Documenta 15 – Kann Kunst antisemitisch sein?

So wie täglich die Sonne im Osten aufgeht und im Westen untergeht, so regelmäßig erreichen uns Vorwürfe von Antisemitismus-Skandale, die von dubiosen Vereinen und Gruppen erhoben werden, die sich „Bündnis gegen Antisemitismus“ nennen und deren Absicht und Ziel darin liegen Israels Politik zu verteidigen und vor Kritik und Angriffen zu schützen. Diese Vorwürfe, die meistens unbegründet und mit zweifelhaften Hinweisen beladen sind, werden von den Medien tatsächlich ernst genommen und verbreitet.

Seit Wochen ist wieder eine Debatte entflammt, die sich damit beschäftigt, ob die Documenta 15 in Kassel antisemitisch sei. Anonyme Wächter Israels haben der Ausstellung vorgeworfen antisemitische Tendenzen im Programm zu haben. Solche Vorwürfe kommen regelmäßig und sind ähnlich schwer zu bekämpfen wie eine Epidemie. Sie wechseln auch permanent ihre Form und mutieren immer wieder wie ein Corona Virus.  

Noch stellt sich Kassels Bürgermeister gegen solch absurde Vorwürfe. Er erkennt offensichtlich, dass wenn er nachgibt, er damit wohl den Tod der internationalen Schau besiegeln würde. Die Documenta ist eine internationale Kunstausstellung und es liegt in der Natur der Kunst, dass sie individuell ist und viele Meinungen vertritt. Es wäre fatal und dumm, wenn man von den Künstlern einen Loyalität-Test für Israel verlangen würde und es ist fast schon lächerlich, wenn man sich aufregt, wenn palästinensische Künstler Israel kritisieren. Israels Politik unterdrückt nun mal die Palästinenser und soll ausgerechnet die Documenta das zensieren?

Die Vorwürfe, die gegen zwei indonesische Künstler erhoben werden, die nicht einmal wissen was Antisemitismus sein soll, sind absurd und der Kasseler Blog, der sie erhebt, ist nichts anderes als ein nützlicher Idiot der israelischen Propaganda. Soll man etwa von allem teilnehmenden Künstler „Antisemitismus Tests“ verlangen, dass sie keine Antisemiten sind, Israel nicht vernichten wollen und den Holocaust in Ehren halten? Noch verteidigt Kassels Oberbürgermeister die Anschuldigungen gegen die Ruangrupa. Aber wie lange noch. Wir kennen solche Skandale und wissen, dass der Druck der Israel-Lobby wachsen wird.

Wie lange noch wollen wir zulassen, dass diese Lobby bestimmt, welche Kunst in Deutschland gezeigt wird, wer in Deutschland Vorträge halten darf und welche Themen erlaubt oder verboten sind. Die Kritiker der vorbehaltlos freien Kunst und Meinung berufen sich auf die unglückliche Beschlussfassung des Bundestages, jede Unterstützung für die Israel-Boykott-Bewegung BDS (Boycott, Disvestment, Sanctions) pauschal als antisemitisch zu verurteilen. Dieser Beschluss ist aber falsch und ein Fehler gewesen und es laufen Verfahren es zu widerlegen. Manche Gerichte haben bereits dagegen entschieden.

Die Ruangrupa weisen jede antisemitische Absicht von sich, zumal es sich, wenn überhaupt, um Israel handelt und nicht um die Juden oder gar das Judentum. Aber selbst, wenn es so wäre, gehört nicht das Einbeziehen von widersprüchlichen Positionen zum Lebenselixier einer solche Ausstellung? Wenn man das nicht sieht und verteidigt, dann kann man zurückkehren zu den Zeiten, als Kunst vom Staat bestimmt wurde und jede abweichende künstlerische Gestaltung als „Entartete Kunst“ betrachtet wurde. Kunst ist auch Kritik und erfordert vom Betrachter Position und Widerspruch. Jedenfalls keine Verbote. Es reicht schon, dass Städte wie München und Frankfurt immer wieder Ausstellungen, Vorträge und Debatten israelkritischer Themen mit Gewalt verbieten bzw. verbieten wollen. Wenn es nicht auch noch mutige und rechtschaffende Richter in Deutschland gäbe, dann wäre vieles verboten.

