Die vielen Facetten des Antisemitismuswahns

Es gab um die Jahrhundertwende 1899/1900 eine antisemitische Partei. Auch wenn viele Leute irgendwo Antisemiten waren, gab es weniger als 5% der Wähler, denen die Judenfrage Hauptanliegen gewesen ist. Im Zweiten Weltkrieg ging es auch den Nazis nicht um die Ausrottung der Juden an sich; der Holocaust ist keine Ausgeburt des Antisemitismus, sondern ein Produkt des „german way of war“. Die Planer der Kriegswirtschaft griffen auf die Juden als Zwangsarbeiter zu, weil sie nach Stalingrad auf keine anderen Opfer mehr zugreifen konnten; sie sammelten die Juden in den Ländern mit befreundeten Regimen ein (Frankreich, Ungarn), töteten aber mehr als 70% der ihnen habhaft gewordenen Juden, weil sie diese nicht beschäftigen konnten und auch nicht ernähren wollten. Diese Praxis in Kriegszeiten legt man heute als Folge von „Antisemitismus“ aus. „Die Juden“ können dadurch jeden Antisemiten als potentiellen Mörder diskreditieren, die Deutschen ihre Verwaltungspraxis unkritisiert fortsetzen (Lea Fleischmann in: Das ist nicht mein Land), wenn sie sich nur pronunziert als Philosemiten produzieren. Damit verliert der Begriff „Antisemitismus“ seine historische Substanz; alles, was heute praktisch das jüdische Wohlbefinden in der Diaspora oder die Realpolitik Israels in Palästina angreift, gilt als „Antisemitismus“. Alex Bein spricht sich gegen diese Art der Nutzung des historischen Antisemitismusbegriffs in der heutigen Politik aus (in: Geschichte der Judenfrage). Was die unhistorische Verwendung des Antisemitismusbegriffs bewirken kann, zeigt einmal der Fall Gil Ofarim, der, quasi mit einem „prätraumatischen psychischen Belastungssyndrom“ (Gilead Atzmon) in Deutschland in einem Hotel einchecken wollte, und, weil ihm dies nicht zügig genug voranging (die EDV-Anlage war ausgefallen), behauptete, der Empfangschef habe ihn antisemitisch beleidigt. Natürlich wurde der „Antisemit“ sofort entlassen, aber irgendwann merkte man doch, dass hier eher ein Fall für den Psychologen vorlag. Gegen Ofarim wurde 6 Verhandlungstage angesetzt, wobei die Jüdische Allgemeine“ Ofarim sekundierend begleitete. Nun heißt es plötzlich (28.11.23):

Der jüdische Musiker Gil Ofarim hat in seinem Prozess wegen Verleumdung und falscher Verdächtigung überraschend ein Geständnis abgelegt. „Die Vorwürfe treffen zu“, sagte der Musiker am Dienstag vor dem Landgericht Leipzig. Zu dem Hotelmanager, der als Nebenkläger auftritt, sagte er: „Ich möchte mich bei Ihnen entschuldigen.“ Ofarim hatte im Oktober 2021 in einem Video Antisemitismus-Vorwürfe gegen ein Leipziger Hotel erhoben. Das Video verbreitete sich stark in den sozialen Netzwerken. ….Nach umfangreichen Ermittlungen folgte eine Anklage gegen Ofarim. Das Verfahren gegen den Hotelmanager wurde eingestellt. Das Video habe er nun gelöscht, sagte Ofarim am Dienstag vor Gericht. (dpa)

Die Süddeutsche kann in einem weiteren Fall (für viele ähnliche Fälle) über den Streit in München um einen Vortrag des Universitätsprofessors Ilan Pappé berichten. Pappé ist zwar von der Abstammung her Jude, sieht aber Israel „kritisch“. Die Münchner fragen sich daher, wie

