch sehen, dass viele der Demonstranten Flüchtlinge und Migranten waren, die nicht zuletzt von diesem Krieg in Gaza traumatisiert waren, weil sie die Schrecken des Krieges im Nahen Osten kennengelernt haben, weil sie in Gaza gelebt haben oder dort Familie oder Freunde haben. Diese Leute haben natürlich ein völlig anderes Israel-Bild als die meisten Menschen in Deutschland, zumal mit Deutschlands eigener Geschichte. Das ist wohl etwas, was man einfach zur Kenntnis nehmen muss.
Und da muss ich mich wieder an die Kanzlerin wenden und sie auffordern, endlich zu erwachen, die Augen zu öffnen und mit ihrer heuchlerischen Politik Schluss zu machen. Wenn sie nicht müde wird, Putin an die Integrität der Ukraine zu erinnern und immer wieder sagt, dass sie die Landbesetzung der Krim und anderer Teile der Ukraine nie akzeptieren wird, dann fragt man sich, warum sie so leichtfertig die Landbesetzung Palästinas durch die Israelis ohne zu murren akzeptiert und nicht wagt, dazu Stellung zu nehmen.
Der 29. November 1947, der für die Juden in Israel zum Tag der Freude geworden ist und des Sieges bei der Abstimmung der Vereinten Nationen über das Schicksal Palästinas, ist ein Tag der Schande für die Nationen, die damals in der UNO vertreten waren. Es ist ein Tag, der nicht nur an die Gründung Israels erinnern soll, sondern vor allem auch ein Tag, an dem die UNO Palästina zum Freiwild erklärt und schutzlos gelassen hat für die räuberischen Gelüste der Zionistischen Weltorganisation.
Da saßen die Vertreter der Völker der Welt, vor allem der europäischen Staaten und freuten sich, dass sie ihre Schuld gegenüber den Juden, die sie im Stich gelassen hatten, auf den Rücken der Palästinenser abwälzen und sich reinwaschen können. Sie beschlossen, den Juden ein Land zu geben, das nicht ihnen gehörte und deshalb fiel es ihnen auch nicht schwer, dieses Unrecht zu beschließen. Die Palästinenser waren nicht schuld an der Ermordung der europäischen Juden. Sie mussten aber dafür mit ihrem Land bezahlen, weil die UNO es so beschlossen hatte. Die Palästinenser waren zu schwach und konnten sich nicht wehren.
Keiner stand auf und protestierte. Keiner hat sich jemals bei den Palästinensern entschuldigt. Keiner hat ihnen Schadenersatz angeboten und keiner wollte sie haben, als die Juden sie aus Palästina, das am 14.Mai 1948 in Israel umgewandelt worden ist, vertrieben haben.
Die UNO hat ein Land geteilt, das ihr nicht gehörte, aber selbst der Teil, der für die Palästinenser bestimmt war, wurde ihnen nicht übertragen, sondern blieb unter jordanischer Herrschaft. Sie lebten immer wie Fremde im eigenen Land und es ist niemandem aufgefallen. Auch 1967 nicht, als die Juden, die jetzt nicht nur Juden waren, sondern Israelis, auch dieses Land mit Gewalt erobert haben. Es hat lange gedauert bis die Palästinenser sich von diesem Schock erholt haben. Ihr Pech war, dass sie schwach waren, dass sie weniger Panzer und Kampfflugzeuge hatten, als die Israelis, nämlich keine.
Die Sieger, die Israelis, waren leider moralisch schwach. Sie konnten der Versuchung nicht widerstehen, das Land bei der allernächsten Gelegenheit den Bewohnern zurückzugeben, sie verfielen der Versuchung, das Land zu okkupieren und mit der eigenen Bevölkerung zu besiedeln. Für Jeshajahu Leibowitz, dem alten bekannten Religionsphilosoph von der Hebräischen Universität in Jerusalem, war das der Tag, an dem Israel den Krieg verlor. Er bezeichnete die Israelis als Judeo-Nazis.
Da die eigene Bevölkerung nicht ausgereicht hat, sorgten sie für die Einwanderung von Juden aus allen Ecken der Welt, aus Argentinien, aus Frankreich und vor allem aus der Sowjetunion. Die politische Umwälzung im Ostblock kam ihnen entgegen und ließ zu, dass über eine Million russische Juden nach Israel ausgewandert sind und sich dort auch in den besetzten Gebieten ausgebreitet haben und so hunderttausende von Palästinenser vertrieben. So wuchs die Zahl der Siedler im besetzten Palästina sehr schnell auf vierhunderttausend und inzwischen auf mehr als eine halbe Million.