Von Verboten haben wir in Deutschland die Nase voll. Für ganz Deutschland war das Dritte-Reich eine Zeit von gleichgeschalteten Meinungen und für Ost-Deutschland hat das SED-Regime ebenfalls die Freiheit eingeschränkt. Heute versuchen bestimmte Institutionen, vom Antisemitismusbeauftragten der Regierung bis zu den einzelnen jüdischen Gemeinden, die wie Außenposten der israelischen Politik agieren, Meinungen zu verbieten und Kritik an Israels Politik zu delegitimieren. Sie begründen das mit der Behauptung, diese Meinungen wollen Israel auslöschen. Was natürlich Unsinn ist. Selbst die BDS-Bewegung will Israel nicht vernichten, sondern mit gewaltfreiem Druck zwingen eine andere Politik zu machen. Wie soll man solche Absichten bewerten, wenn ein Vorreiter der Israel-Lobby, das Simon-Wiesenthal-Zentrum in Los-Angeles u. A. jüdische Organisationen wie die „Jewish Voice for Peace“ als antisemitisch abstempeln und den britischen Sender BBC als einer der gefährlichsten Antisemiten des Jahres 2021 deklariert.

Seltsam und absolut unverständlich ist in diesem Zusammenhang die Haltung einer bis heute als seriös geltenden Zeitung wie die ZEIT und besonders ihren Redakteur Thomas E. Schmidt, der den Verantwortlichen der Documenta 15 vorwirft antisemitisch zu sein. Er droht: „Wenn sich die Documenta nicht überzeugend aus dem Gestrüpp der Israelfeindschaft und des Antisemitismus befreit, könnte die 15. die letzte dieser Art sein.“ Mit Ruangrupa selbst hat er sich nicht die Mühe gemacht zu sprechen. Israelkritik ist für ihn ein Synonym für Israelfeindschaft uns, logisch, Antisemitismus.

Aber im Prinzip hat er vielleicht sogar recht. Welcher Künstler wird in Zukunft noch an einer Documenta teilnehmen wollen, die von ihm einen „Impftest“ gegen Antisemitismus oder Israelkritik fordern wird. Welcher moslemische Künstler wird noch kommen wollen, wenn man von ihm ein „Kosher-Zertifikat“ fordern würde, der natürlich von der israelischen Hasbara ausgestellt werden soll. Welcher freie Künstler wird sich freiwillig einer solchen aussetzen?

Die Documenta wird das werden, was eine solche Ausstellung schon einmal war, eine einseitige, langweilige Sammlung „Deutscher Kunst“ und im Kuratorium der Ausstellung werden Vertreter der israelischen Regierung sitzen zusammen mit dem jeweiligen Antisemitismusbeauftragten und Zentralrat der Juden Vorsitzenden. Dann wird kein „Bündnis gegen Antisemitismus“ den Teilnehmenden der kommenden Documenta Nähe zur israelkritischen BDS-Kampagne vorwerfen.

Es gibt zur Politik Israels mehr als eine Meinung, auch und besonders innerhalb Israels und unter den Juden weltweit. Und Elke Buhr schreibt in ihrer schonungslosen Kritik des ZEIT-Beitrags: „Es ist höchst unwahrscheinlich, dass bei einer programmatisch so auf Vielfalt angelegten Ausstellung mit zahlreichen politisch aktiven Kollektiven aus aller Welt, deren Beiträge eben nicht von Chefkuratoren kontrolliert werden, sondern deren Arbeiten in einer Atmosphäre der Freiheit entstehen sollen, keiner der Teilnehmer mit Kritik am Staat Israel in irgendeiner Form in Verbindung zu bringen ist. Wer damit nicht klarkommt, muss sich von der Idee einer internationalen Ausstellung generell verabschieden.“

Dass ein solch seriöses Medium wie die „ZEIT“ stattdessen solch einer primitiven Polemik Raum gibt, ist völlig unverständlich und auch überflüssig. Eigentlich hätte man von dieser einst liberalen Zeitung erwartet, dass sie sich für Meinungsfreiheit einsetzt und Meinungsvielfalt vertritt, denn davon lebt sie. Die ZEIT sollte jedwede Zensur bekämpfen und den Antisemitismus endlich nur dort sehen und bloßstellen, wo er tatsächlich auch hervortritt, nämlich als rassistischer Hass auf Juden und nicht als notwendige und vom Grundgesetz her erlaubte Kritik an Israels Politik. Merkels Aussage, dass Israels Sicherheit deutsche Staatsräson sei, ist nach Aussage ihres Vorgängers Bundeskanzler Helmut Schmidt falsch. Den Begriff Staatsräson gibt es im Alltag unseres politischen Lebens nicht. Es ist ein im Kern antidemokratischer Begriff. Merkel benutzt ihn vermutlich auch nur, um den besonderen Beifall rechtskonservativer Israelis zu erhalten