„ein israelischer Historiker in einem Münchner Bürgerzentrum über Palästina sprechen [darf]. Wo verläuft die Grenze zwischen Kritik an der israelischen Regierung und Antisemitismus? Drei Israel-kritische Gruppen hatten für diesen Montagabend den israelischen Historiker Ilan Pappé eingeladen, der Titel seines Vortrags lautet: „Palästina – Israel: Wie weiter?“
Das Bild Pappés ist das eines kolonisierten Volkes, das um sein Überleben kämpft, während seine Unterdrücker eine Regierung gewählt haben, die entschlossen ist, die Vernichtung, ja sogar die Auslöschung des palästinensischen Volkes – oder sogar seines Anspruchs, ein eigenes Volk zu sein – beschleunigen. Die Hamas musste handeln, und sie musste schnell handeln.“ Pappé ist in England an der Universität Exeter Direktor des „Europäischen Zentrums für Palästina-Studien“. Angela Krause, Sprecherin des Vereins Salam Shalom, der mit der Jüdisch-Palästinensischen Dialoggruppe und „Frauen in Schwarz“ die Veranstaltung organisiert hat, erklärt, dass sie das Zitat nicht gekannt habe und es ebenfalls für „bedenklich“ halte. Auf Nachfrage habe Pappé erklärt, er unterstütze die Hamas-Aktionen nicht, er erkläre sie lediglich als Experte; er habe betont, dass er die „Gräueltaten“ der Hamas verurteile. ….. Der Verein „München ist bunt“ protestiert nach wie vor gegen die Veranstaltung und befürchtet, dass dabei das Existenzrecht Israels infrage gestellt werde: „Jeder Antisemitismus gefährdet die Sicherheit jüdischen Lebens in Deutschland und richtet sich gegen die demokratischen Grundwerte der Bundesrepublik.“

Was Pappé zu sagen hat, ist zu starker Tobak für deutsche Gemüter. Natürlich kann auch unberechtigte oder überzogene Kritik am Vorgehen Israels gegen Palästinenser nicht gleich dessen Existenz gefährden. Fast die gesamte Dritte Welt kritisiert Israel, und das mit weitaus drastischeren Formulierungen. Würde eine externe Meinung für Israel existenzgefährdend sein können, dann käme es kaum mehr darauf an, ob sie in einer bürgerlichen Versammlung nicht, aber in einem britischen Hörsaal doch geäußert wird. Selbst wenn jemand das „Existenzrecht Israels“ mit überzeugenden Argumenten vor einem deutschen Publikum infrage stellen würde, hätte dies noch lange keine Auswirkung auf den Bestand des jüdischen Staates. Die Sicherheit dieses Staates hängt von ganz anderen Umständen ab: etwa, wie die Dritte Welt ihre Haltung zu Israel bildet. Wer hierzu unter lauter Israelfreunden negativ berichtet, der wirkt vielleicht auf die Sympathie für den jüdischen Staate wie er sich derzeit darstellt, ein. Aber der Grund für die fragliche Existenz Israels liegt eher an dessen Politik, nicht darin, dass man über diese Politik spricht. Die Politik der Unterdrückung der Meinungsfreiheit, wie sie die deutschen Justizorgane betreiben, hat keinerlei Nutzen für Israel, sie schädigt vielmehr das Leben der jüdischen Diaspora.

In der Taz brachte es

die Wissenschaftlerin Sarah El Bulbeisi auf den Punkt: „Wir haben es mit Tabus zu tun“. Palästinensische Stimmen fehlen im deutschen Diskurs, sagt. Das komme systematischer Gewalt gegen sie gleich.

Menschen der deutsch-palästinensischen Community sind schockiert und wütend. Pa¬läs¬ti-nen¬se¬r*in¬nen fühlen sich entmenschlicht, weil der ganze politische und mediale Diskurs sie als Menschen unsichtbar macht. Immer wieder wird die ganze systematische Gewalterfahrung der PalästinenserInnen ausgeblendet.
Abgesehen von der Berichterstattung gibt es darüber hinaus Versammlungsverbote. 2022 und 2023 hat die Berliner Polizei beispielsweise anlässlich der Gedenkzeremonien an die Nakba Versammlungsverbote angeordnet. Man durfte des kollektiven Traumas, das ja auch Teil der Identität ist, nicht gedenken. …. Sobald Palästinenser*innen in irgendeiner Form sichtbar werden, werden sie zu staatsfeindlichen Subjekten, die angeblich die öffentliche Ordnung bedrohen, oder gar zu antisemitischen Subjekten gemacht. Israel wird mit dem Judentum gleichgesetzt und Israel-kritische Positionen und palästinensische Stimmen werden mit Antisemitismus gleichsetzt. ….-Wir haben es mit Tabus zu tun: Siedlerkolonialismus, Vertreibung, ethnische Säuberung, Apartheid. Wenn man über die eigene Erfahrung sprechen möchte, braucht man aber Wörter, mit denen man sich identifiziert. Die Deutschen wollen korrekt sein im Diskurs. ..Für mich ist diese Korrektheit eher Feigheit. Es ist eine Weigerung, sich mit der Realität auseinanderzusetzen, der eigenen Befindlichkeit zuliebe.