Und die Welt schaut zu und hat nicht einmal ein schlechtes Gewissen. Man versteckt sich immer noch hinter dem Holocaust, besonders Deutschland, und Israel führt diesen Holocaust immer wieder als Schutzwall vor sich her. Deutschland ist nicht einmal berei,t Palästina als selbständigen Staat anzuerkennen und argumentiert heuchlerisch und perfide. Dabei ist Deutschland am allermeisten am Schicksal der Palästinenser schuld, denn ohne Deutschlands Politik in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts wäre es nicht zur Errichtung des Staates Israel gekommen. Die Palästinenser, die dadurch zu den Juden der Juden geworden sind, sind aber auch zu den Juden der Deutschen geworden. Der arabische Israeli, Usama Abu-Gosh, der 1948 mit seiner Familie aus seinem Geburtsort Jaffa vertrieben wurde, veröffentlichte 1995 in Deutschland seinen Roman „Der Jude der Juden“*, in dem er von seinen Erfahrungen als Palästinenser in Israel berichtet. Es ist eine schwierige Liebesbeziehung zwischen einem arabischen Israeli und einer jüdischen Israelin, von der über zehn Jahre keiner der Freunde wissen durfte, dass er kein Jude ist.
Einige europäische Staaten wollen dieses Unrecht korrigieren und sie sind endlich bereit, Palästina anzuerkennen. Es sind Schweden, England, Irland, Frankreich und Spanien und andere werden folgen. Nur Deutschland, das den Schutz von Israels Sicherheit und Expansionsdrang zur deutschen „Staatsräson“ erklärt hat, will da nicht mitmachen. Das führt uns in eine Sackgasse, aus der es kein Entrinnen geben wird. Aber Angela Merkel steht stramm und selbstbewusst hinter Israel. Wie lange noch? Wie lange sollen wir noch diese Heuchelei ertragen? Russlands Vorgehen auf der Krim ist nicht akzeptabel, sagt Merkel und fügt hinzu, dass territoriale Integrität ein unverzichtbarer Teil der europäischen Nachkriegsordnung sei. Was ist aber mit der territorialen Integrität Palästinas? Warum schweigt sie zum israelischen Landraub, während sie die Russen kritisiert?
Als Bürger mit gesunden Menschenverstand und Empathie für ein geschundenes Volk, und als Bürger, die sich für Recht und Gerechtigkeit einsetzen, können wir diese Politik der Duldung von so viel Unrecht nicht akzeptieren, und Angela Merkel rufen wir zu: „Denken Sie daran, dass in zwei Jahren die Besatzung Palästinas und Jerusalems 50 Jahre alt sein wird. Das bedeutet, dass alle Palästinenser, die nach 1967 geboren wurden und bald 50 Jahre alt sein werden, noch niemals in ihrem Leben in einem freien, unabhängigen Staat gelebt haben, in dem ihre Würde als Menschen und als Palästinenser geachtet wird. Haben denn diese Menschen nicht das Recht von Deutschlands Bundeskanzlerin geschützt und anerkannt zu werden? Ist ihr Leben, ihre Freiheit und Würde nicht deutsche Staatsräson?
Im Jahr 2017 wird die israelische Besatzung 50 Jahre alt werden. Sollte bis dahin keine für beide Völker zufriedenstellende Lösung gefunden werden, dann besteht die Gefahr, dass die Region in Flammen aufgehen wird und Tel Aviv das Schicksal von Berlin erleidet. Sie wissen was es bedeutet. Tun Sie endlich etwas und setzen Sie die Macht ein, die Ihnen Ihr Amt gibt.“
Obwohl immer mehr europäische Staaten inzwischen Palästina anerkennen, betonte die Kanzlerin Angela Merkel nochmals, dass sie keine einseitige Anerkennung eines palästinensischen Staates akzeptieren wird, da ihrer Meinung nach, eine solche Anerkennung die erwünschte Lösung nicht näher bringen wird. Wer soll und wer kann das verstehen? Eine Anerkennung würde die erwünschte Lösung nicht näherbringen, aber eine Nicht-Anerkennung bringt die erwünschte Lösung auch nicht herbei. Mit Nicht-Anerkennung haben wir es jetzt lange genug vergeblich versucht. Vielleicht versuchen wir es jetzt mal mit Anerkennung?
Leere Reden und verlogene Versprechungen nützen nicht. Solange Merkel eine Zwei-Staaten-Lösung fordert aber vor dem israelischen Parlament von der totalen Loyalität Deutschland zu Israel spricht und Israels Sicherheit sogar zur deutschen Staatsräson erhebt, wird Netanjahu über ihre Forderungen lächeln und im Privaten laut lachen und weiter nichts tun.
