Es geht nicht um Milky

von Noam Boni

Es ist nicht der Preis eines Milchshakes, es ist nicht die Wohnungsnot und es ist auch nicht die in Israel herrschende Korruption. Der einzige Grund, weswegen man Israel verlässt, ist der, dass die Hoffnung verloren gegangen ist.

Diejenigen, die die Auswanderer als Flüchtlinge beschimpfen, die „leichte Lösung“, verstehen nicht, wie schwer die Auswanderung ist. Auch wenn du durch High-Tech verwöhnt bist,  dass der Konzern, der dich geschickt hat, für alles notwendige sorgt, und du vom ersten Augenblick an Arbeit hast, und auch wenn du perfekt Englisch sprichst und nach New York umsiedelst.

Ich habe Israel mit Tränen in den Augen verlassen. Im Kino, im Supermarkt, in der Bank, bei Verabredungen – alles ist neu und unbekannt. Gar nicht zu reden von einem Arztbesuch. Auf jedem Gebiet und in jeder Minute musst du dich mit Dingen auseinandersetzen, die du nicht kennst. Du bist immer gespannt und oft überspannt. Und all das, ohne deine Familie und den Freunden, die du verlassen hast. Du bist allein.

Ich habe Israel nicht mit leichten Herzens verlassen. Menschen sind bereit, viel zu ertragen, bevor sie ihre Heimat verlassen. Hauptsache es gibt eine Hoffnung für die Zukunft, für eine bessere Zukunft. Diese Hoffnung habe ich verloren. Ich kann nicht sehen, wie Israel sich aus all den Gruben befreit, die es selbst für sich gegraben hat. Ich kann nicht sehen, wie der Rassismus und der Hass abnehmen, ohne dass die Schulen besser werden. Und wie sollen die Schulen besser werden, wenn der Etat für die Armee immer nur wächst? Und die Armee, wie soll sie schlanker werden, wenn die Ministerpräsidenten nur an Krieg denken, kurzsichtig und ohne Visionen? Und die Ministerpräsidenten, wie sollen sie gewechselt werden, wenn der Rassismus und der Hass steigen?

Die High-Tech-Auswanderer haben Israel nicht wegen Milky verlassen. Auch in Israel ging es uns gut. Jeder hat seine Gründe, warum er Israel verlassen hat: gesellschaftliche, politische, kulturelle oder innenpolitische. Die Gründe sind nebensächlich. Das ist das allgemeine Gesamtbild, weshalb  man das Land verlässt.  Menschen fragen mich, „Warum kommst du nicht zurück“? Nachdem du aber alle Anfangsschwierigkeiten überwunden hast, nachdem du angefangen hast, die lokale Kultur zu verstehen, den Slang und die gesellschaftlichen Umgangsformen, ist die Frage umgekehrt: Warum soll ich zurückkehren? Es stimmt, hier bin ich immer ein Einwanderer und mein Leben wird nicht leicht sein. Die Realität ist auch nicht ohne Probleme. Aber hier habe ich das Gefühl, dass es vorwärts geht. Weniger Religion, weniger Hass, mehr Freiheit, zum Beispiel bei der Ehe, Gleichheit für Frauen. Und inzwischen in Israel – mehr Religion, mehr Hass. Ich bin an einem Punkt angelangt, dass ich glaube, dass man nichts mehr „von Innen ändern“ kann. Ich habe aufgegeben. Ich ärgere mich immer noch über Nachrichten aus Israel. Ich fühle, dass das Zuhause, das in Israel war, verloren gegangen ist. Hoffentlich irre ich mich. Denn es ist besser, zuhause zu leben.

Übersetzt aus dem Hebräischen von Abraham Melzer.

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