3 Gedanken zu „Documenta 15 – Kann Kunst antisemitisch sein?

  1. Warum soll man eigentlich kein Antisemit sein dürfen? Das jüdische Semitentum erklärt sich auf der Grundlage eines Aberglaubens (Baruch Spinoza) aus der Antike, den kein moderner Mensch befolgen kann. Die 613 Gebote und Verbote sind Regeln eines Aberglaubens, das Wohlwollen eines höheren Wesens zu beschwören. Die so genannten 10 Gebote sind nichts anderes als eine alt-rechtliche Ordnung der Dinge, kurz erklärt: Ganz oben steht der abstrakte Gott, die Heiligkeit seines bloßen Namens und sein Feiertag, ganz unten steht das Hab und Gut. „Du sollst nicht töten“; absolut gilt das nicht. Moses lässt einen Holzsammler vom Sabbat töten. Es darf also sehr wohl getötet werden für höhere Gebote; für Gottes Namen selbst bei Verstößen gegen die Sabbatruhe, aber nicht wegen Diebstahls. Die Halacha? Ein verworrenes Machwerk im Vergleich zum zeitgleich entstanden Codex Juris Civilis: Der Rabbi unterscheidet zwischen Horn-, Zahn- und Hufschaden, den ein unbeaufsichtigtes Rindvieh verursacht. Der Lateiner leitet den Schadensersatzanspruch von der Fahrlässigkeit her. Sigmund Freud analysierte, das die instinktive Ablehnung der christlichen Moral, die die staatliche Macht den Völkern als Christentum aufzuzwingen in der Lage war, den revolutionären Hass der Völker auf die Juden sublimierte. Zu allen Zeiten spielten profilierte Juden die „nützlichen Idioten“ (Lenin) für die Mächtigen der Welt. Rassischer Antisemitismus? Wer hat denn keine jüdischen Ahnen? Fast jeder gebildete Mensch hat sie. Warum? Weil gebildete Juden massenweise vom Judentum abfielen: Kardinal Lustiger und Mendelsohns Nachkommen, (z.B.). Als spezielles Beispiel für verquertes deutsches Remembering gelte die Seligmann-Villa in Hannover: Edgar Seligmann war zwei Mal verheiratet, nie mit einer halachischen Frau. Seine Nachkommen? Inzwischen Arier nach den Nürnberger Gesetzen. Aber Hannover gedenkt des ganz alten Seligmanns, der die Continentalwerke gegründet hatte. Die gehören seit 2008 (nicht 1938) zur Schaefflergruppe. Was macht man in Deutschland? Man setzt Antisemitismus mit Nationalsozialismus gleich. Das ist eben die Lüge des bundesdeutschen Systems, das eine erschlichene Fortsetzung des Nationalsozialismus ist. Und für das machen amtliche Juden wieder als „nützliche Idioten“ mit. Man kann also sagen, Antisemitismus ist eher Anti-Idiotismus als dass er Rassismus oder Nazitum wäre.

  2. Danke für diese Darstellung! Heute morgen hab ich im Radio einen Bericht über genau dieses Thema gehört, zumindest teilweise, weil ich später vor Zorn ausgeschalten habe. Meine Überzeugung ist auch, je mehr sie uns das so missbrauchte Wort “ Antisem…“ um die Ohren hauen, um so mehr züchten sie den Antisem….neu.

    • ja, so ist es. manche glauben, das müsse Absicht sein, um die Alija zu fördern. Aber es kann auch Narretei sein. Sigmund Freud vermutet eine kollektive Neurose, ich denke an eine ausgeprägte Egozentrik. Wollen Sie ein wenig Anti-S. propagieren? Der Harlan-Film wäre dafür gänzlich ungeeignet. Aber dem Film „yidl mitn fidl“ können Sie eine geeignete Szene entnehmen:
      „Gutes Essen ist die Hauptsache. Lasst alle essen und trinken bis zur Herzenszufriedenheit. Die Welt soll wissen, das Salman Gold es sich leisten kann …. das ist meine dritte Hochzeit. Nach meiner ersten und zweiten Hochzeit war das ganze Städtchen krank, weil sie sich überfressen haben“ (Anschließend lacht Salman dreckig) Er heiratet „nach afghanischer Art “ ein junges, anderweitig verliebtes Mädchen mit Einverständnis deren Eltern.
      Der Film war in jüdischen Kreisen sehr populär und sein Lied wird heute noch vorgetragen.
      Wie sagte schon Jesus: Denn sie wissen nicht, was sie tun

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