Taten sind nötig: Boykott israelischer Waren, Streichung von Zollbegünstigungen für israelische Waren, streichen von finanziellen Hilfen, Annullierung jeglicher Zusammenarbeit auf allen Gebieten. Nur das kann helfen. Nur so hat man einst die Apartheid in Südafrika in die Knie gezwungen.
Und um mit dem Thema dieser Tagung zu beenden: Das Leiden der Frauen und Kinder in Gaza, das Leiden der gesamten Bevölkerung in der Westbank durch drakonischen Maßnahmen der Israelis und durch die unzähligen Checkpoints, sind Tatsachen, die nicht durch schöne Reden beseitigt werden können. Israel wird niemals mit einer gerechten Lösung einverstanden sein, wer das noch glaubt, ist naiv oder will es glauben. Brutale Gewalt lässt sich leider nicht mit schönen Worten beseitigen, bremsen oder umkehren. Brutale Gewalt kann man nur mit Entschlossenheit und Taten begegnen. Es muss nicht Krieg sein. Es kann auch Boykott und Isolierung sein, aber ich fürchte, dass die Israelis am Ende das bestimmen werden.
Last not least möchte ich meinem Brief an den Herausgeber der ZEIT dem Leser bekannt machen:
Lieber Herr di Lorenzo,
eigentlich lese ich ihre Zeitung nicht, wegen ihrer heuchlerischen Berichterstattung über den Nahost-Konflikt und die unsäglichen Stellungnahmen zur Antisemitismus-Debatte in Deutschland und wegen solcher bigotter und zynischer Redakteure wie Josef Joffe. Dafür sind meine Mittel zu begrenzt.
Gelegentlich bekomme ich aber Ihre Zeitung aber doch in Händen, wie z.B. am Samstag, den 7. März 2015, als ich von Frankfurt zu einem Vortrag nach Berlin flog und im Warteraum der Lufthansa die ZEIT mitnehmen konnte. Ich las und meine Meinung über diese Zeitung wurde nur bestärkt. Mir wurde schlecht und wahrscheinlich verdanke ich die Tatsache, dass ich mich nicht übergeben habe, allein dem Umstand, dass ich noch nicht gefrühstückt hatte. Ich musste an Max Liebermann denken und sein Bonmot: Ich kann nicht so viel essen, wie ich kotzen möchte.
Ein Beitrag von Gil Bachrach erregte in mir dieses Gefühl. Ein Misthaufen aus Vorurteilen. Dass der Jude Bachrach kategorisch feststellt, dass es klar ist, dass es Antisemitismus in Deutschland gibt – geschenkt. Die Antisemitismus-Hysterie ist Thema eines Buches, das ich im Sommer 2014 zu schreiben anfing und erst dieser Tage beendet habe.
Dass er aber genauso kategorisch feststellt, dass dieser Antisemitismus Teil der muslimischen Kultur ist, zeigt, dass er nicht weiß, wovon er schreibt. Da ist es für mich kein Trost, dass er sauer ist auf die Philosemiten, die auch nur Antisemiten sind, die aber Juden lieben.
Jeder sieht nur das, was er sehen will. Wenn Gil Bachrach in Deutschland überall einen „latenten Antisemitismus“ sieht, dann aber vielleicht deshalb, weil er es sehen will. Er schreibt, dass er seit 50 Jahren in Deutschland lebt. Ich lebe schon seit 57 Jahren hier und bin noch keinem latenten Antisemitismus begegnet, wobei aber zu klären wäre, was Antisemitismus ist. Für mich ist Antisemitismus Hass auf Juden und der Wille und die Absicht, sie zu vernichten, nur weil sie Juden sind. Für andere ist aber schon derjenige ein Antisemit, der glaubt, dass alle Juden reich sind und für Dritte ist schon derjenige ein Antisemit, der Israels Politik nicht mag. Von welcher Sorte Antisemiten schreibt Bachrach?
Zum ersten Mal habe ich mich erschrocken, als er schrieb: “Wir alle haben jetzt ein Problem. Wenn Juden wieder verfolgt und umgebracht werden, nur weil sie Juden sind“. Wo?
Das zweite Mal erschrak ich, als ich den Satz las: „Wenn wir in Deutschland die antisemitischen Überzeugungen, die seit vielen Jahren auch aus der Mitte des Islams herausgewachsen sind…sehr wohl Teil der muslimischen Kultur geworden sind, wenn wir sie nicht vehement bekämpfen, werden die Juden in den nächsten hundert Jahren aus Deutschland verschwunden sein“. Wie bitte?