„Den Deutschen“ geht es darum, in Deutschland ein Israelbild zur Ikone zu veredeln, damit niemand auf die Idee kommen kann, dass die Bundesrepublik die zaghafte Fortsetzung des Dritten Reichs sein könne. Weil viele Strukturen aus der Vorkriegszeit erhalten geblieben sind, ist man heute betont anti-antisemitisch. Diese Rolle ist einfach zu spielen als eine Demokratie nach britischem Vorbild aufzuziehen.

Ein Beispiel dafür ist der Fall Lüth des Bundesverfassungsgerichts von 1958; Lüth hatte gegen Veit Harlan rechtswidrig Stimmung gemacht; das BVerfG begründete Lüths Recht auf wilde Meinungsäußerung entgegen seiner Verpflichtung im öffentlichen Dienst. Lüth zog über Veit Harlan her. Veit Harlan gilt als Antisemit, weil er im Film Jud Süß mit Ferdinand Mariam in der Hauptrolle Regie geführt hatte. Selbst dessen Ehefrau, Kristina Söderbaum, eine der Hauptdarstellerinnen des Film, behauptete nach dem Krieg in ihren Memoiren, ihr Mann habe sich gegen den Auftrag zur Regieführung immer gesträubt.

Dabei ist der Film ein Meisterwerk; es erfasst den historischen Stoff, und bringt den Kern der Geschichte mehrerer Jahre auf die zeitliche Kürze eines Spielfilms. Harlan übernahm viele Szenen aus dem „pro-semitischen“ Film von Conrad Veith zum selben Thema; er hofierte den deutschen Zeitgeist durch eine Verneigung gegenüber dem deutschen Soldatentum. Dagegen gibt eine ganze Reihe von Szenen, in denen Josef Süß brilliert.

Historisch war die Regierung des Herzogs Karl Alexander von Württemberg schon in ihrer Zeit ein Skandal.. Karl Biedermann (in: Deutschland im 18. Jahrhundert) beschreibt, wie dieser Herzog seine Untertanen nicht nur zwang, Salz ausschließlich bei ihm zu kaufen, sogar sie nötigte, mehr Salz abzunehmen, als sie benötigten, und dass er zuletzt sogar noch Salz, das er gestreckt und gepanscht hatte. Natürlich hatte „Jud Süß“ dies mitgemacht, aber in Veit Harlans Verfilmung kommt diese Niederträchtigkeit nicht vor.

Trotz allem würde man sich einer Strafverfolgung aussetzen, wenn man diesen Film ohne vorgeschaltetes Seminar öffentlich zeigen würde. Der Skandal der Regierungszeit Karl Alexanders ist so mächtig, dass ein Film über diese Regierung wieder zum Skandal wird. Das ist der eigentliche Skandal.

Diese Politik schafft den Nährboden für Judenfeindschaft wie in Nah-Ost. Für deutsche Verhältnisse berühren wir wieder einen legendären Bereich: die Juden halten sich für ein auserwähltes Volk; entsprechend terrorisieren sie die arabische Bevölkerung Palästinas. Zusätzlich sei der auswählende Gott der einzige überhaupt, alle anderen würden „Götzen anbeten“. Das geniert die anderen, die im gekreuzigten Jeshu Nasri (Jesus) den Messias sehen: Und Sigmund Freud erkennt hier den Ausgangspunktl allen Antisemitismus: Die jüdische (wie die christliche Umsetzung) der monotheistischen Religion sind Hirngespinste, Zeichen einer kollektiven Neurose, gegen die sich die nicht-jüdischen Völker instinktiv wehren, ihren Hass auf den Zwangsunsinn aber auf die Juden subsumieren. Dabei wird nur übersehen, dass auch von den Juden mindestens jeder zweite gesunde Instinkte entwickelt und dem Judentum den Rücken kehrt.

Im Grunde führt also jede Diskussion, die nicht gottesdienstähnlich das Existenzrecht Israels zelebriert, und die Juden als eine Art Staatsheiliger behandelt, zum Antisemitismusvorwurf. Unser Verhältnis zum „Judenstaat“ (Theodor Herzl) ist also immer befangen Karl Kraus schrieb über dessen Idee:

„… die sich gut an seinem Traktat „Eine Krone für Zion“ (1898) erkennen lässt, das auf Theodor Herzls Publikation Der Judenstaat antwortet. Die Krone, damals die österreich-ungarische Währung (wobei für die Berechtigung einer Teilnahme am Zweiten Zionistischen Kongress als Mindestspende eine Krone zu erlegen war), wurde von Kraus als Krone eines Möchtegern-„Königs von Zion“ zwigedeutet. Kraus warf dem Zionismus vor, zu einem historischen Fehler anzusetzen: Er verlasse den einzig erfolgversprechenden Pfad der Assimilierung und führe in die Irre, und er spiele außerdem denjenigen in die Hände, die eine Trennung zwischen Juden und Nichtjuden herbeiführen wollten. Insbesondere den militanten Zionisten sei es gelungen, „Christen, die dem Antisemitismus bisher keinerlei Geschmack abgewinnen konnten, von der Heilsamkeit der Absonderungsidee zu überzeugen“. Der Zionismus werde vor der Integration kapitulieren müssen: „Es ist kaum anzunehmen, dass die Juden diesmal trockenen Fußes in das Gelobte Land einziehen werden, ein anderes rotes Meer, die Sozialdemokratie, wird ihnen den Weg dahin versperren.

„Trockenen Fußes“ kommen die Israelis tatsächlich nicht voran; und die „Linken“ machen den Zionisten das Leben schwer. Der Gegensatz zwischen Juden und Palästinensern (Nicht-Juden) erfasst inzwischen die halbe Welt. In der unbeirrbaren Jüdischen Allgemeinen war zu lesen:

Ein X-Post des irischen Regierungschefs Leo Varadkar zur Freilassung eines neunjährigen irisch-israelischen Mädchens aus der Gefangenschaft im Gazastreifen hat für Verstimmung gesorgt. Israel wolle wegen der »empörenden Äußerungen« den irischen Botschafter einbestellen…..Irlands Regierungschef hatte am Samstagabend auf der Plattform X geschrieben: »Dies ist ein Tag der großen Freude und Erleichterung für Emily Hand und ihre Familie. Ein unschuldiges Kind, das verloren war, wurde nun gefunden und ist zurückgekehrt, und wir atmen erleichtert auf.«

In Israel wurde diese Beschreibung als Verharmlosung der Geiselnahmen durch die islamistische Hamas kritisiert.

Benny Gantz, Minister im israelischen Kriegskabinett, schrieb bei X: »Die neunjährige Emily war nie »verloren« – sie wurde brutal von der terroristischen Hamas entführt und als Geisel gehalten….“

Die Kritik an der Freude des Iren versteht eigentlich kein Mensch. Irgendwie ist es auch verwunderlich, wenn jedes für Israel wohlwollende Wort auf die Goldwaage gelegt wird, ob es genug Wert für Israel enthalte. Die Verhältnisse zu dem an sich westlichen Staat Südafrika sehen entsprechend aus. Die „Jüdische Allgemeine“ schreibt:

Das südafrikanische Parlament will am Dienstag (28.11.) abstimmen, alle Beziehungen zu Israel abzubrechen, bis ein Waffenstillstand im Gaza-Krieg vereinbart wird. Die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Ländern haben sich in letzter Zeit wegen des Krieges im Gazastreifen verschlechtert. Der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa hatte erklärt, sein Land sei der Ansicht, dass Israel im Gazastreifen Kriegsverbrechen« begehe. ..Südafrika gab letzte Woche bekannt, dass es den Internationalen Strafgerichtshof mit einer Untersuchung wegen Völkermords im Gazastreifen beauftragt habe. …“

Mögen die Meinungen zu Israel weit auseinandergehen, die israelkritischen Meinungen kann man nicht einfach von Tisch wischen oder gar als „Antisemitismus“ a limine zurückweisen. Wenn man diese als „antisemitische“ Einstellung nicht aus der Welt schaffen kann, muss man sie diskutieren dürfen. Aber das gilt schon „Antisemitismus“ auf einer frühen Stufe.

Die Südafrikaner haben dafür einen gewissen Sinn; aber vielleicht ist der Begriff „Apartheid“ doch unglücklich gewählt: wie es Alex Bein mit dem Begriff „Antisemitismus“ sieht, wird es auch mit dem Begriff Apartheid sein: Zwischen Israel und der Burenrepublik gibt es deutliche Unterschiede. Man könnte Israel auch als atypischen Klassenstaat sehen. Jedenfalls ist er als „Jüdischer Staat“ eine Art Kirchenstaat, der bis 1870 in Latium existierte. Seine Gefängnisse waren voll belegt, für „A-Katholicos“ war kein Raum. Aber wen interessiert das in Europa? In Nah-Ost gibt es alte Monarchien, blutige Diktaturen, Assassinenrepubliken, und warum nicht auch eine jüdische Demokratie?

