Es geht nicht um Antisemitismus, sondern um Sympathie mit Menschenrechten oder mit Israels Politik

von Jüdische Stimme für gerechten Frieden e.V.

Israels maßloser Versuch, die Hamas als Vertretung Palästinas ein für alle Mal zu liquidieren, treibt in Deutschland einen schon lange schwärenden Widerspruch auf die Spitze: Sympathie für Menschenrechte oder für Israel? Unsere Politiker reagieren schablonenhaft und die jüdische Gemeinschaft wirkt ratlos; gemeinsam rufen sie „Hilfe, Antisemitismus!“.

Aber wenn heute der Begriff „Antisemitismus“ verwendet wird, vernebelt er mehr als er erklärt. Denn die „antisemitische“ pseudowissenschaftliche „Rassenkunde“ – im „Dritten Reich“ an allen Schulen gelehrt -, der viele unserer Angehörigen und fast das ganze europäische Judentum zum Opfer fielen, ist heute kein Thema mehr.

Trotzdem gibt es weiter Hass gegen Juden. Dabei geht es nicht um Überlegenheit der „arischen“ gegen die „semitische Rasse“, sondern um allgemeine Vorurteile gegen Minderheiten und speziell um Angst vor einer „jüdischen Weltverschwörung“. Wenn aber in unserem wohlhabenden und lange von Krieg verschonten Land Menschen Juden hassen, weil sie sie als Teil einer „Weltverschwörung“ ansehen, so ist das offensichtlich unangemessen. Jedoch bei Menschen, deren Familien vor 67 Jahren enteignet und vertrieben wurden und die bis heute in Lagern, als Bürger zweiter Klasse in Israel, als ungern Geduldete in Jerusalem, als Gettoisierte in der Westbank und als hilflos Gefangene in Gasa leben, ist Wut auf Israel äußerst verständlich. Kann man es diesen Menschen verdenken, wenn sie „Israel“ mit „Juden“ gleichsetzen? Es ist doch Israel selbst, das als „jüdischer Staat“ anerkannt werden will!

Die jüdische Gemeinschaft in Deutschland und unsere Politiker müssen deutlich machen, dass Israel nicht mit Juden gleichzusetzen ist. Europa, dessen Judenhass zur Gründung Israels in Arabien führte, bekommt nun durch Israels Starrsinn diesen Hass auf Israel hierher zurückimportiert. Und wenn wir nicht dagegen angehen, kann daraus neuer Hass gegen Juden werden.

Aber wie kann man dagegen angehen? Diese verständliche Wut auf Israel wird man eben nicht durch „Antisemitismus“-Rufe zum Verschwinden bringen, sondern indem man die Ursachen dieser Wut behebt: Enteignung, Vertreibung, Besatzung, Diskriminierung. Da Israel nicht freiwillig Kompromisse sucht, muss es durch Sanktionen dazu bewegt werden. Deutsche Politiker sollten das an führender Stelle in der EU tun, denn sonst setzen sie eine deutsche Tradition fort: Mitläufer, die gegen besseres Wissen nichts gegen Unrecht tun.

Diejenigen Deutschen, die heute die palästinensische Position unterstützen (und laut Umfragen weniger Vorurteile gegen Juden haben als die Unterstützer Israels), setzen dagegen die Tradition der Menschlichkeit fort, die sich vor 75 Jahren im Widerstand gegen Unrecht zeigte. Entsprechend dieser Tradition der Menschlichkeit sollten wir Israel drängen, die Palästinenser für jahrzehntelang ihnen angetanes Unrecht um Verzeihung zu bitten.

 V. i. S. d. P.: Prof. Dr. Rolf Verleger, c/o Jüdische Stimme, Haus der Demokratie und Menschenrechte, Greifswalder Str. 4, 10405 Berlin.

Flugblatt der Jüdischen Stimme für gerechten Frieden e.V. zur Kundgebung des Zentralrats der Juden in Deutschland am 14.09.2014 vor dem Brandenburger Tor in Berlin (15.00 Uhr). Wer in Berlin wohnt oder zum Zeitpunkt in Berlin sein wird, ist willkommen.

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