Gil Bachrach kommt zum Schluss, dass das Judentum Feindbild Nummer eins des Islams ist. Weltweit!“ Wie kann man so borniert sein?
„Die Juden sind auch für den Islam der Sündenbock“, schreibt Gil Bachrach. Was für ein überhebliches Statement, was für ein Unsinn, was für eine Ignoranz, wenn man bedenkt, dass Juden in der muslimischen Welt jahrhundertelang freier und friedlicher lebten, als in der christlichen Welt.
Gil Bachrach musste zwangsläufig zum Ergebnis kommen, dass alle Muslime Juden hassen, ergo Antisemiten sind und demnach eine „Psychotherapie für 1,5 Milliarden Menschen“ nötig wäre, nur weil sie Muslime sind. Eine Psychotherapie hat hier der Schreiber solchen Unsinns nötig.
Als ich das im Flugzeug las, notierte ich am Rande der Zeitung: Unverschämtheit, Dummheit, Schande.
Aber das ist leider noch nicht alles. Der Höhepunkt sollte noch kommen. Einige Zeilen später ruft er die Deutschen auf, also uns alle, die „diskriminierte muslimische Minderheit“ (immerhin mehr als 4 Millionen!) in Deutschland gefälligst anzuschreien und zu erziehen, weil sie es „echt“ verdient haben. Weil sie plötzlich „den ganz gut in Schach gehaltenen Antisemitismus neu zu Kräften bringt“.
Dabei behauptet doch der Guru der Antisemitenjäger in Deutschland, der Springer-Mitarbeiter Henryk M. Broder, dass der Antisemitismus zur deutschen DNA gehört. Die ZEIT will uns aber plötzlich das Märchen erzählen, dass Muslime den Antisemitismus der Deutschen wecken, nachdem die Deutschen selbst (oder etwa die Juden?) diesen so gut in Schach gehalten haben. Wer Schach spielt weiß aber, dass man den König nicht lange „in Schach halten“ kann, denn entweder stirbt er (der Antisemitismus?) und ist tot, oder es gelingt ihm zu entwischen. Was soll also dieses falsche und irritierende Bild?
Die Muslime sind also für den Antisemitismus verantwortlich, sie haben ihn wohl auch nach Deutschland gebracht. Gut, dass es Gil Bachrach und die ZEIT gibt, sonst hätten wir es nicht gewusst.
„Ihr gehört hierher“, mein dieser verlogene jüdische Journalist, „aber euer wütender, selbstgerechter Antisemitismus nicht.“
Selbstgerecht ist hier nur Gil Bachrach, so selbstgerecht, dass man wieder kotzen möchte.
Lieber Herr di Lorenzo, ich verstehe, dass ein zionistischer, selbstgerechter und leider auch etwas einfältiger Jude, so einen Schwachsinn schreibt, ja schreiben muss. Vielleicht erwartet man das von ihm. Aber ich frage mich und ich frage Sie: Landet so ein Mist bei Ihnen sofort im Umbruch und wird ungelesen gedruckt? Gibt es bei der ZEIT keine Kontrolle? Keine Redaktion, die es vorher liest und verhindert, dass solche Diffamierungen und Beleidigung des Islams und der Muslime gedruckt werden? Ich bin entsetzt. Ein solcher Artikel verlangt eine Entschuldigung, wenn Sie nicht wollen, das die ZEIT vollends zu einem drittklassigen Blatt wird.
MfG
Abraham Melzer
Verlesen auf einer Veranstaltung in Berlin: http://youtu.be/G-hGcQZ2bUk
Dieser Zeit-Artikel war,- ähnlich wie die Proteste gegen die NAKBA-Ausstellung,- eine Steilvorlage für klare Worte!. Endlich hat jemand seine Autorität genutzt und diese notwendigen, klaren Worte weit verbreitet!
Vielen Dank!
Vielen Dank für die ausführliche Beschreibung der Ursachen, die zur Gründung Israels und zur Ursache des Konfliktes zwischen Palästinensern und Zionisten führte. Ich glaube, vielen Menschen sind die Ursachen nicht mehr bekannt. Es scheint mir, dass es mittlerweile nur noch darum geht, sich gegenseitig zu hassen und zu vernichten. Gibt es auch Initiativen, die sich vorstellen können, dass es neben Israel auch einen palästinensischen Staat gibt und dass beide Gruppen sich gegenseitig anerkennen? Die Geschichte kann man nicht rückgängig machen, aber die Zukunft kann besser werden.