von Elias Davidsson
Der erste Satz des Vorwortes von Esther Schapira sagt schon Vieles: “Wenn es um Israel geht, bin ich befangen.” Der Leser wird damit im Klartext gewarnt, er solle keine sachliche Behandlung des Themas von den Autoren erwarten. Das Buch handele viel mehr vom Jammern über die “Kälte” und die “Kaltschnäutzigkeit”, mit der “den Juden [in Deutschland] die Leviten gelesen werden.” (Vorwort, S. 11). Es sind die verlesenen Leviten über die Politik des Staates Israels, mit der die hauptamtlichen jüdischen Organisationen in Deutschland sich identifizieren.
Die Autoren versuchen nicht, ihrem 300-seitigen Buch einen Anschein der Sachlichkeit zu geben. Das Buch beinhaltet keine Fußnoten, keine Quellenangeben und kein Namenverzeichnis. Aber auch als Fiktion ist das Buch dürftig. Die Autoren erwarten von ihren Leser Treue und Glauben.
Als Rezensent muss ich auch die eigene Befangenheit zugeben. Aber mir geht es nicht um das Schicksal des Staates Israel, sondern um das Schicksal der Menschen, die in diesem Staat leben. Der Unterschied ist nicht akademisch. Die Sowjetunion gibt es nicht mehr als Staat. Auch Jugoslawien existiert nicht mehr. Staaten können geteilt werden, mit anderen Staaten verschmelzen oder ihre Verfassung gänzlich ändern. Die Abschaffung des Staates Israel als politische Struktur und dessen Umwandlung in einen demokratischen Staat für alle seine Bewohner, Israelis und Palästinensern, würde ich begrüßen, weil dies, aus meiner Sicht, die einzige nachhaltige Lösung des Konfliktes wäre.
Den Autoren des Buches geht es aber nicht um die Zukunft der Menschen in dem umkämpften Land, sondern um die Verteidigung eines Staatsgebildes, das sie einen “Staat der [Nazi] Opfer” nennen. Die Opfer des Holocaust würden diese Bezeichnung als Hohn empfinden. Holocaustüberlebende, die gezwungen wurden nach Israel nach dem Krieg zu gehen, wurden wie Dreck behandelt und abschätzig als “Seife” bezeichnet. Von den 192.000 Holocaustüberlebenden in Israel, lebten in 2007 etwa 50.000 in Armut. Einige sind aus Israel nach Deutschland ausgewandert, weil sie besser vom deutschen Staat als vom “jüdischen” Staat behandelt werden.
Die Methode der Autoren, die sich wie ein roter Faden durch das ganze Buch zieht, ist jene Kritiker der völkerrechtswidrige Politik des Staates Israels als getarnte Antisemiten “aufzudecken.” Dazu schreiben sie auf S. 23: “Der moderne Antisemit schlüpft in das Gewand des Antizionisten und stellt sich dumm.” Um die Dringlichkeit der Gefahr von angeblichen Antisemiten zu betonen, schreiben sie auf S. 24: “Jetzt riecht es hier [in Deutschland] immer gleich unangenehm nach Gas”, in Anspielung auf die Gaskammern in Auschwitz. Dieser Satz veranschaulicht die Qualität des Buches.
Trotz seiner propagandistischen Natur, beinhaltet das Buch zumindest eine beachtliche Anregung. Die Autoren beklagen sich über die mutmaßliche Doppelmoral, die aus einer überproportionalen Behandlung der israelischen Verletzungen des Völkerrechts und der Menschenrechte im Vergleich zu viel schlimmeren Handlungen seitens anderer Staaten besteht. Die Autoren erklären diese Diskrepanz als Beweis eines verdeckten Antisemitismus. Das kommt schon im ironischen Buchtitel zum Vorschein: “Israel ist an allem Schuld”.
Es gibt allerdings eine viel plausiblere Erklärung für diese bedauerliche Diskrepanz, nämlich die rege, organisierte und gut dokumentierte Aktivität von israelischen und jüdischen Friedensorganisationen. Man kann beinahe von einer kräftigen jüdischen Friedenslobby sprechen. Leider gibt es nicht solche Lobbys der Afghanen, der Iraker, der Syrier oder der Libyer, die imstande sind, in Deutschland Massendemonstrationen gegen die imperialen Aggressionen des Westens auf ihre Länder zu organisieren. Den Autoren geht es aber nicht um eine Solidarität mit den Millionen Opfern des Westens in der islamischen Welt, sondern um den Schutz des Staates Israel, als wäre dieser Staat am Wohl der Juden weltweit interessiert.
Wer sich für israelische Propaganda als Forschungsgegenstand interessiert, sollte sich kostenfreie Schriften vom israelischen Außenministerium bestellen. Propaganda aus dritter Hand zu lesen und dafür noch bezahlen, lohnt sich nicht.