Für „uns“ in Deutschland bekommt das alles erst ein Gewicht durch die Inquisition von Polizei, Justiz und Gestapo („Verfassungsschutz“). Es wird zur Belastung, wenn man vergattert wird, das jüdische Treiben in Nah-Ost als vertretbar zu werten. Deutschland ist ein autoritärer Staat, eine Demokratie von Denunzianten. Schon J. W. v. Goethe sah die Deutschen als miserables Volk. 92% identifizierten sich mit dem NS-Regime (Hildegard Hamm-Brücher) und diese Leute haben sich dessen Fortsetzung erschlichen, die sie nun betont philosemitisch tarnen. Eine objektiv verfassungswidrige (Art. 20 II GG) und autoritäre Justiz versucht in Deutschland, jeden strafrechtlich zu belangen, der den Spruch „from the river to the sea – Palestina will be free“ plakatiert; er verneine das „Existenzrecht Israels“ und fordere die Beseitigung des jüdischen Staates. Abgesehen von der Frage, warum man das Existenzrecht Israels nicht soll in Abrede stellen dürfen, zeigt diese amtliche Interpretation des Satzes nichts anderes als eine unlogische Auslegung. Die deutsche Justiz stört sich an der Griffigkeit der Formel. „Von der Maas bis an die Memel“ bedeutete auch zu Kaisers Zeiten nicht, dass von der Maasquelle bis zu deren Mündung in die Nordsee östlich alles hatte deutsch sein sollen. „From the river“ lässt genauso offen, welche Flussstreck arabisch sein solle. Derzeit gilt das Flussufer entlang der Westbank als „arabo-palästinensisch. Das Verbot des Satzes vermittelt den Eindruck, die deutsche Justiz wolle Wasser auf die Mühlen von Arje Deri, Itamar Ben Gvir, Bezalel Smotrich und anderen israelischen „Neo-Nazis“ (nach Ayelet Shani) leiten. Ein freies Palästina kann doch auch so aussehen, dass auch ein israelischer Staat frei existieren kann, frei von Attacken; man stelle sich nur vor, das geografische Gebiet Palästina werde nach freien Kantonen gegliedert wie die Schweiz: drusische Kantone (unbedeutend wie der Kanton Jura), jüdische Kantone wie die des Schweizer Mittellandes und arabische Kantone, wie die ehemaligen Untertanengebiete der Schweiz (Aargau, Thurgau, Vaud). So könnte ein freies Palästina aussehen. Diese Kantone unterstünden einer zivilisierten, gemeinsamen Legislativen, die sich natürlich auf die Schaffung einer Rechtsordnung im Sinne von Gerechtigkeit beschränken müsste. Vorbilder gibt es für solche Staatswesen durchaus, allerdings keine biblischen. Schon Esra vertrieb Familien aus Mischehen und begründete die ewige Feindschaft zu den Samaritanern, Para-Juden der „verlorenen Stämme Israels“. So gesehen gilt nach den Makkabäern, dem Aufstand von 70 „nach“ und dem Bar Kochba-Aufstand eher der Satz „nihil fit cum Judibus“, wie der Lateiner sagen würde. Das ganze Israel muss früher oder später wieder im Chaos enden.
Ein Irrtum ist auch der Glaube an die ewige Existenz des jüdischen Volkes. Zu Zeiten des Rabbi Akiba waren 8% der Bevölkerung des Römischen Reichs Juden; wahrscheinlich sind die Neu-Juden, die Phönizier mitgezählt (Georg und Friedrich Rosen). In denselben Staaten macht die Judenheit heute nicht einmal mehr 1 Promille aus. Absolut sind es seit 2.000 Jahren immer noch 15 Millionen Juden. Dieser harte Kern mag unverwüstlich sein. Wie Michael Wolffsohn in der NZZ zutreffend schreibt, wird er sich immer orthodox erhalten, denn vernünftige Abkömmlinge des Stammes Sem fallen von ihm ab. Nur der Orthodoxe macht Kinder ohne Ende; von denen assimiliert sich jeder Zweite, ganz wie es Karl Kraus meint. Und so bleibt es bis zur Ankunft des Messias bei den 15 Millionen Juden. Da fällt einem das Gleichnis von Jesus ein mit den drei Dienern; der eine hatte das anvertraute Geld stark, der andere noch etwas vermehrt, aber der Dritte präsentierte den Taler unversehrt, unvermehrt und ungeschmälert: den jagte der Messias zum Teufel (Matth. 25,14).
Deswegen sollte man sich beizeiten vom israelischen Staat distanzieren. Der könnte untergegangen sein, während es Ägypten und Arabien immer noch gibt.

von Lobenstein

 

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